Bürgerenergie im Fokus

Tagungsberichte

Bürgerenergie im Fokus

3. Energy & Society Conference: Transforming Energy for Society

Leipzig, 12.–14. September 2016

von Pia Laborgne, European Institute for Energy Research (EIFER), Karlsruhe

1     Das Netzwerk „Energy & Society“

Im Kontext internationaler Debatten zu Transformationen im Bereich der Energiesysteme ist in den letzten Jahren auch eine wachsende Zahl an SozialwissenschaftlerInnen in damit verbundenen Forschungsfeldern aktiv. So entstand am Rande der Europäischen Soziologie-Konferenz (ESA) 2009 in Lissabon von Mitgliedern des Forschungsnetzwerks RN 12 (Umweltsoziologie) die Idee eines neuen Netzwerks für diesen damals noch wenig institutionalisierten und vernetzten Forschungsbereich. Konkreter wurde es dann bei der Internationalen Soziologiekonferenz (ISA) in Göteborg 2010, nachdem ein Aufruf ein großes Interesse an einem solchen Netzwerk zu Tage brachte.

Das „Energy & Society“-Netzwerk wurde zunächst als SoziologInnen-Netzwerk definiert, jedoch bald einem weiteren Kreis sozialwissenschaftlich tätiger bzw. interessierter ForscherInnen und teilweise auch PraktikerInnen im Bereich Energie geöffnet. Der Ansatz ist, ein breites Feld abzudecken und unterschiedliche Schwerpunktsetzungen und Hintergründe zusammen zu bringen, um damit Austausch über enge Communities hinweg anzuregen.

Eine erste große Energy & Society-Konferenz fand 2012 am Instituto de Ciências Sociais (ICS) an der Universität Lissabon mit deutlich über 100 TeilnehmerInnen aus Europa, Kanada, den USA, Afrika und Australien und 99 offiziellen Beiträgen in Form von Keynotes, Präsentationen und Postern statt. Eine zweite Konferenz mit 147 TeilnehmerInnen wurde vom Institut für Soziologie der Jagiellonian University in Krakau 2014 ausgerichtet. Die dritte Konferenz des Netzwerks hat nun mit 190 TeilnehmerInnen vom 6.–9. September 2016 in Leipzig am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) stattgefunden. Der Bericht gibt einen Einblick, aufgrund der parallel stattfindenden Sessions kann die Fülle der Themen, Diskussionen und Vorträge jedoch nur in Ausschnitten wiedergegeben werden.

2     Energy & Society-Konferenz am UFZ in Leipzig 2016

Während bei den beiden ersten Konferenzen deutliche Schwerpunkte in den Beiträgen auf Energiekonsum, Energiearmut und Akzeptanz von Technologien bzw. der Analyse von Kommunikations- und Partizipationsprozessen lagen, trat bei der Konferenz in Leipzig „Community Energy“ als Forschungsfeld deutlich stärker in den Fokus. So waren zwei Workshops und eine Keynote von Patrick Devine-Wright (University of Exeter) und einige Vorträge diesem Thema gewidmet. Patrick Devine-Wright stellte in seiner Keynote fest, dass der Verbreitung von lokalen Energieprojekten noch zu wenig Beachtung geschenkt werde. In seinem Vortrag befasste er sich u. a. mit dem Aspekt lokaler Akzeptanz. Neben Aspekten wie Vertrauen, Beteiligung und Gerechtigkeit sieht er einen wesentlichen Aspekt zum Verständnis von Akzeptanz in Fragen der lokalen Anbindung und Verbundenheit. Hierzu stellte er Ergebnisse einer Studie mit einer quantitativen Befragung in Großbritannien vor.

Auch in den vorangegangenen Energy & Society-Konferenzen war die lokale Ebene ein wichtiger Fokus, nun wurden noch stärker Aspekte des lokalen Handelns unterschiedlicher, insbesondere auch zivilgesellschaftlicher Akteure, BürgerInnenbeteiligung und auch die sozialen Wirkungen sowie konzeptuelle Ansätze zur Analyse von „Community Energy“ beleuchtet. Dabei gab es auch einzelne skeptische Stimmen bezüglich einer Fokussierung auf lokale Energieprojekte, da diese letztlich nur ein kleiner, wenn auch „nett zu betrachtender“ Teil der Energiewende seien.

Weitere Schwerpunkte der Konferenzbeiträge waren Energiekonsum, Energiearmut und Energiegerechtigkeit, smarte Technologien, Energiepolitik auf unterschiedlichen Governance-Ebenen, ökonomische Aspekte und Degrowth sowie methodische Aspekte der sozialwissenschaftlichen Energieforschung.

Eine Reihe von Sessions war theoretischen Zugängen in der sozialwissenschaftlichen Energieforschung gewidmet. Allerdings standen auch hier in vielen Vorträgen eher die Empirie, insbesondere Fallstudien und Policy-Analysen, im Vordergrund. Stark theoretisch ausgerichtete Beiträge waren beispielsweise der Vortrag von Alfredo Agustoni (Universität Chieti-Pescara), der die Beziehungen zwischen Energie, Macht und Gesellschaft reflektierte, sowie von Ludger Gailing (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung IRS), der die Ergebnisse eines Forschungsprojekts zur theoretischen Fundierung der Forschung zu Transitionen im Energiesystem präsentierte. Beide Vorträge zeigten aber auch, wie schwer eine Reduktion auf 15 Minuten gerade bei theoretisch anspruchsvollen Themen sein kann. Es wäre interessant, mehr Raum für theoretische Diskussion im Rahmen der folgenden Energy & Society-Konferenz(en) zu schaffen. Auch kritische Reflexionen und die Einbettung in gesellschaftliche Hintergründe und Zusammenhänge, wie sozialem Wandel, kommen oft zu kurz und könnten weiter gestärkt werden. Verstärkt werden könnten dabei auch explizit Aspekte der Technikfolgenabschätzung. Ansatzpunkte hierfür, die bereits in einer Reihe von Vorträgen angesprochen wurden, sind beispielsweise der Themenbereich smarte Technologien wie Smart Grids und Smart Metering, die Abhängigkeit von seltenen Erden und deren nicht nachhaltige Gewinnung sowie Fragen der Veränderung von Landschaft als Lebensumfeld von Menschen.

Ein für die Energy & Society-Konferenzen noch neues Format waren „Round Tables“, in deren Rahmen in jeweils zwei Kurzvorträgen Forschungsfragen und aktuelle Projekte vorgestellt und im Anschluss jeweils in der Runde ausführlicher diskutiert werden konnten. Dies hat sich als guter Ansatz herausgestellt, der dem Austausch untereinander förderlich war. So wurden beispielsweise durch Michael Ornetzeder (Institut für Technikfolgenabschätzung, Wien) Ideen für einen Forschungsansatz zur systematischen Analyse sozio-technischer Implikationen von Energietransformationen vorgestellt. Meike Löhr (Universität Siegen) präsentierte ihren Untersuchungsansatz für den Vergleich der Transformation des Energiesystems in Dänemark, Deutschland und Frankreich.

In einem der Workshops wurden die (möglichen) Beiträge von SozialwissenschaftlerInnen zur Transformation des Energiesystems diskutiert und warum sich diese gerne auf Begleitforschung und Fallstudien fokussieren. Hier kam zum einen die Frage auf, wie wir angesichts von Finanzierungszwängen selbstbestimmt und kritisch forschen können. Zum anderen wurde der Publikationsdruck als einschränkend gesehen, gerade was transformative Forschungsprojekte wie Reallabore betrifft (zum Thema Reallabore siehe auch das Schwerpunktthema in diesem Heft). Überlegt wurde auch, wie sozialwissenschaftliche Forschung in diesem Bereich gleichzeitig wissenschaftlich bedeutsam sein und wissenschaftlichen Kriterien genügen und Forderungen nach öffentlicher Relevanz und öffentlicher Wirksamkeit sowie der oftmals gegebenen Realität eines begleitenden Forschungscharakters in gleichem Maße gerecht werden soll. Hier wurde ein potenzielles Spannungsfeld gesehen. Es ist geplant, diese Diskussion zu dokumentieren und als Ausgangspunkt für eine Untergruppe des Netzwerks zu nehmen.

Einen Einblick in politische Diskussionen in Deutschland und speziell Sachsen sowie in lokale Projekte konnten die TeilnehmerInnen bei einer Podiumsdiskussion sowie abschließenden Exkursionen erhalten. So diskutierten am ersten Abend der Konferenz vier VertreterInnen von Verbänden, Verwaltung und Politik kontrovers aktuelle Fragen der Energiewende. Mit konträren Perspektiven, Prioritäten und Ansichten wurde hier insbesondere die Frage nach der weiteren Rolle der Kohle im deutschen Energiesystem diskutiert. Während ein Vertreter der Landesregierung die offizielle Position vertrat, Sachsen habe saubere und moderne Kohlekraftanlagen und diese würden noch zwei bis drei Jahrzehnte gebraucht, sahen insbesondere der Vertreter des Umweltbundesamtes und der Vertreter einer Umweltorganisation den Bedarf nicht und die Kohle im Gegenteil sogar als Hindernis für den Klimaschutz und eine nachhaltige Transformation des Energiesystems.

3     Ausblick

Angesichts des großen Interesses und einer positiven Bilanz der Konferenz ist bereits eine vierte Energy & Society-Konferenz für 2018 in Planung. Bei Interesse an einer Aufnahme in das Netzwerk können Sie sich gerne an energysociety∂email.de wenden.

Die Abstracts zur Konferenz sind abrufbar unter http://www.ufz.de/export/data/447/122116_Schedule_Ueberblick_Book_10.9.16.pdf

Für weitere Informationen zur Energy & Society-Konferenz 2016 in Leipzig sowie zum Energy&Society-Netzwerk: http://www.ufz.de/energyandsociety/