TA-Projekte
CO2-Abtrennung und Speicherung in Deutschland
CO2-Abtrennung und Speicherung in Deutschland
Kosten, Ökobilanzen und Szenarien im Rahmen einer integrativen Bewertung
von Peter Viebahn, WI, Manfred Fischedick, WI, und Joachim Nitsch, DLR
Vor dem Hintergrund der Erreichung der angestrebten Klimaschutzziele hat in den vergangenen Jahren die Diskussion über CO2-Abtrennung und Speicherung sehr an Bedeutung gewonnen. Die Technologie ist grundsätzlich nicht neu. Für ihren Einsatz sind aber noch zahlreiche Fragen offen. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den ökologischen, ökonomischen und strukturellen Auswirkungen lag bisher nicht vor. Im Fokus der Untersuchung „RECCS – Strukturell-ökonomisch-ökologischer Vergleich regenerativer Energietechnologien (RE) mit Carbon Capture and Storage (CCS)“, die 2007 abgeschlossen wurde und deren zentrale Ergebnisse hier dargestellt werden, standen daher folgende Leitfragen: Wie sehen denkbare Pfade für CCS aus und wie sind sie auf der Zeitachse einzuordnen? Wie stellt sich die Ökobilanz dieser Prozesse dar und wie sind diesbezüglich CO2-arme Kraftwerke im Vergleich zu anderen Klimaschutzoptionen zu werten? Welche Rolle kann die CO2-Abtrennung und Speicherung als mögliche Brücke für ein regeneratives Energiesystem auf nationaler respektive internationaler Ebene spielen?
1 Einleitung
Im Zuge stark steigender Gas- und Ölpreise und der sich zuspitzenden Debatte um die Energieversorgungssicherheit verschiebt sich das energiewirtschaftliche Gleichgewicht zunehmend in Richtung einer stärkeren Kohlenutzung. So basieren rund 60 % der Kraftwerksleistung der aktuell bekannten Kraftwerksplanungen in Deutschland auf dem Energieträger Kohle und würden die Klimaschutzziele der Bundesregierung konterkarieren, würden keine Maßnahmen zur CO2-Reduktion ergriffen werden. Die von Energiewirtschaft und Politik verfolgte „Clean-Coal“-Strategie sieht daher zwei zentrale Maßnahmen vor: die Erhöhung der Kraftwerks-Nutzungsgrade und die Abtrennung des verbleibenden Kohlendioxids mit nachfolgender Deponierung desselben (engl. carbon capture and storage <CCS>).
Die bisher für die CO2-Abtrennung vorliegenden Untersuchungen beschäftigen sich vorwiegend mit der technischen Machbarkeit. Erst nach einer integrativen Analyse, die über das Jahr 2020 als dem frühest anvisierten Einsatzzeitpunkt von CCS hinaus geht, kann jedoch entschieden werden, wie „umweltentlastend“ diese Technologieoption wirklich ist, welche Vorzüge oder Nachteile sie gegenüber regenerativen Energien besitzt und welchen Beitrag sie zu einer nachhaltigen Wirtschaftsstruktur leisten kann. Eine entsprechende Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) wurde 2007 von Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Deutschem Zentrum für Luft- und Raumfahrt Stuttgart, Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Stuttgart und Potsdam Institut für Klimafolgenforschung vorgelegt (Wuppertal Institut et al. 2007; Viebahn et al. 2007).
2 Methodische Vorgehensweise
Die verschiedenen Verfahren der CO2-Abtrennung, ihr aktueller Stand sowie ihre Kosten wurden in einer umfassenden Literaturanalyse zusammen getragen und durch Recherchen in der einschlägigen Industrie ergänzt. Die Kostendaten, die hauptsächlich aus der amerikanischen Literatur stammen, wurden auf deutsche Verhältnisse angepasst (z. B. hinsichtlich der Brennstoffpreise und des C-Gehaltes) und auf einheitliche Parameter (z. B. Zinssatz) normiert. Die Kostenentwicklung wurde mithilfe von Lernraten und Szenarien zur Brennstoff- und CO2-Preisentwicklung abgeschätzt. Die Kosten- und Potenzialentwicklung der Erneuerbaren Energien wurde aus Studien für das BMU übernommen (BMU 2004; Nitsch 2007). Zum Vergleich der Umweltwirkungen wurde das Verfahren der Ökobilanzierung nach ISO 14 040 ff. und der Modellierung mittels Stoff- und Energieflussnetzen angewandt. Die Szenarienrechnung erfolgte mit dem DLR-Modellinstrumentarium und baut auf aktuellen Szenarien auf, die im Rahmen des „Leitszenarios 2007“ (Nitsch 2007) für das BMU erstellt wurden.
Von den umfassenden Analysen innerhalb des RECCS-Projektes, die neben der Stromerzeugung auch die Wasserstoff-Herstellung betrachten und eine Analyse der treibenden Kräfte, die Haltung relevanter Gruppen zu CCS, die Bewertung der Speicherpotenziale sowie Anforderungen an CCS für eine internationale Umsetzung enthält, werden im folgenden nur die Ergebnisse hinsichtlich der Ökobilanz, der Kostenentwicklung und der Szenarienrechnungen im Stromsektor dargestellt.
Dabei werden die folgenden drei Abscheidetechniken betrachtet: 1.) die Abtrennung des CO2 aus den Rauchgasen mittels Aminen (Rauchgaswäsche, Post Combustion) für ein Braun- und Steinkohle-Dampfkraftwerk sowie ein Erdgas-GuD[1]; 2.) die Abtrennung vor der Verbrennung in Kohlekraftwerken mit integrierter Vergasung (Pre Combustion) für ein Steinkohle-IGCC[2]-Kraftwerk sowie 3.) die Verbrennung mit Sauerstoff anstatt Luft und anschließender Auskondensierung des CO2 (Oxyfuel-Verfahren) für ein Steinkohlekraftwerk.
3 Ökobilanzierung
3.1 Treibhausgas-Emissionen
Als Standort der Kraftwerke wird das Ruhrgebiet gewählt, als Speicherstätte ein (beliebiges) leeres Gasfeld in Norddeutschland in 300 km Entfernung von den Kraftwerken. Auf regenerativer Seite wird zum Vergleich die Stromerzeugung aus solarthermischen Anlagen (Standort Algerien) und aus Windkraftanlagen (Standort Nordsee) modelliert. Um den gleichen Referenzstandort wie bei den fossilen Anlagen zu verwenden, wird der Strom mittels Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung bis zum Ruhrgebiet transportiert. Für die folgenden Rechnungen wird von einem CO2-Abscheidgrad von 88 % (Oxyfuel-Kraftwerk: 99,5 %) ausgegangen, wie sie in der Diskussion in der Regel angegeben werden. Folgende zentrale Schlussfolgerungen können gezogen werden:
Die angegebenen Abscheidgrade beziehen sich nur auf den direkten Kraftwerksbetrieb. Geht man dagegen von einer ganzheitlichen Betrachtung aus, fallen fünf Prozent der CO2Emissionen – sowohl bei Steinkohle-Dampfkraftwerken als auch bei Erdgas-GuD – bereits in der Vorkette an. Ein verminderter Wirkungsgrad bedingt zudem einen höheren Primärenergieverbrauch und damit größere Belastungen aus der Steinkohle- oder Erdgas-Vorkette. Beides zusammen hat zur Folge, dass die CO2-Emissionen bei einem Abscheidegrad von 88 % nicht ebenfalls um 88 %, sondern bei einer ganzheitlichen Betrachtung lediglich um 72 bis 78 % reduziert werden können. Vor diesem Hintergrund ist die Bezeichnung „CO2freies“ Kraftwerk irreführend; treffender ist die Bezeichnung „CO2-arm“, selbst wenn in der Zukunft der Abscheidegrad am Kraftwerk noch weiter erhöht werden kann.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass mit Blick auf den Klimaschutz nicht nur die CO2-Emissionen, sondern generell die Treibhausgas-Emissionen reduziert werden müssen. So sieht das Kyoto-Protokoll für Deutschland eine Verminderung einer Palette von insgesamt sechs Treibhausgasen (und nicht nur der CO2-Emissionen) um 21 % bis zum Jahr 2012 vor. Berechnet man die Auswirkungen der CO2-Abscheidung auf die Treibhausgas-Emissionen, so zeigt sich, dass diese nur unterproportional reduziert werden können. Bei einem CO2-Abscheidegrad im Kraftwerk von z. B. 88 % können die Treibhausgase insgesamt um 67 bis 78 % reduziert werden. Grund hierfür sind ebenfalls der erheblich höhere Primärenergieverbrauch und die mit der Rohstoffförderung und dem -transport einhergehenden und je nach Brennstoff und Brennstoffherkunft relativ hohen Methan-Emissionen. Diese wirken sich bei den getroffenen Annahmen überproportional hoch auf den Treibhauseffekt aus. Verbesserungen in der Vorkette (z. B. durch Erfassung und Nutzung des Grubengases) könnten sich stark Ergebnis verbessernd auswirken. Abbildung 1 zeigt die Treibhausgas-Emissionen zunächst für die verschiedenen fossilen Kraftwerks-Optionen.
Abb. 1: Darstellung der Treibhausgase unterschiedlicher Kraftwerke mit und ohne CCS (in CO2-Äquivalenten)
Quelle: Eigene Darstellung (nach Wuppertal Institut et al. 2007, S. 151)
Bei der ganzheitlichen Betrachtung relativiert sich damit der erreichbare Minderungseffekt durch CCS-Kraftwerke. Das aus Klimaschutzsicht „beste“ Kraftwerk ohne CCS (Erd-gas-GuD; siehe den sechsten Balken in Abb. 1) weist mit knapp 400 g CO2-Äquivalenten pro kWh nur um 51 % höhere Emissionen auf als das „schlechteste“ Kraftwerk mit CCS (Steinkohle-Dampfkraftwerk mit Post-Combustion, zweiter Balken).
Von allen betrachteten fossilen Kraftwerken schneidet unter den getroffenen Annahmen die Sauerstoff-Verbrennung (Oxyfuel, dritter Balken) bei der Treibhausgasbilanz am günstigsten ab. Der Grund liegt in der fast hundertprozentigen Abtrennung des CO2 mittels der physikalischen Abscheidung. Dadurch sind Netto-Minderungsraten der CO2-Emissionen von 90 % und der Treibhausgas-Emissionen von 78 % möglich.
In Abbildung 2 ist neben den CCS-Kraftwerken zum Vergleich auch die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien (Wind offshore und Solarthermische Kraftwerke) und mittels fortschrittlicher Konzepte unter Nutzung fossiler Energieträger dargestellt (Erdgas GuD-Kraftwerk mit Wärmeauskopplung, Erdgas-Blockheizkraftwerk (BHKW) sowie mögliche Strommixe für Deutschland und EU im Jahr 2050, die vom DLR in verschiedenen Studien modelliert wurden). Während die Belastung durch die Erneuerbaren Energien (aus der Herstellung der Anlagen resultierend) sehr gering ist, liegen die fossilen Technologien und zukünftige Strommixe (ohne Einbezug von CCS!) in etwa gleichauf mit den CCS basierten Kraftwerken. Mit Erdgas GuD und BHKW liegen damit bereits auf dem Markt befindliche Technologien vor, die schon jetzt so umweltfreundlich sind, wie es mit den CCS-Kraftwerken in 2020 erst erreicht werden soll.
Abb. 2.: Treibhausgas-Bilanz von CCS-Kraftwerken im Vergleich zur Stromerzeugung aus ausgewählten Erneuerbaren Energien und mittels fortschrittlicher Konzepte unter Nutzung fossiler Energieträger (Treibhausgase in CO2-Äquivalenten)
Quelle: Eigene Darstellung
3.2 Weitere Umweltwirkungen
Ingesamt erfordert die CO2-Abscheidung je nach Verfahren einen zusätzlichen Energieverbrauch von 20 bis 44 %. Dieser höhere Energieverbrauch macht sich in verschiedenen Wirkungskategorien der Ökobilanz direkt proportional bemerkbar. Dies gilt z. B. für die Belastung durch Sommersmog, Eutrophierung, Versauerung von Böden und Gewässern und den Partikelausstoß. Auf der anderen Seite werden einzelne Emissionen wie SO2, NO2 oder Staub durch die Reaktion mit dem Lösemittel reduziert, was insgesamt gesehen eine Reduktion bzw. einen abgemilderten Anstieg einzelner Wirkungskategorien ergibt. Abbildung 3 zeigt dies am Beispiel des modellierten Braunkohlekraftwerks (Post-Combustion).
Der um 44 % höhere Energieverbrauch bedingt zunächst einen proportionalen Anstieg bei allen Wirkungskategorien. Durch die genannten anderen Einflüsse ist insgesamt gesehen in der Kategorie Versauerung jedoch eine Reduktion um 3 % zu verzeichnen; die PM10Äquivalente (Maß für die Feinstaubbelastung, PM = particulate matter) steigen nur um etwa 24 % an; die Eutrophierung erhöht sich dagegen um 40 % und der Sommersmog um 524 %.
4 Ökonomischer Vergleich von CCS und regenerativen Energietechnologien
Kann die Rückhaltung von CO2-Emissionen in fossil befeuerten Kraftwerken und ihre Speicherung erfolgreich demonstriert werden, so kann auf der Basis kommerziell einsatzfähiger CCS-Kraftwerke im Jahr 2020 von Stromgestehungskosten frei Kraftwerk zwischen 6,5 und 7 ct/kWh ausgegangen werden (reale Kosten, gerechnet mit einer Kapitalverzinsung von 10 %/a). Längerfristig zu erwartende Brennstoffpreissteigerungen lassen einen weiteren Anstieg auf Kosten zwischen 7 ct/kWh (Kohle) und 8 ct/kWh (Erdgas) bis 2040 wahrscheinlich werden. Bei Kohlekraftwerken dürften die brennstoffseitigen Preiseffekte durch weitere technische Fortschritte weitgehend kompensiert werden können. Für das Jahr 2020 sind entsprechend der angestellten Berechnungen CO2-Vermeidungskosten zwischen 35 und 50 €/t CO2 ermittelt worden, wenn als Referenzkraftwerk dasselbe Kraftwerk ohne CCS angenommen wird. Dabei liegen Kohlekraftwerke eher beim unteren, Erdgaskraftwerke eher beim oberen Wert. Dies ist weniger als die heute angegebene Kostenbandbreite und unterstellt bereits signifikante Lernerfolge, liegt aber dennoch deutlich oberhalb der von der Energiewirtschaft anvisierten Kosten von rund 20 €/t CO2 für die gesamte Prozesskette.
Abb. 3: Vergleich weiterer Wirkungskategorien für ein Braunkohle-Dampfkraftwerk ohne und mit CCS (Post-Combustion)
Quelle: Eigene Darstellung (nach Wuppertal Institut et al. 2007, S. 155)
Regenerative Energien, die heute – geht man von einem repräsentativen Mix aus – noch mittlere Stromgestehungskosten von ca. 13 bis 14 ct/kWh (wiederum mir einem Kapitalzinssatz von 10 %/a gerechnet) aufweisen, können bis 2020 ebenfalls dieses Kostenniveau erreichen, wenn ihre weitere Markteinführung mit ähnlicher Geschwindigkeit wie bisher erfolgt. Eine anhaltende globale Steigerung der Marktpenetration und Lerneffekte lassen für den weiteren Zeitverlauf bei den regenerativen Energien noch signifikante Kostendegressionen erwarten, so dass um 2050 das Kostenniveau der Stromerzeugung aus regenerativen Energien in dem betrachteten charakteristischen Mix bei 6 ct/kWh liegen könnte. Einzelne Technologien könnten Stromkosten von ca. 4 ct/kWh erreichen, wenn die Lernkurve über eine kontinuierliche Ausweitung globaler Märkte weiter genutzt wird. Abbildung 4 zeigt den Verlauf der Kostenkurven, die für zwei unterschiedliche Energiepreisszenarien gerechnet wurden: ein „traditionelles“ Szenario mit leichten Preissteigerungen („EWI 2005“ aus EWI und Prognos 2005, hier als „niedrig“ benannt) und ein realistischeres Szenario mit Preissteigerungen, die der Entwicklung der letzten Jahren angepasst wurden („DLR 2005“, aktualisiert nach BMU 2004, hier als „hoch“ bezeichnet).
Bleibt die Ausbaudynamik von regenerativen Energien im Stromsektor hoch, wie es in verschiedenen Szenarien, die einen Umstieg auf eine klimaverträgliche Energieversorgung auf der Basis einer kombinierten Forcierung des Ausbaus Erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz beschreiben, so dürften einzelne Technologien (z. B. Wind offshore) zum Zeitpunkt der potenziellen Inbetriebnahme von ersten CCS-Kraftwerken bereits günstigere Stromgestehungskonditionen erwarten lassen und diesen Vorteil im Zeitverlauf weiter vergrößern können. Wesentliche Kostensenkungseffekte kommen dabei durch die globalen Markteffekte, so dass selbst bei einem weniger dynamischen Wachstum der regenerativen Energien in Deutschland noch eine Kostengleichheit von CCS und einzelnen regenerativen Energien zu erwarten ist. Nur bei sehr geringen Brennstoffpreissteigerungen oder über die abgeschätzten Effekte hinausgehende Kostensenkung in der CCS-Prozesskette stellt sich die Situation für CCS-Anlagen günstiger dar. Hierdurch wird der generelle Effekt zwar nicht aufgehoben, die relative Konkurrenzfähigkeit der regenerativen Energien auf der Zeitachse aber nach hinten verschoben.
Abb. 4: Verlauf der Stromgestehungskosten (Neuanlagen) Erneuerbarer Energien sowie konventioneller Gas- und Steinkohlekraftwerke ohne und mit CCS
Quelle: Eigene Darstellung (nach Wuppertal Institut et al. 2007, S. 211)
Aus ökonomischer Sicht besteht daher den getroffenen Annahmen zufolge kein zwingender Anreiz, CCS-Technologien dem weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung vorzuziehen. Sie stellen aber auch keine prohibitiv teure Technologie dar und könnten bei erfolgreicher Kommerzialisierung und geeigneten Rahmenbedingungen (günstige und langzeitstabile Speicheroptionen, gute infrastrukturelle Voraussetzungen, kostengünstige Kohle) in einigen Regionen Teil einer zukünftigen Stromerzeugung werden.
5 Die Rolle von CCS im deutschen Energieversorgungssystem
Im Rahmen des RECCS-Projektes sind für die Analyse der energiewirtschaftlichen Rolle von CCS im Vergleich zu regenerativen Energien drei unterschiedliche Szenarien für die zukünftige Energieversorgung Deutschland entwickelt worden. In allen Szenarien werden die energiebedingten CO2-Emissionen bis 2050 auf 240 Mio. t/a reduziert, was gegenüber 1990 einer Minderung von rund 75 % entspricht (siehe Abb. 5). Die Szenarien gehen dabei von folgenden Prämissen aus:
- CCS als Hauptelement einer Klimaschutzstrategie mit „maximalem“ Einsatz von CCS-Technologien im Rahmen einer sonst (Energieverbrauch, Ausbau von regenerativen Energien) weitgehend trendgemäßen Entwicklung, also einer relativ geringen Mobilisierung von Effizienzpotenzialen und eingeschränkter Umsetzung der Ausbaupotenziale bei regenerativen Energien (Kurzbezeichnung = CCSMAX);
- Konzentration auf das flächendeckende Ausschöpfen der Energieeffizienzpotenziale und auf den engagierten Ausbau von Technologien zur Nutzung regenerativer Energien, wie er in den Szenarien „NaturschutzPlus“ für das BMU beschrieben wurde (Kurzbezeichnung = NATP). Auf den Einsatz von CCS kann in diesem Szenario verzichtet werden;
- CCS als Brücke zum weiteren Ausbau regenerativer Energien bei zeitgleich gegenüber der Referenzentwicklung verstärkter, aber gegenüber NATP deutlich geringerer Effizienzsteigerung und deutlich reduziertem Ausbau regenerativer Energien. Beide Maßnahmen reichen daher zusammen nicht aus, das Klimaschutzziel ohne weitere Maßnahmen, hier also den Einsatz von CCS, zu erreichen (Kurzbezeichnung = BRIDGE).
Abb. 5: Heutige Primärenergiestruktur und ihre Struktur in den Szenarien für das Jahr 2050
Quelle: Eigene Darstellung (nach Wuppertal Institut et al. 2007, S. 258)
Aus der Szenarioanalyse lassen sich verschiedene maßgebliche Erkenntnisse ableiten. Emissionsmindernde Maßnahmen allein im Strombereich reichen danach grundsätzlich nicht aus, um das Klimaschutzziel zu erreichen. Es sind auch ähnlich umfangreiche Maßnahmen in den Sektoren Wärme- und Kraftstoffversorgung erforderlich. Neben dem Ausbau der regenerativen Energien muss die Ausschöpfung der Effizienzpotenziale dazu einen ganz erheblichen Beitrag leisten. Bei umfangreicherer Nutzung fossiler Ressourcen kommt dafür als Alternative grundsätzlich auch die Wasserstoffbereitstellung mittels Steinkohlevergasung unter Abtrennung und Rückhaltung des CO2 infrage. Die Schlussfolgerungen im Einzelnen lauten:
- Als Hauptstrategieelement einer Klimaschutzstrategie – entsprechend Szenario CCSMAX – stößt CCS an strukturelle und potenzialseitige Grenzen. Der mit 2020 angenommene früheste Einsatzzeitpunkt der CCS-Technologien kommt für die gerade angelaufene erste Welle des Kraftwerksersatzprogramms zu spät und erzwingt im Zeitraum bis 2050 extrem hohe Zuwachsraten für CCS-Anlagen und einen rasanten Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur.
- Setzt man in den nächsten zehn bis 15 Jahren politisch konsequent auf Erneuerbare Energien und Effizienzsteigerungen, kann die Umsetzung der Energieeinsparpotenziale und der sukzessive weitere Ausbau Erneuerbarer Energien deutlich schneller Beiträge zum Klimaschutz leisten als CCS. Speziell die Erhöhung der Energieproduktivität ist darüber hinaus volkswirtschaftlich unmittelbar sinnvoll. Beide Strategieelemente sind zudem mit hohen Innovationsimpulsen für das Erschließen der wachsenden globalen Märkte verbunden. Deutliche Effizienzsteigerungen und der weitere Ausbau Erneuerbarer Energien sind vor diesem Hintergrund eine unbedingte Voraussetzung für einen wirksamen Klimaschutz. Hält man gemäß den Vorstellungen des Szenarios NaturschutzPlus (NATP) eine dauerhaft hohe Umsetzungsrate aufrecht, ist der Einsatz von CCS-Technologien für das Erfüllen auch engagierter Klimaschutzziele nicht zwingend erforderlich. Die in NATP beschriebene Strategie ist dabei mittel- bis langfristig auch die volkswirtschaftlich günstigste Strategie und sollte deshalb energiepolitisch angestrebt werden.
- Die Zeitspanne bis 2020 sollte genutzt werden, um die Entwicklungs- und Kostensenkungspotenziale von CCS-Technologien gründlich auszuloten und die Machbarkeit der Technologie zu demonstrieren. Im Erfolgsfall bietet CCS dann die Möglichkeit – entsprechend Szenario BRIDGE – auch dann auf einen klimaschonenden Pfad einzuschwenken, wenn es nicht gelingen sollte, die ambitionierte Umsetzungsdynamik von Effizienzpotenzialen und Erneuerbaren Energien dauerhaft aufrecht zu erhalten. Diese Konstellation kann angesichts der realen Interessenlagen im Energiebereich durchaus eintreten – insbesondere im globalen Kontext, wo Einsparbemühungen von erheblichen Wachstumstendenzen überlagert werden.
- Die sukzessive Einführung von CCS nach 2020 (Verfügbarkeit geeigneter langzeitstabiler Speicher vorausgesetzt) kann dann als begleitendes Element helfen, die dauerhaft erforderlichen Impulse für weitere Effizienzsteigerungen und einen erweiterten Ausbau der Erneuerbaren Energien leichter durchzuhalten. Vor diesem Hintergrund kann CCS eine Brückenfunktion zum Aufbau einer re-generativen Energiewirtschaft einnehmen und damit eine signifikante Bedeutung zukommen. Entsprechende weitere Entwicklungsanstrengungen für CCS erscheinen deshalb notwendig und mit Blick auf den internationalen Klimaschutz wohl auch unausweichlich. Dabei darf dies nicht zu Lasten der F&E-Anstrengungen im Bereich Effizienz und Erneuerbare Energien gehen.
- Es ist dabei insgesamt sicherzustellen, dass Maßnahmen zum Aufbau einer CCS-Infrastruktur kompatibel sind mit dem weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien und dauerhafte strukturelle Festlegungen ebenso vermieden werden wie Nutzungskonkurrenzen (z. B. zur geothermischen Energiebereitstellung oder zur dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung).
- Schließt man CCS als Klimaschutzelement ein, muss bei den anstehenden Kraftwerksplanungen eine spätere Einbindung von CCS bereits heute mit erwogen werden. Überlegungen, Neuanlagen als so genannte „Capture-Ready“-Anlagen auszuführen, gewinnen dabei erhebliche Bedeutung. Vorstellungen der EU, eine spätere Nachrüstbarkeit von neuen Kraftwerken mittelfristig zur Bedingung zu machen, bestärken dies.
Anmerkungen
[1] GuD = Gas-und Dampfturbinen Kraftwerk, die derzeit effizienteste Art der Erdgas-Verstromung
[2] IGCC = Integrated Gasification Combined Cycle (Integrierte Kohlevergasung)
Literatur
BMU – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hg.), 2004: Ökologisch optimierter Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien in Deutschland. Untersuchung im Auftrag des BMU, Arbeitsgemeinschaft DLR/IFEU/WI. Berlin, März 2004
EWI – Energiewirtschaftliches Institut an der Universität Köln; Prognos (Hg.), 2005: Energiereport IV – Die Entwicklung der Energiemärkte bis zum Jahr 2030. Energiewirtschaftliche Referenzprognose 2030. Untersuchung im Auftrag des BMWT. Köln, Basel, April 2005
Nitsch, J., 2007: Leitstudie 2007 „Ausbaustrategie Erneuerbare Energien“. Aktualisierung und Neubewertung bis zu den Jahren 2020 und 2030 mit Ausblick bis 2050; http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/38787/20049/, download vom 5.11.2007
Viebahn, P.; Nitsch, J.; Fischedick, M. et al., 2007: Comparison of carbon capture and storage with renewable energy technologies regarding structural, economic, and ecological aspects in Germany. In: International Journal of Greenhouse Gas Control 1 (2007), S. 121-133
Wuppertal Institut; Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt; Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung; Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, 2007: RECCS – Strukturell-ökonomisch-ökologischer Vergleich regenerativer Energietechnologien (RE) mit Carbon Capture and Storage (CCS). Projektbericht. Wuppertal, Stuttgart, Potsdam; http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/38826/, download vom 21.11.07
Kontakt
Dr. Peter Viebahn
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH
Postfach 10 04 80, 42004 Wuppertal
Tel.: +49 202 2492-306
E-Mail: Peter.Viebahn∂wupperinst.org
Internet: http://www.wupperinst.org/CCS/