ITAS-News
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Neue Bioenergie-Projekte bewilligt
Systemanalyse biogene Gase
Mit Bewilligung des Projekts „Systemanalyse biogene Gase“ (SNG) durch das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg (MLR) haben im ITAS die systemanalytischen Arbeiten zu biogenen Gasen begonnen. Die Nutzung von Biogas bzw. thermochemisch erzeugten Gasen und deren Aufbereitung auf Erdgasqualität zur Einspeisung in das Erdgasnetz stehen hierbei im Vordergrund. Im Oktober 2008 hatte das MLR das Projekt bewilligt (Laufzeit: Juli 2008 bis Dezember 2011); es wird vom Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Universität Stuttgart und vom ITAS koordiniert. Weitere Projektpartner sind die Universitäten Stuttgart (IVD), Karlsruhe (DVGW), Hohenheim (IAT) und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Stuttgart.
Ziel dieses Projektes ist die systemanalytische Untersuchung und Bewertung des Potenzials und der Perspektiven einer Erzeugung und energetischen Nutzung von biogenen Gasen als Erdgas-Substitut unter den Rahmenbedingungen Baden-Württembergs. Hierbei steht die Analyse der Erzeugung und Nutzung von Biogas und von thermochemisch erzeugten Gasen aus Biomasse im Vordergrund. Dazu werden die wesentlichen Verfahrensschritte der Erzeugung und Nutzung biogener Gase im Hinblick auf technische, ökonomische und umweltrelevante Parameter untersucht. Diese Verfahren werden mit denen einer direkten energetischen Nutzung von Biomasse zur Strom- und Wärmeerzeugung verglichen. Weiterhin soll die Bedeutung und Rolle der Nutzung biogener Gase für die energiewirtschaftliche Situation in Baden-Württemberg analysiert werden.
Die systemanalytischen Untersuchungen von ITAS zu diesem Projekt konzentrieren sich insbesondere auf folgende Bereiche:
- Konversionstechnologien: Analyse der Technologien zur Erzeugung biogener Gase (Biogas und thermochemischer Pfad);
- Aufbereitung und Einspeisung ins Erdgasnetz: Analyse der Technologien zur Aufbereitung und Einspeisung biogener Gase als SNG;
- Strom-, Wärme- und Kraftstoffbereitstellung aus SNG: Vergleich der Nutzung von SNG mit der direkten energetischen Nutzung der biogenen Gase.
Gaserzeugung aus Biomasse III
Das im April 2006 vom Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum Baden- Württemberg (MLR) bewilligte Projekt „Gaserzeugung aus Biomasse II“ wurde – aufgrund eines neuen Ressortzuschnitts zwischen den Ministerien – an das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg übertragen und firmiert jetzt unter dem Titel „Gaserzeugung aus Biomasse III“. Das Wirtschaftsministerium ist somit zuständig für das Projekt und neuer Auftraggeber; in diesem Zusammenhang erfolgte eine Anpassung der Projektausrichtung. Das Projekt läuft bis November 2009. Die beteiligten Institute des Forschungszentrums Karlsruhe sind ITCCPV, ITC-TAB und ITAS.
Die systemanalytischen Untersuchungen von ITAS zu diesem Projekt konzentrieren sich auf folgende Bereiche:
- Abschätzungen zum verfügbaren Aufkommen an Stroh, Waldrestholz und Heu (Basisjahr 2007); Prozesskettenanalysen zur Biomassebereitstellung (Erfassung, Konditionierung, Lagerung und Transport);
- Verfahrensvergleiche der Biomasseeinspeisung in einen Druckvergaser einerseits als Feststoff (Staub) über Druckschleusen und andererseits als Slurry über Pumpen;
- Verfahrensvergleich der Synthesegasnutzung zur Produktion von Fischer-Tropsch-Kraftstoff oder Methanol.
Beteiligt an beiden Projekten sind die ITAS-MitarbeiterInnen Ludwig Leible (Projektleitung), Beate Fürniß, Stefan Kälber, Gunnar Kappler und Eberhard Nieke.
Weitergehende Informationen zu beiden Projekten finden sich unter http://www.itas.fzk.de/deu/projekt/2008/leib0827.htm und unter http://www.itas.fzk.de/deu/projekt/2006/leib0627.htm.
(Ludwig Leible)
Internationales Endlagersymposium in Berlin
Endlager-Experten aus dem In- und Ausland trafen sich vom 30. Oktober bis zum 1. November 2008 in Berlin auf Einladung des Bundesumweltministeriums (BMU) mit Bürgern aus deutschen Regionen, die als Endlagerstätten im Gespräch sind. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hatte diese Veranstaltung bei seinem Besuch in der Region Gorleben im Herbst 2007 zugesagt. Daraufhin hatte ein Programmkomitee unter Leitung von Peter Hocke (ITAS) die Veranstaltung vorbereitet und durchgeführt. Das Programmkomitee setzte sich zusammen aus Vertretern von Bürgerinitiativen, der evangelischen Kirche, des BMU und des Umweltministeriums Baden-Württemberg, der Landkreise Lüchow-Dannenberg und Waldshut sowie des Bundesamtes für Strahlenschutz und der Gesellschaft für Nuklear-Service. Da in Deutschland die Errichtung eines Endlagers für hochradioaktive, Wärme entwickelnde Abfälle festgefahren ist, wollte das Endlagersymposium dazu beitragen, den Dialog zwischen Politikern, der interessierten Öffentlichkeit, Wissenschaftlern sowie verantwortlichen Akteuren wieder aufzunehmen. Dabei wurde sowohl über die Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung solcher hochradioaktiver Abfälle als auch über die Verfahrensfragen bei der Auswahl einer Endlagerungsstätte diskutiert. Unter der wissenschaftlichen Moderation und Leitung des ITAS wurde weiterhin der Frage nachgegangen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssten, um die Standortsuche und -festlegung fair und nachvollziehbar zu gestalten.
Der Tagungsband erscheint im Sommer 2009; Tagungsmaterialien werden auf den Websites von BMU und ITAS zur Verfügung gestellt.
Personalia
Dissertation erfolgreich abgeschlossen
Axel Woitowitz hat seine Promotion „Auswirkungen einer Einschränkung des Verzehrs von Lebensmitteln tierischer Herkunft auf ausgewählte Nachhaltigkeitsindikatoren – dargestellt am Beispiel konventioneller und ökologischer Wirtschaftsweise“ erfolgreich abgeschlossen. in der Dissertationsschrift, beschäftigt sich Woitowitz, ehemaliger Doktorand am ITAS, mit den Auswirkungen eines veränderten Konsums von Lebensmitteln tierischer Herkunft (Fleisch, Milch und Eier) auf ausgewählte Indikatoren einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland. Der Untersuchungsrahmen umfasst das gesamte Ernährungssystem inklusive Landwirtschaft, Verarbeitung, Transport und Verteilung. Analysiert werden die Effekte unter konventioneller, ressourcenschonender und ökologischer Bereitstellung von Nahrungsmitteln auf die Flächeninanspruchnahme, den Energieverbrauch, die Klimagasbilanz und die Beschäftigung. Die Arbeit ist immer Internet verfügbar: http://mediatum2.ub.tum.de/doc/619300/619300.pdf (download 12.11.08).
TA in der Lehre
Armin Grunwald bietet im laufenden Wintersemester an der Universität Karlsruhe eine Vorlesung zum Thema „Mehr als eine Zukunft – Einführung in die Technikfolgenabschätzung“ an. Vor dem Hintergrund, dass TA vor allem die Aufgabe hat, die (zukünftigen!) Folgen von Technik umfassend zu erforschen und zu bewerten, um Entscheidungen über Technik möglichst gut vorbereitet treffen zu können, umfasst die Vorlesung folgende Aspekte: Geschichte und Institutionen der TA, Konzeptionen der TA, Methoden (vor allem Prognose- und Bewertungsverfahren), Praxis der TA in Wissenschaft, Politik und Industrie. Thematische Schwerpunkte sind Technikfragen und Technikfolgen aus dem Energiebereich, aus Informations- und Kommunikationstechnik sowie aus der Nanotechnologie. Ein methodologischer Schwerpunkt besteht darin, das für die Zwecke der TA erforderliche prospektive Wissen wissens- und erkenntnistheoretisch zu klassifizieren.
Liselotte Schebek hält im laufenden Wintersemester 2008/09 eine Vorlesung zum Thema „Stoffstromanalyse und Life Cycle Assessment“ an der Universität Karlsruhe, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion. Die Vorlesung führt in systemtheoretische und modelltechnische Grundlagen der Stoffstromanalyse ein. Aufbau und einzelne Module des Life Cycle Assessment werden im Detail vorgestellt und im Rahmen der Entscheidungsunterstützung, v. a. im Kontext der Entwicklung innovativer Technologien, erläutert. Hierbei wird auch auf die neueren Entwicklungen des „Life Cycle Costing” und der „Social LCA” eingegangen. Lernziele sind die Erkenntnis der Bedeutung von Stoffstromsystemen der Technosphäre für Ökonomie und Ökologie, die Vermittlung von Grundlagen und Methodik der systemanalytischen Instrumente „Stoffstromanalyse“ und „Life Cycle Assessment” sowie die Befähigung zur Anwendung des Life Cycle Assessment in praktischen Entscheidungskontexten, insbesondere in der Wirtschaft.
Verabschiedung langjähriger Mitarbeiter
Sigrid Klein-Vielhauer (Diplom-Volkswirtin) ist seit August 2008 im Ruhestand. Frau Klein-Vielhauer hatte seit 1976 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im ITAS gearbeitet (vormals Abteilung für Angewandte Systemanalyse) und sich im Schwerpunkt mit methodischen Fragen umfassender Analysekonzepte und Handlungsinstrumente aus den Bereichen Energie, Umwelt, Verkehr, Freizeit und Tourismus befasst. Zuletzt arbeitete sie im Projekte „Nachhaltigkeit und Freizeit und Tourismus“, in dessen Rahmen unter anderem die Grundzüge bisheriger Ansatzpunkte in diesem Themenfeld herauskristallisiert und mit internationalen Räumen und Akteuren verglichen wurden.
Achim Stadtherr hat das Forschungszentrum zum 30. September verlassen. Herr Stadtherr hatte seit Ende 2002 bei der Zentralabteilung Technikbedingte Stoffströme (ITAS-ZTS) gearbeitet und war dort beim Aufbau des Netzwerks Lebenszyklusdaten beteiligt. Sein Schwerpunkt lag im Bereich der methodischen Grundlagen und des Aufbaus einer informationstechnischen Infrastruktur für die Bereitstellung von Daten für Lebenszyklusanalysen. Herr Stadtherr, der ein Studium als Diplom-Ingenieur für Technischen Umweltschutz in Berlin absolviert hatte, hat zum 1. Oktober 2008 eine Tätigkeit als Massen- und Stoffstrommanager in einem Bauunternehmen in der Region Karlsruhe aufgenommen. In einem kleinen Team ist er dort für die fachgerechte Entsorgung und Verwertung der mineralischen Materialien sowie für die Betreuung von zugehörigen Betriebsstätten zuständig.
Neue Veröffentlichungen
Technik und Politikberatung bei Suhrkamp erschienen
Der wissenschaftlich-technische Fortschritt, beispielsweise in der Nanotechnologie, der Raumfahrt, Energie- und Medizintechnik, wirft weitreichende Fragen auf, die von der Gesellschaft und der Politik beantwortet werden müssen. Armin Grunwald, Leiter des ITAS, des TAB und Professor für Technikphilosophie und Technikethik an der Universität Karlsruhe, geht in seinem Buch den philosophischen Dimensionen der Politikberatung zu Fragen der Technik nach. In konzeptionellen Analysen und anhand von konkreten Beispielen zeigt er, dass diese philosophische Dimension über Fragen der Ethik weit hinausreicht. Der Philosophie kommen im Geschäft der gesellschaftlichen Technikgestaltung und der diesbezüglichen Politikberatung vielmehr und vor allem aufklärende, kritische und hermeneutische Funktionen zu, die für eine demokratische Auseinandersetzung über Fragen des technischen Fortschritts unentbehrlich sind.
Bibliografische Angaben:
Armin Grunwald: Technik und Politikberatung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag 2008, (Reihe: suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1901), 403 S., ISBN 978-3-518-29501-4, € 14,00
Philosophisch-ethische Fragen der nanotechnologischen Zukunft
Hohe Erwartungen an die Nanotechnologie, aber auch weit reichende Befürchtungen haben rasch die gesellschaftliche Tragweite dieser Technologie für die nächsten Jahrzehnte und für die Zukunft des Menschen erkennen lassen. Das Ende November erschienene Buch nimmt die bislang vorliegenden Überlegungen zum Thema „Ethik der Nanotechnologie“ auf, systematisiert sie und entwickelt sie weiter. Schwerpunkte der Reflexion sind die Themen Nanopartikel und Vorsorgeprinzip, Nanobiotechnologie und künstliches Leben, Neuroimplantate sowie „technische Verbesserung“ des Menschen. Im Ergebnis zeigt sich ein breites Spektrum von ethisch relevanten Fragen der Nanotechnologie, die von den sehr konkreten Herausforderungen im Umgang mit Nanopartikeln bis hin zu den spekulativen Fragen im Umkreis der Zukunft der Natur des Menschen reichen. Dabei geht es dem Autor nur zum Teil um eine unmittelbare ethische Reflexion, also um Antworten auf in der Frage „Was tun?“ und die darin enthaltenen normativen Unsicherheiten. Vielmehr schiebt sich immer wieder die hermeneutische Dimension der angesprochenen Fragen in den Vordergrund. Selbstverständigungsdebatten und Kontroversen über atomaren Reduktionismus, über das Verhältnis von Mensch, Natur und Technik oder über eine Technisierung des Menschen prägen das Feld und eröffnen philosophische Anschlussmöglichkeiten auch jenseits der Ethik.
Bibliografische Angaben:
Armin Grunwald: Auf dem Weg in eine nanotechnologische Zukunft. Philosophisch-ethische Fragen. Freiburg: Verlag Karl Alber 2008, (Reihe: Angewandte Ethik, Band 10), 388 S., ISBN 978-3-49548327-5, € 22,00
Von Aufklärung bis Zweifel
Wer sich mit der Geschichte philosophischen Denkens in der frühen Neuzeit befasst, kann an den Arbeiten von Siegfried Wollgast zu Problemen und Personen dieser Zeit nicht vorbeigehen. Sie befassen sich mit einer kulturellen Traditionslinie, die in aktuellen Debatten immer wieder aufscheint. Das hat er generell und im Detail in seinen Publikationen nachgewiesen. Der 75. Geburtstag von Wollgast ist Anlass für die Herausgeber, die alle mit ihm zusammengearbeitet haben und weiter engen Kontakt mit ihm pflegen, ihm diese Festschrift zu widmen. Das Thema „Von Aufklärung bis Zweifel“ benennt zum einen das Spezialgebiet des Jubilars, die historischen Wurzeln der Aufklärung aufzudecken, und zeigt zum anderen die Breite seiner Forschungen auf dem Gebiet der Philosophie, Geschichte und Philosophiegeschichte.
Bibliografische Angaben:
Gerhard Banse, Herbert Hörz, Heinz Liebscher: Von Aufklärung bis Zweifel. Beiträge zu Philosophie, Geschichte und Philosophiegeschichte. Festschrift für Siegfried Wollgast. Berlin: trafo verlag 2008, (Reihe: Abhandlungen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften, Band 25), 483 S., ISBN 978-389626-655-2, € 42,80
Neuer FZKA-Bericht
Meinfelder, T., Richers, U.: Entsorgung der Schlacke aus der thermischen Restabfallbehandlung. Karlsruhe 2008: Forschungszentrum Karlsruhe (Wissenschaftliche Berichte, FZKA 7422)
Vorstellung von zwei neuen Dissertationsprojekten
Empirische Untersuchung der Entstehungsprozesse von Energieszenarien
Zum Dissertationsprojekt von Christian Dieckhoff[1]
1 Hintergrund
In der öffentlichen wie politischen Diskussion über die zukünftige Energieversorgung sind Szenarien in mindestens dreifacher Hinsicht prägend: Erstens werden mit ihrer Hilfe Technologien und regulative Maßnahmen beschrieben und damit als Option für die Gestaltung der zukünftigen Energieversorgung kenntlich gemacht (vgl. z. B. Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung et al. 2002). Zweitens werden diese Optionen bewertet, indem beispielsweise die ökonomischen Kosten ihrer Einführung benannt und miteinander verglichen werden (vgl. z. B. Frohn et al. 2003). Drittens transportieren Szenarien Wertvorstellungen, politische Meinungen oder allgemein Vorstellungen über eine für möglich gehaltene, gewünschte oder gar befürchtete Zukunft (Fischedick 2001, S. 235, und Greeuw et al. 2000, S. 9).
Auffällig ist, dass Energieszenarien sich in ihrer Struktur, ihrer Darstellungsform und in der zugrunde liegenden Methodik stark unterscheiden: In manchen Publikationen wird ein einzelnes Szenario dargestellt, in anderen dagegen mehrere, die dann miteinander verglichen werden. Manchmal werden narrative Beschreibungen von Entwicklungen in Textform präsentiert, ein anderes Mal grafische Darstellungen von quantifizierten Größen. Viele Szenarien werden mit Hilfe von Computermodellen „berechnet“, einige dagegen in einem diskursiven Verfahren erstellt.
Ausgangspunkt des Dissertationsvorhabens von Christian Dieckhoff ist die Vermutung, dass Energieszenarien vor allem deshalb schwer im Rahmen einer Meinungsbildung oder politischer Entscheidungsfindung bewertet werden können, weil vielfach die jeweiligen Hintergründe ihrer Erstellung und die dabei getroffenen Annahmen nicht ausreichend expliziert werden.
2 Gegenstand der Untersuchung
Vor diesem Hintergrund werden solche Energieszenarien in den Blick genommen, die im Auftrag staatlicher Institutionen von wissenschaftlichen Instituten in Deutschland unter Zuhilfenahme mathematischer Modelle erstellt und als schriftliche Publikation veröffentlicht wurden, da für diese Publikationen das Gebot größtmöglicher Transparenz gilt. Viele dieser Szenarien werden in der Literatur als alternative Zukunftspfade dargestellt, die miteinander oder mit einer Referenzentwicklung verglichen und bewertet werden. Für Außenstehende ist in der Regel schwer nachvollziehbar, welche Geltung den Szenarien seitens der Autoren zugeschrieben wird, womit diese Geltung begründet und inwieweit sie durch implizite oder explizite Annahmen und Voraussetzungen eingeschränkt wird.
3 Forschungsansatz
Ziel des Promotionsvorhabens ist, einen Beitrag zur Klärung der Entstehungsprozesse von Energieszenarien zu leisten. Dabei geht es besonders um die Praxis der Erstellung von Energieszenarien, denn die geschilderte Problemlage wird in erster Linie darauf zurückgeführt, dass seitens der verschiedenen Autoren sehr unterschiedliche Ansichten darüber vertreten werden, was mittels Szenarien ausgesagt werden kann und wie diese Aussagen begründet werden können. Diese Ansichten sind bisher nicht systematisch betrachtet worden und insbesondere ihre Abhängigkeit von unterschiedlichen Modellansätzen scheint besonders klärungsbedürftig. Außerdem werden auch die weiteren Entstehungsbedingungen – darunter die Rolle des Auftraggebers – näher in den Blick genommen.
Für die Untersuchung wird ein explorativ ausgerichteter Ansatz gewählt, in dem als zentrale Methode eine in zwei Wellen gestaffelte Befragung der beteiligten Akteure mittels leitfadenbasierter Interviews durchgeführt wird. Die Untersuchung der Entstehungsprozesse geschieht damit nicht, indem eine theoretische Erklärung „von außen“ an das Feld herangetragen und überprüft wird, sondern durch eine gemeinsame Rekonstruktion der Arbeitsweisen und Überzeugungen unter Beteiligung der Akteure (Flick 2002, S. 69).
Für die erste Welle der Untersuchung wurden bereits zehn verschiedene einschlägig tätige Institute ausgewählt und dort jeweils ein Interview mit einem in der Szenarienentwicklung tätigen Mitarbeiter durchgeführt. In der zweiten Welle wird der Fokus auf einen oder mehrere spezielle Aspekte gerichtet. Indem auch Vertreter der beauftragenden Institutionen interviewt werden, soll unter anderem näher untersucht werden, welchen Einfluss der Auftraggeber über die expliziten Vorgaben hinaus auf die Studie hat oder worin sich der Geltungsanspruch von Energieszenarien nach Ansicht der Autoren von der Geltungserwartung der Auftraggeber unterscheidet und wie mit den resultierenden Spannungen umgegangen wird. Als weitere mögliche Fragestellungen wurden bisher die Fragen identifiziert, wie in der gängigen Praxis der Szenarienerstellung die Subjektivität des Modellierers systematisch reflektiert wird oder wie versucht wird, bei der Modellierung, die „Korrektheit der Abbildung“ sicherzustellen.
Anmerkung
[1] Christian Dieckhoff schloss 2006 sein Studium des Maschinenbaus in der Vertiefungsrichtung Energie- und Umwelttechnik sowie der Angewandten Kulturwissenschaft als Begleitstudium an der Universität Karlsruhe (TH) ab. Anschließend arbeitete er am ITAS im Rahmen eines Praktikums im STOA-Projekt „Alternative technology options for road and air transport“ mit.
Literatur
Fahl, U.; Rühle, B.; Blesl, M. et al., 2007: Energieprognose Bayern 2030. Forschungsbericht; http://elib.unistuttgart.de/opus/volltexte/2007/3372/pdf/FB102.pdf (download 7.4.08)
Fischedick, M., 2001: Vom Würfel zum Energiemodell. In: Langniß, O.; Pehnt, M. (Hg.): Energie im Wandel: Politik, Technik und Szenarien einer nachhaltigen Energiewirtschaft. Berlin, S. 233-240
Flick, U., 2002: Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg
Frohn, J.; Chen, P.; Hillebrand, B. et al., 2003: Wirkungen umweltpolitischer Maßnahmen. Abschätzungen mit zwei ökonometrischen Modellen, Heidelberg
Greeuw, S.; van Asselt, M.; Grosskurth, J. et al., 2000: Cloudy crystal balls. An assessment of recent European and global scenario studies and models, Copenhagen
Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung; Wuppertal Institut; Prognos AG, 2002: Szenarienerstellung für die Enquete-Kommission „’Nachhaltige Energieversorgung’„ des Deutschen Bundestages; http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=111&id=1040 (download 12.7.07)
Energie aus Mikroalgen. Potenziale zur Energieerzeugung verschiedener Produktsysteme
in ausgewählten Regionen Europas
Zum Dissertationsprojekt von Johannes Skarka[1]
1 Hintergrund
Die Zukunft der Energieversorgung ist ein viel diskutiertes Thema. Insbesondere den erneuerbaren Energien wird eine wichtige Rolle dabei zugesprochen, den zukünftigen Energiebedarf umweltverträglich und mit besonderem Augenmerk auf den Klimaschutz zu befriedigen. Die Nutzung von Energiepflanzen steht mittlerweile in der Kritik, da insbesondere die Herstellung von Biokraftstoffen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und zu den Zielen des Naturschutzes steht. Außerdem sind die Treibhausgaseinsparungen teilweise nur gering, in einigen Fällen (z. B. bei der Umwandlung von Regenwald zu Soja- oder Ölpalmenplantagen) treten sogar mehr Treibhausgasemissionen auf als bei der Nutzung fossiler Kraftstoffe.
Auf der Suche nach alternativen Bioenergieträgern, bei denen diese Probleme nicht auftreten, stehen derzeit neben biogenen Reststoffen und holzartiger Biomasse verstärkt Mikroalgen[2] im Mittelpunkt des Interesses. Mikroalgen werden bereits heute in Becken oder Photobioreaktoren zur Produktion von Feinchemikalien und Health-Food kultiviert. Da ihre Produktion nicht auf ackerbaulich nutzbare Standorte beschränkt ist und ihre Trockenmasseerträge pro Flächeneinheit diejenigen anderer Energiepflanzen um etwa das Zehnfache übersteigen können, gelten Mikroalgen als nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehend (Patil et al. 2008). Für die Nährstoffbereitstellung können kommunale und landwirtschaftliche Abwässer verwendet werden, wodurch Nährstoffe rückgewonnen und Düngemittel eingespart werden. Außerdem benötigen Mikroalgen für ein optimales Wachstum hohe CO2-Konzentrationen, was die Nutzung von Kraftwerksabgasen ermöglicht. Zwei große Stromversorger Deutschlands haben bereits Pilotanlagen zur CO2-Abscheidung mit Hilfe von Mikroalgen in Betrieb genommen. Ziel ist die Reduktion der CO2-Emissionen von Kraftwerken, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.
2 Fragestellung
Welchen Beitrag Mikroalgen zur Energiegewinnung leisten könnten und was das für den Klimaschutz und andere Umweltbereiche bedeuten würde, ist bislang nur wenig erforscht. Einenersten Überblick über globale Potenziale geben van Harmelen und Oonk (2006). Ihre Abschätzung erfolgte, indem die Verfügbarkeit von CO2, Fläche und Nährstoffen aus Abwässern indirekt über die Bevölkerungsdichte und den Bestand an Schweinen und Rindern abgeleitet wurde. Als klimatisch geeignet wurden alle Standorte mit einer Jahresmitteltemperatur von über 15°C angesehen, die zwischen 37° nördlicher und 37° südlicher Breite liegen. Aufgrund der indirekten Vorgehensweise konnte die Flächenverfügbarkeit jedoch nur schlecht abgebildet werden. Außerdem wurde Europa für die Abschätzung nicht berücksichtigt.
Im Rahmen des Dissertationsprojektes von Johannes Skarka wird daher eine Methode entwickelt, mit deren Hilfe Potenziale zur Energieerzeugung aus Mikroalgen mit einer guten räumlichen Auflösung abgeschätzt werden können und die Standortfaktoren möglichst direkt berücksichtigt. Diese Methode wird dann auf ausgewählte Regionen Europas angewendet.
3 Vorgehen
Dazu müssen zunächst die einzubeziehenden Produktsysteme ausgewählt und modelliert werden. Hier ist eine Vielzahl von Systemen denkbar (Chisti 2007). Neben den oben genannten Nutzungsmöglichkeiten zur Erzeugung von Health-Food und Feinchemikalien, als Bioenergieträger, beim Nährstoffrecycling und bei der CO2-Abscheidung können Mikroalgen auch zur Futtermittelproduktion und zur Produktion von Biopolymeren eingesetzt werden. Die nicht energetischen Produkte oder Nutzungsarten können in der Regel mit der Gewinnung von Bioenergieträgern gekoppelt werden, was ökologisch sinnvoll ist und außerdem die Kosten senkt. Zusätzlich zu diesen Kombinationen gibt es verschiedene Möglichkeiten aus Algen Energieträger zu gewinnen. In den Algen enthaltene Öle oder Kohlenhydrate können zu Biodiesel oder Ethanol prozessiert werden. Die Algenbiomasse kann in Fermentern zu Biogas vergoren oder mit thermo-chemischen Verfahren aufgeschlossen werden. Einige Algenarten sind auch in der Lage photobiologisch Wasserstoff zu erzeugen (Skjanes et al. 2007).
Zur Potenzialabschätzung dieser verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten müssen die wichtigsten Einflussfaktoren identifiziert und quantifiziert werden. Auf der einen Seite sind dies die Flächenverfügbarkeit und standortspezifische Stoff- und Energiequellen wie Kläranlagen, Kraftwerke und Sonneneinstrahlung. Auf der anderen Seite ist bei der kombinierten Energie- und Stoffproduktion die Nachfrage nach den Koppelprodukten zu berücksichtigen – insbesondere wenn es sich um kleine Marktvolumina handelt. Mit Hilfe eines Geoinformationssystems können darauf aufbauend die Nutzungspotenziale berechnet werden. Die Datenverfügbarkeit wird über den Detailgrad und die Güte der räumlichen Auflösung entscheiden. Die Methode sollte prinzipiell überall anwendbar sein. Um den Aufwand für die Datenerhebung in Grenzen zu halten, wird sie am Beispiel ausgewählter Regionen Europas angewendet. Für diese Regionen müssen die standörtlichen Gegebenheiten (Klima, Bevölkerungsdichte) möglichst unterschiedlich und die erforderlichen Daten gut verfügbar sein.
4 Zielsetzung
Die Arbeit soll eine Methode zur räumlich detaillierten Potenzialabschätzung der Energieerzeugung aus Mikroalgenbiomasse bereitstellen. Durch deren beispielhafte Anwendung auf ausgewählte Regionen Europas wird die Arbeit außerdem Hinweise auf besonders interessante Produktsysteme bieten und aufzeigen, welche Standorte für die Algenproduktion besonders geeignet wären. So könnten auch Aussagen über die zukünftige Rolle der Länder Europas im Hinblick auf die Energieerzeugung durch Mikroalgen getroffen werden. Die Arbeit wird an der Universität Karlsruhe von Prof. Manfred Meurer und am ITAS von Dr. Christine Rösch betreut.
Anmerkungen
[1] Johannes Skarka hat an der Universität Karlsruhe (TH) Geoökologie studiert und im Oktober 2007 abgeschlossen. Im Rahmen seiner Diplomarbeit zum Thema „Ökobilanzielle Abschätzung der Bereitstellung von Bioenergie – Strom und Wärme aus Gras-, Maissilage, Heu und Pappelhackschnitzeln“ war er bereits am ITAS tätig. Nach Beendigung seines Studiums arbeitete er zwei Monate als freier Mitarbeiter am ITAS und erstellte eine Auswertung vorhandener Potenzialstudien zur Bioenergie. Seit Mitte Dezember 2007 ist er als Doktorand am ITAS angestellt.
[2] Unter Mikroalgen werden in der Literatur diejenigen prokaryotischen und eukaryotischen Mikroorganismen verstanden, die zur Photosynthese befähigt sind.
Literatur
Chisti, Y., 2007: Research review paper: Biodiesel from micoralgae. In: Biotechnology Advances, 25(3), S. 294-306
Van Harmelen, T.; Oonk, H., 2006: Microalgae biofixation processes: Application and potential contributions to greenhouse gas mitigation options. TNO Built Environment and Geosciences, Apeldoorn; http://www.algalbiomass.org/resources/documents/MicroalgaeBiofixationProcessesTNOReportvAug06.pdf (download 16.9.08)
Patil, V.; Tran, K.-Q.; Giselrod, H., 2008: Towards sustainable production of biofuels from microalgae. In: International Journal of Molecular Sciences, 9(7), S. 1188-1195
Skjånes, K.; Lindblad, P.; Muller, J., 2007: BioCO2 – A multidisciplinary, biological approach using solar energy to capture CO2 while producing H2 and high value products. In: Biomolecular Engineering, 24(4), S. 405-413