Start der Hauptphase bei Risk Habitat Megacity

TA-Projekte

Start der Hauptphase bei Risk Habitat Megacity

Neues HGF-Verbundprojekt

von Helmut Lehn und Jürgen Kopfmüller, ITAS

Nach einer positiven internationalen Evaluation kann die Arbeit im Rahmen der ersten Hauptphase des HGF-Verbundprojekts jetzt beginnen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zwölf Instituten oder Forschungsgruppen in fünf Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft werden sich mit Risiken und Chancen der weltweiten Mega-Urbanisierung beschäftigen und Wege in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung analysieren.

Am 15. Mai 2007 beschloss der Senat der Helmholtz-Gemeinschaft die Förderung der ersten Hauptphase des Verbundprojekts „Risk Habitat Megacity“, die von Juli 2007 bis Juni 2010 laufen wird. Im Rahmen der 18-monatigen Vorphase (Oktober 2005 bis März 2007) wurde das Forschungskonzept für die beiden je dreijährigen Hauptphasen erarbeitet; die zweite Hauptphase ist für den Zeitraum von Juli 2010 bis Juni 2013 vorgesehen. Dieses Konzept wurde im März 2007 von einer internationalen Gutachtergruppe sehr positiv bewertet. Das Verbundprojekt wird von fünf Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft getragen: dem Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt mit seinem Standort Berlin, Oberpfaffenhofen und Stuttgart, dem Forschungszentrum Karlsruhe, dem GeoForschungszentrum Potsdam, dem Helmholtzzentrum für Infektionsforschung Braunschweig und dem Helmholtzzentrum für Umweltforschung Leipzig (Koordination).

1     Räumliche Fokussierung und Forschungsziele

Übergeordnetes Ziel des Verbundprojekts ist die Erarbeitung von Strategien für eine nachhaltige Entwicklung von Megacities und Metropolregionen. Der Schwerpunkt der Forschung wird auf den „reifen“ Megastädten Lateinamerikas liegen. Auf keinem Kontinent ist der Anteil der städtischen Bevölkerung größer. Die erste Fallstudie (d. h. die erste Hauptphase) widmet sich der Metropolregion von Santiago de Chile. Ausgehend von den dortigen Erfahrungen werden in der zweiten Hauptphase weitere Megastädte in Lateinamerika in das Forschungsvorhaben einbezogen werden.

Projektpartner in Chile sind: Universidad de Chile, Pontificia Universidad Catolica und die Economic Commission for Latin America and the Caribbean der Vereinten Nationen, die alle in Santiago de Chile angesiedelt sind, sowie die Pontificia Universidad Catolica in Valparaiso.

Die Arbeiten im Rahmen des Verbundprojekts dienen fünf übergeordneten Forschungszielen:

  1. Sie leisten einen Beitrag zur Umsetzung des Leitbilds der nachhaltigen Entwicklung in Megacities unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Entwicklungsbedingungen. Die Basis hierzu liefert das bereits bestehende Integrative Nachhaltigkeitskonzept der Helmholtz-Gemeinschaft, das von den chilenischen Partnern als hierfür sehr gut geeignet angesehen wird.
  2. Sie identifizieren charakteristische Risiken für eine nachhaltige Entwicklung von Megacities sowie deren treibende Faktoren und Wechselwirkungen und analysieren insbesondere durch die geeignete Kombination von natur-, wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen der Risikoforschung die Verwundbarkeit (Vulnerabilität) des „Systems Megacity“.
  3. Im Projekt werden Risikomanagementstrategien (Anpassung, Minderung, Vermeidung) als Schlüsselinstrument für eine nachhaltige(re) Entwicklung von Megacities entwickelt. Die positive oder negative Bedeutung aktuell praktizierter Governance-Ansätze (z. B. Dezentralisierung, Privatisierung, Partizipation oder Informalität) wird hierbei ebenso zu berücksichtigen sein wie bereits bestehende Governance-Strukturen.
  4. Es werden anwendbare Lösungsansätze entwickelt, die ökologische, ökonomische, soziale, institutionelle und politische Rahmenbedingungen berücksichtigen. Relevante Akteure, ihre Ziele und Interaktionen sind dabei ebenso zu beachten wie das bestehende Rechts- und Normensystem sowie Ausgestaltung und Ergebnisse von Entscheidungsprozessen. Die örtlichen Autoritäten auf politischer und administrativer Ebene werden in den Prozess der Erarbeitung und Implementierung von Nachhaltigkeitszielen einbezogen.
  5. Es wird eine Plattform zur Integration von interdisziplinärem und interkulturellem Lernen sowie zur Integration von Forschungsergebnissen in die universitäre Lehre und die kommunale Praxis geschaffen.

2     Forschungsansatz und Programmarchitektur

Innovativ an dem Verbundprojekt ist insbesondere sein integrativer und interdisziplinärer Charakter, der durch die Verknüpfung von so genannten Querschnittskonzepten und Problemfeldern sichergestellt wrid (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Programmarchitektur

Abb. 1: Programmarchitektur

Quelle: HGF, Projektantrag Risk Habitat Megacity

Das wesentlich vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) entwickelte Integrative Nachhaltigkeitskonzept der Helmholtz-Gemeinschaft [1] gestaltet die Zieldimension des Vorhabens aus. Das Risikokonzept identifiziert Problemlagen in ihren wechselseitigen Zusammenhängen und bewertet ihre Relevanz für eine nachhaltige Entwicklung von Megacities. Das Governance-Konzept analysiert politische Handlungs- und Steuerungszusammenhänge. Diese drei untereinander verknüpften Querschnittskonzepte werden im Forschungsvorhaben in den folgenden sieben Megastadt-typischen Problemfeldern (im Projekt „Vertiefungsfelder“ genannt) analytisch angewendet: „Landnutzungsmanagement“, „Sozial-räumliche Differenzierung“, „Verkehr“, „Luftqualität und Gesundheit“, „Energiesystem“, „Wasserressourcen und -dienstleistungen“ sowie „Abfallmanagement“.

Querschnittskonzepte und Vertiefungsfelder bilden zusammen die Komplexität städtischer Systeme und ihre Entwicklungsdynamiken angemessen ab. Sie schaffen so einen adäquaten Rahmen zur Analyse und Bewertung Ballungsraum-typischer Chancen und Risiken und zur Entwicklung von Strategien für eine nachhaltige Entwicklung in Megacities und Metropolregionen.

Durch die Übernahme der Sprecherfunktionen für die beiden Querschnittskonzepte „Nachhaltige Entwicklung“ und „Risiko“ leistet das ITAS am Forschungszentrum Karlsruhe einen wesentlichen Beitrag zur Konzeptentwicklung und theoretischen Fundierung des Forschungsvorhabens. Darüber hinaus wird das Institut zur Integration der Arbeitsschwerpunkte im Projekt in zweierlei Weise beitragen: zum einen durch die Mitarbeit in allen Problemfeldern, um diese so mit den Querschnittskonzepten personell zu vernetzen. Zum anderen wird es wesentliche Beiträge zur Konzipierung und Ausgestaltung von alternativen gesellschaftlichen Rahmenszenarien leisten, die zur Analyse auf einer vertiefungsfeld-übergreifenden Ebene sowie in den Vertiefungsfeldern verwendet werden sollen. Das Forschungszentrum Karlsruhe demonstriert sein großes Interesse und Engagement bei der Suche nach Problemlösungen im Risikolebensraum Megacity durch die Wahrnehmung der Sprecherfunktion in drei der insgesamt sieben Vertiefungsfelder („Luftqualität und Gesundheit“: Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Institut für Atmosphäre und Umweltforschung, „Abfall“: Institut für Technische Chemie – Bereich Thermische Abfallbehandlung sowie „Wasserressourcen und -dienstleistungen“: ITAS). Zum ITAS-Team des Verbundprojekts gehören derzeit Gotthard Bechmann, Rainer Bräutigam, Christian Büscher, Armin Grunwald, Nicola Hartlieb, Juliane Jörissen, Jürgen Kopfmüller, Helmut Lehn (Leitung) und Volker Stelzer.

Anmerkung

[1] Vgl. Kopfmüller, J.; Brandl, V.; Jörissen, J. et al., 2001: Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet. Konstitutive Elemente, Regeln, Indikatoren. Berlin: edition sigma

Kontakt

Dr. Helmut Lehn
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Karlstr. 11, 76133 Karlsruhe
Tel.: +49 721 608-23977
E-Mail: helmut lehn∂kit edu