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Akteure eines neuen Paradigmas - Beginn der Kooperation zwischen Karlsruhe und Banska Bystrica
Akteure eines neuen Paradigmas - Beginn der Kooperation zwischen Karlsruhe und Banská Bystrica
An der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Mathias Belius-Universität Banská Bystrica (Slowakische Republik) wurde im Jahr 1999 ein Lehrstuhl für Ethik und Ästhetik gegründet, in inhaltlicher Ausrichtung der einzige seiner Art in der Slowakei. Die Mitglieder dieses Lehrstuhls haben sich ein ehrgeiziges Programm vorgenommen - sie wollen einen Studienplan und wissenschaftliche Initiativen realisieren, die sich vorrangig an Bereichen der angewandten Ethik (vor allem der Wissenschafts-, Technik-, Medizin-, Umwelt- und Wirtschaftsethik) orientieren. Die Zielsetzung dieses Programms ist die Integration aktueller Fragestellungen und Ergebnisse der angewandten Ethik in Studienprogramme, wissenschaftliche Graduierungsarbeiten und Konsultationstätigkeiten, und damit die Ausbildung einer zeitgemäßen wissenschaftlichen Kultur in diesen Bereichen. Als Hauptidee dieser Bestrebungen kann der Slogan "Beim Philosophieren über das Leben sollen wir das Leben nicht vergessen" angesehen werden. Das bedeutet weithin ein neues Paradigma: drohende globale Umweltveränderungen, Sicherheitsrisiken der Technik, Reproduktionsmedizin, Gentechnik, Internet, Globalisierung, Verantwortung für kommende Generationen usw. werden Gegenstand ethischer Überlegungen.
Angewandte Ethik muss dabei zwei Gefahren ausweichen. Zum einen sollte der Begriff der Ethik nicht ohne ein tieferes theoretisches Verständnis ethischer Fragestellungen und ohne Kenntnis der differenzierten Möglichkeiten der Anwendung von Ethik etwa in Lebenswelt, Wissenschaft und Wirtschaft benutzt werden. Zum anderen gilt es, Versuche abzuwehren, die theoretische (philosophische) Ethik in konkrete Bereiche der Praxis und einzelne wissenschaftliche Lösungen einfach zu "implantieren".
Eine qualifizierte Vorbereitung auf das Berufsleben wird heute zur grundsätzlichen Voraussetzung fachlicher Ausbildung und Kompetenz: "Für die Vorbereitung von Spezialisten auf konkrete Bereiche kann im Bereich der Führung und des Managerverhaltens, wo die unmittelbare Arbeit mit Menschen erforderlich ist, die Durchführung sowohl theoretischer als auch praktischer Konsultationen zum Verständnis und zur selbstständigen Lösung der Dilemmata der Praxis im sozialen und ethischen Bereich sowie zur Bewertung der Entwicklungstendenz der Institution nützlich sein" (Fobel 1999, S. 143 [1] ). Dem trägt das Programm des Lehrstuhls Ethik und Ästhetik in Lehre wie Forschung Rechnung.
Im Zusammenhang mit der Realisierung dieses wissenschaftlichen Programms hat der Lehrstuhl Kontakt mit Herrn Professor Dr. Gerhard Banse, Forschungszentrum Karlsruhe, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) aufgenommen und hatte ihn im April nach Banska Bystrica zu einem Vorlesungszyklus über Themen der angewandten Ethik eingeladen, wie auch zur Vorbereitung einer Vereinbarung, die Inhalte und Formen der Zusammenarbeit zwischen dem ITAS und dem Lehrstuhl für Ethik und Ästhetik umfassen wird.
Während des Arbeitsaufenthalts traf Herr Banse nicht nur mit den Mitgliedern des Lehrstuhls zusammen, sondern es gab auch ein großes Interesse seitens der Fakultätsleitung an einem Gedankenaustausch. Die Dekanin, Frau Doc. PhDr. Janka Klinckova, CSc., und der Prodekan für Auslandsbeziehungen, Herr Mgr. Milan Štulrajter, PhD, haben sich in einem ausführlichen Gespräch mit Herrn Banse insbesondere für die Situation und den Stand der Entwicklung der Ethikforschung in Deutschland interessiert. Der Bereich der angewandten Ethik befindet sich in der Slowakei gerade erst am Anfang seiner Entwicklung.
Die Vorlesungen sowohl für Studenten wie für Mitarbeiter der Fakultät umfassten zwei Teile - einen mehr informativen und einen mehr wissenschaftlich-inhaltlichen. Im mehr informativen Teil wurde ein Überblick über Stand und Entwicklung der angewandte Ethik, vor allem der Wissenschafts- und Technikethik in Deutschland gegeben. Dabei wurde die Notwendigkeit von Ethik, vor allem der angewandten Ethik, an Beispielen aus der Technikethik dargelegt. Die mehr inhaltlich ausgerichteten Überlegungen befassten sich mit ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Risikoproblematik, der Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Überlegungen in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung ein. Der letzte Teil der Vorlesungen war einer kritischen Auseinandersetzung mit den Ideen der (technischen) Machbar- und Verfügbarkeit sowie der Berechen- und Kalkulierbarkeit der Lebenswelt gewidmet.
Die Kooperationsvereinbarung, die im Entwurf vorliegt, sieht vor allem den regelmäßigen Austausch von Wissenschaftlern, fachliche Konsultationen (vor allem im Rahmen von Graduierungsarbeiten), die Vorbereitung und Durchführung gemeinsamer wissenschaftlicher Veranstaltungen (die erste wird im November stattfinden) sowie die Hilfe bei der Herausgabe einer Zeitschrift zur angewandten Ethik in der Slowakischen Republik vor. Auf Antrag des Lehrstuhls Ethik und Ästhetik hat die Mathias Belius-Universität Herrn Banse den Titel eines Gastprofessors verliehen.
Die sich gegenwärtig vollziehende Transformation der Gesellschaft von einer industriellen zu einer wissensbasierten "Informationsgesellschaft" kann man nicht nur auf ökonomische und technische Problemlösungen reduzieren. Gefordert sind sowohl die Ursachenbewertung wie auch die Folgenabschätzung. Dieser Prozess berührt und verändert alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens - die Politik, das Recht, die Bildung, usw.. Er erfordert auch eine Ländergrenzen überschreitende fachliche Zusammenarbeit in diesen Feldern. "Die begonnene Kooperation zwischen Karlsruhe und Banská Bystrica ist dafür ein gutes Beispiel", hob die Dekanin der Humanwissenschaftlichen Fakultät abschließend hervor.
(Doc. PhDr. Daniela Fobelova, CSc., Mgr. Monika Beköova)
[1] Fobel, P. (1999): Súcasné filozofovanie a "etický pragmatizmus"; ocakávania, trendy (Gegenwärtiges Philosophieren und "ethischer Pragmatismus": Erwartungen, Tendenzen). In: Acta Universitatis Matthiae Belli Banská Bystrica, Fakulta humanitných vied, 1999, S. 136-144.