Wozu Umfragen? Über die Rolle der Eurobarometer-Umfragen in der Kontroverse über die Nutzung der Gentechnik

Schwerpunktthema: Technikakzeptanz als Gegenstand wissenschaftlicher und politischer Diskussion

Wozu Umfragen?

Über die Rolle der Eurobarometer-Umfragen in der Kontroverse über die Nutzung der Gentechnik

von Helge Torgersen, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien

Umfragen zur Technikakzeptanz kommt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Planung und/oder Rechtfertigung von die Technologie betreffenden politischen Entscheidungen zu. Dabei bleibt der Begriff der Akzeptanz zuweilen unscharf und auch die Methodik quantitativer Erhebungen zieht oft Kritik auf sich. Derartige Kritik hat im Fall der Eurobarometer-Umfragen zur Gentechnik über die Jahre zu Änderungen in Design und Interpretation geführt, insbesondere zu einer stärkeren Berücksichtigung des gesellschaftlichen und politischen Kontexts, wodurch sich neue Interpretationsmöglichkeiten ergaben. Welche Rolle darüber hinaus Umfragen und die Kommunikation ihrer Ergebnisse – in diesem Fall wie auch generell – in der Auseinandersetzung mit neuen Technologien spielen können, wird kurz angerissen. [1]

1     Akzeptanz als politische Schlüsselgröße

In der Diskussion um die Einführung neuer Technologien findet man häufig zwei typische Einschätzungen: Die eine sieht neue Technologien generell als Voraussetzung für Wachstum durch Innovation und als Garant für die Wettbewerbsfähigkeit. Damit erübrigt sich die Frage nach deren Einführung, die zur schlichten Notwendigkeit wird, Skepsis erscheint als Gefahr für den Standort. Die andere Meinung verweist – zumindest bei einigen Schlüsseltechnologien wie der Gentechnik1 – auf ein verbreitetes Unbehagen in Teilen der Bevölkerung, die, genährt durch Risikopostulate, am Sinn dieser Einführung Zweifel hegen oder sie ablehnen. Ein „Durchziehen“ wird zum demokratiepolitischen Problem. Akzeptanz ist offenbar eine Schlüsselgröße und Untersuchungen dazu haben Konjunktur.

Repräsentativen Bevölkerungsumfragen kommt hier besondere Bedeutung zu – man könnte sogar sagen, dass der Begriff der Akzeptanz damit erst definierbar wird. Allerdings kann sich die Grenzziehung zwischen Akzeptanz und Nicht-Akzeptanz relativ willkürlich gestalten. Im Falle der Gentechnik etwa wurden zuweilen Umfrageergebnisse als Nachweis von Akzeptanz interpretiert, die manche eher an dieser zweifeln ließen. So ergab die erste europaweite Eurobarometer-Umfrage zur Gentechnik im Jahr 1991, dass 47 Prozent der Befragten dieser zutrauten, „das Leben in Zukunft zu verbessern“, während 15 Prozent diese Erwartung ablehnten. [2] Kann anhand dieser Daten, die Akzeptanz qua Technikoptimismus zu messen suchten, Gentechnik als akzeptiert gelten? Immerhin hatte, zum Vergleich, Telekommunikation für 80 Prozent der Befragten das Potenzial, „das Leben zu verbessern“. Offenbar ist Akzeptanz eine Sache der Anschauung. Aber wenn ein Parameter derart unscharf ist, worin liegt dann der Sinn, diesen quantitativ möglichst genau zu erheben?

Ein Blick auf die Funktionen sozialwissenschaftlicher Studien für die Politik zeigt, dass sie einerseits als Lieferanten von entscheidungsrelevanter Information für die Planung gelten, andererseits – und vor allem – können sie als Bestätigung für die Richtigkeit bereits getroffener Entscheidungen dienen (Beck, Bonß 1989). In diesem Sinn können Umfragedaten einerseits Grundlagen für zukünftige Maßnahmen, andererseits politische Rechtfertigungen liefern. Beide Funktionen haben sowohl demokratiefördernde als auch machterhaltende Aspekte. Auf Akzeptanz bezogen kann Rechtfertigung z. B. bedeuten, dass die Politik Rückkoppelung sucht, um nicht am Bürger vorbeizuregieren. Sie kann aber auch das Bestreben eines Akteurs bezeichnen, aus Umfrageergebnissen Unterstützung für die eigene Position im Machtkampf mit Konkurrenten abzuleiten. Für diejenigen, die eine solche Studie durchführen, ergibt sich darüber hinaus die Möglichkeit, die Bedingungen und Mechanismen von Akzeptanz unter die Lupe zu nehmen – vorausgesetzt, die verwendeten Methoden lassen das auch zu. Die Ergebnisse solcher Bemühungen sind allerdings nicht immer geeignet, die von den Auftraggebern womöglich intendierten politischen Funktionen im erwarteten Ausmaß zu erfüllen.

Hinweise für politische Intentionen, wenn auch nur aufgrund begründeter Annahmen, kann der historische Zusammenhang liefern. Im Folgenden soll daher auf einige politische Rahmenbedingungen eingegangen werden, die den Beschluss der Europäischen Kommission beeinflusst haben mögen, im Laufe der 1990er Jahre eine Reihe von Umfragen zur Gentechnik in Auftrag zu geben. Nach einer kurzen Darlegung wesentlicher Kritikpunkte an solchen Umfragen wird geschildert, wie ein internationales Konsortium versuchte, diese Aufgabe umfassender anzugehen, und welche Schwierigkeiten sich daraus ergaben. Nach Darstellung ausgewählter Ergebnisse wird diskutiert, welche Rolle diese Umfragen im Besonderen – und darüber hinaus Umfrageergebnisse im Allgemeinen – für die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit neuen Technologien spielen können.

2     Hintergrund der Eurobarometer-Umfragen zur Gentechnik

Dem 1990 erfolgten Erlass der Richtlinien zum Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen [3] gingen lange kontroverse Verhandlungen voran. Hintergrund war das Vorpreschen von Dänemark und Deutschland mit eigenen Gentechnik-Gesetzen, die den erhofften EU-weiten Markt für Produkte der modernen Biotechnologie zu unterlaufen drohten (Torgersen et al. 2002). Die Industrie verlangt Rechtssicherheit, aber es war nicht klar, wie eine europaweite Regelung auszusehen hätte. Zu unterschiedlich waren die Interessen der Beteiligten und der einzelnen Generaldirektorate (DG) der Europäischen Kommission sowie des Europäischen Parlaments (Cantley 1995). Während DG III (Industrie) und DG XII (Forschung) eine auf das Produkt bezogene Regulierung nach US-Vorbild anstrebten, bevorzugte DG XI (Umwelt) eine strenge, auf den Prozess bezogene Regulierung, wie sie Dänemark und Deutschland bereits besaßen (Jasanoff 1995). Umweltverbände und Teile der Presse hatten behauptet, dass die Öffentlichkeit der Gentechnik skeptisch gegenüberstünde und die Regulierung dieser Einstellung Rechnung tragen müsste, um glaubwürdig zu sein. Für die Kommission war wichtig zu wissen, ob diese Behauptungen stimmten und ob gentechnikkritische NGOs tatsächlich „die Öffentlichkeit“ repräsentierten. Ergebnisse repräsentativer Meinungsumfragen könnten – so die Erwartung – zeigen, in welchen Ländern die Akzeptanz höher oder geringer war und außerdem Argumente für oder gegen eine strenge Regulierung sowie Hinweise für die weitere Vorgangsweise (Deregulierung oder Beibehaltung) liefern. Man gab eine europaweite Eurobarometer-Umfrage in Auftrag.

Mit Hilfe dieses Instruments wurden und werden regelmäßig die Einstellungen zu unterschiedlichen EU-relevanten Themen gemessen. Hauptkontraktor war damals INRA. INRA war ein Zusammenschluss europäischer Meinungsforschungsinstitute, die jeweils länderweise die Daten in eigener Regie erhoben und nach Brüssel weitergaben, wo sie zentral ausgewertet wurden. Die für eine quantitative Erhebung notwendige große repräsentative Stichprobe war gesichert, die Daten galten als vergleichbar. In der ersten Umfrage zur Gentechnik im Jahr 1991 in der damaligen EG wurden – unter anderem – die Erwartungen an die Biotechnologie/Gentechnik im Vergleich zu anderen Technologien gemessen, weiterhin die Resonanz und damit das Vertrauen in der Bevölkerung, das Institutionen wie Regierungen, NGOs, Presse oder die EU genossen, sowie das faktische Wissen über Gentechnik.

Hintergrund für das Interesse nach Wissensfragen lieferte das so genannte Defizitmodell, wonach ein Mangel an objektivem Faktenwissen in der Bevölkerung Ursache eines allfälligen Akzeptanz-Mangels wäre und eine Ablehnung der Technologie lediglich auf irrationale Ängste zurückzuführen sei. Diese Ängste würden durch Kampagnen gesellschaftlicher Gruppen (wie z. B. NGOs) geschürt, die damit Einfluss und Spendengelder gewinnen wollten. Dieses Modell war bereits Anfang der 1990 Jahre wissenschaftlich unter Beschuss geraten, hielt (und hält) sich aber hartnäckig und lieferte die Grundlage für Aufklärungskampagnen mit dem Ziel der Akzeptanzerhöhung. Mehr Aufklärung verspräche demnach mehr Wissen und damit mehr Akzeptanz, womit in der Folge politische Probleme bei der Technikdurchsetzung verschwänden.

Die EU-Akteure erwarteten einen ‚objektiven Spiegel' der tatsächlichen Einstellungen, wobei zumindest in einigen DGs die Hoffnung zu bestehen schien, die Akzeptanz der Gentechnik möge größer und das Vertrauen in NGOs geringer sein als jene behaupteten. Das Ergebnis torpedierte allerdings solche Hoffnungen: „Gentechnik“ landete im Vergleich der Akzeptanz verschiedener moderner Technologien [4] weit abgeschlagen, lediglich Kernenergie rangierte noch darunter. „Biotechnologie“ erging es etwas besser, was aber nach Ansicht vieler eher auf die positiven Konnotationen der Vorsilbe „Bio“ zurückführen war als auf die Kenntnis des Gegenstandes. Das schlechte Abschneiden war zum großen Teil auf die Skepsis gegenüber der „grünen“, der landwirtschaftlichen Gentechnik zurückzuführen, während die „rote“, die medizinische, durchwegs besser angesehen war. NGOs [5] erwiesen sich im Vergleich verschiedener Akteure [6] als diejenigen, denen am ehesten geglaubt wurde. Erwartungsgemäß ergab das „Wissensquiz“ [7] im Schnitt geringe Kenntnisse, aber ausgerechnet in Dänemark und Deutschland (Ländern mit der größten Gentechnik-Skepsis) schien die Öffentlichkeit etwas besser informiert, während man in Ländern mit dem geringsten Wissensstand eher positiv eingestellt war. Eine Wiederholung der Umfrage 1993, leicht modifiziert, brachte keine wesentlich anderen Ergebnisse.

Um eine bereits getroffene Entscheidung zu rechtfertigen, wären diese ersten Umfragen eigentlich ausreichend gewesen. Mit Einschränkungen ließen sich die Ergebnisse nämlich als Unterstützung für eine eher strenge prozessbezogene Regelung interpretieren. Allerdings waren sie auch uneindeutig und verschiedene Interessengruppen innerhalb der Europäischen Kommission dürften zu unterschiedlichen Schlüssen gekommen sein. Insbesondere DG XII (Forschung) schien sich mit dem Status quo nicht zufrieden zu geben. Das Thema Nahrungsmittel wurde Mitte der 1990er Jahre politisch „heiß“. Es ging schließlich um eine Schlüsseltechnologie und die wenig positive öffentliche Meinung sahen viele als wesentlich an für den europäischen Rückstand gegenüber den USA (Bauer, Gaskell 2002), so dass die Akzeptanz der Gentechnik in Europa sehr genau im Auge behalten wurde.

Ob dies geschah, um zukünftige Maßnahmen möglichst geschickt und reibungsarm durchzusetzen oder ob das Interesse der Politik an der Bevölkerungsmeinung auch als Signal im Sinne von demokratischem „response“ dienen sollte, bleibt dahingestellt. Erklärungen der Kommission (European Commission 2001) lassen letzteres nicht abwegig erscheinen, wobei die deklarierte Offenheit als Reaktion auf Probleme gesehen werden kann, die im Zuge öffentlicher Kontroversen um BSE, aber auch um die landwirtschaftliche Gentechnik entstanden waren. Ein weiteres Motiv war sicherlich, rechtzeitig Indizien für eine Veränderung der öffentlichen Meinung auszumachen – oder möglicherweise Ansatzpunkte zu finden, um eine solche zu bewirken. Denn dass Umfrageergebnisse Hinweise für Kampagnen liefern können, ist unbestritten, und es mag sein, dass manche (nicht nur in der Kommission) diesbezüglich auch gewisse Erwartungen an die Eurobarometer-Umfragen hatten. Die Erfahrung zeigt aber, dass derartige Kampagnen die öffentliche Meinung nur zeitlich begrenzt und unter hohen Kosten beeinflussen können. [8] Eine dauerhafte Veränderung auf europäischer Ebene oder auch bloß in einzelnen Ländern dürfte indessen kaum möglich sein, schon gar nicht durch Aufklärungskampagnen im Sinne des Defizit-Modells.

Letztlich ging es wohl darum, Möglichkeiten auszuloten, wie sich die angestrebte Förderung der Technologie sozial verträglich implementieren ließe und wie weit man dabei gehen könnte. Dafür waren einerseits erheblich größere Anstrengungen nötig als Umfragen mit einfach gestrickten Fragen und tabellarische Darstellungen der Ergebnisse. Andererseits gab es auch erhebliche Vorbehalte gegen eine sozialwissenschaftliche Umfrageforschung mit einem solchen Hintergrund.

3     Kritik an der quantitativen Umfrageforschung

Sozialwissenschaftler wie Brian Wynne werfen der quantitativen Umfrageforschung zur Technikakzeptanz generell vor, letztere als „Normalfall“ und Nichtakzeptanz als zu untersuchende Pathologie zu konzeptualisieren (wie es das Defizitmodell auch nahe legt) und damit eher die impliziten Werturteile der Umfrageforscher und ihrer Auftraggeber zu transportieren, als unabhängige Einstellungen zu messen. Damit begäbe sich die Akzeptanzforschung in das Fahrwasser des hegemonialen Diskurses experten- und elitenzentrierter Entscheidungsprozesse, wie sie sich gerade in der Frage der Nukleartechnologie katastrophal ausgewirkt hätten (Irwin, Wynne 1996). Repräsentative Umfragen seien im Vergleich zu qualitativen Methoden methodisch zu krude, um auf die tatsächlichen Haltungen in der Bevölkerung eingehen zu können. Mit ihren standardisierten Antwortvorgaben seien die Fragebögen weniger ein analytisches Werkzeug als ein Prokrustes-Bett, in das unterschiedliche Meinungen und Einstellungen der Befragten gezwängt würden. Andererseits würden unbedeutende, oft auf Artefakten aufgrund schlechter Primärdaten oder Fragebogenmängel beruhende Ergebnisse aus dem Ländervergleich regelmäßig überinterpretiert. So zeigten qualitative Methoden sehr ähnliche Muster der Ablehnung bzw. Befürwortung technologischer Entwicklungen in verschiedenen Ländern (Marris 2001) – ein Ergebnis, das im Gegensatz zu den Länderunterschieden steht, die sich aus Umfragedaten zur Technikakzeptanz ergaben.

Diese Kritik ist nicht unberechtigt. Gerade große Umfragen sind z. B. notorisch anfällig für Artefakte, die durch mangelnde Sorgfalt der Interviewer im Feld entstehen. Möglicherweise geringe Unterschiede, in einer Rangreihe dargestellt, sind jedenfalls irreführend – einfach zu lesen, aber suggestiv. Solche Rangreihungen [9] dominierten die veröffentlichte Studie zur Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 1991 (Marlier 1992). [10] Auch Kreuztabellierungen [11] sind sehr beliebt, unterstellen aber Beziehungen, die bei vertiefenden Analysen sich statistisch oft als fragwürdig erweisen würden. Ebenso ist es richtig, dass sich in Bezug auf moderne Technologien viele Befragte kaum je mit dem Gegenstand der Untersuchung beschäftigt haben. Umfragen zum Thema „Gentechnik“ stellen also womöglich Fragen nach Dingen, die für das Alltagsdenken vieler Befragter irrelevant sind. Die in den meisten Fällen verwendeten geschlossenen Fragen können dann bestimmte Haltungen suggerieren, indem sie den Interviewten etwas in den Mund legen, messen aber keine unabhängigen Einstellungen.

Ernste Einwände können auch gegen direkte Vergleiche von Variablen in Länder übergreifenden Studien geltend gemacht werden. Einerseits entstehen nicht-triviale Probleme bei der Fragebogen-Übersetzung; so gibt es z. B. den Begriff „Gentechnik“ im Englischen nicht in dieser Form [12] . Die Übersetzung mit „biotechnology“ eröffnet ein anderes Bedeutungsfeld, womit ein scheinbar simples Problem eine kulturelle Dimension erhält und sich nicht mehr bloß durch eine „korrekte“ Übersetzung lösen lässt. Andererseits ist der zu untersuchende Gegenstand in den einzelnen nationalen Debatten verschieden stark präsent, was auch mit den unterschiedlichen Bedeutungen scheinbar gleicher Begriffe zusammenhängt (Laboratory_of_ Comparative_Human_Cognition 1979). Solche Kulturdifferenzen sind statistisch relevant: Werden nur ähnliche Begriffe abgefragt, ergeben sich oft uninterpretierbare Differenzen, denn es wird ja nur scheinbar das Gleiche gemessen, in Wirklichkeit werden unterschiedliche semantische Felder angesprochen. Streng genommen können überhaupt nur Interaktionen verglichen werden, also Beziehungen zwischen Variablen, die jeweils im gleichen Land gemessen wurden, mit denselben Beziehungen in einem anderen Land [13] . Die beliebten Listen von Einzelergebnissen in Form von „Song-Contest-Reihen“ (etwa: “In welchem Land ist das meiste Wissen, in welchem das geringste?“) sind daher mehr als fragwürdig, wenn auch in der Praxis schwer zu vermeiden. Die Liste ließe sich fortsetzen, wie ein Blick in jedes Lehrbuch für quantitative Methoden in der Sozialforschung zeigt. Erstaunlich ist nur, wie leicht im täglichen Betrieb gegen Grundforderungen methodischer und interpretatorischer Sorgfalt verstoßen wird.

4     (Wie) macht man es besser?

In Vorbereitung der nächsten Eurobarometerumfrage zur Gentechnik 1996 setzte sich eine Gruppe von Wissenschaftler/innen mit den unterschiedlichen Anforderungen auseinander, die an eine derartige Umfrage gestellt wurden. Einerseits bestand genuines wissenschaftliches Interesse, Technikkontroversen und (Nicht-) Akzeptanzmuster zu untersuchen, andererseits waren die Wünsche der Auftraggeber, aber auch die Kritik der sozialwissenschaftlichen Kollegenschaft zu berücksichtigen. Zunächst informell, dann in zwei Concerted Actions [14] und einem Forschungsprojekt [15] versammelten John Durant (Science Museum, London), George Gaskell und Martin Bauer (London School of Economics) über die nächsten Jahre eine Gruppe von Wissenschaftlern aus fast allen Ländern der wachsenden EU sowie aus der Schweiz, Norwegen, Kanada und den USA. Die Aufgabe war nicht nur, den Fragebogen und die Auswertung zu professionalisieren. Vielmehr näherte man sich in einem iterativern Lernprozess – weitere Umfragen fanden 1999 und 2002 statt – dem Ziel, ein neues integratives Konzept für die Analyse von Einstellungen zur Gentechnik im gesellschaftlichen Kontext zu entwerfen. Dabei veränderte sich nicht nur Methodisches, sondern für viele Beteiligte auch die Perspektive.

Um Themen für realistischere Fragen zu generieren wurde auf qualitative Methoden (Fokusgruppen) zurückgegriffen. Man versuchte, unterschiedlichen Dimensionen des Wissen gerecht zu werden, indem – gemäß der Theorie des „collective symbolic coping“ (Wagner et al. 2002) – auch Mechanismen der Verarbeitung von Unbekanntem und teilweise Bedrohlichem untersucht wurden. Eine der vielen Neuerungen war die für unterschiedliche Anwendungen erhobene Einschätzung des Risikos, des Nutzens und der moralischen Akzeptabilität, um die den dominanten Fokus auf Risiko als Determinante der (Nicht-)Akzeptanz zu überwinden. Wegen der vielen „Weiß nicht“-Antworten in den vorangegangenen Umfragen wurde untersucht, ob und in welchem Maß die Befragten mit dem Thema Gentechnik bereits in Berührung gekommen waren. Die Frage nach dem Vertrauen in verschiedene institutionelle Akteure wurde präzisiert; für die Auswertung wurden multivariate Verfahren eingesetzt, um Zusammenhänge zwischen den Variablen zu untersuchen. Ein wesentlicher Punkt betraf die Erhebung des Kontexts, nämlich der Presseberichterstattung und der politischen Auseinandersetzung in jedem Land, die bis zum Jahr 1973 zurückverfolgt wurden. Die Geschichte der Debatte konnte so in Beziehung mit den Umfragedaten gesetzt werden. Neben die Umfrage traten mit den Fokusgruppen, der Presse- und der Politikanalyse also weitere Module. Die Auswertung erforderte mehr Zeit, wodurch sich die Berichte verzögerten. [16]

Innovationen mussten allerdings immer im Korsett des Machbaren bleiben. Das neue Fragebogendesign hatte z. B. sicherzustellen, dass vorangegangene Umfrageergebnisse weiterhin für Zeitreihenanalysen verwendbar blieben. Das bedeutete die Beibehaltung konstanter Längsschnittfragen, auch wenn sie nicht mehr zeitgemäß waren. Der Versuch, eine offene Frage zu integrieren, scheiterte – wie befürchtet, konnten die Meinungsforschungsinstitute wegen des großen Aufwands für Erhebung, Codierung etc. großteils keine verlässlichen Rohdaten liefern. Auch der Ansatz, den Kontext mit einzubeziehen, brachte Probleme mit sich, wie sich bei der Abgleichung der quantitativen Daten (aus Umfrage- und Presseauszählungen) mit qualitativen Ergebnissen (aus Fokusgruppen, Presseauswertungen und Politik-Vergleich) zeigte. Die zunächst diffuse Vorsicht wurde allerdings durch Erfahrung spezifizierbar: Das Phänomen der vielen „weiß-nicht“-Antworten etwa ließ sich im Licht der Medienauswertung neu interpretieren. Denn trotz der phasenweise deutlichen Präsenz des Themas „Gentechnik“ in den Medien war dessen Stellenwert gegenüber anderen alltagsrelevanteren Themen erstaunlich gering, eben weil es sich um ein Thema jenseits des Alltagsdiskurses handelte. Es wurde damit deutlich, wie man als Sozialwissenschaftler Gefahr läuft, die Bedeutung des Untersuchungsgegenstandes zu überschätzen – bloß weil einige Boulevardblätter aus einem Thema ein paar Schlagzeilen klopfen, muss es noch nicht für die Öffentlichkeit nachhaltig relevant sein.

Erwartet worden waren Anwürfe aus der Sicht bestimmter Interessen. Zwar blieben die Versuche des Auftraggebers sporadisch, „negative“ Formulierungen zu verhindern, aber aus Kreisen der Naturwissenschaft, der Industrie und Politik kam der Vorwurf, der Fragebogen sei einseitig und suggeriere Nichtakzeptanz durch entsprechende Formulierung der Fragen, die im Übrigen zu unverständlich seien. Die Beispiele seien uneindeutig oder tendenziös negativ, der Nutzen nicht ausreichend erklärt. Überhaupt würden sachlich falsche, emotional besetzte Begriffe verwendet wie etwa „Gentechnik“. Derartige Kritik entsprang einer Haltung, die vor allem „sachliche Aufklärung“ wünschte und in den Daten wohl lieber Anzeichen für Akzeptanz gelesen hätte.

Innerhalb des Konsortiums gab es zuweilen heftige Kontroversen – nicht nur, aber auch zwischen Natur- und Sozialwissenschaftlern. Charakteristisch war das Problem der so genannten Tomatenfrage [17] , der die wenigsten Biologen zunächst etwas abgewinnen konnten. Eher aus der Sozialwissenschaft kam die Vermutung, es handele sich um eine Verunglimpfung von Laienwissen als Strategie zum Nachweis öffentlicher Dummheit. Diese (und andere) Fragen waren aus dem Ansatz des „collective symbolic coping“ entstanden: Statt mithilfe von Schulwissensfragen lediglich zu erheben, dass Laien mit wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht zu Recht kommen (was leidlich bekannt ist), könne man – so die Überlegung – mithilfe derartiger Fragen Aufschluss über Vorgänge der mentalen Verarbeitung erhalten. Emotionale, in der Presse oft verwendete Bilder wie das von der Tomate, in die „Gene“ gespritzt werden, weisen auf Bewältigungsstrategien hin, die Anschlussfähigkeit für bestimmte Wissensinhalte an Alltagsdiskurse zum Ziel haben, auch wenn sie wissenschaftlich falsche Vorstellungen vermitteln. Es geht also nicht um den Nachweis, dass die Öffentlichkeit nichts weiß, sondern darum, wie sie das geringe Wissen einsetzt bzw. welche Strategien entwickelt werden, um Einordenbarkeit in ein Alltagsverständnis zu erzeugen.

5     Einige Ergebnisse

Ungeachtet dieser Kritik ergaben die Projekte – neben diversen Fragebogenerstellungen, Auswertungen, Presse- und Politikanalysen – u. a. eine Rekonstruktion der Geschichte der Gentechnologie-Debatte in der Öffentlichkeit in unterschiedlichen Dimensionen und im europäischen Vergleich über zwei Dekaden (Durant et al. 1998; Bauer, Gaskell 2002; Gaskell, Bauer 2001; Gaskell et al. 2003). Dass sich die Akzeptanz für die so genannte grüne und rote Gentechnik unterschiedlich entwickelte, ist mittlerweile Gemeinplatz, ebenso dass eine generelle Technikfeindlichkeit empirisch nicht nachweisbar ist (Bauer 1995). Neben detaillierten Länderstudien wurden die Rolle der Medien und die verschiedenen Wahrnehmungen von unterschiedlichen Anwendungen der Gentechnik untersucht, ebenso die Rolle einiger Schlüsselereignisse (wie z. B. das der ersten Importe von gentechnisch verändertem Soja in die EU). Zeitreihenstudien ergaben, wie nationale Unterschiede in der Einschätzung in manchen Ländern einem Wandel unterworfen waren und wie dieser oft mit politischen Veränderungen einherging. Im Zeitverlauf ließ sich verfolgen, wie sich Phasen größerer und geringerer Brisanz des Themas abwechselten; zuletzt ließ sich in einigen Ländern eine stärker differenzierte und insgesamt etwas positivere Einschätzung feststellen.

Die Beziehung zwischen Faktenwissen und Akzeptanz erwies sich als keinesfalls trivial – soweit überhaupt eine solche hergestellt werden kann. Vollständiges Nichtwissen (mit den erwähnten Problemen der Messbarkeit) ging mit einer eher positiven Einschätzung einher. Wie die Untersuchungen zum Kontext zeigten, ergibt sich „Befürwortung“ zunächst vorzugsweise dort, wo eine Auseinandersetzung mit dem Thema noch nicht stattfand. Mit der Wahrnehmung des Gegenstandes kam es hingegen oft zu einer negativeren Einschätzung. Erst bei stärkerer Durchdringung wird eine Meinungsänderung wahrscheinlicher. Zunehmendes Faktenwissen erscheint nicht als Anstoß für eine wertfreie Risiko/Nutzen-Abwägung, sondern eher als Verfestiger bestehender Werthaltungen: Wo anfänglich Skepsis herrschte, wird diese zunächst durch die Auseinandersetzung mit dem Thema bestärkt. Denn die Technologie wird stets im Kontext beurteilt. Gentechnik fungiert so als eine Art Resonanzboden für äußerst unterschiedliche Interessen und Werthaltungen. Skandale in angrenzenden Feldern (wie die BSE-Krise) oder starke Bilder mit Bezügen zu Tabus (wie etwa das geklonte Schaf Dolly) beeinflussen daher die Einstellungen wesentlich.

Die Differenzierung der Rolle von Nutzen, Risiko und moralischen Vorbehalten im Fragebogen stieß zwar auf Kritik (Wynne 2001) – Nichtakzeptanz entspringe demnach einer Gesamtbeurteilung der Technologie und ihrer Experten und der zuständigen politischen Institutionen und Behörden. Dennoch ermöglichte es diese Unterscheidung, verschiedene Formen der Ablehnung – eine „grüne“, umweltbezogene und eine „blaue“, von konservativen Werthaltungen getragene – zu differenzieren (Nielsen 1997). Außerdem konnte gezeigt werden, dass die Risikoeinschätzung weniger bestimmend ist als vielfach angenommen und dass Nutzenerwägungen für einige, aber nicht für alle Respondenten eine wichtige Rolle spielen (Gaskell et al. 2004). Akzeptanz bzw. Ablehnung sind somit nicht unbedingt ein Ergebnis rationaler Abwägung, entspringen aber auch nicht völlig irrationalen Reaktionen. Vielmehr sind solche Haltungen Ergebnisse mentaler Prozesse der Verarbeitung von Unbekanntem, um dieses an Alltagserfahrungen anschlussfähig zu machen. [18]

6     Und die Folgen?

Bleibt die Frage, was die Politik mit derartigen Ergebnissen anfangen kann. Im Falle gentechnisch veränderter Nahrungsmittel etwa ist davon auszugehen, dass eine gewisse Skepsis in der Bevölkerung mittlerweile dauerhaft gestellt ist und als normal zu gelten hat, wenn auch nach Ländern in unterschiedlichem Ausmaß, und dass die Politik damit leben muss. Allerdings bedarf es dafür keiner Eurobarometer-Studie; allein die Tatsache, dass es nicht gelungen ist, neue transgene Nutzpflanzensorten ohne Querelen zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten zuzulassen, legt nahe, dass eine Zustimmung mancherorts politisch offenbar nach wie vor äußerst heikel wäre. Weiterhin dürfte die Erwartung von Akzeptanzbeschaffung durch Aufklärung etwas in den Hintergrund getreten sein – allerdings wohl weniger aufgrund sozialwissenschaftlicher Analysen als aus der Erfahrung von Fehlschlägen. Die Hoffnung auf Entwicklungen der „Zweiten Generation“ in der landwirtschaftlichen Gentechnik [19] , deren Nutzen zumindest für manche eher ersichtlich ist, steht allerdings auch mit Ergebnissen der Umfrageforschung nicht in Widerspruch. Für die Kommission scheint die weitere Beobachtung der öffentlichen Meinung daher angeraten, allein um mögliche Anzeichen einer Veränderung zu erkennen.

Abgesehen von der unmittelbaren politischen Bedeutung, die man sehen mag oder auch nicht, ist inzwischen die Erkenntnistiefe größer geworden. Zahlreiche Studien zum Verständnis von Gentechnikkontroversen, ihrer Bedingungen und Verläufe liegen vor, und auch das Konsortium verfolgte ja in erster Linie das Ziel, dazu beizutragen. Die Ergebnisse scheinen zwar zunächst nur von akademischem Interesse und folgenlos. In sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit Technologiethemen besteht aber die Tendenz, etwas larmoyant auf deren Folgenlosigkeit hinzuweisen, weil die Erwartung in Bezug auf die Sichtbarkeit solcher Folgen überzogen ist. Andererseits kann das Gewebe aus Daten, Erkenntnissen und kontroversen Interpretationen zu einem Thema bereits als wichtiger Teil des gesellschaftlichen „Verdauungsprozesses“ gelten, der die Bearbeitung der Zumutungen, die technische Innovationen für das gesellschaftliche Selbstverständnis darstellen (Martinsen 1997), überhaupt erst ermöglicht. Dabei sind einzelne Folgen im Sinne von Ursache und Wirkung nur selten fest zu machen.

Bei diesem Verarbeitungsprozess geht es nicht darum, Akzeptanz im Sinne von passiver Hinnahme von Innovationen zu erreichen oder Maßnahmen zur Implementierung reibungsfrei zu gestalten, sondern die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, zu reagieren (siehe „society speaks back“ bei Nowotny et al. 2001). Umfrageergebnissen lassen sich dabei als Blitzaufnahmen der Verteilung von Einstellungen zu einem Thema in einer bestimmten historischen Situation verstehen – zumindest indirekt erfasst, soweit es die Technik zulässt. Sie können Anhaltspunkte für Interpretation solcher Situationen liefern, aber keine dauerhafte Gültigkeit beanspruchen und sind vor allem nicht losgelöst von ihrem historischen Kontext zu betrachten – so wie ein Foto keine Orientierung und Information vermitteln kann, über dessen Entstehung und Inhalt nichts bekannt ist. Schon gar nicht dürfen solche Ergebnisse als Nachweis dafür herangezogen werden, dass „die Öffentlichkeit“ dieser oder jener Meinung wäre.

Von diesem Standpunkt aus sind Einzelergebnisse auch nicht unbedingt Ausschlag gebend, so wie das einzelne Foto für sich noch nicht viel aussagt. Erst durch den Prozess der Betrachtung, der Diskussion und des Vergleichs auf gesellschaftlicher Ebene tragen Ergebnisse der Umfrageforschung zum Erkenntnisgewinn bei: Nicht der Befund, dass die Akzeptanz der grünen Gentechnik in Großbritannien höher ist als in Österreich ist per se interessant, sondern die Auseinandersetzung mit dem Phänomen unterschiedlicher Einschätzungen und das gemeinsame Nachdenken darüber, warum das so sein könnte und womit dies zusammenhängt. Mit anderen Worten, die Auseinandersetzung um Intentionen, die mit der Einführung einer Technologie verbunden sind, mit den Interessen, die im Zuge dessen in Konflikt treten, die Herausforderungen für etablierte und die Herausbildung neuer Rahmungen, die Erklärungsangebote unterschiedlicher Theorien sind das, was interessiert – und was letztlich auch etwas bewegt. Paradoxerweise tragen Umfrageergebnisse umso stärker zu ihrer Falsifizierung bei, je intensiver sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, weil dadurch wiederum Meinungen beeinflusst und Einstellungen verändert werden. Umso stärker ist auf ihren Charakter als Momentaufnahmen hinzuweisen, die Aufschluss über einen gesellschaftlichen Ist-Zustand geben, diesen aber ihrerseits sofort wieder verändern können.

Das führt zu einer weiteren Überlegung zur Funktion von Umfragen über moderne Technologien: Da es in der Sozialwissenschaft kaum eine Form von Forschungsresultat gibt, die stärkere öffentliche Resonanz erzeugen kann – darin liegt im Übrigen eine der größten Herausforderungen, die die verantwortlichen Wissenschaftler zu besonderer Genauigkeit verpflichtet –, sind ihre Ergebnisse über den inhaltlichen Input hinaus ein Mittel, gesellschaftliche Verarbeitungsprozesse in Gang zu setzen, um die Zumutungen durch neue Technologien zu bewältigen. Man könnte somit, in einer gesellschaftlichen Perspektive, Umfragen als eine Art Digestif für die Verdauung neuer und unbequemer Technologien ansehen. Diese Rolle erscheint gegenüber den oft wenig greifbaren politischen Funktionen der Rechtfertigung getroffener und des Inputs für zukünftige Entscheidungen nicht zu vernachlässigen.

Inzwischen zeichnen sich neue Debatten etwa über Nanotechnologie ab. Umfragen zur Akzeptanz spielen derzeit nur eine untergeordnete Rolle, denn in der Öffentlichkeit ist das Thema noch nicht angekommen. Vielmehr untersucht man pro-aktiv, was Kontroversen auslösen könnte und die Bedingungen, unter denen es dazu kommen könnte. Wird der jeweilige Kontext berücksichtigt, können Umfragen hier einen Beitrag leisten. Allerdings gehen derartige Forschungen über simple Akzeptanz-Erhebungen hinaus. Interdisziplinäre Untersuchungen, wie sie u. a. im Rahmen der geschilderten Eurobarometer-Projekte konzipiert wurden, sind aber ein Schritt in Richtung eines besseren Verständnisses technologiepolitischer Kontroversen.

Anmerkungen

[1] In diesem Beitrag wird der Begriff „Gentechnik“ verwendet, um das zu umreißen, was auf Englisch mit „modern biotechnology“ umschrieben wird. In einem Alltagsverständnis wird allerdings der deutsche Ausdruck „Biotechnologie“ oft nahezu synonym gebraucht (z. B. von der Europäischen Kommission). In diesem Beitrag geht es um den Aspekt der öffentlichen Wahrnehmung, es soll daher nicht postuliert werden, dass es keine inhaltlichen Unterschiede zwischen diesen Begriffen gäbe.

[2] Fragte man stattdessen nach „Biotechnologie“, hatten 54 Prozent eine positive Meinung.

[3] 90/219/EWG für das geschlossene System und 90/220/EWG für Freisetzungen und das Inverkehrbringen.

[4] Neben den genannten wurde der Technikoptimismus bezüglich Solarenergie, Telekommunikation, Computer- und Informationstechnologie, neuer Materialien und Substanzen und Raumfahrt erhoben.

[5] Gefragt wurde jeweils nach Verbraucherschutz-, Umweltschutz- und Tierschutzorganisationen.

[6] Neben NGOs wurden politische sowie religiöse Organisationen, Gewerkschaften, Schulen/Universitäten, Industrie, Behörden angeführt. In einer späteren Umfrage ergab sich, dass nationale Regierungen noch schlechter abschnitten als die europäischen Institutionen.

[7] 1991 wurde gefragt, welche Anwendungen mit Biotechnologie und Gentechnik zu tun haben (z. B. Krebsforschung oder Nahrungsmittelherstellung mit Hefe). 1993 wurden diese Fragen durch „objektivere“ ersetzt, so wurde z. B. die Zustimmung/Nichtzustimmung zu Aussagen wie „es gibt Bakterien, die sich von Abwasser ernähren“ erhoben.

[8] Zum Beispiel gelang es in der Schweiz im Vorfeld einer Volksabstimmung durch geschickte PR, das Thema grüne Gentechnik völlig in den Hintergrund zu drängen.

[9] Unter Rangreihung ist die Auflistung einzelner Länder oder Staatengruppen in der Reihenfolge der Prozentsätze (z. B. von richtigen Antworten zum „Wissensquiz“ oder der Werte zum Technikoptimismus) zu verstehen.

[10] Derartige Darstellungen sind bei ländervergleichenden Untersuchungen offenbar unwiderstehlich – man denke etwa an die jüngsten PISA-Studien.

[11] Mit einer Kreuztabelle ist die Darstellung von zwei Variablen (z. B. Wissensstand und Technikoptimismus) in scheinbarer Abhängigkeit voneinander in einer zweidimensionalen Grafik gemeint.

[12] „Genetic Engineering“ z. B. wird gegenüber dem deutschen Begriff „Gentechnik“ von anderen Akteuren in anderem Zusammenhang verwendet.

[13] Z. B. das Verhältnis von Bildungsgrad und Technikoptimismus in Deutschland mit dem in Griechenland.

[14] Biotechnology in the European Public (BEP, 1996-1998), European Debates on biotechnology (EUDEB, 1998-2000). Concerted Actions, eine Form der EU-Forschungsförderung, unterstützten Konferenzen und andere gemeinsame Aktivitäten.

[15] Life Science in European Society (LSES, 2000-2003)

[16] Die erste Auswertung der Daten durch INRA im Auftrag der EU-Kommission erfolgte schnell, relativ oberflächlich und völlig unabhängig von der Arbeit im Konsortium, so dass diese Version der Eurobarometer-Auswertung die Öffentlichkeit lange vor derjenigen des Konsortiums erreichte. Die meisten Beobachter verbanden später mit dem Begriff „Eurobarometer zur Gentechnik“ die INRA-Studie mit ihren Kreuztabellen und Rankings.

[17] So sollte etwa die Richtigkeit der so genannten Tomatenfrage beurteilt werden: „Nur gentechnisch veränderte Tomaten enthalten Gene, während normale Tomaten keine enthalten.“

[18] Das Bewusstsein, dass die (Nicht-)Akzeptanz der Gentechnik differenziert zu sehen und nicht bloß eine irrationale Reaktion einer verhetzten Öffentlichkeit ist, wurde auch in die naturwissenschaftliche scientific community hineingetragen (BEP 1997; Gaskell et al. 2000).

[19] Keine Nahrungsmittel, sondern z. B. Nutzpflanzen für nachwachsende Rohstoffe

Literatur

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Resistance to new technology. Nuclear power, information technology and biotechnology. Cambridge, UK: Cambridge University Press

Bauer, M.; Gaskell, G. (Hrsg.), 2002:
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Beck, U.; Bonß, W. (Hrsg.), 1989:
Weder Sozialtechnologie noch Aufklärung. Frankfurt: Suhrkamp

BEP - Biotechnology in the European Public, 1997:
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Cantley, M.F., 1995:
The Regulation of Modern Biotechnology – A Historical and European Perspective – A Case Study in How Societies Cope with New Knowledge in the Last Quarter of the Twentieth Century. In: Brauer, D. (Hrsg.): Biotechnology – Legal, Economic and Ethical Dimensions. Weinheim: Verlag Chemie, S. 505-681

Durant, J.; Bauer, M.; Gaskell, G. (Hrsg.), 1998:
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Kontakt

Dr. Helge Torgersen
Institut für Technikfolgen-Abschätzung der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ITA / OEAW)
Strohgasse 45, A-1030 Wien, Österreich
Tel.: +43 1 51581-6588
E-Mail: torg∂oeaw.ac.at
Homepage: http://www.oeaw.ac.at/ita/