Editorial

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In atemberaubendem Tempo dreht sich der Kosmos der Kommunikation, schrieb diese Tage ein Programmdirektor des öffentlichen Rundfunks. Themen des Klimaschutzes und die Versuche, Entwicklungs- und Innovationsprozesse im Grad ihrer Nachhaltigkeit zu steuern, werden insbesondere in den anspruchsvollen Massenmedien, aber auch in der Fachpublizistik intensiv erörtert. Zwar reagieren die Wissenschaften auf die Beschleunigungen und Erhitzungen öffentlicher und massenmedialer Kommunikation nur sehr eingeschränkt, da ihr Arbeitsmodus auf systematisches Vorgehen und Reflexion der Argumente ausgerichtet ist – alles Merkmale, die gerade eine spezifische „Entschleunigung“ voraussetzen. Gleichzeitig sind Drittmittelgeber und Wissenschaft, insbesondere dann, wenn sie sich als problemorientiert verstehen, von Aufmerksamkeitszyklen dieser Art immer auch beeinflusst.

Da technische Produkte und damit verknüpfte Verfahren die Entwicklungsdynamik aller Gesellschaften in zentraler Weise beeinflussen, besitzen die erwarteten Effekte dieser Produkte wiederum eine besondere Bedeutung. Gerade angesichts bekannter oder erwarteter negativer Umwelteffekte einzelner Produkte stellt das Life Cycle Assessment ein robustes, inzwischen standardisiertes Instrument zur Verfügung, ihre ökologischen Effekte abzuschätzen. Seine Stärke besteht darin, dass es nicht nur das Produkt mit all seinen zur Herstellung notwendigen Stoffströmen und deren Umweltwirkungen in den Blick nimmt, sondern auch Stoffströme berücksichtigt, die sowohl für die Herstellung der zur eigentlichen Produktion notwendigen Infrastruktur als auch die bei der „Entsorgung“ desselben entstehen. Die Datenbasis, auf der solche Abschätzungen aufbauen können, hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten enorm verbessert. Angesichts der globalen Herausforderung des Klimaschutzes und der Notwendigkeit, Effekte technischer Produkte und Innovationen auf ihre Wirkungen abzuschätzen, stellt sich daher die Frage, ob das Life Cycle Assessment auch bei der Nachhaltigkeitsbewertung eingesetzt werden kann. Zu diesem Thema haben Liselotte Schebek, Christian Bauer und Klaus-Rainer Bräutigam in den letzten Monaten den Schwerpunkt dieses Heftes zusammengestellt. Mit dem ersten Heft dieses Jahres legte Armin Grunwald zusammen mit einer Gruppe von Kollegen Bausteine für eine Theorie der Technikfolgenabschätzung vor. Mit seinem Plädoyer für „Theorie der Technisierung“ reagiert Günter Ropohl in seinem Beitrag für das „Diskussionsforum“ auf diese Vorlage und schlägt gleichzeitig eine „kritische“ Flanke. Aus Sicht der Redaktion würde ich es natürlich begrü&szen, wenn weitere Reaktionen folgen würden, die an vorgebrachte Argumente anschlie&szen. Bemerkenswert erscheint mir in diesem Heft weiterhin die Breite der Berichterstattung in der Rubrik „TA-Projekte“, durch die sich fast wie ein roter Faden das Thema Energie zieht. Peter Viebahn und seine beiden Koautoren widmen sich dem Thema CO2-Abtrennung und setzen dabei auch am Verfahren der Lebenszyklusanalyse an. Michael Nentwich berichtet u. a. von dem neuem Projekt in österreich, in dem Endverbraucher in die Durchführung des Forschungsprogramms „Energie der Zukunft“ einbezogen werden sollen. Wie gehaltvoll und „nachhaltig“ bei gleichzeitig angestrebter Systematisierung des Wissens und gezielter Problemorientierung diese Forschungsfragen beantwortet werden können, ist vielleicht nicht nur eine Frage, die sich angesichts der Stimmung am Jahresende stellt. Auch eine Reflexion über wissenschaftliches Handeln und seinen Gegenwartsbezug jenseits aktueller Aufgeregtheiten bei gleichzeitiger Nähe zu anstehenden Entscheidungsprozessen kann von ihr befruchtet werden.