Energieeffizienz im Spannungsfeld zwischen Anlagentechnik und sozialen Akteuren

Hemmnisse für den effizienten Betrieb komplexer Heizungsanlagen

Uta Böhm, Zentrum Technik und Gesellschaft, Technische Universität Berlin, Hardenbergstr. 16–18, 10623 Berlin (boehm@ztg.tu-berlin.de)

Martina Schäfer, Zentrum Technik und Gesellschaft, Technische Universität Berlin (schaefer@ztg.tu-berlin.de)

Maria Stadler, Zentrum Technik und Gesellschaft, Technische Universität Berlin (stadler@ztg.tu-berlin.de)

Ein energieeffizienter Betrieb von Heizungsanlagen wird als Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele immer bedeutsamer. Da zukunftsweisende Entwicklungen primär technischen Innovationen zugeschrieben werden, wurden in den vergangenen Jahren in vielen Gebäuden moderne Anlagen installiert. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die prognostizierten Einsparungen meist nicht erreicht werden. Anhand der empirischen Ergebnisse des Forschungsprojektes ENGITO wird deutlich, dass dies vielfach auf soziale Hemmnisse zurückzuführen ist, die bislang zu wenig berücksichtigt werden. Im Folgenden wird auf typische Hemmnisse für den effizienten Anlagenbetrieb eingegangen, wobei deutlich wird, dass bei der Gestaltung zukünftiger Energiesysteme arbeitsorganisatorische Aspekte eine grundlegende Rolle spielen. Energieeffizienz wird dabei aus soziotechnischer Perspektive betrachtet und als Ergebnis des Zusammenspiels technischer Voraussetzungen und sozialer Akteure verstanden.

Energy efficiency as interplay between technical installations and social actors

Barriers to the efficient operation of complex heating systems

In order to achieve climate protection targets, energy-efficient operation of heating systems is of central importance to achieving climate protection targets. So far, innovation of the energy system has primarily been attributed to technological innovation. Therefore, modern energy systems have been installed in many buildings over the last two decades. However, in practice, predicted savings are usually not achieved. The empirical results of the ENGITO project show that this is often due to social barriers, which have hardly been considered so far. The article addresses typical barriers to efficient operation of heating systems and shows that work organization and distribution of responsibility play an important role in shaping future energy systems. In this article, energy efficiency is viewed from a socio-technical perspective and understood as interplay between technological installations and social actors.

Keywords: energy efficiency, socio-technical system, heating technology

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TATuP Bd. 28 Nr. 3 (2019), S. 55–61, https://doi.org/10.14512/tatup.28.3.55

Submitted: 20. 05. 2019. Peer reviewed. Accepted: 02. 10. 2019

Einleitung

Für die Wärmeversorgung als Teil des zu transformierenden Energiesystems wird in Deutschland gegenwärtig ca. ein Drittel der gesamten Primärenergie aufgewendet (BMWi 2018a, S. 57). Daher spielt der energieeffiziente Betrieb von Heizungsanlagen für das Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesregierung eine bedeutende Rolle. Bis 2050 soll demnach der Gebäudebestand nahezu klimaneutral sein (BMU 2016). Im Zuge dieser Bestrebungen wurden in den vergangenen Jahren vielfältige Forschungsaktivitäten unternommen. Durch Bundesministerien geförderte Projekte haben dabei schwerpunktmäßig Möglichkeiten für Energieeinsparungen auf regionaler Ebene (DACH – Energieeffiziente Stadt 2019), Best-Practice-Beispiele für Sanierungsprojekte (LowEx Bestand 2018) oder die Verbesserung der Datenlage zum energetischen Gebäudezustand (ENOB: dataNWG 2019) verfolgt. Außerdem legt das derzeitige Energieforschungsprogramm der Bundesregierung seinen Schwerpunkt auf die Entwicklung innovativer Technologien und deren Transfer in die Praxis (BMWi 2018b).

Auffällig ist, dass in den bisherigen Forschungsprojekten technische Aspekte häufig im Vordergrund stehen. Sofern Akteure oder organisationale Strukturen einbezogen werden, handelt es sich meist um Studien zur Investitionsbereitschaft, zu Hindernissen für Sanierungsvorhaben und zur Optimierung von Beratungsleistungen (dena 2017; c.HANGE 2019). Mitunter werden auch Nutzerverhalten und Akzeptanz berücksichtigt (BBSR 2019; UfU 2017). Die konkreten Interaktionsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Akteuren und der Anlagentechnik während des Betriebs werden jedoch kaum betrachtet.

Anliegen des interdisziplinären Forschungsprojektes ENGITO[1] (2019), auf dessen Befunden der Artikel basiert, ist es, die Komplexität des Umbaus von Energiesystemen als Zusammenspiel von technischen und sozialen Aspekten in den Blick zu nehmen. Dabei werden Akteure verschiedener Entscheidungs- und Zuständigkeitsebenen einbezogen. Im Fokus steht der Betrieb von Wärmetechnik in öffentlichen Nichtwohngebäuden u. a. in kommunalen Unternehmen, Schulen und Kitas. Der Beitrag zielt darauf ab, Möglichkeiten für die Gestaltung soziotechnischer Systeme aufzuzeigen. Auf Basis einer breit angelegten Studie, insbesondere in öffentlichen Einrichtungen, werden für konkrete Anlagen und Arbeitskontexte Einsparpotenziale im gering investiven Bereich identifiziert. Damit ist vor allem die Transformation der bestehenden Betriebspraxis in der nahen Zukunft Gegenstand der Betrachtung.

Energieeffiziente Wärmeerzeugung aus soziotechnischer Perspektive

Ein energieeffizienter Anlagenbetrieb, so die These des vorliegenden Beitrags, kann langfristig nur gewährleistet werden, wenn soziale und technische Aspekte in ihrer Wechselwirkung betrachtet und optimiert werden. Den theoretischen Ausgangspunkt bildet somit ein soziotechnisches Verständnis von Interaktionszusammenhängen. Demzufolge besteht das Arbeitssystem der Wärmeerzeugung aus einem technischen und einem sozialen Teilsystem, die sich gegenseitig beeinflussen und bedingen (Ropohl 2009). Wechselwirkungen zwischen sozialen und technischen Aspekten können einerseits in der Phase der Technikgenese und -planung, andererseits in der Phase der Techniknutzung betrachtet werden. Im Zuge der Anlagenplanung wird die Vorstellung einer zukünftigen Nutzungsweise in das Anlagensetting eingeschrieben (Akrich 1997). Damit sind Interaktionszusammenhänge zwischen technischen und sozialen Teilsystemen für die spätere Phase der Techniknutzung bereits vorstrukturiert. Dennoch funktioniert installierte Anlagentechnik nicht ohne Zutun der sozialen Akteure, sondern erfordert beständiges Aufrechterhalten in Form von Praktiken des Betreibens, Instandhaltens und Reparierens (Star 1999).

Energieeffizienz wurde aus soziotechnischer Perspektive bisher entweder über deren organisationale Voraussetzungen oder über die Praktiken der Techniknutzung verstanden. Axon et al. (2012) und Janda (2014) beschreiben Energieeffizienz im Kontext sogenannter building communities. Dabei werden Gebäude und ihre Nutzer*innen als communities of practice betrachtet, deren Effizienz durch Rahmenbedingungen wie gesetzliche Vorgaben, durch Voraussetzungen der Eigentümer*innen (wie verfügbare finanzielle Ressourcen) sowie durch individuelle Nutzungspraktiken beeinflusst wird. Im Fokus der interdisziplinären Betrachtung stehen die Zusammenhänge zwischen Faktoren der Makro-, Mikro- und Mesoebene. Auch Shove (2017) und Pettersen et al. (2017) betrachten Energieeffizienz aus praxissoziologischer Perspektive. Shove beschreibt Praktiken des Energieverbrauchens, die in technische Infrastrukturen eingebettet sind. Sie problematisiert, dass durch effizientere Technik der Energiebedarf und die Standards eher steigen und nicht mehr hinterfragt werden, was zu Rebound-Effekten führt (Shove 2017). Pettersen at al. (2017) beschreiben den unterschiedlichen Umgang mit technischen Standards in der Praxis. Ihr Ausgangspunkt ist die Beobachtung einer Diskrepanz zwischen prognostizierten und realisierten Einsparungen, auf der auch der vorliegende Beitrag aufbaut. Die technische Infrastruktur wird hier allerdings nicht nur als Basis für energieeffiziente Praktiken verstanden, sondern es wird das aktive Zusammenspiel technischer und sozialer Komponenten betrachtet. Der vorliegende Artikel konzeptualisiert Energieeffizienz somit als verteilte Handlung (Rammert 2016). Damit soll betont werden, dass Energieeffizienz weder als alleinige Aufgabe moderner Anlagentechnik, noch ausschließlich als soziale Praktik verstanden werden kann. Vielmehr ist es notwendig, den energieeffizienten Anlagenbetrieb als Ergebnis des Zusammenspiels technischer und sozialer Komponenten zu betrachten.

Für einen energieeffizienten Anlagenbetrieb müssen technische und soziale Komponenten zusammenspielen.

Rammert plädiert dafür, statt einer dualistischen Perspektive auf die Frage, wer in soziotechnischen Konstellationen die Handlungsträgerschaft übernimmt, das wechselseitige Zusammenwirken zu betrachten. Handlungen beinhalten dabei immer sowohl technische als auch soziale Komponenten. Sie sind „in ihrem Vollzug auf verschiedenartige, eben menschliche und nicht-menschliche Instanzen verteilt“ (Rammert 2016, S. 151). Unterscheiden lässt sich lediglich die Form des Zusammenspiels und die Zuschreibung von Verantwortung. Diese Perspektive aufgreifend, soll untersucht werden, wie die Zuständigkeiten für den energieeffizienten Anlagenbetrieb zwischen den Teilsystemen verteilt sind.

Im betrachteten Kontext umfasst das technische Teilsystem die komplexen Wärmeanlagen, die Gebäudeleittechnik, Arbeitsmittel sowie definierte Anforderungen und Gesetze. Das soziale Teilsystem beinhaltet die Organisationsmitglieder, die auf unterschiedlichen Ebenen für die Anlagen zuständig sind (Planung, Management, Betrieb, Reparatur, Wartung) sowie die Gebäudenutzer*innen. Weiterhin zählen dazu die informellen Beziehungen der Organisationsmitglieder, ihre fachlichen Kompetenzen, Interessen und Bedürfnisse sowie der tatsächliche Umgang mit den Formalitäten, der durchaus von den Regelungen abweichen kann. Es wird davon ausgegangen, dass ein energieeffizienter Anlagenbetrieb nur erreicht wird, wenn beide Teilsysteme die ihnen zugeschriebenen Anteile an der gemeinsamen Handlung erfüllen. Hemmende Faktoren, z. B. eine hohe Arbeitsbelastung der Beschäftigten oder technische Mängel an den Anlagen, können die jeweiligen Teilsysteme an der Ausführung ihrer Aufgaben hindern. Dies kann dazu führen, dass das Zusammenspiel der Systeme blockiert und die angestrebte Effizienz nicht erreicht wird. Aus der Perspektive des hier dargelegten Ansatzes sollen im Folgenden Hemmnisse für den energieeffizienten Betrieb von Wärmeanlagen betrachtet werden, die bei der Anlagenplanung, der Inbetriebnahme und im Betrieb auftreten.

Methodisches Vorgehen und Datenbasis

Um Energiesparpotenziale an Anlagen öffentlicher Liegenschaften zu ermitteln, werden im Rahmen des Forschungsprojektes ENGITO (2019) technische Kurzzeitmesskampagnen und sozialwissenschaftliche Erhebungen durchgeführt und deren Ergebnisse verschränkt (Böhm und Buchin 2019). Die technischen Analysen erfolgen auf Grundlage nicht-invasiver Messungen von Temperaturen und Volumenströmen sowie der Auswertung von Verbrauchsdaten. Die sozialwissenschaftlichen Erhebungen umfassen qualitative Interviews mit relevanten Liegenschaftsvertreter*innen, Expertengespräche und Workshops mit Praxisvertreter*innen (siehe Tab. 1).

Erhebung

Akteure

Anzahl

gesamt

Interviews in Liegenschaften

Gebäude- und Energiemanager*innen

17

44

Anlagenbetreuer*innen (z. B. Hausmeister*innen)

16

Gebäudenutzer*innen

11

Expert*innen-interviews

Anlagenplaner*innen

4

12

Energieeffizienzberater*innen

2

Expert*innen Energiespar-Contracting

3

Expert*innen Anreizsetzung

3

Workshops

Gebäude- und Energiemanager*innen

1

3

Geschäftsführer*innen Wartungs- und Instandsetzungsfirmen

1

Energiemanager*innen, – beauftragte, -berater*innen

1

Tab. 1: Sozialwissenschaftliche Erhebungen des Forschungsprojektes ENGITO (2019). Quelle: Eigene Darstellung

Die vorliegenden Ergebnisse basieren auf Erhebungen und Messungen, die im Zeitraum von Juni 2017 bis März 2019 durchgeführt wurden. Die Befunde stützen sich auf insgesamt 56 qualitative, leitfadengestützte Interviews mit Akteuren verschiedener Ebenen von der Anlagenplanung bis zur Betreuung während des Betriebs. Befragt wurden Beschäftigte von 15 Berliner Liegenschaften, in denen jeweils drei bis vier Interviews mit unterschiedlichen Personengruppen geführt wurden. Inhaltliche Schwerpunkte der ca. einstündigen Gespräche waren arbeitsorganisatorische Aspekte, Anforderungen und Rahmenbedingungen für den Anlagenbetrieb, Kommunikationsstrukturen im Arbeitsalltag, Schwierigkeiten bezüglich des energieeffizienten Anlagenbetriebs sowie der Stellenwert von Energieeinsparungen im Arbeitsbereich.

Die Ergebnisse zeigen: Ineffizienter Anlagenbetrieb ist meist auf arbeitsorganisatorische Aspekte zurückzuführen.

Zusätzlich wurden ausgewählte Expert*innen verschiedener Bereiche zu hemmenden Faktoren für den effizienten Anlagenbetrieb und zu Maßnahmen für deren Bewältigung befragt. Die Interviews wurden aufgezeichnet (Audioaufnahme), vollständig transkribiert, mittels der Analysesoftware MAXQDA codiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Weiterhin wurden drei Workshops mit Praxisvertreter*innen aus den Bereichen Gebäude- und Energiemanagement, Energieberatung sowie Wartung und Instandsetzung durchgeführt. Ziel der Veranstaltungen war es, auf Grundlage der in den Befragungen identifizierten Hemmnisse, Ansätze für praxistaugliche Lösungen zu entwickeln. Die Ergebnisse der Workshops wurden protokolliert und in die Analyse einbezogen.

Ergebnisse

„Es ist eben nicht so ein Selbstläufer.“ – Experte Anlagenplanung

In allen betrachteten Liegenschaften wurden technische Fehler, die langfristig zu einem ineffizienten Anlagenbetrieb führen sowie ungünstige organisatorische Bedingungen identifiziert. Es zeigte sich, dass ein ineffizienter Anlagenbetrieb meist auf arbeitsorganisatorische Aspekte zurückzuführen ist. Eine Übersicht über die in den Befragungen geäußerten Hemmnisse, die teilweise eng zusammenhängen, bietet Abbildung 1.

Abb. 1: Typische Hemmnisse für den energieeffizienten Anlagenbetrieb. Anzahl der Nennungen: 27 Fälle, darunter 15 Liegenschaften und 12 Expert*inneninterviews. Quelle: Eigene Darstellung

Die oben genannten Akteursgruppen setzen in ihrer Beurteilung der hemmenden Faktoren unterschiedliche Schwerpunkte. Während z. B. Gebäude- und Energiemanager*innen eher Prioritäten und Anforderungen ihrer Institutionen thematisierten, schilderten Anlagenbetreuer*innen vor allem konkrete Probleme der Arbeitsorganisation. Pro Liegenschaft wurden angeführte Hemmnisse nur einmal erfasst, auch wenn sie von mehreren Interviewpartner*innen angesprochen wurden. Als wesentliche Faktoren erwiesen sich das Fehlen materieller und ideeller Anreize für Einsparungen, ungeregelte Zuständigkeiten für den energieeffizienten Betrieb der Anlagen sowie eine geringe Priorität von Energieeffizienz im Vergleich zu anderen Anforderungen.

In keiner der untersuchten Liegenschaften existieren maßgebliche Anreize für Einsparungen und persönliches Engagement wird nicht ausreichend gewürdigt (eine Energiemanagerin: „Der Haushaltstitel ist ausreichend bestückt und deshalb interessiert es niemanden, ob wir noch etwas sparen.“). Als grundsätzliches Problem erwies sich weiterhin, dass Energieeffizienz primär der Technik zugeschrieben und meist nicht als kontinuierliche Aufgabe für das Personal, das für den laufenden Anlagenbetrieb verantwortlich ist, betrachtet wird. Überwiegend wird davon ausgegangen, die installierte Wärmetechnik sei entsprechend der Planung „automatisch“ und weitgehend ohne Zutun effizient. Daher bestehen diesbezüglich i. d. R. keine verbindlichen Zuständigkeiten. Die Aufgabe der Beschäftigten in den Liegenschaften ist es, einen störungsfreien Betrieb sicherzustellen, bislang jedoch kaum, den energieeffizienten Betrieb zu unterstützen (eine Expertin aus der Energieeffizienzberatung: „Die Hauptsache ist, es ist warm, keiner meckert und das Gebäude kann betrieben werden. Das ist das Wichtigste.“). Um die Störungsfreiheit zu gewährleisten und Nutzerbeschwerden zu vermeiden, werden die Anlagen vielfach mit ineffizienten Einstellungen oder in unnötigem Dauerbetrieb betrieben. Meist werden auch bei der Installation vorgenommene Einstellungen nicht an veränderte Bedarfe angepasst und es erfolgt kein Monitoring, so dass ineffiziente Betriebsweisen mitunter jahrelang nicht auffallen. Nur vier von 16 befragten Anlagenbetreuer*innen kümmern sich aktiv um einen effizienten Anlagenbetrieb, vor allem, weil ihre Vorgesetzten dies erwarten. Auch die befragten Gebäude- und Energiemanager*innen gaben ausnahmslos an, sich nicht hinreichend um die Effizienz einzelner Anlagen kümmern zu können. So äußerte beispielsweise ein Gebäudemanager: „Primär ist die Versorgungssicherheit wichtig und dann kommt erst die Effizienz.“ Hinzu kommt, dass in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen Personal abgebaut wurde und daher in ca. der Hälfte der Liegenschaften keine ausreichenden personellen Ressourcen zur Verfügung stehen. Eine Gebäudemanagerin kommentierte: „Eigentlich kennt sich niemand mit der Anlage aus. Man hat nicht die Leute oder die Zeit, da so durchzusteigen.“ Vorgaben wie das Benennen von Energiemanager*innen oder das Erfassen von Anlagendaten werden zwar formal umgesetzt, entfalten aber aufgrund der Alltagspraxis (z. B. Ausbleiben der Datenauswertung und der Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen) nicht die gewünschte Wirkung. Bei nahezu allen Befragten besteht diesbezüglich ein Problembewusstsein. Ein effizienter Betrieb der Anlagen wird als erstrebenswert betrachtet, es mangelt jedoch an den organisationalen Voraussetzungen (Energiesparzielen, Handlungsmöglichkeiten, personellen und finanziellen Ressourcen).

Verbindliche Zuständigkeiten sind für den effizienten Betrieb von Heizungsanlagen besonders wichtig.

Auch externe Wartungs- und Instandsetzungsfirmen kümmern sich selten um Aspekte der Energieeffizienz, da dies vertraglich nicht vorgesehen ist und kaum nachgefragt wird. In erster Linie sind bislang die Anlagenplaner*innen, die nach den gesetzlichen Vorgaben (u. a. Energieeinsparverordnung EnEV) planen, für Energieeffizienz zuständig. Sie haben jedoch nur in der Planungsphase Einfluss. Nach Abschluss der Planung wird die Effizienz der Wärmeanlagen i. d. R. von niemandem mehr hinterfragt.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die arbeitsorganisatorischen Bedingungen einen effizienten Anlagenbetrieb vielfach behindern und wesentlich dazu beitragen, dass die technischen Möglichkeiten der Anlagen nicht ausgeschöpft werden.

Lösungsansätze

„Es geht alles über den Faktor Mensch.“ – Energiemanager

Anhand positiver Beispiele aus den betrachteten Liegenschaften wird deutlich, dass der energieeffiziente Betrieb von Heizungsanlagen durch eine Ausrichtung der Arbeitsorganisation auf dieses Ziel hin wesentlich verbessert und langfristig sichergestellt werden kann. Von 15 analysierten Fällen erwiesen sich fünf hinsichtlich der Ausrichtung des soziotechnischen Systems auf Energieeffizienz als positiv. In diesen Liegenschaften sind folgende Bedingungen hervorzuheben:

Auf Grundlage dieser Befunde lassen sich folgende Empfehlungen für die Gestaltung der arbeitsorganisatorischen Bedingungen ableiten: Als besonders wichtig erscheint es, verbindliche Zuständigkeiten zu schaffen. Es sollte daher eine konkrete Person benannt werden, die für den energieeffizienten Betrieb der Anlage verantwortlich ist, ein regelmäßiges Monitoring vornimmt oder beauftragt und mit anderen relevanten Akteuren intensiv kommuniziert. Die Ausrichtung der Anlagentechnik auf einen effizienten Betrieb und dessen Aufrechterhalten sollte als Teil der Arbeitsprozesse verstanden und entsprechend mit personellen Ressourcen und Handlungsbefugnissen ausgestattet werden. Dies könnte intern (z. B. im Rahmen des Energiemanagements) durch Aufbau eigenen Know-hows oder durch einen externen Dienstleister (z. B. Energiespar-Contracting) erfolgen. Um die Priorität von Energieeffizienz im Anlagenbetrieb zu erhöhen, müssen attraktive Anreize geschaffen werden, z. B. durch eine finanzielle Beteiligung der Liegenschaften oder einzelner Organisationseinheiten an den erreichten Einsparungen in Form eines Prämiensystems, wie z. B. im Projekt fifty/fifty (2018). Der Stellenwert von Energieeffizienz im Arbeitsalltag kann wesentlich durch die Leitungsebene beeinflusst werden, indem Vorgesetzte effizienzbezogene Maßnahmen unterstützen, diesbezüglich Ziele setzen, die für die jeweiligen Organisationseinheiten und Anlagenkomponenten operationalisiert werden, und entsprechendes Engagement anerkennen. In diesem Zusammenhang erscheint es auch wichtig, Energiesparziele und erreichte Einsparungen regelmäßig zu kommunizieren, um alle relevanten Akteure zum Mitwirken zu motivieren.

Ungenügende arbeitsorganisatorische Bedingungen tragen wesentlich dazu bei, dass die technischen Möglichkeiten für Anlageneffizienz nicht ausgeschöpft werden.

Weiterhin sollte die Phase der Inbetriebnahme optimiert werden, um sicherzustellen, dass die Technik tatsächlich an die spezifischen Bedingungen der Liegenschaften angepasst wird (statt Übernahme von Standardeinstellungen) und die zukünftig verantwortlichen Akteure ausführlich eingewiesen werden. Von den befragten Expert*innen wurde angeregt, dafür eine zusätzliche Leistungsphase in der Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) festzuschreiben.

Fazit

Die empirischen Befunde verdeutlichen das Prinzip der verteilten Handlungsträgerschaft in soziotechnischen Konstellationen (Rammert 2016). Es wird daher dafür plädiert, Energieeffizienz als verteilte Handlung zwischen technischen und sozialen Akteuren zu betrachten, um auf dieser Grundlage Anlagentechnik und arbeitsorganisatorische Strukturen gestalten zu können, die dauerhaft zu Einsparungen beitragen. Dabei ist der Einbezug von sozialen Aspekten auf mehreren Ebenen notwendig: von der Ausschreibung und Planung über den Anlagenbetrieb und die Wartung bis zur passenden Rahmensetzung (z. B. Anreize und Verantwortlichkeiten für Energieeffizienz, Kommunikation von Einsparzielen und erzielten Ergebnissen). Bei der Gestaltung von Energiezukünften darf sich Energieeffizienz also nicht auf die Installation effizienter Technik beschränken, sondern auch der Betrieb technischer Systeme sollte auf dieses Handlungsziel hin ausgerichtet werden. Es geht nicht nur darum, einen Transformationspfad durch technische Innovationen anzustoßen, sondern diesen in der Techniknutzung beständig aufrechtzuerhalten (Shove 2017).

Auch wenn hinsichtlich der Notwendigkeit, das bestehende Energiesystem zu transformieren, allmählich Konsens besteht und auf politischer Ebene bereits vielfältige Maßnahmen initiiert werden, zeigt die vorliegende Analyse, dass sich die allgemeinen Zukunftsvisionen in den betrachteten Liegenschaften bislang kaum in Veränderungen auf organisationaler Ebene widerspiegeln. Energieeffizienz wird bisher nicht hinreichend als Querschnittsaufgabe verschiedener Ebenen und Disziplinen betrachtet, wie z. B. von Axon et al. (2012) und Janda (2014) gefordert. Die derzeitigen arbeitsorganisatorischen Regelungen zur Betreuung technischer Anlagen sowie die Organisationsmuster und Anerkennungsmechanismen sind überwiegend auf die Sicherstellung eines störungsfreien Betriebs und auf kurzfristige Kosteneffizienz ausgerichtet – unabhängig von deren Energieeffizienz. Deutlich wird dies z. B. durch die mangelnde Anerkennung energieeffizienten Verhaltens und fehlende Zuständigkeiten für diesbezügliche Anforderungen. Die Arbeitsorganisation der Einrichtungen zielte in den letzten Jahren auf einen (vermeintlich) kostensparenden Abbau von Personal und eine starke Differenzierung von Arbeitsaufgaben ab. Dies erschwert die Verantwortungsübernahme für Anforderungen wie die Sicherstellung von Energieeffizienz. Erst allmählich wird erkannt, dass unter den Maßgaben der Energiewende eine Umorientierung notwendig ist, die auch eine veränderte Betriebspraxis umfasst. Anhand der Forschungsergebnisse wird deutlich, dass im Zuge der Transformation des Energiesystems weitreichende Änderungen der Rahmenbedingungen, der Anreizmechanismen und der Zuständigkeiten erforderlich sind, um die gewünschten Effekte zu erreichen.

Footnotes

[1]   Das Projekt ENGITO (Energieeinsparung durch gering-investive technische und organisatorische Maßnahmen an komplexen Wärme- und Kälteanlagen) wird an der TU Berlin vom Fachgebiet Maschinen- und Energieanlagentechnik und dem Zentrum Technik und Gesellschaft von 2017–2020 durchgeführt. Förderung: Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung (BENE).

Literatur

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Autorinnen

Uta Böhm

ist Sozialwissenschaftlerin und arbeitet seit 2017 am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin. Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Forschungsprojektes ENGITO beschäftigt sie sich mit techniksoziologischen Analysen zur Effizienz von Energieanlagen.

Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer

ist seit 2010 Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Zentrums Technik und Gesellschaft der TU Berlin. Sie ist Biologin, Soziologin und Umwelttechnikerin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind nachhaltiger Konsum, sozialwissenschaftliche Energieforschung sowie Methoden inter- und transdisziplinärer Forschung.

Maria Stadler

ist Masterstudentin im Studiengang Soziologie Technikwissenschaftlicher Richtung an der TU Berlin. Seit 2018 ist sie als Studentische Mitarbeiterin im Forschungsprojekt ENGITO beschäftigt.