J. Eitmann: Nützlichkeit im Internet. Eine Bedarfsanalyse für ein Wissenschaftsportal am Beispiel der Umweltpsychologie

Rezensionen

Sozialwissenschaftliche Studie zum Aufbau eines Fachportals

J. Eitmann: Nützlichkeit im Internet. Eine Bedarfsanalyse für ein Wissenschaftsportal am Beispiel der Umweltpsychologie. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2006 (Schriftenreihe „Blickwechsel“ des Zentrums Technik und Gesellschaft der TU Berlin, Band 6), 186 S., ISBN 978-3-515-08901-2, Euro 33,00

Rezension von Knud Böhle, ITAS

1     Einleitung

Jens Eitmann ist Diplom-Psychologe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin und selbst mitverantwortlich für das Fachportal der Umweltpsychologen im Internet (http://www.umweltpsychologie.de). Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um seine Dissertation. Da die Arbeit in der Schriftenreihe des Zentrums für Technik und Gesellschaft der TU Berlin publiziert ist, war spontan die Erwartung entstanden, es müsse sich um eine techniksoziologische Arbeit handeln. Dem ist zwar nicht so, aber auch als Bedarfsanalyse für ein Wissenschaftsportal weckte die Arbeit Interesse - zumal mit Blick auf das noch im Aufbau begriffene Portal des Netzwerks TA.

2     Kurzer Überblick

In der Arbeit wird im Wesentlichen eine empirische Bedarfsanalyse in ihrer methodischen Anlage, ihrer Durchführung und ihren Ergebnissen sorgfältig dargestellt. Über die Empirie, so das hauptsächliche Ziel, sollten Hinweise für eine zielgruppenadäquate Ausrichtung des Wissenschaftsportals gewonnen werden. Die Zielgruppe bestand in diesem Fall aus Forschern, Praktikern und Studenten der Umweltpsychologie und anderen Personen mit entsprechenden Interessen. Das Konzept der Nützlichkeit als Grundlage für ein Webangebot zu wählen, also eine Orientierung am Gebrauchswert, leuchtet sofort ein.

In der Bedarfsanalyse wurden qualitative und quantitative Methoden kombiniert. Eine fragebogenbasierte Voruntersuchung (neun Personen), qualitative Experteninterviews (15 Personen) sowie eine quantitative Fragebogenerhebung wurden durchgeführt. 174 Fragebogen konnten ausgewertet werden, wobei 90 Personen die Fragen online beantwortet hatten. Die Ergebnisse wurden inhaltsanalytisch und statistisch solide ausgewertet.

Entgegen der Erwartung zu Beginn der Untersuchung, die von einer besseren Vernetzung der Wissenschaftler untereinander als Hauptnutzen ausging (S. 21), ergab die Bedarfsanalyse, dass die Befragten sich das Portal vor allem als Mittel der Außendarstellung der Community und als Marketinginstrument wünschten. Diese Erkenntnis verdankt sich insbesondere den Experteninterviews (S. 84). Die Bedarfsanalyse konnte des Weiteren aufzeigen, welche Erwartungen bei den Untergruppen der Praktiker, Forscher und Studenten vorherrschten.

Die Arbeit, die den verfolgten methodischen Ansatz selbst als „gewinnbringend“ (S. 151) einstuft, ist sorgfältig gemacht und kann auch anderen Anregungen geben, die Nützlichkeits- bzw. Bedarfsanalysen zu Webangeboten und Portalen unternehmen wollen.

3     Kritische Fragen

Die Arbeit muss sich aber auch einige kritische Fragen gefallen lassen. Es bleibt im Dunkeln, wann die Erhebungen tatsächlich stattgefunden haben. Einige Indizien sprechen dafür, dass die Empirie schon 2002 stattfand. So wird davon gesprochen, dass 41 der Teilnehmer an der Fragebogenaktion eine „Vorversion der Website“- besucht hatten, die es vermutlich im Sommer 2002 gab (S. 139; S. 143-145). Weitgehend unklar bleibt auch, ob und inwiefern die Bedarfsanalyse Einfluss auf das Webangebot genommen hat, das seit Januar 2003 „ohne grundsätzliche Veränderungen“ (S. 145) läuft. Da Jens Eitmann für das Portal mitverantwortlich ist, hätte man doch Aufschluss darüber erwarten können, wie die Ergebnisse der Bedarfsanalyse den Aufbau des Portals praktisch beeinflusst haben.

Wegen dieser Unklarheiten ist es schwer zu beurteilen, ob eine stärkere Einbeziehung des existierenden Webportals bei der empirischen Ermittlung der Nutzerwünsche möglich gewesen wäre. Kritisch zu fragen wäre auch, ob angesichts der vergleichsweise schwachen Nutzung des Webangebots für Umweltpsychologie (Zugriffe auf die Startseite zu Beginn im Februar 2003 knapp 150, ein Jahr später etwa 250), eine Kooperation mit größeren Portalen im Bereich der Sozialwissenschaften Vorteile gebracht hätte. Außerhalb der Arbeit liegt offenkundig auch die Frage, welche Erkenntnisse eine eingehende Beschäftigung mit anderen Fachportalen gebracht hätte, von denen viele in den letzten Jahren - teilweise von der DFG gefördert - entstanden sind. Heutzutage muss wohl auch die Frage gestellt werden, was ein Fachportal bieten muss, um mit dem über Suchmaschinen zu befriedigenden Informationsbedarf erfolgreich zu konkurrieren.

4     Folgerungen für das Webangebot der „TA-Community“

Eine Bedarfsanalyse ließe sich prinzipiell auch zum Webangebot der „TA-Community“ durchführen, wenngleich sie um einiges größer und heterogener als die Gemeinde der Umweltpsychologen ist. Die Ausgangslage wäre aber eine andere, da es viele Einrichtungen der TA mit umfänglichen Angeboten bereits gibt. Insofern stünde die Vernetzung bestehender Angebote stärker im Vordergrund. Bei einer eventuellen Bedarfsanalyse würde meiner Meinung nach vieles für die Wahl qualitativer Methoden sprechen, insbesondere um Aussagen zu den Zwecken und der erwarteten Nützlichkeit des Fachportals im Zusammenhang mit dem Wissen um aktuelle technische Möglichkeiten des Internet thematisieren zu können. Einen dringenden Bedarf für solch eine Bedarfsanalyse kann ich derzeit allerdings nicht erkennen, weil es in dem Fall des Netzwerks TA (NTA) für die Fragen des Ausbaus des TA-Portals eine „IuK-Gruppe“ gibt, die insbesondere mit den „Internetbeauftragten“ der beteiligten Institutionen kommuniziert und kooperiert und darüber sowohl inhaltliche Zielvorstellungen und technische Erfahrungen einholen kann. Schließlich werden die Überlegungen und Planungen sowohl der IuK-Gruppe als auch der gesamten NTA-Community vor- und zur Diskussion gestellt.