TA-Projekt zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme: Ziele, Maßnahmen, Wirkungen

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TA-Projekt zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme: Ziele, Maßnahmen, Wirkungen

Von Juliane Jörissen und Reinhard Coenen, ITAS / TAB

Der hohe Flächenverbrauch [1] für Siedlungs- und Verkehrszwecke wird von vielen als ein gravierendes Problem auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung betrachtet. Zwar hat sich die Dynamik des täglichen Zuwachses in den letzen Jahren abgeschwächt, dennoch ist kaum damit zu rechnen, dass ohne gezielte Gegenmaßnahmen das Ziel der Bundesregierung erreicht werden kann, die Flächeninanspruchnahme bis 2020 auf 30 ha / Tag zurückzuführen,. Die im Auftrag des Deutschen Bundestages erarbeitete TAB-Studie, deren Abschlussbericht jetzt vorliegt [2] , stellt die Entwicklung der Flächennutzung in Deutschland dar, zeigt Ursachen und Folgen des Flächenverbrauchs auf und gibt einen umfassenden Überblick über die in der aktuellen Debatte vorgeschlagenen Lenkungsinstrumente. Der nachfolgende Artikel fasst wesentliche Ergebnisse der Studie zusammen.

1     Ursachen und Folgen des Flächenverbrauchs

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche hat sich in den letzten 50 Jahren fast verdoppelt, obwohl die Bevölkerung in diesem Zeitraum nur um rund 30 % und die Zahl der Erwerbstätigen lediglich um 10 % zunahmen. Von der insgesamt für Siedlungs- und Verkehrszwecke beanspruchten Fläche entfällt der größte Anteil (52,5 %) auf die Gebäude- und Freifläche (StaBa 2006). Am Zuwachs dieser Kategorie waren in den letzen Jahren die Wohnflächen überproportional stark beteiligt. Die Wohnfläche pro Einwohner hat sich in den letzen 50 Jahren fast verdreifacht und liegt heute bei über 40 m2 pro Kopf (StaBa 2004). Gründe für den steigenden Wohnflächenkonsum sind in erster Linie zunehmender Wohlstand, steigende Wohnansprüche sowie die wachsende Zahl der Haushalte bei abnehmender Haushaltsgröße. Die Baulandnachfrage konzentrierte sich in den letzten Jahren vorwiegend auf das Umland der Agglomerationsräume und die ländlichen Kreise. Die Hauptursache dafür ist das zwischen Stadt und Umland bestehende erhebliche Bodenpreisgefälle.

Die interkommunale Konkurrenz um Einwohner, Beschäftigte und Gewerbebetriebe wird als ein wesentlicher Motor für die großzügige Ausweisung von Bauland und damit für den hohen Flächenverbrauch angesehen. Gelingt es Kommunen, durch die Bereitstellung attraktiver Baulandangebote neue Gewerbebetriebe und Einwohner anzuziehen, so hat dies positive Auswirkungen auf ihre Finanzsituation: Das Gewerbe- und Grundsteueraufkommen steigt; durch die Erhöhung der Einwohnerzahl nehmen in der Regel auch die Einkünfte aus dem kommunalen Anteil an der Einkommensteuer zu, ebenso wie die Schlüsselzuweisungen der Länder, die teilweise von der Einwohnerzahl abhängen. In dem Bemühen, sich im interkommunalen Standortwettbewerb zu behaupten, werden in der heutigen Praxis meist Standorte auf der „grünen Wiese“ entwickelt - selbst dann, wenn umfangreiche Baulandreserven und Brachflächenpotenziale im städtebaulichen Innenbereich vorhanden sind. Dieser ruinöse Standortwettbewerb wird durch die schwierige finanzielle Lage der Kommunen noch verschärft. [3]

Die Expansion der Siedlungs- und Verkehrsfläche erfolgt in erster Linie auf Kosten der Landwirtschaft. Dies bedeutet einen Verlust an fruchtbaren Kulturböden und bewirkt tief greifende Störungen der ökologischen Bodenfunktionen, die wiederum Rückwirkungen auf den gesamten Naturhaushalt haben. Beeinträchtigt werden die Filter- und Pufferkapazität des Bodens, der Wasserhaushalt, der Austausch der Erdoberfläche mit der Atmosphäre sowie die Lebensräume für Flora und Fauna. Von der insgesamt für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Anspruch genommenen Fläche ist im Durchschnitt knapp die Hälfte versiegelt. Die Versiegelung verringert die natürliche Verdunstung und verhindert die Versickerung von Regenwasser, was zu einem schnellen Abfluss des Regenwassers in die Kanalisation führt. Die Folgen davon sind verstärkte Hochwasserereignisse, eine Verringerung der Grundwasserneubildung und eine Verschlechterung des lokalen Klimas.

Mit der räumlichen Ausdehnung der Siedlungs- und Verkehrsfläche geht eine Abnahme der Siedlungsdichte einher, d. h. die Flächeninanspruchnahme je Einwohner steigt. Dies führt zu einem Anwachsen der Verkehrsströme und hat für die Betroffenen zur Konsequenz, dass sie immer weitere Wege in Kauf nehmen müssen, um sich in der „freien Natur“ zu erholen. Berücksichtigt man, dass der Wirkungsraum des Verkehrs weit über die direkt beanspruchten Flächen hinausgeht, etwa durch Zerschneidung und Verinselung ehemals zusammenhängender Freiräume, Verlärmung und Schadstoffbelastung, so wird deutlich, dass die Flächenstatistik das wahre Ausmaß der Inanspruchnahme nur unzureichend wiedergibt.

Neben den ökologischen Auswirkungen zeigen sich zunehmend auch die negativen sozialen und ökonomischen Folgen der Suburbanisierung. Trotz des anhaltenden Siedlungsflächenwachstums nimmt die Bevölkerung regional ab, insbesondere in den Kernstädten. Da nach wie vor überwiegend junge, besser verdienende Familien mit Kindern abwandern, führt der Einwohnerschwund in den Kernstädten zu einer unausgewogenen Sozialstruktur (gekennzeichnet durch Merkmale wie Überalterung, hoher Anteil an Sozialhilfeempfängern, hoher Anteil an Single-Haushalten), zu einer Unterauslastung der vorhandenen Infrastruktur sowie zu rückläufigen Einkommenssteuereinnahmen (UBA 2004, S. 72).

2     Trends der Siedlungsflächenentwicklung

Der Verlauf der Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke zeigt im Vergleich der drei bisher vorliegenden gesamtdeutschen Erhebungszyklen des Statistischen Bundesamtes (1993 - 2004) einen stetigen Rückgang des Zuwachses bei der Gebäude- und Freifläche (vgl. Abb. 1).

Abb.1: Tägliche Veränderung der Siedlungs- und Verkehrsfläche in ha nach Nut-zungsarten (1993 - 2004)

Abb.1: Tägliche Veränderung der Siedlungs- und Verkehrsfläche in ha nach Nut-zungsarten (1993 - 2004)

Anm.: Die Darstellung umfasst drei Perioden zu je vier Jahren; jede Periode beginnt mit dem 1.1. des ersten Jahres und endet mit dem 31.12. des vierten Jahres.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen des BBR 2006

Als Gründe dafür lassen sich in den letzten Jahren vor allem die konjunkturelle Entwicklung und der damit verbundene Einbruch bei den Bauinvestitionen anführen. Aufgrund der demographischen Entwicklung und des inzwischen durch mehrere empirische Studien belegten Reurbanisierungstrends ist jedoch langfristig mit einem Rückgang der zusätzlichen Flächennachfrage zu rechnen. [4]

Die Tatsache, dass sich der Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche in den letzen Jahren abgeschwächt hat, könnte die Schlussfolgerung nahe legen, dass sich das Problem „von selber“ lösen wird und keiner steuernden Eingriffe mehr bedarf. Diese Schlussfolgerung wäre jedoch schon insofern voreilig, als bei dem sich abzeichnenden konjunkturellen Aufschwung des Baugewerbes auch der Flächenverbrauch wieder ansteigend dürfte. Außerdem werden derzeit trotz nahezu konstanter Bevölkerungszahlen täglich ca. 115 ha Bauland neu erschlossen. Unter der Randbedingung einer langfristig schrumpfenden Bevölkerung besteht die Gefahr, dass jede zusätzliche Flächeninanspruchnahme zu großen, nicht rückholbaren Fehlinvestitionen führt (Schultz, Dosch 2005). Eine konsequente Flächenhaushaltspolitik verliert also auch bei nachlassender Flächennachfrage nicht an Bedeutung. Mit der raschen Umsetzung einer „Flächenkreislaufwirtschaft“ könnte dem Entstehen weiterer Leerstände im Wohn- und Gewerbebau sowie der Ausweitung städtischer Brachen effizient entgegengewirkt werden.

3     Bewertung des vorhandenen Lenkungsinstrumentariums und Reformoptionen

Zur Steuerung der Flächenutzung steht ein breit gefächertes Spektrum teils schon vorhandener, teils neu einzuführender Instrumente zur Verfügung, die im Rahmen der TAB-Studie analysiert sowie hinsichtlich ihrer Wirkungen und Umsetzungschancen bewertet wurden. Die Ergebnisse dieser Bewertung sowie die wichtigsten Reformoptionen werden im Folgenden in sieben Thesen zusammengefasst.

  1. Das bestehende planungsrechtliche Instrumentarium erscheint ausreichend.
    Das planerische Instrumentarium ist durch die in den letzen Jahren erfolgten grundlegenden Novellierungen des Raumordnungsgesetzes und des Baugesetzbuches erheblich erweitert und verschärft worden. Viele der in die Debatte um die Reduktion des Flächenverbrauchs eingebrachten Reformvorschläge, wie die seit langem geforderte Revisionspflicht für Flächennutzungspläne, die Flexibilisierung der planerischen Festsetzungen („Baurecht auf Zeit“), die inhaltliche Konkretisierung der Bodenschutzklausel und die erweiterten Möglichkeiten der Gemeinden, sich gegen die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelbetriebe zu wehren, sind durch das EAG Bau [5] in geltendes Recht umgesetzt worden. Große Bedeutung im Hinblick auf die angestrebte Innenentwicklung und die Aufwertung der Kernstädte als Wohn- und Lebensorte kommt auch den neu eingeführten Regelungen zum Stadtumbau und zur „Sozialen Stadt“ zu. Es bleibt nun zunächst abzuwarten, wie sich diese Ergänzungen und Verschärfungen in der Praxis auswirken.
  2. Um gegenläufig wirkende Anreize zu beseitigen, wird eine Reform der fiskalischen Rahmenbedingungen gefordert.
    Nach allgemeiner Auffassung ist die bisher unzureichende Umsetzung der flächenpolitischen Ziele nicht auf das Fehlen effizienter planerischer Instrumente zurückzuführen, sondern auf den mangelnden politischen Willen der Akteure, diese anzuwenden. Gefordert wird daher eine Korrektur der fiskalischen Rahmenbedingungen, um die Motivationslage der Akteure zugunsten des Flächensparziels zu verändern. Nachdem die in diesem Zusammenhang als besonders kontraproduktiv eingeschätzte Eigenheimzulage mit Wirkung zum 1.1.2006 abgeschafft wurde, steht nun die Grundsteuer im Mittelpunkt der Kritik. Reformbedarf ergibt sich schon durch die veraltete Bemessungsgrundlage der Grundsteuer, die mit dem Grundsatz einer gleichmäßigen Besteuerung nicht vereinbar ist. Aus bodenpolitischer Sicht ist zu bemängeln, dass flächenkonsumierende Bauformen (wie freistehende Ein- und Zweifamilienhäuser) bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage sowie durch niedrige Steuermesszahlen begünstigt werden. Aufgrund ihrer geringen Höhe schafft die jetzige Grundsteuer zudem Anreize zum spekulativen Horten unbebauter Grundstücke im Siedlungsbestand. Um diese Defizite zu beseitigen, wird die Umwandlung der Grundsteuer in eine kombinierte Bodenwert- und Flächensteuer angeregt - entweder mit additiver Verknüpfung der beiden Komponenten nach dem Vorschlag des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) (Apel et al. 2001) oder mit multiplikativer Verknüpfung (Rodi 2002). Bei einer aufkommensneutralen Ausgestaltung der Reform wären allerdings ihre Auswirkungen auf den Bodenmarkt nach den bisherigen Erkenntnissen gering. [6] Um den bodenpolitischen Lenkungseffekt zu steigern, aber auch im Hinblick auf eine Stärkung der kommunalen Finanzautonomie wäre daher eine schrittweise Anhebung zu erwägen. Im Ausgleich zu einem Aufkommenszuwachs bei der Grundsteuer wäre eine Entlastung bei der Gewerbesteuer - als der anderen wichtigen Säule des kommunalen Finanzsystems - möglich, was im Ergebnis zu einer Abschwächung des interkommunalen Wettbewerbs um die Ansiedlung von Unternehmen führen würde. Eine Aufstockung der Grundsteuer erscheint auch insofern gerechtfertigt, als Grund und Boden in Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Staaten vergleichsweise moderat besteuert werden.
  3. Bei der Grunderwerbsteuer besteht nicht nur aus flächenpolitischen, sondern auch aus ökonomischen und sozialen Gründen Reformbedarf.
    Die Grunderwerbsteuer ist seit langem Gegenstand der Kritik, weil sie generell den Grundstücks- und Immobilienverkehr verteuert, ein Preisgefälle zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken erzeugt, die erforderliche berufliche Mobilität der Arbeitnehmer behindert und die Wohneigentumsbildung von Schwellenhaushalten erschwert. Die Vorschläge zur Neuausrichtung reichen von einer Spreizung der Steuersätze nach Lage der Grundstücke über die Befreiungen von der Steuerpflicht beim Erwerb im Bestand bis zur Umwandlung der Grunderwerbsteuer in eine Neuerschließungsabgabe. In der Tendenz laufen alle Reformoptionen darauf hinaus, die Innenentwicklung zu fördern, indem der Grundstückserwerb in Neuerschließungsgebieten verteuert und der Erwerb von Bestandsimmobilien begünstigt wird.
  4. Zur Erreichung des 30-ha-Ziels wäre die Einführung ökonomischer Anreizinstrumente zu erwägen.
    Obwohl sich eine Abschwächung der Flächennachfrage abzeichnet, ist der trendmäßige Rückgang auf lange Sicht zu gering, um das von der Bundesregierung anvisierte Reduktionsziel zu erreichen. Vor diesem Hintergrund ist die Einführung rein flächenpolitisch begründeter ökonomischer Anreizinstrumente zu erwägen. Als Handlungsoptionen kommen drei in der aktuellen Debatte vorgeschlagene Instrumente in Betracht:
    • handelbare Flächenausweisungskontingente,
    • die Baulandausweisungsumlage,
    • die Neuerschließungsabgabe.
    Mit den beiden erstgenannten Instrumenten soll das Ausweisungsverhalten der Kommunen unmittelbar im Sinne des Flächensparens beeinflusst werden. Der Neuerschließungsabgabe würden dagegen Bauherren und Investoren beim Bau von Wohn- und Gewerbegebäuden in neu erschlossenen Gebieten unterliegen sowie, je nach Konzeption, auch Kommunen bei verkehrlichen Erschließungsmaßnahmen. Bei einer Abwägung zwischen diesen drei Instrumenten würde sich nach den Analysen des TAB am ehesten die Neuerschließungsabgabe anbieten. Sofern diese anstelle der reformbedürftigen Grunderwerbsteuer (siehe oben) eingeführt würde, wäre sie auch kein grundsätzlich neues Instrument.
  5. Eine Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit ist dringend erforderlich.
    Den Kommunen steht ein breites Spektrum unterschiedlicher Formen der Zusammenarbeit zur Verfügung, die seit Beginn der 1990er Jahre in verstärktem Umfang genutzt werden. Dennoch ist das Kooperationspotenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Als gravierende Hemmnisse für eine Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit werden neben dem „Kirchturmsdenken“ der Gemeinden und ihrer Befürchtung, im Rahmen einer Kooperation Einschränkungen der kommunalen Selbstverwaltungshoheit hinnehmen zu müssen, vor allem fiskalische Zwänge, Unklarheiten über finanzielle Regelungen sowie der zusätzliche Aufwand der Koordinierungsprozesse genannt. Um diese Hemmnisse zu beseitigen, wird eine grundlegende kommunale Finanzreform gefordert, die eine solide Finanzausstattung gewährleisten und die Konkurrenzsituation mildern würde. Im Hinblick auf einen gerechten Ausgleich zwischen Kernstadt und Umlandgemeinden sollten die Umlandgemeinden an den Kosten für die Bereitstellung übergeordneter Infrastruktureinrichtungen (Kliniken, Theater, Museen, Bibliotheken, Volkshochschulen etc.) beteiligt werden. Angeregt wird in diesem Zusammenhang die Einführung einer „regionalen Infrastrukturpauschale“.
  6. Für die Umsetzung einer nachhaltigen Flächennutzung kommt informatorischen Instrumenten große Bedeutung zu.
    Mithilfe einer umfassenden Aufklärung der Planungsträger über die ökologischen, sozialen und ökonomischen Folgen des Flächenverbrauchs könnte das beklagte Vollzugsdefizit im Planungsrecht wirksam bekämpft und die Bereitschaft zur Kooperation erhöht werden. Als bewährte informatorische Instrumente kommen Weiterbildungsmaßnahmen für Akteure, Leitfäden zum Flächenmanagement, Dokumentation von Best-Practice-Beispielen sowie die Erarbeitung regionaler Standortinformationssysteme in Betracht. Baulandkataster, die Aufschluss geben über ausgewiesenes Bauland, bestehende Brachflächen und überbaubare, aber untergenutzte Flächen (einschließlich der Eigentumsverhältnisse) stellen ein wichtiges flankierendes Instrument der Flächenhaushaltspolitik dar. Um das Problembewusstsein der Allgemeintheit zu erhöhen, wäre eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit erforderlich, die das Thema Flächennutzung aus den Expertenzirkeln in einen breiten öffentlichen Dialog transportiert.
  7. Um den anstehenden Stadtumbau zu bewältigen, ist eine Aufstockung der Städtebauförderung unverzichtbar.
    Aufgrund der Entwicklung der Wohnungsnachfrage in den letzten Jahren lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt eine Parallelität von Suburbanisierung und Reurbanisierung konstatieren. Welcher der beiden Trends in Zukunft die Oberhand gewinnen wird, hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit es Bund, Ländern und Kommunen gelingt, die Rahmenbedingungen für das Bauen und Wohnen in der Stadt zu verbessern. Vor diesem Hintergrund wird eine finanzielle Aufstockung der Stadterneuerungsprogramme „Soziale Stadt“, „Stadtumbau Ost“ und „Stadtumbau West“ gefordert. Um vorhandene Flächenreserven zu mobilisieren, müssten in erster Linie zusätzliche Mittel für die Aufbereitung von Brachflächen aller Art bereit gestellt werden, da das Flächenrecycling von den Kommunen allein nicht bewältigt werden kann.

4     Fazit

Da eine zukunftsfähige Siedlungsentwicklung nicht nur verschiedene, teils quantitative, teils qualitative Zielkomponenten umfasst, sondern zudem unterschiedliche Akteure zu einem zielkonformen Verhalten angeregt werden sollen, wird nur ein Bündel von Maßnahmen zum Erfolg führen. Die Kombination der Instrumente und deren Eingriffsintensität müssten so angelegt sein, dass insgesamt eine gerechte Nutzen- und Lastenverteilung entsteht sowie negative wirtschaftliche und soziale Folgen möglichst vermieden werden. Wie die Simulationsrechnungen des TAB zeigen, könnte das 30-ha-Ziel durch eine Kombination ökonomischer und fiskalischer Instrumente mit relativ moderater Eingriffsintensität erreicht werden. [7] Die finanzielle Belastung könnte noch geringer ausfallen, wenn man davon ausgeht, dass mit dem Instrumentenbündel nur ein bestimmter Prozentsatz des Reduktionsziels erreicht werden müsste, während die noch vorhandene Lücke mithilfe planungsrechtlicher, informatorischer und kooperativer Instrumente geschlossen werden könnte.

Anmerkungen

[1] Grund und Boden können zwar im eigentlichen Sinn nicht „verbraucht“ werden, sie können aber in einer Art und Weise genutzt werden, die die Vielfalt künftiger Nutzungsmöglichkeiten erheblich einschränkt.

[2] J. Jörissen; R. Coenen, 2007: Reduzierung der Flächeninanspruchnahme - Ziele, Maßnahmen, Wirkungen. Berlin: TAB-Arbeitsbericht Nr. 98; siehe auch Jörissen, Coenen, 2007

[3] Die Ursachen für die angespannte Finanzlage liegen in erster Linie auf der Einnahmenseite, wobei alle wesentlichen Einnahmequellen der Kommunen betroffen sind, insbesondere die für die kommunale Finanzautonomie wichtigen Einkünfte aus den kommunalen Realsteuern (Gewerbe- und Grundsteuer) sowie der 15 %ige kommunale Anteil an der Einkommensteuer.

[4] Sowohl für Westdeutschland, und zeitverzögert auch im Osten, zeichnet sich nach den Ergebnissen der Wohneigentumsstudie von TNS Infratest ein Trend zum urbanen Wohnen ab: So hat gut die Hälfte (52%) der neuen Eigentümer in Westdeutschland zwischen 2001 und 2003 „gebrauchte“ Immobilien erworben. Im Hinblick auf die räumliche Verteilung der Nachfrage ist eine zunehmende Verlagerung in die Ballungsräume festzustellen. Die Befunde von Infratest werden durch die Difu-Studie „Wohnen in der Innenstadt - eine Renaissance?“ (Brühl et al. 2005) bestätigt.

[5] Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau) vom 24.06.2004

[6] Das Difu hat die verschiedenen Varianten einer möglichen Grundsteuerreform in einem Planspiel einem Praxistext unterzogen (Lehmbruck, Coulmas 2001).

[7] Die Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) hat für das TAB Simulationsrechnungen zu den Auswirkungen verschiedener Lenkungsinstrumente bzw. Instrumentenbündel mit dem umweltökonomischen Simulationsmodell PANTA RHEI durchgeführt. Hiernach wäre ein Instrumentenbündel, das z. B. eine nicht aufkommensneutrale Bodenwert- und Bodenflächensteuer, die in der Summe zu einer 1%igen Belastung des Bodenwertes führt, und eine bis zum Jahr 2020 linear auf 40 Euro/m2 nominal ansteigende Neuerschließungsabgabe kombinieren würde, Erfolg versprechend.

Literatur

Apel, D.; Böhme, Ch.; Meyer, U. et al., 2001:
Szenarien und Potenziale einer nachhaltig flächensparenden und landschaftsschonenden Siedlungsentwicklung. Berlin: Umweltbundesamt Berichte 1/00

BBR - Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 2006:
Flächenerhebung 2001-2004; [http://www.bbr.bund.de/cln_005/nn_21994/DE/ForschenBeraten/Fachpolitiken/FlaecheLandschaft/Flaechen monitoring/Fl_C3_A4chenerhebung_202004/Fl_C3_A4chenerhebung_202004.html] (zuletzt abgerufen am 28.2.07)

Brühl, H.; Echter, C.; Frölich von Bodelschwingh, F. et al., 2005:
Wohnen in der Innenstadt - eine Renaissance? Berlin: Difu-Beiträge zur Stadtforschung, Band 41

Jörissen, J.; Coenen, R., 2007:
Sparsame und schonende Flächennutzung. Entwicklung und Steuerbarkeit des Flächenverbrauchs. Berlin: edition sigma (Studien des Büros für Technikfolgen-Abschätzung Bd. 20)

Lehmbrock, M.; Coulmas, D., 2001:
Grundsteuerreform im Praxistest. Verwaltungsvereinfachung, Belastungsänderung, Baulandmobilisierung. Berlin: Difu-Beiträge zur Stadtforschung, Band 3

Rodi, M., 2002:
Die Grundsteuer als Instrument einer Flächenhaushaltspolitik. In: Zeitschrift für Umweltrecht, Sonderheft 2002, S. 164-169

Schultz, B.; Dosch, F., 2005:
Trends der Siedlungsflächenentwicklung und ihre Steuerung in der Schweiz und Deutschland. In: DISP - Zeitschrift des Netzwerks Stadt und Landschaft, 41/1 (2005), Nr. 160, S. 5-15

StaBA - Statistisches Bundesamt, 2004:
Datenreport 2004. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung

StaBa - Statistisches Bundesamt, 2006:
Siedlungs- und Verkehrsfläche nach Art der tatsächlichen Nutzung. Erläuterungen und Eckzahlen; [http://www.destatis.de/download/d/ugr/suv2005.pdf] (zuletzt abgerufen am 13.3.2007)

UBA - Umweltbundesamt, 2004:
Reduzierung der Flächeninanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr. Strategiepapier des Umweltbundesamtes. Berlin: Erich Schmidt Verlag

Kontakt

Dipl.-Ing. Juliane Jörissen
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
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