Bioenergie - ein weites Forschungsfeld für die TA. Zwei Dissertationsprojekte erfolgreich abgeschlossen

TA-Projekte

Bioenergie – ein weites Forschungsfeld für die TA

Zwei Dissertationsprojekte erfolgreich abgeschlossen

von Gunnar Kappler, Stephan Lange, Stefan Kälber und Ludwig Leible

Das Thema „Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie“ hat im ITAS seit Ende der 1980er Jahre in unterschiedlichen Projekten und mit unterschiedlichen TA-Fragestellungen Eingang gefunden. Ausgangspunkt hierfür war die umfassende ITAS-Studie „Technikfolgenabschätzung zum Thema Nachwachsende Rohstoffe“ (Wintzer et al. 1993). Aktuelle Arbeiten konzentrieren sich auf vergleichende Analysen und Bewertungen von innovativen Technologien zur Bereitstellung von Kraftstoff aus Biomasse. Dies schließt einerseits technische und ökonomische aber auch umweltrelevante Aspekte mit ein. Andererseits werden konkurrierende Verfahren der Biomassenutzung zur Wärme-und Strombereitstellung mit einbezogen, insbesondere aber auch Vergleiche mit fossilen Energieträgern (Leible et al. 2007). Im Fokus der aktuellen systemanalytischen Untersuchungen steht das im Forschungszentrum Karlsruhe in der Entwicklung befindliche bioliq®-Konzept zur Erzeugung von Synthesekraftstoff aus Biomasse. Mit diesem Konzept soll die Bereitstellung und Nutzung von lignocellulosereicher Biomasse – wie zum Beispiel von Stroh oder Waldrestholz – zur Erzeugung von Kraftstoff sowohl technologisch als auch logistisch erleichtert werden. Zwei am ITAS erfolgreich abgeschlossene Dissertationsprojekte haben wesentlich zu den systemanalytischen Untersuchungen und der bewertenden Einordnung des bioliq-Konzepts beigetragen (Kappler 2008; Lange 2008). Diese werden anhand ihrer Zielsetzung und einiger Ergebnisse vorgestellt.

Das bioliq®-Konzept basiert auf einer Kombination von mehreren regional verteilten dezentralen Anlagen zur Schnellpyrolyse, in denen die Biomasse in eine Pyrolyseöl-Koks-Suspension (Slurry) konvertiert und in dieser Form anschließend zu einer zentralen Vergasungsanlage transportiert wird. Dort wird der Slurry nach einer Vergasung und FT-(FischerTropsch-)Synthese schließlich zu einem Biokraftstoff aufbereitet. Der Vorteil besteht darin, dass über die Produktion des Zwischenprodukts „Slurry“ die Biomasse direkt einem Flugstrom-Druckvergaser zugeführt werden kann (Vergaserdruck: bis 80 bar) und die Produktion eines nahezu teerfreien Rohsynthesegases möglich ist. Bei anderen Vergasungsverfahren ist dies nicht möglich. Darüber hinaus wird beim Slurry – verglichen mit der unbehandelten Biomasse – eine um den Faktor 10 höhere volumetrische Energiedichte erreicht. Damit verbunden sind logistische Vorteile beim Transport zu Großanlagen.

1     Ergebnisse aus dem Dissertationsprojekt von Gunnar Kappler

Gunnar Kappler konzentrierte sich in seiner Dissertation „Systemanalytische Untersuchung zum Aufkommen und zur Bereitstellung von energetisch nutzbarem Reststroh und Waldrestholz in Baden-Württemberg – eine auf das Karlsruher bioliq®-Konzept ausgerichtete Standortanalyse“ auf Potenzialuntersuchungen und logistische Fragestellungen unter Verwendung eines Geoinformationssystems. Für die Bewertung der für das bioliq®-Konzept spezifischen Bereitstellungsprozesse kommt der Kenntnis über das verfügbare Biomasseaufkommen und dessen räumlicher Verteilung eine besondere Bedeutung zu. Schließlich wird dadurch maßgeblich mitbestimmt, welche Orte als Anlagenstandorte von Pyrolyseanlagen potenziell geeignet erscheinen und welche Transportentfernungen für die Biomasseanlieferung und Bereitstellung des Slurry bis zur zentralen Vergasungs- / Syntheseanlage tatsächlich zurückzulegen sind.

Für die Gewinnung von Biokraftstoffen nach dem bioliq®-Konzept sind insbesondere die mengenmäßig bedeutsamen und bis dato noch weitestgehend ungenutzten Brennstoffe Waldrestholz und Getreide-Reststroh interessant, die als energetisch nutzbare Rückstände bzw. Nebenprodukte in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion anfallen.

Vor diesem Hintergrund war es Ziel der Systemanalyse von Gunnar Kappler, der Frage nachzugehen, an welchen Aufkommensorten welches Potenzial an Getreide-Reststroh und Waldrestholz für die energetische Nutzung zur Verfügung steht und inwieweit dies durch das räumlich dezentral-zentral gekoppelte bioliq®-Konzept ökonomisch bereitgestellt werden kann. Darüber hinaus sollte analysiert werden, welche Gebiete in Baden-Württemberg unter Berücksichtigung der vor Ort vorhandenen Landnutzungs- (vgl. Abb. 1) und Infrastruktur als Standort für eine Pyrolyseanlage geeignet erscheinen.

Abb. 1:   Geeignete Pyrolyseanlagen-Standorte in Baden-Württemberg zur energetischen Nutzung von Stroh und Waldrestholz

Abb. 1:   Geeignete Pyrolyseanlagen-Standorte in Baden-Württemberg zur energetischen Nutzung von Stroh und Waldrestholz

Quelle: Kappler 2008, S. 40 und S. 80, verändert

1.1   Potenzial an Stroh und Waldrestholz

Die Potenzialabschätzung zum Reststroh ergab für Baden-Württemberg (Basisjahr 2003) ein Bruttostrohaufkommen von rund 2,9 Mio. Mg[1] Frischmasse (FM), was einem durchschnittlichen Ertrag von 6 Mg FM pro ha Getreideanbaufläche gleichkommt. Unter Einberechnung des Bedarfs für die Viehhaltung (rund 0,9 Mio. Mg FM) und derjenigen Menge, die für den Erhalt der Humusbilanz (rd. 0,8 Mio. Mg FM) des Bodens abzuziehen ist, verbleiben schließlich rund 1,2 Mio. Mg FM bzw. 1,0 Mio. Mg Trockenmasse (TM) Stroh, welches dauerhaft dem landwirtschaftlichen Produktionsprozess entnommen und einer energetischen Nutzung zugeführt werden könnte.

Hinsichtlich des Waldrestholzes ergab die Auswertung für Baden-Württemberg ein theoretisch verfügbares Potenzial von jährlich rund 3 Mio. m3, was annähernd 1,6 Mio. Mg TM entspricht. Unter Berücksichtigung weiterer Holzsortimente (z. B. Schwachholz) könnte diese Menge auf bis zu 2,7 Mio. Mg TM erhöht werden. Abzüglich einer geschätzten Waldrestholz-Menge von ca. 0,3 Mio. Mg TM, die derzeit bereits als Brennholz genutzt wird, verbleibt ein theoretisch freies Potenzial von etwa 2,4 Mio. Mg TM. Bedingt durch restriktive Faktoren, wie z. B. Erschließungssituation und Besitzstruktur, dürfte hiervon allerdings lediglich ein Potenzial von ca. 1,2 Mio. Mg TM tatsächlich mobilisierbar sein, wovon wiederum nur die Hälfte als leicht verfügbar angesehen werden kann.

1.2   Bereitstellung von Stroh und Waldrestholz

Einen wesentlichen Schritt im Bereitstellungsprozess stellt die Erfassung der Biomasse an ihrem Aufkommensort dar. Für Erfassung und Bereitstellung von Stroh in Ballenform ergaben sich für die Verhältnisse von Baden-Württemberg in Abhängigkeit von Schlaggröße und Aufkommensdichte geschätzte Erfassungskosten von ungefähr 40 bis 70 €/Mg TM (Durchschnittswert unter Beachtung ortspezifischer Gegebenheiten: 63 €/Mg TM). Mit Blick auf eine kostenoptimierte Erfassung dürfte hierbei die Ausgestaltung einer effizienten Organisation – z. B. Einbeziehung von Maschinenringen – besonders bedeutend sein, weil der Einsatz schlagkräftiger Großballen-Pressen bei gleichzeitig optimaler Auslastung begünstigt wird.

Für die Erfassung und Bereitstellung des Waldrestholzes in Form von Hackschnitzeln können je nach örtlichen Gegebenheiten unterschiedliche, mehr oder weniger stark mechanisierte Erntesysteme bzw. Erntetechniken zum Einsatz kommen. Hieraus resultiert eine Kostenspanne von 30 bis 180 €/Mg TM (frei Waldstraße bzw. waldnaher Hackplatz). Unter Berücksichtigung unterschiedlicher ortspezifischer Gegebenheiten dürfte der durchschnittliche Erfassungskostensatz für Baden-Württemberg bei rund 80 €/Mg TM liegen. In Anbetracht dieser hohen Kosten-Bandbreiten verbleiben unter den gegenwärtigen Marktbedingungen noch große Mengen des Potenzials im Bestand. Inwieweit und wann es gelingen wird, diese bisher weitestgehend ungenutzten Potenziale zu mobilisieren und einer energetischen Nutzung zuzuführen, hängt in erster Linie von zwei Faktoren ab. Einerseits von der Preisentwicklung fossiler Energieträger und andererseits davon, inwieweit es gelingt, durch organisatorische Maßnahmen die Mobilisierung zu verbessern.

Ein weiterer Schritt im Bereitstellungsprozess ist der Transport. Für die Berechnung der Transportkosten wurden in Abhängigkeit des zu transportierenden Gutes (Strohballen, Hackschnitzel aus Waldrestholz und Slurry) und der zurückzulegenden Transportstrecke unterschiedliche Transportmittel und -varianten untersucht. Da durch die Konversion der Biomasse zu Slurry höhere Energiedichten erreicht werden, sind die spezifischen Transportkosten im Vergleich zur unbehandelten Biomasse deutlich geringer. Unter Berücksichtigung der Slurry-Produktionskosten ergeben sich ab einer Transportstrecke von ca. 150 km Kostenvorteile zugunsten der Slurry-Bereitstellung. Folglich wird durch das bioliq®-Konzept ein relativ kostengünstiger Transport über große Strecken ermöglicht. Insgesamt stehen für den Transport mehrere Transportmittel zur Verfügung, wobei deren Auswahl auch von der vor Ort zur Verfügung stehenden Infrastruktur abhängt. Aufgrund seiner Kostenstruktur und Flexibilität stellt der Lkw für alle hier diskutierten Transportgüter in den meisten Fällen das vorteilhafteste Transportmittel dar.

Wie die Auswertungen zum Transport zeigten, ist der Einfluss der Transportentfernung auf die Transportkosten weniger bedeutend als dies gemeinhin angenommen wird, da die Transportkosten auch die Kosten für das Be-, Um- und Entladen beinhalten, und dies bei geringeren Transportentfernungen zu deutlich höheren Transportkosten pro km führt als bei großen Transportentfernungen.

1.3   Geeignete Standorte für Pyrolyseanlagen

Die Bestimmung potenziell geeigneter Pyroly-seanlagen-Standorte erfolgte anhand der zuvor abgeschätzten ortsspezifischen Biomassepotenziale und Erfassungskosten als auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Landnutzungs- und Infrastruktur (vgl. Abb. 1). Es zeigte sich, dass besonders vorteilhafte Standorte für Pyrolyseanlagen ausschließlich in denjenigen Gebieten Baden-Württembergs liegen, welche über eine überdurchschnittlich hohe Reststroh-Aufkommensdichte verfügen. Aufgrund der teilweise hohen Bereitstellungskosten scheinen für Baden-Württemberg zum gegenwärtigen Zeitpunkt – bei einem ausschließlichen Einsatz von Stroh und Waldrestholz – nur einige wenige Standorte für eine Pyrolyseanlage (100 MWin) geeignet zu sein.

Wie die Analysen zeigten, stehen in Baden-Württemberg theoretisch zwar freie Potenziale an Reststroh und Waldrestholz für eine energetische Nutzung zur Verfügung; es wurde jedoch deutlich, dass eine umfassende Versorgung von Biomass-to-Liquid-Großanlagen mit ausreichenden Mengen an kostengünstiger Biomasse unter den gegenwärtigen Gegebenheiten kaum erreicht werden kann. Langfristig betrachtet könnte sich dies durch deutlich geänderte Rahmenbedingungen jedoch verbessern, sodass der Betrieb einer oder mehrerer Pyrolyseanlagen in Baden-Württemberg durchaus möglich erscheint. Allerdings sollte die Diskussion zum bioliq®- Konzept in punkto Biomasse und potenzieller Anlagenstandorte sehr viel weiter gefasst werden und nicht nur auf das in Deutschland oder in Europa Machbare beschränkt bleiben.

2     Ergebnisse aus dem Dissertationsprojekt von Stephan Lange

Stephan Lange konzentrierte sich in seiner Dissertation „Systemanalytische Untersuchung zur Schnellpyrolyse als Prozessschritt bei der Produktion von Synthesekraftstoffen aus Stroh und Waldrestholz“ auf den im bioliq®-Konzept wesentlichen Verfahrensschritt zur Slurry-Herstellung. 2007 wurde dieses Verfahren durch den Bau einer Demo-Anlage im Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) – mit einem Biomassedurchsatz von rund 500 kg pro Stunde – umgesetzt; derzeit findet die Inbetriebnahme statt.

Bereits zu Beginn seines Dissertationsvorhabens war festzustellen, dass sich die Schnellpyrolyse von Biomasse noch in der technologischen Entwicklung befindet. Es bestanden somit Wissensdefizite, die es noch nicht erlaubten, das vom FZK verfolgte Verfahrenskonzept zur Schnellpyrolyse zu bewerten oder gar in zukünftige Märkte einzuordnen. Im Mittelpunkt der Dissertation stand daher die Beantwortung folgender Fragen: 1.) Welche verfahrenstechnischen Unsicherheiten existieren beim jetzigen Entwicklungsstand der Schnellpyrolyse? 2.) Wie stellen sich die wesentlichen technischen und ökonomischen Kenngrößen der Schnellpyrolyse von Stroh und Waldrestholz im kommerziellen Maßstab dar? 3.) Welches Lernpotenzial kann bei der technologischen Entwicklung der Schnellpyrolyse erschlossen werden?

2.1   Schnellpyrolyse von Stroh und Waldrestholz

Die Schnellpyrolyse ist ein thermochemisches Verfahren, durch das bei ca. 500 °C und ohne Luftzufuhr aus Stroh und Waldrestholz hauptsächlich flüssige Produkte (Kondensat) und Koks hergestellt und als Sekundärbrennstoffe eingesetzt werden können. Für eine hohe Ausbeute an Kondensaten sind eine schnelle Aufheizung der Biomasse, eine kurze Verweilzeit der entstehenden Gase im Reaktor und eine schnelle Abkühlung der kondensierbaren Gase notwendig. Deshalb müssen die Abmaße der benötigten Biomassepartikel im Bereich weniger Millimeter liegen und der Wassergehalt der Biomasse sollte zehn Prozent nicht überschreiten. Dies bedingt eine aufwendige Konditionierung der Biomasse (insbesondere Zerkleinerung und Trocknung); damit verbunden ist ein nicht zu vernachlässigender Aufwand an Kosten und Energie.

Die durchgeführte Analyse des technischen Stands der Schnellpyrolyse zeigte, dass vor allem folgende verfahrenstechnische Unsicherheiten die weitere Technologieentwicklung beeinflussen werden:

Diese Unsicherheiten sind die wesentlichen technischen Barrieren bei der Entwicklung der Schnellpyrolyse und gelten generell für alle Schnellpyrolyse-Verfahren.

2.2   Lernkurven und Modellanlagen zur Schnellpyrolyse

Für die durchzuführende Prozesskettenanalyse wurden Modellanlagen zur Schnellpyrolyse von Stroh und Waldrestholz konzipiert. Dabei wurden bestehende verfahrenstechnische Unsicherheiten durch Annahmen ersetzt und durch Experteninterviews auf Plausibilität überprüft. Als Grundlage für die Modellanlagen diente das Schnellpyrolyse-Verfahren des FZK, das sich an ein Verfahren der Firma Lurgi anlehnt. Ausgehend von diesen Anlagen wurde ein Berechnungsmodell für die zu analysierenden technischen und ökonomischen Kenngrößen aufgebaut; hierbei waren methodische Ansätze zum Lernen in Produktionssystemen bzw. die Ableitung von Lernkurven ein Schwerpunkt. Mit Lernkurven ist es möglich, die Entwicklung der Produktionskosten nach der Markteinführung einer Technologie abzubilden und somit einen Vergleich neuer Technologien mit bekannten und etablierten Technologien durchzuführen.

Die Analyse der Lernkurven zeigte, dass sich erst bei einem Betrachtungszeitraum von zehn bis 20 Jahren merkliche Lernfortschritte heraus kristallisieren. Dabei sollte die Anzahl der untersuchten Anlagen größer als zehn sein und ein kontinuierlicher Zubau an Anlagen erfolgen. Dies bedeutete, dass für das Arbeiten mit Lernkurven ein detailliertes Szenario entwickelt werden musste. Durch den Zubau größerer Anlagen werden Lerneffekte durch Skaleneffekte überlagert; dies muss bei der Abschätzung von Lerneffekten in Produktionssystemen berücksichtigt werden. Aufgrund dieser Zusammenhänge wurde ein neuer Typ von Lernkurven eingeführt, der – mit Ausnahme der Kosten für die Ausgangsstoffe – alle Kostenblöcke beinhaltet.

Nachfolgend werden am Beispiel der Energiebilanz und Slurry-Kosten einige wesentliche Ergebnisse der Datengenerierung und -bewertung vorgestellt.

2.3   Energiebilanz zur Schnellpyrolyse

Bei der energetischen Bilanzierung der Schnellpyrolyse wurden die thermischen Verluste an die Umgebung genauso vernachlässigt wie die thermische Energie, die die Biomasse durch Zerkleinerung und Trocknung aufnimmt; in erster Näherung gleichen sich diese Effekte aus. Für den eigentlichen Prozess der Schnellpyrolyse werden rund sieben Prozent der eingesetzten Biomasseenergie benötigt (siehe Abb. 2); diese wird in Form von heißem Sand zugeführt. Der Hauptteil des Bedarfs an elektrischer Energie, der ca. vier Prozent der eingesetzten Biomasseenergie beträgt, wird jeweils zur Hälfte für die Zerkleinerung und Trocknung und für die Schnellpyrolyse und Slurry-Herstellung benötigt. Der Bedarf an elektrischer Energie wird als Primärenergie dargestellt, um ihn mit der Energie der Biomasse vergleichen zu können.

Abb. 2: Energiebilanzen zur Schnellpyrolyse von Stroh und Waldrestholz

Abb. 2: Energiebilanzen zur Schnellpyrolyse von Stroh und Waldrestholz

Quelle: Lange 2008, S. 70-71, verändert

Für die Herstellung von Slurry aus Stroh bzw. Waldrestholz werden rund 19 bzw. 26 Prozent der eingesetzten Biomasseenergie als zusätzliche Energie von außen für den Betrieb der Anlage benötigt. Nicht zu unterschätzen ist der Energieaufwand zur Trocknung des feuchten Waldrestholzes. In der Kondensationsstufe der Schnellpyrolyse müssen rund neun Prozent der eingesetzten Biomasseenergie als Wärme abgeführt werden. Der Prozesswirkungsgrad liegt bei jeweils ca. 76 Prozent.

2.4   Slurry-Kosten

Unter den getroffenen Annahmen lassen sich je nach Anlagengröße und Biomasseträger Slurry-Kosten zwischen 37 und 45 €/MWh für die erste kommerziell betriebene Anlage realisieren. Der Hauptteil der Kosten wird durch die Bereitstellung der Biomasse verursacht. Er liegt bei der 50 MWin-Anlage bei knapp 50 Prozent. Bei der Kalkulation der Slurry-Kosten wurde davon ausgegangen, dass 2020 in Deutschland ca. 0,8 Mio. Tonnen Synthesekraftstoff zur Verfügung stehen müssen, um die EU-Kraftstoff-Richtlinie zu erfüllen; hierfür werden Schnellpyrolyseanlagen mit einer Gesamtkapazität von 3000 MWin benötigt. Die niedrigsten Slurry-Kosten liegen dann im Fall von Waldrestholz bei 31 €/MWh, bei einer Anlagengröße von 100 MWin. Im Fall von Stroh liegen die niedrigsten Slurry-Kosten bei rd. 33 €/MWh, bei einer Anlagengröße von 150 MWin.

Für die wesentlichen Eingangsgrößen der Berechnungen wurden Sensitivitätsanalysen durchgeführt. Diese zeigten, dass die Ausbeute an Slurry für die Kalkulation der Slurry-Kosten der sensitivste Parameter ist. Die unterstellten Ausbeuten wurden bislang nur an Versuchsanlagen nachgewiesen, so dass hier noch ein großer Unsicherheitsfaktor besteht.

Die Bereitstellungskosten von Stroh und Waldrestholz erwiesen sich ebenfalls als sehr sensitiv. Dies hat Auswirkungen auf den Standort der Pyrolyseanlagen, denn durch die Wahl des Standorts können die Gesamtkosten durch kostengünstigere Biomasse stark gesenkt werden. (Hierauf hatte Gunnar Kappler, als Ergebnis seiner Standortuntersuchungen, bereits hingewiesen.)

Als Fazit ist festzuhalten, dass die Schnellpyrolyse als Konditionierungsschritt bei der Synthesegas- bzw. Kraftstofferzeugung aus Stroh und Waldrestholz noch erhebliches Entwicklungspotenzial bietet; für dessen Erschließung besteht allerdings ein großer Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsbedarf. Weil die Entwicklungsstände der Schnellpyrolyse und der Synthesegaserzeugung sehr unterschiedlich sind, ist es betriebswirtschaftlich sinnvoll, die Produktion von Slurry zunächst langsam auszubauen und die ersten Anlagen zur Produktion von Synthesekraftstoffen mit einer Mischung aus biogenen und fossilen Slurrys zu betreiben. Hier bieten sich z. B. Slurrys aus Petrolkoks und Schweröl oder aus minderwertiger Kohle an. Die zusätzliche Verwendung solch schwieriger Energieträger kann die Ausnutzung von vorhandenen Energieträgern merklich verbessern.

3     Ausblick

Wie bereits erwähnt, haben die Dissertationsprojekte von Gunnar Kappler und Stephan Lange wesentlich zu den systemanalytischen Untersuchungen und zur Bewertung des bioliq®-Konzepts des FZK beigetragen. Die Untersuchungen zeigen, dass die Kosten für Synthesekraftstoffe aus Stroh und Waldrestholz – je nach Anlagengröße und Biomasse – nach erfolgreicher technischer Umsetzung des Konzepts im Bereich von 0,95 bis 1,10 € pro Liter liegen dürften. Hierbei trägt die Biomassebereitstellung bis zu 65 Prozent zu diesen Kosten bei. Folglich lassen sich über preiswerte Biomasseträger am ehesten die Kosten reduzieren. In Ländern mit sehr preiswerter Biomasse könnte somit die Schwelle zur Wettbewerbsfähigkeit deutlich früher als in Deutschland erreicht werden. Auch wenn die industrielle Realisierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Deutschland eher fraglich ist, sollte unter Vorsorgeaspekten die Entwicklung des bioliq®-Verfahrens weiter vorangetrieben werden, damit – falls erforderlich – erneuerbare, flüssige Kohlenwasserstoffträger aus biogenen Rest- und Abfallstoffen bereitgestellt werden können. In diesem Zusammenhang sollte aber beachtet werden, dass sich die nötigen Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsarbeiten nicht nur auf anlagentechnische Prozesse konzentrieren, sondern dass sie vielmehr auch Bereitstellungstechniken und Mobilisierungsmaßnahmen zur Erschließung kostengünstiger Biomassepotenziale mit einschließen.

Anmerkung

[1]  Ein Megagramm (Mg) entspricht 106 Gramm oder einer Tonne (Anm. d. Red.).

Literatur

Kappler, G., 2008: Systemanalytische Untersuchung zum Aufkommen und zur Bereitstellung von energetisch nutzbarem Reststroh und Waldrestholz in Baden-Württemberg – eine auf das Karlsruher bioliq®-Konzept ausgerichtete Standortanalyse. Karlsruhe: Forschungszentrum Karlsruhe (Wissenschaftliche Berichte, FZKA 7416) (online unter: http://bibliothek.fzk.de/zb/berichte/FZKA7416.pdf; download 17.10.08)

Lange, S., 2008: Systemanalytische Untersuchung zur Schnellpyrolyse als Prozessschritt bei der Produktion von Synthesekraftstoffen aus Stroh und Waldrestholz. Karlsruhe ( online unter: http://digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/1000008977, download 13.1.09)

Leible, L.; Kälber, S.; Kappler, G. et al., 2007: Kraftstoff, Strom und Wärme aus Stroh und Waldrestholz – Eine systemanalytische Untersuchung. Karlsruhe: Forschungszentrum Karlsruhe (Wissenschaftliche Berichte, FZKA 7170) (online unter: http://www.tatup-journal.de/tatup072_leua07a.pdf; download 30.9.08)

Wintzer, D.; Fürniß, B.; Klein-Vielhauer, S. et al., 1993: Technikfolgenabschätzung zum Thema Nachwachsende Rohstoffe. Schriftenreihe des BML, Reihe A: Angewandte Wissenschaft, Sonderheft. Münster-Hiltrup

Kontakt

Dr. Gunnar Kappler
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Forschungszentrum Karlsruhe (KIT)
Postfach 3640, 76021 Karlsruhe
Tel.: +49 721 608-268 12
E-Mail: gunnar kappler∂kit edu