Passivhaus-Schulen werden aktiv. Ein technisches Schulprojekt über die Funktionalität energieeffizienter Gebäude und die Zufriedenheit der NutzerInnen

TA-Projekte

Passivhaus-Schulen werden aktiv

Ein technisches Schulprojekt über die Funktionalität energieeffizienter Gebäude und die Zufriedenheit der NutzerInnen

von Marlies Bock, Unabhängiges Institut für Umweltfragen (UfU) e.V., Berlin

Bei der Entwicklung von besonders energieeffizienten Bauformen ist in den letzten 30 Jahren viel erreicht worden. Nach den ersten Wohngebäuden wurden zunehmend auch Nichtwohngebäude in hochwertiger energieeffizienter Bauweise (Passivhaus, Niedrigenergiehaus, KfW-Effizienzhausstandard) gebaut. Seit etwa fünf bis zehn Jahren werden auch Schulen in Passivhausbauweise gebaut. In den Medien liest man fast nur Gutes über solche neuen energieeffizienten Gebäude. Doch vor Ort stellt sich die Lage differenzierter dar.

1     Ausgangslage

Der Bau von und die Sanierung zu Passivhäusern bedürfen aufgrund der höheren Kosten einer positiven politischen Meinungsbildung sowie hoher Technikaffinität und -akzeptanz. Das anfänglich gute Image von Passiv- und Niedrigenergiegebäuden ist jedoch gefährdet. Denn die Wahrnehmung von Passivhaus-Schulen vor Ort ist eine gänzlich andere, als die öffentlichen Medien vermuten lassen: Die NutzerInnen klagen über Hitze im Sommer und fehlende Behaglichkeit. Sie stören sich an lauten Lüftungsanlagen, an Zugluft und Gerüchen. Die Luft wird oft als stickig empfunden. Es gibt Klagen über nicht zu öffnende oder zu kleine Fenster. Mancherorts werden sogar Elterninitiativen gegen „Missstände“ aktiv. Auch die Betreiber der Gebäude erzählen hinter vorgehaltener Hand von Enttäuschungen mit der neuen Technik: Die erwarteten niedrigen Energieverbräuche wurden nicht realisiert, die Kosten für nachträgliche Mängelbeseitigungen bei den „High Tech“-Gebäuden sind sehr hoch und die vor Ort zuständigen Haustechniker stehen den Anlagen meist ratlos gegenüber.

Vor diesem Hintergrund wurde die Idee zum Projekt „Passivhaus-Schulen werden aktiv“ geboren: Das Projekt wird von drei Verbundpartnern durchgeführt, die seit mehreren Jahren gemeinsam im Bundesverband Schule Energie Bildung (BUSEB) aktiv sind: e&u energiebüro gmbh, Bielefeld, Werk-statt-Schule e.V., Hannover und das Unabhängige Institut für Umweltfragen e.V., Berlin.

2     Projektidee und Ziele

Insgesamt soll die Zufriedenheit aller beteiligten Akteure und NutzerInnen und damit die Akzeptanz für energieeffiziente Gebäude gesteigert werden. Um die positive Einstellung der Öffentlichkeit zu erhalten oder wiederherzustellen, müssen Fehler bei der Bauausführung schnell gefunden und beseitigt werden. Die konkreten Probleme bei der Nutzung von Energieeffizienzschulen müssen erkannt werden. Dadurch soll nicht nur der Energieverbrauch verringert bzw. dem geplanten Wert angepasst und Gebäudeschäden, z. B. Schimmelbildung aufgrund unsachgemäßer Lüftung, vorgebeugt werden. Vielmehr soll auch die Behaglichkeit (frische Luft, höhere Luftfeuchtigkeit im Winter, ausgeglichene Temperaturen) in den Gebäuden erhöht werden, ohne dafür mehr Energie zu verbrauchen. NutzerInnen müssen Hilfestellungen bekommen, wie ihr neues Gebäude eigentlich funktioniert und wie sie sich in ihm richtig verhalten können.

Das Zusammenspiel der technisch-baulichen Komponenten von Energieeffizienzschulen mit dem Verhalten der NutzerInnen funktioniert wegen seiner Komplexität und unter den besonderen Nutzungsbedingungen einer Schule häufig nicht oder nur mangelhaft. Im Projekt werden daher an Pilotschulen die erforderlichen technischen, informativen und pädagogischen Maßnahmen entwickelt und umgesetzt, über eine Good-Practice-Broschüre veröffentlicht und der Fachöffentlichkeit über Seminare vermittelt. Alle Beteiligten sollten aus den Erfahrungen der Anderen lernen. Richtig eingesetzt kann das Thema „Energie in unserer Passivhausschule“ in allen Schulformen zum spannenden Unterrichtsthema werden.

3     Projektdurchführung

Das Projekt gliedert sich in insgesamt fünf Projektabschnitte, die sich über den Zeitraum von Januar 2015 bis Dezember 2017 erstrecken:

Zu Beginn des Projektes im Jahr 2015 wurde in den drei Projektregionen Niedersachsen, nördliches Nordrhein-Westfalen und Berlin/Brandenburg sowie beispielhaft bundesweit nach energieeffizienten Schulgebäuden recherchiert. Insbesondere wurde nach Schulen mit Passivhausstandard, aber auch nach Schulen mit Niedrigenergiestandard gesucht. Hierfür wurde zum einen in der Verwaltungsebene (Bau- und Schulverwaltungen) nachgefragt, ob energieeffiziente Schulgebäude gebaut wurden. Zum anderen wurden die einschlägigen Listen und Kataloge ausgewertet (dena, DBU, eneff-schule, Energieagenturen, Architektenkammern). Insgesamt wurden im Bundesgebiet bisher 242 Schulen ausfindig gemacht, die den oben genannten Kriterien entsprechen.

Aus den drei Projektregionen, in denen die beteiligten Projektpartner ihre Büros haben, wurden 26 Schulen ausgewählt und angesprochen, die intensiver im Projekt beteiligt werden sollten. Die Wahl erfolgte zum einen nach Praktikabilitäts-Gesichtspunkten (die Schulen mussten für die Projektpartner erreichbar sein), zum anderen wurde versucht, möglichst viele verschiedene Schultypen, sowie Neubauten und sanierte Gebäude mit einzubeziehen. In diesen ausgewählten Schulen wurden leitfadengestützte Interviews mit Schulleitungen und Haustechnikern geführt. Teilweise wurden auch Personen aus Schul- und Bauverwaltungen befragt. Zudem wurden verschiedene technische Messungen vorgenommen (s. u.). Ziel war es, über beide methodischen Zugänge jeweils technische Schwierigkeiten, mögliche Problemstellungen, Herausforderungen bei der Nutzung und bereits umgesetzte Lösungsansätze umfassend zu erheben.

Inhaltlich wurde bei der Befragung allgemeines Empfinden, wie beispielsweise die Zufriedenheit mit dem Gebäude bzw. der Bauausführung, die Eignung als Schulgebäude oder der Wohlfühlfaktor abgefragt. Des Weiteren wurden die verschiedenen energetisch-technischen Bereiche der Schule genauer betrachtet. Hierbei wurden die Themen Heizung/Temperaturen, Lüftung/Luftqualität, Beleuchtung/Licht, Sonnen-/Blend-/Wärmeschutz sowie elektrische Verbraucher angesprochen. Ein dritter Fragekomplex zielte auf allgemeine organisatorische und kommunikative Aspekte; hier wurden v. a. erfolgte Schulungen, Informationen und Einweisungen sowie die öffentliche Kommunikation, z. B. Darstellung auf der Internetseite, abgefragt. Außerdem wurden SchülerInnen und Lehrkräfte in speziellen Interviews nach ihrem Empfinden im Bereich der Temperaturen (getrennt nach Sommer- und Wintertemperaturen) und der Luftqualität, sowie ihrer Wahrnehmung von technischen Vorgaben und konkreten Schwierigkeiten im Nutzerverhalten befragt.

Messtechnisch wurden Sommer- und Wintermessungen vorgenommen. Wichtig war hierbei zunächst, die Messparameter für die Sammlung von Erkenntnissen festzulegen: Untersucht werden sollten insbesondere die Raumluftqualität in Bezug auf Temperaturen, Luftfeuchte und Luftqualität (CO2-Gehalt) und Temperaturen direkt in den Lüftungsanlagen. Für die Erhebung dieser Parameter ist es wichtig zu wissen, welche Gebäudetechnik in einer teilnehmenden Schule vorhanden ist. Der Aufwand der Messreihen ist bei komplexeren technischen Einbauten (zentrale Lüftung mit variablen Volumenstromreglern, zentrale oder dezentrale Nacherhitzung, Druckregelung oder FanOptimizer, dezentrale Lüftung je Raum oder für wenige Räume, statische Heizung mit Heizkörpern, Fußboden- oder Deckenstrahlungsheizung) sehr unterschiedlich. Außerdem kommt es darauf an, wie viele möglicherweise störungsanfällige Bauteile (Lüftungsgeräte, GLT, Volumenstromregler) und wie viele unterschiedliche Gebäudeteile (Klassenräume, Verwaltung, Mensa, Pausenhalle, Aula, Sporthalle) betrachtet werden. Entsprechend der jeweiligen Voraussetzungen wurden größere Lüftungsgeräte mit Datenloggern und Messfühlern an allen zugänglichen Kanälen ausgestattet. Die Ergebnisse der Datenlogger-Messreihen gaben die Möglichkeit, den Wirkungsgrad der Wärmerückgewinnung, die Laufzeiten der Geräte und evtl. Störungen in der Regelungstechnik zu finden. In den Wintermessreihen wurden zusätzlich einige Klassenräume mit CO2-Datenloggern untersucht.

Durch die durchgeführten Interviews und Messreihen konnten einige typische Problemlagen gefunden werden. Diese lassen sich in verschiedenen Fehlern, Störungen, Mängeln und Fehlbedienungen beschreiben und in verschiedene technische Rubriken klassifizieren:

Aus diesen Erkenntnissen heraus wurden verschiedene Maßnahmen entwickelt und in einigen Fällen beispielhaft umgesetzt: Bei der Behebung von technischen Fehlern wurden für einige Gebäude die zuständigen SachbearbeiterInnen der betreuenden Einrichtungen (z. B. Gebäudemanagement) hinzugezogen und teilweise die Fehler als Mängel an die zuständigen Stellen weitergegeben. Bei den neueren Gebäuden liegen häufig noch Gewährleistungsfristen vor.

Auf der pädagogisch-nutzerrelevanten Seite werden zurzeit Unterrichtsmodule für zwei Altersgruppen (4./5. und 9./10. Klasse) entwickelt. Diese sollen insbesondere dazu beitragen, dass sich NutzerInnen überhaupt mit dem energieeffizienten Gebäude auseinandersetzen. Die modular aufgebaute Unterrichtseinheit kann entweder auf mehrere Schulstunden verteilt oder auch als Projekt an einem oder mehreren Projekttagen durchgeführt werden. Insbesondere werden folgende Schwerpunkte thematisiert:

Aus den klassifizierten Ergebnissen der geführten Interviews und Messreihen, erfolgreich umgesetzten Maßnahmen sowie entwickelten Hinweisen für ein verbessertes Nutzerverhalten werden Fortbildungsmodule für Baufachleute und Lehrkräfte entwickelt, um eine verbesserte Techniknutzung langfristig zu etablieren und so energieeffiziente Gebäude richtig und zufriedenstellend planen, installieren und nutzen zu können.

Diesem Ziel dienen auch die noch zu erstellende Good-Practice-Broschüre, die Durchführung einer Fachtagung am 17. Mai 2017 sowie weitere Fortbildungen. Auch über die entwickelten Unterrichtsmaterialien sollen die relevanten Themen verbreitet werden. Zum begleitenden Wettbewerb können Lehrkräfte bis Ende März 2017 Beiträge einreichen, die den Umgang mit den Schulgebäuden, sowie inhaltliche Ergebnisse von durchgeführten Projekten darstellen. Die Beiträge werden durch eine interdisziplinäre Jury bewertet und die GewinnerInnen auf der Fachtagung gekürt.

4     Erste Ergebnisse und Ausblick

Nach Auswertung der wissenschaftlichen Untersuchungen konnten verschiedene Schwerpunktthemen und Optimierungspotenziale in den Bereichen Planen, Bauen, Gebäudetechnik, Organisation und Pädagogik definiert werden. Ein eindeutiges Ergebnis ist, dass die Gebäude insbesondere im Sommer Schwierigkeiten verursachen, die aber durch technische Nachbesserungen und offensivere Nutzerinformation deutlich verbessert werden können. Die Technik ist für Nichtwohngebäude teilweise noch zu wenig spezifiziert, als dass sie den jeweiligen Anforderungen, in diesem Fall dem Schulbetrieb, ohne weiteres gerecht werden kann. Ein Beispiel sind hier die Jalousien bzw. deren sinnvolle Steuerung und auch die Lüftungsanlagen verursachen immer wieder Probleme.

Teilweise liegen die Wurzeln der späteren Schwierigkeiten schon im Bereich der Ausschreibung und Planung, teilweise ist die Kommunikation mit NutzerInnen und später zuständigen TechnikerInnen oder HausmeisterInnen unzureichend und teilweise ist die Ausgewogenheit zwischen Eingriffsmöglichkeiten durch die NutzerInnen und einer ausreichenden Automatisierung, die einen reibungslosen Schulbetrieb gewährleitet, noch nicht optimal. Die HausmeisterInnen sind größtenteils mit den neuen Aufgaben überfordert, denn eine Einführung findet nur sporadisch, eine ausführliche Schulung quasi nie statt.

D. h., es gibt sowohl planerische und technische als auch kommunikative und pädagogische Herausforderungen im Umgang und der Nutzung hochenergieeffizienter Schulgebäude. Unterschiedliche Akteursgruppen müssen noch besser in das Gesamtkonzept integriert werden und auch auf Planungs- und Verwaltungsebene bedarf es noch einiges an Unterstützung, um ein weiteres Bauen auf diesem Standard sinnvoll durchzuführen. Technische Entwicklungen kritisch zu begleiten bzw. analytisch von Zeit zu Zeit zu hinterfragen, verbessert dann nicht nur neue Standards, sondern zeigt immer auch die Notwendigkeit von Anpassungen an die jeweiligen Bedürfnisse seiner NutzerInnen.

Nähere Informationen zum Projekt finden sich unter: http://www.ufu.de/passivhausschule.

Kontakt

Marlies Bock
Unabhängiges Institut für Umweltfragen e.V.
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
E-Mail: marlies.bock∂ufu.de