Rezensionen
Sachverständigenrat für Umweltfragen: Klimaschutz durch Biomasse
Die Bedeutung der Biomasse für den Klimaschutz
Sachverständigenrat für Umweltfragen: Klimaschutz durch Biomasse. Sondergutachten. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2007, 124 S., ISBN 978-3503-10602-8, € 19,80
Rezension von Gunnar Kappler, ITAS
Mit Blick auf den aktuellen Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat die Bundesregierung mit dem Meseberg-Papier[1] zum Ausdruck gebracht, den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter zu forcieren. Das ambitionierte Ziel kann allerdings nur erreicht werden, wenn die Nutzung von Biomasse, deren Anteil an erneuerbaren Energien heute bereits bei rund 70 Prozent liegt, weiter ausgebaut wird. Die mit dieser verstärkten Biomassenutzung verbundenen ökologischen und sozialen Folgen hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), ein wissenschaftliches Beratungsgremium der Bundesregierung, im Sondergutachten „Klimaschutz durch Biomasse“ beschrieben. Das Gutachten ist auch als Bundestagsdrucksache Nr. 16/6340 erschienen.
1 Schwerpunkte des Gutachtens
Im ersten und einleitenden Teil des Gutachtens bekräftigt der SRU die Bedeutung einer künftigen verstärkten Biomassenutzung, sieht aber in einem verstärkten Ausbau der Biomassenutzung die Gefahr von Fehlentwicklungen, die sich durch das Bemühen ergeben, unterschiedliche politische Ziele (Klimaschutz, Versorgungssicherheit, Arbeitsplatzeffekte usw.) gleichermaßen verfolgen zu wollen. Insofern fordert er hinsichtlich der Nutzung der knappen Ressource Biomasse die Festlegung eines Hauptzieles, das, wie der Titel des Gutachtens schon verrät, aus Sicht des SRU ausschließlich im Klimaschutz liegen kann. Zudem wird stets hervorgehoben, dass die Anforderungen des Naturschutzes und der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen (Boden, Wasser und Biodiversität) bei jeder Form des Anbaus und der Nutzung von Biomasse prioritär sein sollten. Um der Treibhausgasproblematik Rechnung zu tragen, steht im hier rezensierten Gutachten die energetische Nutzung nachwachsender Bioenergieträger im Mittelpunkt.
Schwerpunkt des zweiten Teils ist eine Diskussion zu den Ergebnissen ausgewählter Studien, in denen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Restriktionen und Prämissen das künftige (Zeithorizont 2030), in Deutschland zu erwartende Biomassepotenzial (bioge-ne Reststoffe und nachwachsende Bioenergieträger) dargelegt wird. Hierbei wird hervorgehoben, dass die einzelnen Studien das Potenzial nachwachsender Rohstoffe zum Teil sehr unterschiedlich einschätzen und die Ergebnisse mit Blick auf die natur- und umweltrechtlichen Anforderungen teilweise sogar unrealistisch erscheinen. Deshalb empfiehlt der SRU, die Ergebnisse solcher Aufkommensstudien nicht als Datengrundlage für politische Entscheidungen heranzuziehen.
Ausführlich diskutiert werden im folgenden Teil des Gutachtens die Auswirkungen der energetischen Biomassenutzung auf Umwelt und Gesellschaft. Besonders kritisch werden bei einem verstärkten Anbau nachwachsender Energieträger die ökologischen Auswirkungen und Konflikte mit den Naturschutzzielen gesehen, die sich durch einen weiteren Ausbau der landwirtschaftlichen Flächennutzung ergeben. Deshalb ist es aus Sicht des SRU unabdingbar, ausschließlich nachhaltige Anbauverfahren umzusetzen, welche mit Synergieeffekten in Hinblick auf den Naturschutz verbunden sind.
Die Aspekte eines dauerhaften umwelt- und sozialverträglichen Anbaus von Biomasse werden auch im weiteren Verlauf des Gutachtens aufgegriffen. Wenngleich die sozioökonomischen Auswirkungen der Biomassenutzung auf nationaler Ebene als eher gering eingeschätzt werden, so wird doch auf die Gefahren hingewiesen, die sich bei Verfolgung des Ausbauziels und einem daraus bedingten Import von Biomasse aus Drittwelt- bzw. Schwellenländern ergeben würden. Insofern sieht der SRU hinsichtlich der Regulierung des Anbaus von Biomasse und deren Nutzung dringenden Handlungsbedarf. Vorgeschlagen werden daher die Errichtung von Standards und Richtlinien, die insbesondere auch für die Exportländer durch Kooperationen und vertragliche Vereinbarungen gesichert werden sollen. Zur Sicherstellung einer umwelt- und sozialverträglichen Biomassenutzung sieht der SRU letztlich dieNotwendigkeit, auf ein völkerrechtliches Übereinkommen hinzuwirken.
Die weiteren Ausführungen des Gutachtens widmen sich der Beurteilung aktueller Ziele und Instrumente bezüglich der energetischen Biomassenutzung und geben Handlungsempfehlungen zu einer optimierten Biomassestrategie. Da durch eine künftige Biomassennutzung weder Arbeitsplatzeffekte noch die Sicherstellung der Versorgungssicherheit ausreichend gewährleistet werden können, rät der Beirat, die von der Politik angestrebte Zielharmonie zugunsten des Klimaschutzes aufzugeben. Insofern wird auch in Hinblick auf die bestehende Förderpolitik dringender Handlungsbedarf gesehen und empfohlen, die Förderung nachwachsender Rohstoffe zu entschleunigen. Schließlich wird dargelegt, dass die bestehende Förderlandschaft zu sehr segmentiert und damit eine Optimierung des Biomasseeinsatzes unter Klimaschutzgesichtspunkten behindert sei. Empfohlen wird daher, die Förderpolitik sehr viel mehr an (Energie-) Effizienzgesichtspunkten auszurichten, wobei die CO2-Vermeidungskosten als guter Indikator hierfür angesehen werden. Wie schon in der Vergangenheit in verschiedenen Studien zum Ausdruck gebracht (z. B. Leible, L. et al., 2003: Energie aus biogenen Rest- und Abfallstoffen. Wissenschaftliche Berichte FZKA 6882; Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik beim BMELV, 2007: Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung), spricht sich auch der SRU dafür aus, die Förderung künftig auch auf Großkraftwerke zu beziehen, in denen die energetische Nutzung von Biomasse mit der konventioneller Energieträger kombiniert wird. Schließlich kann in Großkraftwerken deutlich wirtschaftlicher und effizienter Energie erzeugt werden.
Im abschließenden Kapitel werden die wesentlichen Aussagen der einzelnen Kapitel zusammengefasst. Hierbei wird nochmals hervorgehoben, dass der Anbau und die Nutzung nachwachsender Biomasse zur Erzeugung von Biokraftstoffen als besonders kritisch angesehen werden. Schließlich wird nach Meinung des SRU der Beitrag der Biokraftstoffe sowohl zum Klimaschutz als auch zur Versorgungssicherheit weitgehend überschätzt. Aus Gründen der Schadensprävention und Umweltvorsorge wird geraten, die ehrgeizigen Wachstums- und Ausbauziele für Biokraftstoffe in Form einer gesetzlich verankerten Biokraftstoffquote zu überprüfen. So wird dringend empfohlen, die nationale Biokraftstoffquote auf dem heutigen Niveau einzufrieren und die Biomasse nicht vorrangig zur Substitution von Kraftstoff, sondern zur Substitution von fossilen Energieträgern im Wärme- und Strombereich einzusetzen.
Bedingt durch die methodischen bzw. ökobilanziellen Schwächen der bisher durchgeführten Studien zur Energiebereitstellung aus Biomasse (die auch die zentrale Grundlage der Gutachtens bilden), kommt der SRU zu dem Schluss, dass eine abschließende Beurteilung zu den Klimaschutzpotenzial der Biomasse derzeit nur eingeschränkt möglich sei.
2 Bewertung
Das Gutachten gibt einen guten Überblick über die besonderen Erfordernisse und Problematiken einer klima- und naturverträglichen Biomassenutzung. Die Ausrichtung insbesondere auf Aspekte des Klima- und Naturschutzes scheint mit Blick auf die aktuellen Gegebenheiten plausibel. Es stellt sich aber die Frage, und darauf wird in der Studie nicht ausreichend eingegangen, welche Bedeutung die ökonomischen Aspekte in diesem Kontext spielen. Sofern nicht durch Fördermaßnahmen gelenkt, bestimmen schließlich ökonomische Aspekte Art und Umfang der Biomassenutzung bzw. des Biomassehandels. Hiermit verbunden sind nicht immer nur Risiken sondern auch Chancen.
Überhaupt werden in dem Gutachten mehr die Risiken als die Chancen der Biomassenutzung herausgestellt und die Diskussion zum Thema Bioenergie in erster Linie auf die durch die Landwirtschaft bereitgestellten nachwachsenden Bioenergieträger ausgerichtet. Dabei werden die Energieträger pauschal diskutiert, ohne pflanzenartenspezifische oder gar räumliche Aspekte näher einzubeziehen. Zwar wird die energetische Nutzung von biogenen Reststoffen überwiegend als unproblematisch angesehen, doch wird deren relative Bedeutung in den Ausführungen etwas zu wenig herausgehoben. Dies bezieht sich beispielsweise auch auf die Erzeugung von Biokraftstoffen aus Reststoffen, bei denen eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion nicht besteht. Auch auf Technologien zur Bereitstellung von Bioenergie wird nicht eingegangen, obwohl diese im Zusammenhang mit der Klima- und Effizienzdiskussion informativ wären. Ebenfalls wünschenswert wäre es, den bestehenden Forschungsbedarf deutlicher zu beschreiben und nicht nur auf ökobilanzielle Analysen zu begrenzen.
Wenngleich die einzelnen Kapitel unterschiedliche Schwerpunkte haben, so finden sich wesentliche Aussagen in vielfach repetitiver Weise in den einzelnen Kapiteln wieder. Auch wenn der strukturelle Aufbau des Gutachtens nicht immer konsistent und logisch gegliedert erscheint, werden die wesentlichen Botschaften am Ende eines jeden Kapitels pointiert dargestellt. Daher sind die einzelnen Kapitel in sich geschlossen und vermitteln gerade deshalb wichtige kapitelübergreifende Aussagen und Empfehlungen.
3 Fazit
Das Gutachten ist aufgrund seines aktuellen Sachstandes und der aggregierten Aussagen, die sich wie ein roter Faden durch das Buch ziehen, nicht zuletzt aber auch aufgrund seines verständlichen Sprachstils nicht nur politischen Entscheidungsträgern, sondern jedem zu empfehlen, der am Thema Bioenergie Interessierten. Insbesondere all diejenigen, die sich einenÜberblick über die Risiken und Auswirkungen der Biomassenutzung im Kontext des Klima- und Naturschutzes verschaffen wollen, sollten das Buch lesen. Schließlich leistet das Gutachten einen wertvollen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion über die Nutzungsmöglichkeiten und Grenzen einer künftigen Bioenergiebereitstellung.
Anmerkung
[1] Im August 2007 hat das Bundeskabinett in Meseberg ein ambitioniertes Energie-und Klimaprogramm beschlossen, mit dem die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 36 Prozent reduziert werden sollen.