Tagungsberichte
Tagung: Visionen der Informationsgesellschaft 2016 (Katowice, Polen, 7. - 9. Juni 2006)
Visionen der Informationsgesellschaft 2016
Katowice, Polen, 7. - 9. Juni 2006
Bericht von der Konferenz des Internationalen Zentrums für Nachhaltigkeit und Informationsgesellschaft an der Schlesischen Universität Katowice
von Robert Hauser, Bettina-Johanna Krings und Gerhard Sardemann, ITAS
1 Einordnung und Überblick
Die Konferenz hatte sich zum Ziel gesetzt, Vorstellungen für wünschenswerte und mögliche Visionen im Bereich der Informationsgesellschaft zu entwickeln. Dieses Ziel wurde in Vorträgen, Diskussionen und vor allem in Arbeitskreisen vor dem Hintergrund des Aktionsprogramms „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ als auch vor dem des EU-Programms „i2010“ [1] , speziell zur „eAccessbility“ [2] unter Einbeziehung von Studenten der Universitäten Katowice und Potsdam umgesetzt. Die Konferenz fand im Rahmen des Deutsch-Polnischen Jahres statt und bildete den Höhepunkt der Aktivitäten des Zentrums für Nachhaltigkeit und Informationsgesellschaft (CRI). [3] Thematisch stand weniger die technische Seite der Informationsgesellschaft im Fokus des Diskurses, sondern viel mehr die soziokulturellen Bedingungen und Möglichkeiten einer zukünftigen Gesellschaftsgestaltung. Zur Veranstaltung hatten sich 70 Teilnehmer angemeldet; mehr als die Hälfte davon kam aus Polen, der Rest aus Deutschland, Österreich und der Tschechischen Republik.
Nach einleitenden Statements der Veranstalter und Organisatoren gab es am ersten Konferenztag acht Vorträge, die teilweise kritisch auf die Schwerpunkte des Themenkomplexes Informationsgesellschaft hinwiesen und zugleich wichtige Fragen für die späteren Diskussionen in den Arbeitskreisen aufwarfen. Nach einem Einführungsvortrag zum Thema der Veranstaltung von Gerhard Banse (CRI) beleuchtete Krystina Doktorowicz (Fakultät für Rundfunk und Fernsehen an der Schlesischen Universität Katowice) kritisch die polnischen Verhältnisse im Kontext der EU-Integration. Im Anschluss erläuterte Herbert Zeisel vom Deutschen Luft- und Raumfahrtszentrum die Struktur des 7. Forschungs-Rahmen-Programms der Europäischen Union. Heinrich Badura vom Österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ging auf „Die Informationsgesellschaftspolitik Europas und den Stellenwert des Menschen“ ein.
Am zweiten Konferenztag fanden sieben Arbeitskreise statt: (1) Arbeit / Wirtschaft, (2) Kultur und Kunst / net-art, (3) Raumplanung, (4) Bildung / eLearning, (5) Kommunikation, (6) Transparente Individuen und demographische Entwicklung und (7) Europäische Dimension. Im Folgenden wird aus den drei Sektionen ausführlicher berichtet, in denen das ITAS personell vertreten war.
2 Arbeitskreis „Arbeit / Wirtschaft“
In dieser Sektion unter Leitung von Ewa Okón-Horodynska (Jagiellonische Universität Krakau) und Bettina-Johanna Krings (ITAS) fand sich nur ein kleinerer Teilnehmerkreis ein, was angesichts des umfangreichen Themengebietes überraschte.
Insgesamt gab es fünf Präsentationen: zwei deutschsprachige und drei polnische; insgesamt blieb nur wenig Zeit für die Diskussion. Die inhaltliche Verschränkung der Themengebiete wurde durch die Integration der wissenschaftlichen Disziplinen Ökonomie und Soziologie gewährleistet, wobei der ökonomische Ansatz den Blick auf die Vision einer Informationsgesellschaft dominierte. Dies war jedoch kein Mangel, da es viele Berührungspunkte zwischen der wirtschaftlichen Dynamik und ihren Auswirkungen auf die Arbeitswelt gab.
Prägend für die Diskussion im Rahmen der Sektion war folgende Einschätzung: Wir können analysieren, jedoch nicht diagnostizieren. Dies trifft vor allem auf den Ländervergleich zwischen Deutschland und Polen zu, denn beide Länder müssen eigene Visionen von einer Informationsgesellschaft entwickeln. Die Diskussion, die am dritten Tagungstag von Bettina-Johanna Krings dem Plenum vorgetragen wurde, kann mit folgenden sechs Punkten zusammengefasst werden:
- Die Vision einer Informationsgesellschaft beginnt nicht mit der politischen Deklaration von Lissabon (Lissabon-Strategie) aus dem Jahr 2000 [4] , sondern ihre technischen und kulturellen Ursprünge reichen zurück bis in die 1960er, vor allem in die 1970er Jahre. Die historische Zäsur kann durch den Übergang von einer Industriegesellschaft zur einer Informationsökonomie oder -gesellschaft beschrieben werden.
- Dieser Prozess setzte in den Ländern der Welt unterschiedlich ein und prägte – nicht nur zeitlich gesehen – neben der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung in besonderem Maße auch das Wirtschaften und Arbeiten in den unterschiedlichen Gesellschaften.
- Die zentrale Charakteristik, die für die Veränderung der Arbeitsprozesse steht, ist die räumliche Verteilung der Arbeit. Durch die Übersetzung von Arbeitsprozessen in Informationen sowie die geographische Unbestimmtheit hat sich Arbeit mehr denn je zu einer abstrakten Ware entwickelt. Diese Entwicklung hat große Auswirkungen auf die Reorganisation der Arbeit: Standardisierung von Arbeit bei gleichzeitiger Aufweichung von sozialen und politischen Arbeitsstandards, Flexibilisierung, neue Kontrollformen sowie die stetige Zunahme der internationalen Arbeitsteilung haben Informationen, Daten und Wissen zu einem zentralen Produktionsfaktor gemacht.
- Die empirische Erhebung von Informationen und Wissen als ökonomische Ressource birgt aus ökonomischer Perspektive viele methodische Probleme. Da Informationen in allen wirtschaftlichen Prozessen enthalten und gleichzeitig auch Bestandteil derselben sind, macht es wissenschaftlich methodisch wenig Sinn, Informationen außerhalb bestimmter Wirtschaftsverläufe zu suchen.
- Der UN-Gipfel zur Informationsgesellschaft in Tunis im Jahr 2005 weist in seiner Abschlusserklärung zum wiederholten Male auf den Anspruch hin: Jeder sollte die Möglichkeit haben, Wissen und Informationen zu schaffen, verarbeiten und zu verbreiten. [5] Dies kann als normatives Ziel angesehen werden, das an partizipationstheoretische Theoreme anknüpft und deren Wurzeln für die Entwicklung der Zivilgesellschaft bis in die Französische Revolution zurückverfolgt werden können. Die Entwicklung einer Informationsgesellschaft kann als gesellschaftliches Projekt betrachtet werden, das auf unterschiedlichen Ebenen stattfindet, mit
- Die Informationstechnologien haben in ihren Möglichkeiten zu einer enormen Konzentration ökonomischer Macht geführt. Neben der Zunahme wirtschaftlicher Monopole kam es zu der Herausbildung großer Informationsmonopole, die Gegenstand jeder Analyse sein sollten, die sich der Vision „Informationsgesellschaft“ widmet.
3 Arbeitskreis Kultur und Kunst / net-art
Auf der Tagesordnung dieser gut besuchten Sektion standen sechs, von den Sektionsleitern Mariola Su?kowska, Urszula ?ydek-Bednarczuk (Schlesische Universität Katowice) und Robert Hauser (ITAS) im Vorfeld der Konferenz vorgeschlagene Themenkomplexe, die jeweils kurz anmoderiert und dann zur Diskussion gestellt wurden. Im Folgenden werden die Diskussionsergebnisse umrissen, die von Urszula ?ydek-Bednarczuk im Plenum vorgetragen wurden.
- Zur Explikation des Begriffs „Das Internet als Medium“:
Dieser Themenkomplex diente der Einführung, um zunächst über die Definition der Begriffe „Internet“, „Medium“ und „Neue Medien“ eine Grundlage für die Diskussion zu schaffen: Das Medium Internet steht paradigmatisch für den Oberbegriff „Neue Medien“ und unterscheidet sich von den „Alten Medien“ zum einen hinsichtlich quantitativer Merkmale (wie Tempo, Speicherkapazität, Teilnehmerzahl und Kommunikationsrichtung) und qualitativer Merkmale (wie Digitalität, Multimedialität und Interaktivität). - Das Internet als neue Technologie und sein Einfluss auf Gesellschaft und Kultur:
Die Betrachtung des Internets als Medium geschah vor allem als Reflexion der Wechselwirkungen zwischen Internet und Kultur – ein Ziel, das jeweils sehr unterschiedlich verstanden wurde. Michael Fischer (Universität Salzburg) unterschied z. B. drei Kulturebenen: die der wissenschaftlich-technischen Kultur, die der Massenmedien und die der Ästhetik. Entlang der These von Marshall McLuhan, dass neue Medien auch neue Formen der Wahrnehmung evozierten und dadurch wiederum auf die Kultur wirkten, entspann sich eine Diskussion über Virtualität, Hypertextualität, Kulturimperialismus des Internet sowie die neuen Möglichkeiten und Charakteristika von Kommunikation generell. - Probleme der Identität im Internet – Chancen und Gefährdungspotentiale:
Einführend in diesen Themenkomplex stellte Tadeusz Miczka (Universität Katowice) fest: Identitäten seien immer weniger kulturbezogen. Identitäten wandelten sich nach den dynamischen Organisationsprinzipien der neuen Medien in Netzwerkstrukturen und würden daher nicht mehr von Grenzen definiert, sondern vielmehr von sich stetig wandelnden Schnittstellen und Anknüpfungspunkten. Die Diskussion drehte sich dann vor allem um die ambivalenten Wechselwirkungen zwischen Identität im Internet und im realen Leben: Im Internet existierten lediglich „virtuelle Identitäten“. Sie seien also bloße Vorstellungen von Identität und würden als solche aber auch zunehmend in der Alltagswirklichkeit ausgelebt. Identitäten seien heute im Vergleich zu früher eher schwach, dafür pluralistisch, leicht modifizierbar und hochgradig konstruiert. Fischer nannte in diesem Zusammenhang auch negative Folgen dieser Entwicklung, wie z. B. Optionsparalyse, Multiphränie (das Spielen vieler unterschiedlicher Rollen) und Theatralisierung des Alltags. - Medienbildung – Postulate, Veränderungen in den Bildungsprogrammen, neue Medienkompetenzen:
Bildung und Ausbildung bekamen und bekommen durch die anhaltende wirtschaftliche Transformation der Gesellschaften eine neue Bedeutung. Der stetige Wandel der Gesellschaft verlangt vom Individuum die ständige Aneignung neuer Kompetenzen, um sich in der Berufs- und Alltagswirklichkeit zurechtzufinden. Die neuen Informationstechniken fordern und fördern diesen Prozess gleichermaßen. Auf der einen Seite wachsen die Ansprüche hinsichtlich der Medienkompetenz an den Rezipienten, der durch Interaktivität immer mehr zum aktiven User wird, auf der anderen Seite bietet das Internet z. B. durch freie Enzyklopädien und eLearning-Plattformen Möglichkeiten, sich unabhängig von jeder Institution mit Wissen und Bildung zu versorgen, sofern der Zugang vorhanden ist. - Computerspiele – Unterhaltung und Gefährdung:
Computerspiele gehören mittlerweile als Freizeitbeschäftigung (aber nicht ausschließlich, d. A.) in allen Alters- und Gesellschaftsschichten zum Alltag. Sie sind in erster Linie ein Konsumprodukt eines prosperierenden Industriezweigs mit erheblichen Wachstumsraten und -potenzialen. Sie sind symptomatisch für den Umgang mit neuer Technik und gerade darin liegt gleichzeitig ihre Kulturfunktion: Neue Technik (zumindest im Telekommunikationsbereich) wird heutzutage zunächst als Spiel(erei) eingeführt. Erst durch die mittel- und langfristige Nutzung ergeben sich, meist zuvor von den Produzenten gar nicht intendierte, sinnvolle Anwendungen und messbarer Mehrwert für den Nutzer. Mit zunehmender Simulation des Realen in Echtzeit-Onlinespielen verändert sich das Verhältnis zwischen Real-Life (RL) und Virtual-Reality (VR) und es treten Probleme auf wie z. B. die Spielsucht, die Realitätsflucht oder die Verwechslung von RL und VR. - Net-Art – das Phänomen der Interaktivität; neue Ästhetik- und Kunstwerte:
Hier wurde zunächst auf das Problem des Schutzes von geistigem Eigentum hingewiesen. Es wurde eine Unterscheidung getroffen zwischen der lediglich virtualisierten Darstellung herkömmlicher „materieller“ Kunst im Netz (wie z. B. den Online-Galerien der großen Museen) und „Net-Art“, also Kunst, die nur mit und durch das Internet möglich bzw. darstellbar ist. Mariola Su?kowska wies in der Diskussion auf die Zusammenhänge zwischen Kunst, Kreativität und Internet hin: Kunst sei undenkbar ohne Kreativität. Kreativität wiederum könne als soziales Ereignis verstanden werden, das auch und vor allem in der Kommunikation und Interaktion mit anderen stattfinde. Die neue Kommunikationstechnik befördere durch ihre zahlreichen Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten die Kreativität und ließe uns die Welt mit anderen Augen sehen.
4 Arbeitskreis „Raumplanung“
Diese Sektion unter Leitung von Jerzy Runge, (Institut für Sozialgeografie der Schlesischen Universität Katowice) und Stefan Lingner (Europäische Akademie Bad Neuenahr) wurde durch drei Vorträge polnischer Referenten geprägt. Diese waren von Jerzy Runge, der auch die Ergebnisse im Plenum vorstellte, eingeladen worden. Mit fünf polnischen und vier deutschen Teilnehmern war der Arbeitskreis recht gut besucht.
- Netzbasierte Bürgerbeteiligung in der Raumplanung I: Ballungsräume und Kulturdenkmäler:
Das erste der Referate wurde von Zbginiew Kaminski (Marschallamt der Woiwodschaft Schlesien / Schlesische Politechnika Katowice) gehalten. Er berichtete über die Ziele der Raumplanung in der Region Katowice am Beispiel des Raumentwicklungsplanes für die Woiwodschaft Schlesien. Die Vision sei ein europaweit konkurrenzfähiges „konsolidiertes schlesisches Ballungsgebiet“. Er sprach von einer „Ethik des Planens“, der Prinzipien wie „Nachhaltigkeit“, ein Streben nach „effizienten Strukturen“ oder einfach „andere hochgeschätzte Werte“ zugrunde lägen. Als Beispiel für die Einbeziehung der Öffentlichkeit bei der Raumplanung nannte er die Wahl des „besten öffentlichen Raums“ in der Region Katowice, die über das Internet durchgeführt worden sei. Auch die Entscheidung für den neuen Standort des Schlesischen Museums, das zu Beginn des Zweiten Weltkrieges von den Deutschen gesprengt worden war, sei unter Beteiligung der Öffentlichkeit getroffen worden; derzeit befinde man sich in einem Diskussionsprozess über die Erneuerung des Woiwodschaftsparkes, einem großen Naherholungsgebiet am Rande der Stadt Katowice. Das Internet könne aus seiner Sicht nicht nur dazu verwendet werden, Vorschläge für Raumordnungspläne zu veröffentlichen, sondern biete darüber hinaus auch die Möglichkeit, deren Entstehung transparent zu machen und Meinungsbilder abzurufen.Es wurde in der Diskussion darauf hingewiesen, dass eine Beteiligung der Öffentlichkeit nicht allein über das Internet hergestellt werden könne; die Möglichkeit persönlicher Vorsprache bei den Behörden oder Diskussion in Versammlungen müsse weiterhin gegeben sein (oder sogar erst noch geschaffen werden, d. A.). Dies sei wichtig, da nicht jeder Zugang zum Medium Internet habe. Als Vorteil des Internets wurde die Möglichkeit angesehen, seine Argumente dort anonym und geschützt vorzubringen – im Gegensatz zu öffentlichen Veranstaltungen, bei denen häufig nur Wenige das Wort ergreifen würden. Allerdings müssten auch die technischen Möglichkeiten geschaffen werden, sich zu äußern, ohne Gefahr zu laufen, zum „gläsernen Bürger“ zu werden.
- Die IT-Branche: Motor für Strukturwandel?
Grzegorz Micek (Geografischen Institut der Jagiellonischen Universität Krakau) ging es in seinem Vortrag nicht um die Anwendung moderner Informationstechnologien, sondern um die Ansiedlung von IT-Industrie (als Bestandteil des Strukturwandels) im Großraum Katowice. Es bestehe die Hoffnung, durch die Ansiedlung von IT-Industrie Lücken schließen zu können, die durch das Schwinden der bislang dort vorherrschenden Schwerindustrie entstünden. Die von Micek vorgestellten Zahlen machten allerdings deutlich, dass die polnischen Steigerungsraten längst noch nicht das Ausmaß anderer Boom-Regionen der IT-Branche in der EU angenommen haben. Selbst der Vergleich zwischen dem schlesischen Ballungsgebiet und dem benachbarten Krakau fiele derzeit zugunsten des Raums Krakau aus, wo sich insbesondere ausländische Firmen niedergelassen hätten. Ein wichtiges Argument für eine Ansiedlung sei neben der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte eben auch die Attraktivität der Umwelt und des kulturellen Umfeldes. - Netzbasierte Bürgerbeteiligung in der Raumplanung II: ländliche Gebiete:
Der letzte Vortrag, der von der Landschaftsarchitektin Jolanta Zarzycka-Hajdukiewicz (Gesellschaft der polnischen Raumplaner) gehalten wurde, führte wieder auf das im ersten Referat angeschnittene Problemfeld zurück. Es ging in ihrem Vortrag um das Problem der Suburbanisierung und damit um die Entwicklung ländlicher Gebiete im Umfeld der Städte, die sich bei vermehrtem Zuzug aus den Städten derzeit relativ ungeplant vollzöge. Es fehle an Infrastruktur und aufgrund von Gesetzeslücken werde viel „wild“ gebaut. Um dies zu verhindern, müssten Bebauungspläne entwickelt werden. Die Beteiligung der Bevölkerung hierbei sei aber problematisch, da das Anliegen der Gemeinschaft häufig durch die Berücksichtigung der Interessen einzelner Anwohner konterkariert würde – ein Punkt, auf den zuvor schon Kaminski hingewiesen hatte. Die Landschaftsarchitektin sprach auch das Problem der Bildung an. Die aus Sicht der Landschaftsplanung harmonischsten Gebiete seien in Zeiten entstanden, als noch wenige, aber gebildete Menschen über die Entwicklung der Landschaft zu befinden hatten. Trotz aller von ihr genannten Schwierigkeiten und vor allem Unwägbarkeiten sah sie ein Potential in internetbasierten Beteiligungs- und Planfeststellungsverfahren.
Im Arbeitskreis, wie auch während der gesamten Veranstaltung, wurde der Begriff „Nachhaltigkeit“ häufig genannt. Dem deutschsprachigen Teilnehmer blieb dabei oft verschlossen, ob der manchmal seltsam unkonkrete und auch deplaziert wirkende Gebrauch des Begriffes nicht auch der Übersetzung aus dem Polnischen geschuldet war. Ein Informationsverlust durch die Übersetzung war unübersehbar, wenn auch die Leistung des Übersetzers Marcin Murawski (CRI) nicht genug zu würdigen ist. Zaghafte Ansätze der Beteiligten, auch der polnischen, die Arbeitskreissitzung in englischer Sprache abzuhalten, wurden leider im Keim erstickt.
5 Abschlussplenum und Resümee
Am dritten Tag präsentierten die einzelnen Arbeitskreise ihre Ergebnisse dem Plenum. Als Resümee der Präsentationen lässt sich festhalten, dass die Diskussionen in der Mehrzahl der Arbeitsgruppen den Staus quo umkreisten und es nur zum Teil gelungen war, wegweisende Visionen einer Informationsgesellschaft 2016 zu entwickeln. Vielleicht lag es aber auch daran, dass dieser Status quo erst einmal dem jeweils Anderen verdeutlicht werden musste. Dass beide Länder darüber hinaus auch noch jeweils eigene Visionen von einer Informationsgesellschaft entwickeln müssen, wurde ja bereits angedeutet. Ein Versuch, von der Bestandsaufnahme über Szenarien zu einer Vision zu gelangen, wurde im Bericht der Arbeitsgruppe „Bildung / eLearning“ von Hans-Joachim Laabs (Universität Potsdam) vorgestellt. Auch die Ausführungen von Jochen Pack (Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation), der die Ergebnisse des Arbeitskreises „Demografische Entwicklung“ vorstellte, hatten eher „visionären Charakter“. Es ging darin u. a. um „emotionale Zuwendungen“ im Alter durch Roboterhunde, die man heute schon in Japan einsetzt.
Die Veranstaltung endete mit einem virtuosen Vortrag von Michael Fischer über „Wissen als kulturellen Vorgang“. Wenn Computer Daten zu Informationen verarbeiten, so seien diese noch lange kein Wissen. Von Wissen spräche man erst, wenn Information zu höherer integrierter Komplexität verarbeitet wird. Wer wissen will, müsse geistige Leistungen wie Kombinieren, Assoziieren, Einordnen, Strukturieren, Analysieren, Kommunizieren und Ahnen in einem kreativen Schöpfungsakt miteinander verbinden. Und dies könne ein Computer eben nicht leisten. Insofern sei Wissen kein technischer, sondern ein kultureller Akt. Kultur als zentrale Produktivkraft anzuerkennen, so Fischer, bewahre uns vor der immanenten Gefahr, in Informationen zu ertrinken, während wir gleichzeitig nach Wissen dürsteten.
Die Schlussbemerkungen kamen von Gerhard Banse, der sich durch die Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für das Deutsch-Polnische Jahr in die Lage versetzt sah, seinen schon länger gehegten Traum von einer solchen Konferenz in die Tat umzusetzen, und von Andrzej Kiepas, dem Direktor des Instituts für Philosophie an der Schlesischen Universität Katowice und Leiter des ICR.
Anmerkungen
[1] „i2010 – Eine europäische Informationsgesellschaft für Wachstum und Beschäftigung“; Mitteilung der EU Kommission an den Rat vom 1.6. 2005, veröffentlicht als Dokument KOM (2005)3229. Sie ist der neue strategische Rahmen der Europäischen Kommission, mit dem die großen politischen Leitlinien für die Informationsgesellschaft und die Medien definiert werden. Diese neue integrierte Politik zielt vor allen Dingen darauf ab, Wissen und Innovation zu fördern, um das Wachstum und die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen voranzutreiben. Diese Politik ist Teil der überarbeiteten Lissabon-Strategie. (Anm. d. Red.)
[2] „Barrierefreier Zugang (eAccessibility)“; Mitteilung der EU Kommission an die Mitgliedsstaaten vom 13.9.2005, veröffentlicht als Dokument KOM (2005)425. Sie ermuntert die Mitgliedstaaten, Initiativen zur Verbesserung des Zugangs aller Menschen zu den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) stärker zu fördern und dabei besonders auf die Bedürfnisse behinderter und älterer Menschen zu achten. (Anm. d. Red.)
[3] Beim CRI handelt es sich um eine gemeinsame Initiative der Schlesischen Universität Katowice und des Fraunhofer-Anwendungszentrums Cottbus (FhG-ALI).
[4] Die „Lissabon-Strategie“ umfasst sämtliche Maßnahmen zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Erneuerung der EU. Im März 2000 hatte der Europäische Rat auf seiner Tagung in Lissabon diese auf zehn Jahre angelegte Strategie angenommen, mit deren Hilfe die EU zum weltweit dynamischsten und wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum bis 2010 entwickelt werden soll – einem Wirtschaftsraum, der fähig sein soll, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt“ möglich zu machen. Für weitere Informationen siehe http://www.euractiv.com/de/agenda2004/strategie-lissabon/article-103671 oder http://www.eu-kommission.de/html/themen/lissabon_strategie.as (Anm. d. Red.)
[5] „Tunis Agenda for the Information Society", veröffentlicht als Dokument WSIS-05/TUNIS/ DOC/6 (rev. 1), im Internet als Download verfügbar unter http://www.itu.int/wsis/docs2/tunis/ off/6rev1.pdf (Anm. d. Red.)