Interview

Offenheit und ihre Grenzen

René König im Gespräch mit einem Wikipedianer über Sockenpuppen, Bearbeitungskonflikte und über ein Projekt, das nie fertig werden wird.

Armin Kübelbeck

ist seit vielen Jahren Administrator bei Wikipedia. Seit 2006 hat er dort weit über 1000 Artikel neu angelegt und über 30 000 Bearbeitungen in den eigenen Artikeln und denen anderer Beitragender durchgeführt. In Wikipedia schreibt er hauptsächlich zu wissenschaftlich-technischen Themenfeldern aus den Bereichen Medizin, Biologie, Toxikologie und Pharmazie und verfasst Biografien von historischen und gegenwärtigen Personen aus diesen Bereichen.

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TATuP Bd. 26 Nr. 1–2 (2017), S. 72–75, https://doi.org/10.14512/tatup.26.1-2.72

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia gehört zu den erfolgreichsten Beispielen offener Wissensproduktion. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber auch, wie schwierig, kontrovers und voraussetzungsreich der Erhalt und Ausbau dieser Plattform ist. Darüber und über die Einhaltung der Plattformregeln spricht der Wikipedia-Administrator Armin Kübelbeck. Das Interview führte für TATuP René König, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Karlsruher Instituts für Technologie.

TATuP: Als Administrator gehören Sie zu den aktivsten Wikipedianern der Community. Was bewegt Sie persönlich zu dieser intensiven Mitarbeit?

Armin Kübelbeck: Das ist eine sehr gute Frage, die sich eigentlich die meisten Wikipedianer ständig stellen.

Ich schreibe Artikel vor allem, um über das jeweilige Thema etwas zu lernen. Am liebsten schreibe ich über Themen, die ich faszinierend finde. Zum Beispiel Altern. Ich bin jetzt 58 Jahre alt, und ich habe mir die Frage gestellt: Warum altern wir und warum ist irgendwann Schluss? Das ist ein sehr spannendes Thema, und ich kann den Artikel, der dabei entstanden ist, nur empfehlen. Dabei ist man gezwungen, zu recherchieren und in die Tiefe zu gehen. Es ist motivierend, Wissen weiterzugeben, das man sich erarbeitet hat.

Was gibt es sonst noch für Beweggründe, um sich bei der Wikipedia zu beteiligen?

Der 08/15-Nutzer, der mal einen Artikel in die Wikipedia reinstellt, macht das mehr aus Eigennutz, zum Beispiel um etwas oder jemanden zu promoten. Andere Autorinnen und Autoren haben wohl auch ein gewisses Mitteilungsbedürfnis und meinen, sie müssten uneigennützig „Gutes“ tun, indem sie unbezahlt Informationen verbreiten. Denn es gibt ja kein Geld dafür, alles ist ehrenamtlich und uneigennützig. Dadurch, dass immer neue Ereignisse eintreten, gibt es auch fortlaufend neue Artikel. Das gute Gefühl, diese Informationen für die Nachwelt zu erhalten, ist einer der zentralen Beweggründe. Man möchte dabei auch etwas zurückgeben, denn die Beitragenden lesen natürlich auch selbst in der Wikipedia. Natürlich sind manche auch politisch motiviert oder schreiben über ihre Spezialinteressen. Aber die Wikipedia geht auch über das Schreiben von Artikeln hinaus. Sie ist deutlich mehr, nämlich eine Community, eine Gemeinschaft. Unser Ziel ist der Aufbau dieser Enzyklopädie – und die wird nie fertig werden.

Inwiefern findet denn ein Austausch zwischen der Wikipedia und den verschiedenen wissenschaftlichen Fachcommunities statt?

Austausch findet vor allem in den verschiedenen Fachredaktionen statt – z. B. Fußball, Chemie, Biologie oder Medizin – allerdings viel zu wenig, meiner Meinung nach.[1] Ich selber bin kein Mediziner, aber habe doch etliche Medizinartikel verfasst und bin Mitglied dieser Fachredaktion. Beispielweise hatten wir ein Treffen mit der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), bei dem es darum ging, dass sich die Wissenschaft mehr bei der Wikipedia einbringt. Ich habe etwa einen Artikel zum Kreuzbandriss geschrieben, der dann von einem Vertreter der DGOOC begutachtet und für gut befunden wurde. Wir haben in der Community auch schon häufig diskutiert, bei besonders prominenten Artikeln den Seriositätsanspruch etwas anzuheben, indem sie einen Vermerk bekommen wie „begutachtet von Prof. X“.

Widerspräche das nicht dem ursprünglich egalitären Prinzip der Wikipedia, nach dem jeder mitschreiben kann, unabhängig von formalen Bildungsgraden?

Ja, das wäre in gewisser Weise eine Abkehr von diesem Wiki-Prinzip. Es könnte dann jeder immer noch den Artikel bearbeiten und zum Beispiel etwas ergänzen, es bedürfte aber eines fortlaufenden Qualitätssicherungs- und Erhaltungsprozesses, bei dem bestimmte Versionen als „begutachtet“ deklariert werden. Dadurch könnte man wahrscheinlich auch mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Mitmachen motivieren.

Gerade am Anfang hat man sich ja Sorgen gemacht, dass durch die Offenheit der Plattform auch die Qualität der Inhalte leiden könnte. Wie schätzen Sie selbst die Qualität der Wikipedia-Artikel sowie die Qualitätsentwicklung über die letzten Jahre ein?

Bei den zentralen Artikeln, d. h. etwa die obersten 1000, die aufgerufen werden, ist die Qualität teilweise sensationell gut. Tatsächlich hat die Wikipedia mit solchen zentralen Artikeln, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“, „Donald Trump“ oder „Krebs“ die traditionellen Enzyklopädien ja auch verdrängt.

Problematisch ist aber die große Masse, obwohl etwa auf der Startseite mit zwei Millionen Artikeln in der deutschsprachigen und mit fünf Millionen Artikeln in der englischsprachigen Wikipedia geworben wird. Aber was sagt das schon aus? Das ist als würde man ein Buch danach beurteilen, wie viele Seiten es hat. Etwa zwei Drittel dieser Artikel sind qualitativ allenfalls befriedigend oder ausreichend. Es fehlen dort etwa Belege und Quellen, oder Daten sind veraltet.

In diesem Zusammenhang gibt es in der Community ja auch schon seit jeher den Konflikt zwischen den sogenannten „Inklusionisten“, die die Hürde für relevante Inhalte relativ niedrig hängen und den „Exklusionisten“, die eher restriktiv bei der Durchsetzung von Relevanzkriterien sind. Können Sie sich einem der Lager eindeutig zuordnen?

Gestartet bin ich als Inklusionist, inzwischen bin ich ein Exklusionist. Mir ist es wichtiger, tausend gute Artikel zu haben als irgendeine andere Wikipedia mit der Artikelzahl zu übertrumpfen. Das ist wirklich kein Qualitätskriterium. Es gibt zum Beispiel sehr viele „Zombies“ in der Wikipedia, d. h. Artikel über Personen, die längst tot sind, oder über kleinere Firmen und Läden, die längst nicht mehr existieren, ohne dass dies im Artikel vermerkt wird.

Eine grundlegende Wikipedia-Regel ist der Anspruch, neutrale Artikel zu verfassen. Was genau darunter zu verstehen ist, wird jedoch nicht selten kontrovers diskutiert und es kommt zu Konflikten. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?

Tatsächlich gibt es kaum ein Thema ohne sogenannte edit wars, d. h. Bearbeitungskonflikte, bei denen in schneller Folge Änderungen gemacht und verworfen werden. Der Artikel über Homöopathie wird natürlich kontrovers diskutiert, aber es gibt auch Konflikte über so scheinbar banale Dinge wie den Wiener Donauturm. Die Diskussion, ob dieser ein Fernseh- und Aussichtsturm oder nur ein Aussichtsturm ist, hat megabyteweise Diskussionsseiten gefüllt und sogar die Presse berichtete. Es gibt natürlich auch Dinge, die nicht ganz so banal sind und etwa politisch konnotiert sein können. Aktuelles Beispiel ist der Artikel „Überfall auf Polen“, also das Ereignis, das den Zweiten Weltkrieg quasi ausgelöst hat. Da gibt es Autoren die meinen, der korrekte Titel wäre „Polenfeldzug“.

Was ist Ihre Rolle als Administrator in den Redaktionsabläufen?

Als Administrator muss man in solchen Fällen eingreifen. Dann wird zum Beispiel die Bearbeitungsfunktion dieses Artikels gesperrt, üblicherweise in einer Version vor Beginn des edit wars. Natürlich gibt es dann immer auch irgendjemanden, der meint, man habe die falsche Version gesperrt. Aber das ist normal. Es gibt nie die „richtige“ Version. Es setzt dann eine Mediationsphase ein, in der zunächst dazu aufgerufen wird, vorgeschlagene Änderungen auf der Diskussionsseite zum Artikel zu besprechen, bevor sie durchgeführt werden. Im Extremfall gibt es dann noch Lösungsmechanismen wie die „Dritte Meinung“. Dabei werden üblicherweise ein oder mehrere angesehene Wikipedianer hinzugezogen, die eine gewisse Reputation haben und einen Weg vorgeben. Bei größeren Konflikten besteht zudem die Möglichkeit eines „Meinungsbildes“. So gibt es etwa seit einigen Jahren Streit um die genealogischen Zeichen. In sämtlichen biografischen Artikeln war bis vor ein paar Jahren der Standard, ein Kreuz (englisch: dagger) für das Todesdatum zu verwenden. Nicht zu Unrecht wurde eingewendet, dass ein Kreuz etwa bei Personen jüdischen oder islamischen Glaubens unpassend sei, während andere darauf verwiesen, dass dies eine konventionelle Darstellungsweise in Enzyklopädien ist.

Für solche Fälle gibt es dann Meinungsbilder, bei denen Stimmberechtigte – d. h. mindestens zwei Monate angemeldete Nutzer, die bereits 200 Edits durchgeführt haben – über solche allgemeineren Vorgehensweisen mitentscheiden können.

Wäre es denkbar, dass es bei solchen Verfahren zu Manipulationen kommt, etwa indem sogenannte „Sockenpuppen“ angelegt werden, also zusätzliche Accounts, die bestimmte Positionen dominanter erscheinen lassen als sie eigentlich sind?

In rein demokratischen Abstimmungen wäre das natürlich ein Problem, ganz klar. Also wenn wirklich ein Meinungsbild ausgezählt wird und die entsprechende Mehrheit erreicht wird. Es ist allerdings sehr schwierig, mehrere Accounts mit einer entsprechenden Zahl von Edits aufzubauen und das fällt dann relativ schnell auf. Viele Kollegen, haben ein Gespür dafür und können etwa anhand von Bearbeitungsmustern (z. B. wie jemand gewisse Dinge formuliert) mögliche Sockenpuppen identifizieren.

Das sehr schöne – und manchmal auch teuflische – an der Wikipedia ist: Sie vergisst gar nichts. Jeder Edit wird aufgezeichnet und kann eingesehen werden. Selbst gelöschte Versionen sind eigentlich nicht wirklich gelöscht, sondern nur auf einen kleinen Teilnehmerkreis zum Lesen eingeschränkt, zu dem auch die Administratoren gehören. Somit lassen sich auffällige Verhaltensmuster identifizieren, und Manipulationsversuche können in solchen Abstimmungen durchaus erkannt werden.

Und was passiert dann?

Wenn ein begründeter Verdacht besteht, kann etwa ein sogenanntes Check-User-Verfahren durchgeführt werden. Das ist datenschutzrechtlich nicht unproblematisch, denn dabei werden u. a. Informationen zur IP-Adresse eines Nutzers analysiert. Dadurch fliegen Missbrauchsversuche schnell auf.

Abb. 1: Sperren eines Benutzers über die IP-Adresse. Quelle: Wikipedia

Das heißt, das Problem der Manipulation durch Sockenpuppen besteht zwar, ist aber grundsätzlich lösbar?

Ja. In vielen Fällen zählt auch gar nicht die reine Stimmzahl, sondern die Argumente, etwa bei Diskussionen zur Löschung eines Artikels. Selbst wenn dann jemand unter einer anderen IP-Adresse Beiträge schreibt und es eine Mehrheit für eine bestimmte Position gibt, muss sich diese nicht unbedingt durchsetzen. Ein gutes Argument kann zwanzig Ja-Sager oder Nein-Sager überstimmen. In diesem Sinne sind Entscheidungen, die in der Wikipedia getroffen werden, oft auch nicht demokratisch. Häufig geht es um Gespür oder auch nach Regeln. Auch als Administrator muss ich mich in einem gewissen Rahmen bewegen, der von der Community einst so verabschiedet wurde. Dazu gehören insbesondere die Relevanzkriterien. Da gab es etwa einen Artikel über einen Marathonläufer, der bei den Olympischen Spielen von 1904 teilgenommen hat, aber nicht mal ins Ziel kam. Da er aber in irgendeiner Starterliste aufgeführt ist, gilt er für die Wikipedia als relevant, und ich musste auch als Exklusionist den Löschantrag ablehnen.

Wie wird man eigentlich Administrator? Steht da keine demokratische Wahl dahinter?

Doch, die Wahl selbst ist demokratisch. Man braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmberechtigten [siehe oben „Meinungsbilder“, d. R.], aber um die zu bekommen, muss man seine Meriten erworben haben. Eigentlich handelt es sich bei der Wikipedia also um eine Meritokratie. Als Administratorkandidat muss man mindestens zwei bis drei Jahre angemeldetes Mitglied gewesen sein und fleißig Artikelarbeit betrieben haben – auch wenn man als Administrator ja eigentlich nicht Artikel schreiben soll, sondern eher mit Löschen, Sperren usw. beschäftigt ist. Dennoch muss man zeigen, dass man die Prinzipien verstanden hat und auch gute Artikel schreiben kann. Ebenso muss man demonstrieren, dass man die Spielregeln einhält und z. B. möglichst nie gesperrt wurde, nicht beleidigend war, keine Werbung betreibt usw. Gut ist es auch, wenn man sich in schwierigen Bereichen, wie z. B. Löschdiskussionen konstruktiv eingebracht hat. Kurzum: Administratoren sollten viel Wikipedia-Erfahrung mitbringen.

Abb. 2: Diskussion unter den Verfassern des Wikipedia-Artikels „Donauturm“.Quelle: Wikipedia

Demgegenüber heißt es oft, Wikipedia habe Nachwuchssorgen, da es Neulinge anfangs schwer haben sollen. Zudem fiel auf, dass der Frauenanteil unter den aktiven Nutzerinnen sehr niedrig ist. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen? Hätten Sie Vorschläge, wie man das verbessern könnte?

Ja, das ist für mich eines der Rätsel, denn schreiben können Frauen mindestens so gut wie Männer. Aber wir haben einen sehr niedrigen Frauenanteil, und ich weiß nicht, woran das liegt. Man muss ja sein Geschlecht nicht mal offenbaren, schließlich kann man sich einen neutralen oder männlichen Namen aussuchen. Aber wenn man diese Benutzertreffen sieht, die regelmäßig stattfinden, trifft man meistens auf männliche Nerds – ohne jetzt abwertend sein zu wollen. Das ist schade.

Das sehr schöne – und manchmal auch teuflische – an der Wikipedia ist, sie vergisst gar nichts. Jeder Edit wird aufgezeichnet und kann eingesehen werden.

Häufig wurde versucht, das Wikipedia-Prinzip in andere Bereiche zu übertragen, auch in die verschiedenen anderen Projekte der Wikimedia. Aber kein Wiki-Projekt ist so erfolgreich wie die Wikipedia. Arbeiten Sie selbst noch in anderen Wiki-Projekten?

Ich war noch in einem Projekt beteiligt, in dem quasi nach Wiki-Prinzip Landkarten erstellt werden: Open Street Maps. Auch in der englischsprachigen Wikipedia habe ich ein wenig mitgemacht, aber eher selten. Ich denke, ein Wiki funktioniert nur mit sehr vielen Teilnehmern. Es ist erstaunlich, wie wenige dauerhaft bei der Wikipedia substanzielle Beiträge leisten. Es gibt viele, die ab und zu ein Komma korrigieren, aber erschreckend wenige, die wirklich zu dem harten Kern gehören. Ich habe es vor Jahren mit einem lokalen Wiki versucht, aber dafür fand sich kaum jemand. Es funktioniert nur in der Masse.

Der Journalist Marvin Oppong erhob 2015 in zwei Artikeln für die Junge Welt gegen Sie den Vorwurf, Sie hätten selbst „Sockenpuppen“-Accounts verwendet und einen Artikel über Ihren damaligen Arbeitgeber, den Pharmakonzern Merck, beschönigt. Wie ist Ihre Sichtweise und wie haben Sie auf diese Vorwürfe reagiert?

Für einen Schreibwettbewerb hatte ich den Artikel „Geschichte der Merck KGaA“ im Juni 2010 angelegt. Da ich noch in einer anderen Kategorie teilnahm, verwendete ich dazu einen anderen Account, eine „Sockenpuppe“. Den Artikel schrieb ich in meiner Freizeit, weil mich das Thema interessierte, so wie tausende andere Benutzer über ihren Verein oder Heimatort schreiben. Unter anderem verfasste ich einen kurzen Abschnitt über die Rolle von Mathilde Merck im Nationalsozialismus, die Witwe eines Merck-Gesellschafters. Aber nach einer kritischen Durchsicht mit Blick auf enzyklopädische Relevanzkriterien habe ich diesen Abschnitt wieder entfernt und dafür in den Artikel ihres Mannes, Willy Merck, integriert, da die Witwe eines Gesellschafters keinen direkten Bezug zum Unternehmen hat. Der Investigativjournalist Marvin Oppong ist der Meinung, dass ich damit die Firmengeschichte geschönt hätte. Fakt ist, dass ich den entsprechenden Abschnitt selbst eingefügt und aus den genannten Gründen wieder entfernt habe. Interessanterweise hat – trotz dieser „Enthüllungen“ – bis heute niemand den Absatz wieder in den Artikel eingefügt. Aber das passt natürlich nicht zu dem Aufmacher, der ganz andere Absichten verfolgt: Das böse Kapital, das in der Wikipedia versucht, seine Geschichte zu schönen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Wikipedia?

Die Technik wird immer wieder moniert, u. a. auch das Layout, das in 15 Jahren kaum verändert wurde. Immerhin gibt es jetzt den Visual Editor zum Bearbeiten für Neulinge, das ist schon ein ganz guter Einstieg, um die Hemmschwelle zu reduzieren. Auch im Bereich Multimedia hat sich etwas getan: Es gibt mehr Filme, und das wird noch mehr zunehmen. Aber ich denke, im Großen und Ganzen wird sich der Kern und das Prinzip des Systems nicht ändern. Also auch zukünftig wird beispielsweise immer noch die Anonymität gewahrt werden. Solche Grundprinzipien, wie auch das Prinzip der Neutralität, müssen und werden gegeben sein. Eine Frage die sich stellt ist, ob es irgendwann mal vielleicht Konkurrenz zur Wikipedia geben wird. Die ganzen Inhalte der Wikipedia sind schließlich frei, d. h. jeder kann die nutzen und im Prinzip ein eigenes System aufsetzen, sofern die Lizenzbestimmungen eingehalten werden. Die Googles und Microsofts dieser Welt sind diesen Schritt vermutlich aus einem einfachen Grund bisher noch nicht gegangen. Denn wäre die Wikipedia nicht wie jetzt gemeinnützig, würde ich dafür keine Zeile schreiben. Ich würde da doch nicht mitarbeiten, damit ein Herr Page oder ein Herr Gates daran mitverdient.

Sind Sie denn optimistisch, dass das Finanzierungsmodell trägt und es auch nach wie vor genug Beitragende gibt, die die Wikipedia am Leben halten?

Ja. Dabei ist die Wikipedia in den USA sicherlich noch ein bisschen stärker aufgestellt, dort ist alles philanthropischer und freizügiger, und es finden sich viele Spender für den Unterhalt der Server usw. Ich persönlich gebe kein Geld, aber immerhin einen Teil meiner Lebenszeit.

Vielen Dank für das Gespräch!

Fußnote

[1] Ein Überblick über sämtliche Wikipedia-Redaktionen und ihre Arbeitsweise findet sich unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Redaktionen.