Rezension
Hansson, Sven Ove (Hg.) (2017):
The Ethics of technology. Methods and approaches.
London: Rowman & Littlefield.
278 S., 44,95 Euro, ISBN 9781783486588
Die internationale Autorenschaft des Sammelbands The Ethics of technology. Methods and approaches (Sven Ove Hansson, Rowman & Littlefield, 2017) verfolgt ein Ziel: Allen Studierenden der höheren Semester, die mit einer Ethics of Technology in Berührung kommen, soll das Buch als Einführung dienen können. Der Herausgeber Sven Ove Hansson möchte einen breit ansetzenden, pluralistisch ausgerichteten, methodologisch fokussierten Einstieg in die Technikethik vorlegen (S. vii). Technik und Technologie, so das theorieleitende Verständnis des Ansatzes, umfassen dabei nicht nur die materiellen Objekte, sondern auch deren soziale Einbindungen samt ihrer Praxisformen (S. ix). Dieses Ziel wird erreicht, denn die Beiträge bieten einen vortrefflichen Überblick der aktuellen Methoden und Ansätze der Technikethik. Seine Stärke verdankt der Band den Aufsätzen, denen es gelingt, die Ethics of Technology als „Applied Ethics of Technology“ vorzustellen.
Der Bauplan des Sammelbandes liest sich so: 15 Beiträge zusammengefasst in vier Teile unterschiedlichen Umfangs bilden das Grundgerüst. Dieses wird – zu Beginn – eingefasst von einer in Preface (S. vii) und Preview (S. ix–xiii) gegliederten Einleitung des Herausgebers Sven Ove Hansson sowie – am Ende – einem Index (S. 251–257) und den Autorangaben (S. 259–263). Die Aufsätze zwei bis sechs sind dem Teil I Perspectives (S. 15–96), sieben bis elf dem Teil II Tools (S. 97–172) und zwölf bis 14 dem Teil III Emerging Technologies (S. 173–236) zugeordnet. Den ersten und den letzten Aufsatz verfasste der Herausgeber. Ihre Titel sind überschrieben mit Introduction (S. 1–14) und Ethical Reflections (S. 237–250).
Hansson skizziert gleich am Anfang einige Theorien und Methoden, die in der Technikethik Anwendung finden, und sieht deren einheitliche Funktion darin, „analytical statements about normative standpoints“ (S. 11) zu formulieren.
Obwohl die einzelnen Teile unterschiedliche Umfänge aufweisen, haben nahezu alle Beiträge die gleiche Länge, setzen jedoch eigene Akzente. Christine Rösch beispielsweise wirbt in ihrem Beitrag für ein integratives Nachhaltigkeitskonzept in der Technologieentwicklung und sieht in den frei verfügbaren Tools der Life Cycle Initiative des United Nations Environment Programme (S. 33) geeignete Hilfen, die Theorie nachhaltiger Entwicklung in die Entstehungsprozesse technologischer Produkte einzubauen. Der Beitrag zur Professionsethik des Ingenieurs (Michael Davis, S. 83–96) lenkt den Blick weg von Technik hin auf den, der die Technik gestaltet. Die Responsibility Analysis von Jessica Nihlén Fahlquist (S. 129–142) stellt dann die Frage, ob nicht die Verantwortungsdiffusion durch das „problem of many hands“ (S. 136 f.) die Rolle des einzelnen Ingenieurs in den Hintergrund drängt. Philosophische Gedanken zur Kontextbedingtheit der Technikbewertung finden sich in Robert Rosenbergers Aufsatz zur Postphänomenologie (S. 67–82). Von ähnlichen Gedanken ausgehend äußert sich Anthony I. Akubue skeptisch, ob Technologieassessments und Technologiefolgenforschung, die in wohlhabenden Ländern Anwendung finden, den Bedarfen in ärmeren gerecht werden (S. 37). Leider knüpft der Beitrag über Theorien zur Verteilungsgerechtigkeit (S. 51–65) nur mit einzelnen Beispielen an solche Verbindungen zur Technologiebewertung an. Auch im Beitrag zur Methodologie von Fallstudien („narrative“, „applied research“, „grounded theory“ und „transdisciplinary research“, S. 99–113) von Gertrude Hirsch Hadorn – wie im Aufsatz zum Feminist Technology Design (S. 193–218) – wird der Bezug zum Gesamttitel nicht vollends klar.
Eine Reihe von Beiträgen stellt anwendungsorientierte Methodiken ins Zentrum der Überlegungen. Ein für eine Ethikbewertung von Technologien aufschlussreicher Beitrag ist mit Ethical Tools überschrieben (Payam Moula und Per Sandin, S. 115–127). Darin werden einzelne Bewertungstools – wie „convergence seminar“, „consensus conference“ oder die Delphi-Methode – vor- und den Kriterien zur Evaluierung solcher Tools gegenübergestellt. Derartige Methodiken nimmt Philip Breys Ethics of Emerging Technology (S. 175–191) auf und integriert sie in die Evaluationen von Forschungsvorhaben. Dabei ändern sich jedoch die Herausforderungen: „The main problem for the ethics of emerging technology is the problem of uncertainty“ (S. 175). Es ist das Feld, das am stärksten mit der Antizipation von Möglichkeiten umgehen muss. Als geeignete Vorgehensweisen stellt Brey vor: „horizon scanning“, „expert consultation“, „scenario methods“, „Delphi method“, „trend analysis“, „relevance trees“, „road mapping“ und „participatory foresight“. Diese seien dann hilfreich, wenn vor deren Durchführung die ethischen Kriterien festgelegt werden, auf die hin die Prüfung der Szenarien erfolgt. Das vom Autor entwickelte Modell „Anticipatory Technology Ethics (ATE)“ leiste diese Integration.
Technik und Technologie umfassen nicht nur die materiellen Objekte, sondern auch deren soziale Einbindungen und Praxisformen.
Judith Simons Value-Sensitive Design (S. 219–235) übersetzt derlei Überlegungen auf die Produktebene. Kein technisches Artefakt werde intentionsfrei entworfen. Indem die Intentionen freigelegt werden, lassen sich politische und moralische Wertungen heben, die zu den Fundamenten des Konstruktionsprozess gehören. Simon zeigt die Nähe der Methode zu den „Responsible Research and Innovation“-Bestrebungen wie sie beispielsweise das EU Horizon 2020 Rahmenprogramm integriert hat.
Dem Thema Risikoeinschätzung widmen sich die Beiträge zum Privacy Impact Assessment (PIA) von Stefan Strauß (S. 143–156) und zur Ethical Risks Analysis von Sven Ove Hansson (S. 157–171). Ausgehend von verschiedenen Verständnismöglichkeiten der Privatheit erarbeitet Strauß eine Methodik der Risikobewertung, die anhand von vier „circles of PIA“ (S. 151 f.) die Effekte des Technikeinsatzes einschätzen lässt. Hansson unterscheidet mit einem Risikotypenmodell, im Anschluss an den britischen Philosophen Jonathan Wolff, verschiedene Rollengruppen (Entscheidungsträger, Risikogruppe, Profiteure). Aus der Verhältnisbestimmung der drei Gruppen zueinander und den Einschätzungsvorgängen von Gefährdungspotenzialen erwächst einer der interessantesten Teile des gesamten Buches.
Auf den letzten Seiten übernimmt der Herausgeber noch einmal das Wort. Mit The Ethics of Doing Ethics of Technology reflektiert Sven Ove Hansson die normativen Grundlagen der ethischen Technikbewertung (S. 239–250). Sie äußern sich in der Auseinandersetzung mit berufsethischen Codices, in anerkannten Standards des wissenschaftlichen Arbeitens und Veröffentlichens sowie in der Unabhängigkeit des Urteils und der gleichzeitigen finanziellen Entlohnung für die getane Arbeit. Alle diese Aspekte gehörten zu den Voraussetzungen, damit eine Ethics of Technology überhaupt funktionieren könne. Eine systematische Betrachtung dazu fehle jedoch noch. Der Herausgeber schließt mit den Worten: „There is currently no code of ethics for ethicists of technology. Perhaps there should be?“ (S. 248).