Vorstellung des Umweltgutachtens 2008 durch den SRU (Berlin, 18. Juni 2008)

Tagungsberichte

Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels

Bericht von der Vorstellung des SRU-Umweltgutachtens 2008
Berlin, 18. Juni 2008

von Christoph von Redwitz, Rostock

Der 1971 eingerichtete Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) berät die Bundesregierung zu wichtigen umweltpolitischen Handlungsfeldern. Das Umweltgutachten ist eine alle vier Jahre erscheinende Gesamtbilanz der deutschen und europäischen Umweltpolitik. Am 18. Juni 2008 übergab der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) das Umweltgutachten 2008 „Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels“ an Bundesumweltminister Siegmar Gabriel. Am selben Tag fand vor ca. 80 Teilnehmern auch die Vorstellung des Gutachtens für das Fachpublikum in den Räumlichkeiten der KfW Bankengruppe in Berlin statt, wo die Inhalte des Gutachtens anhand einiger Beispiele genauer beleuchtet wurden. Die Vorstellung des Umweltgutachtens 2008 folgte im Wesentlichen den Inhalten ihrer Kurzfassung. Die vorgestellten Punkte wurden exemplarisch und nicht wertend aus dem tausendseitigen Werk entnommen.[1]

1     Klima und der Lead-Market Umwelt

Konrad Ott begann die inhaltliche Vorstellung des Umweltgutachtens 2008 „Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels“ mit dem zentralen Thema „Klima“. Er eröffnete seinen Vortrag mit der Versicherung, dass es so gut wie keinen berechtigten Zweifel mehr daran gäbe, dass die aktuelle Klimaerwärmung anthropogen bestimmt sei. Um das zu verdeutlichen, nahm Ott Temperaturkurven als Indikator und stützte sich dabei auf Daten des IPCC 2007. Die Bemühungen der Politik sollten sich in der Klimapolitik darauf konzentrieren, das Ausmaß des Klimawandels einzudämmen. Als Beispiel für aus dem Klimawandel entstehende Risiken wurde Biodiversität ausgewählt. Hier sind vor allem die geänderten Beziehungen innerhalb der Ökosysteme von Bedeutung. Der Referent führte aus, dass Maßnahmen zur Eindämmung des Artenschwundes nicht einseitig ausgerichtet sein dürfen, sondern an vielen Punkten ansetzen müssen. So sei eine Stärkung der CO2-Senken wie Wälder und Moore genauso wichtig wie eine angepasste Landnutzung. Auf diese Weise lässt sich auch Klimaschutz und Schutz der Biodiversität kombinieren. Der SRU fordert das Festhalten am 2°C-Ziel des IPCC (obwohl die Zielerreichung unwahrscheinlich sei), eine Senkung der Emissionen von 80 Prozent bis 2050 und eine Verteilung der Emissionsrechte nach „constraction and conversion“. Solche ambitionierten Ziele sind auch ökonomisch lohnend, da die bisherigen Schadensbemessungen zu gering ausgefallen sind.

Diesen Punkt griff Martin Jänicke auf und stellte ihm entgegen, dass nicht nur die Schadensbemessung zu niedrig ausgefallen sei, sondern auch der vom Klimawandel ausgehende Innovationseffekt unterschätzt werde. So könnte sich Deutschland, auch durch eine gute Innovationspolitik, zu einem Lead-Market[2] in Sachen Umwelt entwickeln. Dieser Effekt ist ein neuer und auch der wirtschaftliche Umgang mit Umwelt ist neu. Innovative Umweltpolitik hat nicht, wie von vielen befürchtet, viel gekostet, sondern entwickelt sich immer mehr zu einer lukrativen Wirtschaft. Das Wachstum in den einzelnen Bereichen ist mit 15 bis 50 Prozent pro Jahr enorm.

Auch das Wachstum der „Energieeffizienz“-Industrie liege in diesem Trend und sei dabei die profitabelste Variante der Emissionssenkung. Allerdings gebe es (z. B. bei Kraftfahrzeugen oder der Kohleverstromung) noch einige Mängel: Die Kohleverstromung werde im Emissionshandel stark gefördert und gleichzeitig seien neue Werke geplant, die mit dem Versprechen der CO2-Einlagerung werben, ohne dass diese Technik marktfähig wäre oder auch nur abzusehen sei, dass sie es werde. Bei Kraftfahrzeugen gehe die Entwicklung der letzten Jahre hauptsächlich in Richtung höherer Leistung. Zusätzlich würden vorhandene Potenziale, wie die Senkung der Emissionen auf 80-95 g CO2/km bis zum Jahr 2020 nicht konsequent angegangen. Um die Energieeffizienz zu steigern, schlägt der SRU vor, die Kfz-Steuer zu reformieren, ein Tempolimit einzuführen (Signaleffekt) oder Maßnahmen für klimafreundliche Bauten zu fördern.

2     Naturschutz, Landwirtschaft und Lärmschutz

Das Thema „Naturschutz“ wurde von Christina von Haaren vorgestellt. Sie benannte – neben dem Klimawandel – invasive Arten[3], Flächenzerschneidung und den Biotopenschwund als die zentralen Herausforderungen für den Naturschutz. Von Haaren wählte zur Entwicklung einiger Forderungen des SRU die Landwirtschaft; hier seien einige Entwicklungen in Deutschland mangelhaft. So sank der Düngemittelverbrauch im europäischen Vergleich unzureichend, Grünlandumbruch werde selbst in Natura-2000-Gebieten[4] durchgeführt und gefährde nicht nur Biodiversität, sondern auch die Boden-, Wasser- und Luftreinheit. Speziell der Bodenschutz sei noch immer vernachlässigt. Hier müssten vor allem mehr messbare Werte entwickelt und eingeführt sowie die Bodenrahmenrichtlinie wieder in Angriff genommen werden. Naturschutz in der Landwirtschaft könne einerseits durch die „gute fachliche Praxis“ als Pflichtteil und andererseits in Form von Extrahonorierung von Leistungen gewährleistet werden. Konkret macht der SRU noch folgende Vorschläge, um die ökologischen Leistungen der Landwirtschaft zu fördern: die Einführung einer Agrar-Umweltberatung, ergebnishonorierte Förderung, Ausschreibungsverfahren für Projekte, Budgettransfer von der ersten in die zweite Säule und die Nutzung der Landschaftsplanung zur Konzentration der verfügbaren Mittel auf besonders bedürftige Gebiete.

Das Thema Naturschutz wurde von Hans-Joachim Koch abgerundet, indem er auf das im Entstehen begriffene Umweltgesetzbuch IIIeinging. Über allem anderen stehe hier die konsequente Grundkonzeption, eine vollständige Regelung durch den Bund mit einem Abweichungsrecht der Länder, transparente Verantwortungsübernahme und die grundsätzliche Vereinheitlichung. Es wurde vor allem der Aufforderung an den Gesetzgeber Ausdruck verliehen, hart zu bleiben, das Gesetz nicht weiter aufzuweichen und das Abweichungsrecht der Länder nicht weiter auszubauen. Weiter sollten Ausgleichsmaßnahmen zur Flächeninanspruchnahme nur vom Verursacher durchgeführt werden können. Eine Ausgleichszahlung des Verursachers sei nicht sachgerecht, so Koch. Die Maßnahmen sollten außerhalb bestehender Schutzgebiete durchgeführt werden, da nur so ein flächendeckender Umweltschutz möglich sei.

Zum Schluss ging Koch auf das neue Fluglärmschutzgesetz ein. Hier stellte er einen Erfolg des Umweltschutzes vor: Mit der Einrichtung von zwei Schutzzonen, angepassten Schutzwerten und Baubeschränkungen sei im Bereich des Lärmschutzes ein Durchbruch gelungen. Allerdings liege noch keine Lärmschutzverordnung vor, was noch eine Hürde darstelle. Bei der Betrachtung des Umgebungslärms bemängelte Koch, dass die Summenpegel noch nicht berücksichtigt wurden und die Grenzwerte der einzelnen Länder zu hoch seien.

3     Ressourcenschonung und -politik

Heidi Foth eröffnete den Bereich „Gesundheitsschutz und Ressourcenschonung“ mit einem Bericht über Risikobewertung von chemischen Stoffen. Sie machte deutlich, dass Risikobewertung viel mehr umfasse als die viel beachteten Arzneimittel, obwohl selbst hier Daten zur Beurteilung fehlten. Vor allem sei ungewiss, wie die verschiedenen Arzneimittel gemeinsam wirken, was eine Senkung ihres Einsatzes umso wichtiger mache. Auch die Entwicklung von Nanomaterialien erfordere eine Risikobewertung, da vom neuen Einsatz altbekannter Stoffe neue Gefahren ausgehen können. Die Chemikaliensicherheit konnte mit dem REACH-Programm vorangebracht werden. Die Träger dieses Programms bräuchten aber mehr Kapazitäten und Expertisen. Pflanzenschutzmittel stellten eine andere Art von Problem dar. Hier seien ausreichende Grenzwerte vorhanden, die allerdings noch synchronisiert werden könnten. Trotzdem tauchen die Stoffe unerwünscht in Grundwasser und Lebensmitteln auf. Hinzu komme, dass das Monitoring lückenhaft sei.

Mit seinem Beitrag zum Thema „Abfallund Ressourcenpolitik“ schloss Martin Faulstich den Abend ab. Man stehe vor dem Problem, dass trotz steigender Wiederverwertungsraten von Abfall die absolut deponierten Müllmengen nicht sinken. Vor diesem Hintergrund kritisierte Faulstich die Novellierung der Abfallrahmenrichtlinie, sie sei unbefriedigend ausgefallen. Die Abfallpolitik setze am Ende der Produktionskette an und könne die Stoffströme daher nicht steuern. Es sollte auf eine Ressourcenpolitik umgestellt werden, die die Produkte von Anfang an begleitet, denn dann könnten die Produkte auf ein Recycling ausgerichtet sowie ihr Schadstoffgehalt, der Werkstoff- und Energieeinsatz zur Produktion gesenkt werden.

4     Schlussbemerkung

Da die verschiedenen Vorträge ein so großes Feld umspannten, wurde nach jedem Block eine kurze Zeit für Fragen aus dem Auditorium freigegeben. So kamen Martin Jänicke und Konrad Ott dazu, den Bereich Energie etwas weiter zu beleuchten, wobei es meist private Meinungen waren: Im Bereich erneuerbare Energie habe Deutschland den Vorsprung gegenüber anderen Ländern eingebüßt. In den Exportländern würden ganze Entwicklungsstufen übersprungen und gleich an der Spitze technologischer Entwicklungen mitgemischt. Der oftmals auftretende Konflikt von Naturschützern und den Betreibern von Windkraftanlagen sei kaum zu vermeiden. Zwar werde auf lange Sicht die Stromgewinnung aus der Sonneneinstrahlung überwiegen, aber ein Atomausstieg ohne den Einsatz von Windkraft sei nicht möglich.

Die Vorstellung des Umweltgutachtens 2008 war für die meisten Mitglieder des SRU auch der Abschied aus ihrem Amt. So scheiden Koch, von Haaren, Jänicke, Michaelis und Ott aus dem Umweltrat aus. Dem inzwischen neu gewählten Rat, dessen Vorsitz Martin Faulstich innehat, gehören außerdem Heidi Foth, Christian Calliess, Olav Hohmeyer, Karin Holm-Müller, Manfred Niekisch und Miranda Schreurs an.

Anmerkungen

[1]  Das Gutachten sowie seine Kurzversion sind unter http://www.umweltrat.de abrufbar.

[2]  Ein Lead-Market ist ein Land, in dem Innovationen Erfolg haben und sich anschließend international durchsetzen.

[3]  Invasive Arten sind Tiere und Pflanzen, die in einem Land oder einer Gegend eigentlich fremd sind, aber sich neu ansiedeln. Dieses Verhalten wird zumeist durch den Menschen gefördert. Diese Arten sind mitunter sehr konkurrenzstark und können einheimische Arten aus ihren Nischen verdrängen. 4) Natura-2000 ist ein europaweites Netz aus Schutzgebieten. Sie werden nach einheitlichen Regeln ausgewählt und gemanagt.