Editorial

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TATuP Bd. 28 Nr. 3 (2019), S. 3, https://doi.org/10.14512/tatup.28.3.3

Zukünfte begleiten die Technikfolgenabschätzung (TA) seit ihren Anfängen. Ob es sich um prospektive Aussagen zu Technikfolgen, um Szenarien der Technikentwicklung und der gesellschaftlichen Einführung und Nutzung von Technik oder um Visionen neuer Mensch-Technik-Konstellationen handelt: Erzählungen unterschiedlichster Art über die Zukunft sind der zentrale Erkenntnis- wie auch Bewertungsgegenstand der TA. Nicht überraschend ist die Literatur zur TA seit Jahrzehnten gepflastert mit Reflexionen zu den Möglichkeiten und Grenzen dieses Zugangs, denn Zukunftswissen ist bekanntermaßen epistemologisch ziemlich problematisch.

In den letzten Jahren ist eine neue Herausforderung hinzugekommen. Der Fokus auf einzelne Technikfelder und ihre Einbettung in Entwicklungs-, Diffusions- und Nutzungsszenarien mitsamt den dazugehörigen Folgenüberlegungen wurde um das Denken in Transformationsprozessen erweitert. Darin geht es um längerfristige und an normativen Zielen ausgerichtete Umwälzungen, die komplexe soziotechnische Systeme betreffen. Die gesellschaftliche Transformation hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft dürfte das umfassendste Feld in dieser Hinsicht sein. Auch der Umbau von Infrastrukturen geht nicht im Ersetzen alter durch neue Technologien auf. Wie bereits in Heft 2/2013 zum Thema „Energiewende 2.0“ in dieser Zeitschrift diskutiert, sind die technischen Strukturen untrennbar mit gesellschaftlichen Konfigurationen wie Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodellen, Nutzerverhalten und Regulierungen verbunden.

In dieser Komplexität entsteht in der TA der Bedarf nach neuen Ansätzen zur Strukturierung möglicher Zukünfte, die zugleich hohe Anforderungen an methodisch gesicherte und reflektierte Politikberatung mit sich bringt. Dazu gehört, den Umgang mit unvermeidbar auftretenden und teils massiven Pfadabhängigkeiten zu üben, mögliche kritische Entwicklungen für die Transformation frühzeitig zu erkennen und Orientierungen zu bieten, wann bestimmte Technologien oder auch soziale Mechanismen verfügbar sein müssten, um die jeweils nächsten Schritte zielgerichtet zu gehen.

Das TATuP-Thema „Energiezukünfte“ in diesem Heft buchstabiert diese Anforderungen aus und präsentiert Schritte zu ihrer Erfüllung am Beispiel des Energiesystems – dessen Transformation unzweifelhaft eine besonders dringende wie auch anspruchsvolle Herausforderung darstellt.

Armin Grunwald

Armin Grunwald

Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
(armin.grunwald@kit.edu)