Europa
Die europäischen Bürgerinnen und Bürger wollen ihre Zukunft mitgestalten – auch im Hinblick auf Forschung und Entwicklung. Dass es wichtig und möglich ist, die Öffentlichkeit künftig in das agenda setting in diesem Bereich einzubeziehen, zeigen die Ergebnisse des im März 2018 abgeschlossenen Projekts Citizen and multi-actor consultation on Horizon 2020, kurz CIMULACT. Über drei Jahre hinweg befragten Forschende im Auftrag der Europäischen Kommission mehr als 1.000 Bürgerinnen und Bürger sowie Fachleute aus 30 Ländern zu Visionen wünschenswerter und nachhaltiger Zukünfte. Die Ergebnisse der nationalen Workshops mündeten in 23 Themenvorschläge für das Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 und das Nachfolgeprogramm Horizon Europe. Die national citizen vision workshops erlauben es, Visionen, Wünsche und Bedenken von Bürgerinnen und Bürgern auf einfachem Wege zu sammeln und ihre innovativen Ansätze in Empfehlungen für Politik und Forschung zu überführen, so das Fazit der Forschenden. Für die Arbeit erhielt das internationale Projektteam rund um die Koordinatoren vom Danish Board of Technology die Auszeichnung als good practice case der OECD.
POLITIKBERATUNG
Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) wird auch in den kommenden Jahren bis 2023 vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) betrieben. Die Entscheidung fiel am 7. Juni 2018 im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. „Alle Fraktionen sind sich einig, dass das TAB seine sehr geschätzte und erfolgreiche unabhängige Beratungstätigkeit für das Parlament fortführen soll“, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses Ernst Dieter Rossmann. Das TAB berät das deutsche Parlament bereits seit 1990 in Fragen des wissenschaftlich-technischen Wandels. Schwerpunkte seiner Studien sind Energie, Umwelt, Landwirtschaft, Grüne Gentechnik, Bio- und Medizintechnologie sowie zuletzt vermehrt die tiefgreifende Digitalisierung fast aller gesellschaftlichen Bereiche. Hinzu kommen Untersuchungen zum Innovationsgeschehen, zu den Stärken und Schwächen des Standorts Deutschland und zu aktuellen Herausforderungen in der Bildungs-, Forschungs-, Innovations- und Wissenschaftspolitik. Zur Bearbeitung dieser Themenvielfalt steht im TAB ein Team von zehn erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen bereit. Hinzu kommt seit 2013 die Expertise der Kooperationspartner IZT und VDI/VDE-IT.
Konferenz
Zu einem internationalen Austausch über die Gemeinsamkeiten von TA und Zukunftsforschung sowie über den Gegenstand der Future Studies trafen sich Vertreterinnen und Vertreter aus Forschung und Praxis in Boston, Massachusetts (USA). Zu der Konferenz am 29. und 30. Mai 2018 hatten Yashar Saghai vom The Millenium Project der Universität der Vereinten Nationen und Peter Galison vom Department of the History of Science der Harvard University eingeladen. Unter dem Titel „Grappling with the Futures: Insights from Philosophy, History, and Science, Technology and Society“ diskutierten an den Universitäten Harvard und Boston rund 130 Forscherinnen und Forscher unterschiedlicher akademischer Disziplinen mit Praktikerinnen und Praktikern der Antizipation von Zukünften aus 44 Ländern. Im Fokus standen beispielsweise die Plausibilität möglicher Zukünfte, die Globalgeschichte der Zukunftsforschung, Normen in den Future Studies oder die Anwendung von Foresight-Methoden in der Praxis. Keynote-Vorträge hielten Cynthia Selin (Arizona State University), Peter Galison (Harvard University) und Roberto Poli (Universität Trient).
MdB und Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Welchen Stellenwert haben Technikfragen im Deutschen Bundestag?
Zukunftstechnologien fordern, fördern und erfordern Politik – immer nachhaltiger, immer komplexer, immer ambivalenter in Chancen und Risiken, immer finanzwirksamer. Der Stellenwert wächst in allen Politikbereichen.
Was zeichnet TA aus?
Ein sehr hoher wissenschaftlicher Standard und ein sehr klares Wertekonzept. Dabei muss beides mit Transparenz hinterlegt werden.
Welche Forschungsfrage interessiert Sie persönlich besonders?
Wie können voraussichtlich 11 Milliarden Menschen zu Ende dieses Jahrhunderts friedlich, frei, glücklich und im Einklang mit der Natur auf unserem Planeten leben?
Welche Rolle spielen wissenschaftliche Erkenntnisse in der politischen Entscheidungsfindung?
Leider eine zu geringe. Mit zu viel Politik unter dem Niveau wissenschaftlicher Erkenntnisse. Von Besserwissern und Wissenschaftsgegnern sowieso. Von Lobbypolitikern und Politikern mit Kurzzeit-Horizont auch. In der Demokratie braucht Wissenschaftsoffenheit viel Aufklärung, Vermittlung und Klugheit.
Wie kann Wissenschaft von der Politik „gehört“ werden?
Verständlich sein, praxisnah sein, selbstkritisch sein, Alternativen aufzeigen, auf Heilsversprechen verzichten.
Urbane Risiken
Das neue Themenspezial zur Zukunftsfähigkeit von Städten auf der Earth Systems Knowledge Platform (ESKP) ist online. Es enthält unter anderem Beiträge zu den Themen Smart Cities, Stadtklima und Metropolenwachstum. Die Wissensplattform wird seit 2017 von der Helmholtz-Gemeinschaft gemeinsam mit den acht beteiligten Zentren des Forschungsbereichs Erde und Umwelt herausgegeben. ESKP zielt darauf ab, das in den Helmholtz-Zentren entstandene Wissen zu Naturgefahren, Klimawandel, Schadstoffen und Energie anschaulich zu vermitteln. Die Wissensplattform bietet neben der Rubrik Themenspezial eine Vielzahl von Einblicken in die Forschungsfelder der Helmholtz-Zentren, unter anderem mit Erklärungen von Umweltphänomenen wie Erdbeben, Hochwasser und Wirbelstürmen oder mit Berichten aus aktuellen Forschungen zu Biodiversität, Ozeanversauerung und Müll im Meer. Antworten auf viele Fragen finden sich in den Rubriken Grundwissen und FAQs, in einem allgemeinen Lexikon „Erde und Umwelt“ oder auch in einem speziellen „Klimalexikon“.
themenspezial.eskp.de/metropolen-unter-druck
Forschung
Welche Folgen sind zu erwarten, wenn bisher von Menschen getroffene Entscheidungen Algorithmen überlassen werden? Im Auftrag der schweizerischen Stiftung für Technikfolgen-Abschätzung TA-Swiss erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit April 2018 die gesellschaftlichen Chancen und Risiken des wachsenden Einsatzes künstlicher Intelligenz. Ihr Fokus liegt dabei auf den Bereichen Arbeit, Bildung und Forschung, Konsum sowie Medien und Verwaltung, in denen die Künstliche Intelligenz (KI) bereits in naher Zukunft eine wichtige Rolle spielen könnte. An dem Projekt beteiligen sich Forschende der Digital Society Initiative der Universität Zürich, des Technology and Society Labs der Empa in St. Gallen und des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) in Wien. Zur Analyse der insbesondere ethischen und rechtlichen Fragen wurden internationale Experten einbezogen. Empfehlungen zur Regulierung von KI-Anwendungen und zur Unterstützung einer positiven Nutzung der Technik wollen die Forschenden im Sommer 2019 vorlegen.
Lehre
Die Goethe-Universität Frankfurt hat ihr Lehrangebot um den Masterstudiengang „Science and Technology Studies: Economics, Governance, Life“ erweitert. Der im Januar 2018 offiziell eröffnete Studiengang ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen Soziologen, Geographen und Kulturanthropologen. Erklärtes Ziel ist es, die wechselseitigen Einflüsse von Wissenschaft, technischer Entwicklung, Wirtschaft und Gesellschaft zu beleuchten – forschungsorientiert, transdisziplinär und in englischer Sprache. Die Studierenden sollen so dafür sensibilisiert werden, dass wirtschaftliche Interessen, politische Konflikte und rechtliche Regelungen Wissenschaftsdynamiken befeuern und entscheidend dafür sein können, welche technologischen Neuerungen implementiert werden und welche nicht. Die Goethe-Universität gehört mit dem neu gegründeten Studiengang nun zu einer der wenigen Universitäten in Deutschland, die einen weiterführenden Abschluss in Science and Technology Studies (STS) anbieten.
Politikberatung
Lieferdrohnen? Biobasierte Materialien? Oder das Ende unserer Anonymität? Was sind die 50 derzeit wichtigsten soziotechnischen Entwicklungen für Österreich? Damit beschäftigen sich das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) und das AIT Austrian Institute of Technology in ihrem zweiten Monitoring-Bericht für das Österreichische Parlament. „Alle reden vom fahrerlosen Taxi, oder davon, dass wir uns die Pizza schon bald per Drohne zustellen lassen können. Aber wollen wir das wirklich? Was ist, wenn wir auf Labornahrung angewiesen sind? Gibt es überhaupt noch so etwas, wie Anonymität im Internetzeitalter? Das sind Fragen, die sich die Menschen stellen, und die die Politik nicht ungehört verhallen lassen sollte“, meint ITA-Leiter Michael Nentwich. Gemeinsam mit dem AIT erstellt sein an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften angesiedeltes Institut bis 2020 halbjährlich einen Monitoring-Bericht. Er soll den Parlamentariern helfen, positive Effekte einer Entwicklung zu unterstützen und die negativen möglichst gering zu halten.
Publikation
Um die Sicherheit von IT-Produkten und ihrer Nutzerinnen und Nutzer besser zu gewährleisten, sprechen sich die Autoren des White Papers „Sovereignty in Information Technology“ dafür aus, die Entwicklung von Open-Source-Hardware voranzutreiben. Die Intransparenz vieler Hardwareprodukte bedrohe die Sicherheit der Informationstechnik, so die Autoren des im März veröffentlichten Papiers. IT-Hersteller nutzen für die Produktion zugelieferte Komponenten, deren Hintergründe unbekannt sind und etwaige Sicherheitslücken nicht erkennen lassen. Rein softwaretechnische Lösungen würden deshalb nicht genügen, um das Sicherheitsrisiko effektiv zu bekämpfen. Stattdessen solle der komplette Entwicklungsprozess samt notwendigen Produktions-Tools offen gestaltet und frei zugänglich sein, so die Autoren um Arnd Weber vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS). Das offene Design nach dem Vorbild von Open-Source-Software würde Sicherheitsnachweise vereinfachen, die Entwicklung vorantreiben und Produktionsketten fairer gestalten. Da die Wettbewerbslogik der Herausbildung offener Hardware entgegenstehe, sei unter anderem eine gezielte IT-Politik gefordert.
29.–31. 08. 2018, Sydney, Australien – Society for Social Studies of Science Annual Conference 2018
www.4s2018sydney.org
17.–20. 09. 2018, Poznan, Polen – 13th IFIP TC9 Human Choice and Computers Conference: „This Changes Everything“
www.hcc13.net
24. 09. 2018, Karlsruhe, Deutschland – Energy Scenarios – Construction, Assessment, and Impact
www.energyscenarios.kit.edu/ess_conference_2018
06. 11. 2018, Karlsruhe, Deutschland – Jahrestreffen des Netzwerks Technikfolgenabschätzung und 7. openTA-Workshop
www.openta.net/workshops
07.–08. 11. 2018, Karlsruhe, Deutschland – NTA8: Gesellschaftliche Transformationen: Gegenstand oder Aufgabe der Technikfolgenabschätzung?
www.nta8.de
08.–09. 11. 2018, Delft, Niederlande – Sustainable Urban Energy Systems conference: Technological prospects, citizen involvement and governance arrangements
www.tudelft.nl/energy/agenda/sustainable-urban-energy-systems-conference
15.–16. 11. 2018, Berlin, Deutschland – Verhalten und Vorhersage. Die techno-sozialen Zukünfte algorithmischer Bewertungssysteme, Jahrestagung der Gesellschaft für Wissenschafts- und Technikforschung (GWTF)
www.gwtf.de