Aufteilung von Emissionsgutschriften bei Treibhausgasvermeidung im Ausland

Schwerpunktthema

Aufteilung von Emissionsgutschriften bei Treibhausgasvermeidung im Ausland

von Axel Michaelowa, Michael Dutschke, HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung

1. Einleitung

Seit Beginn der internationalen Klimaverhandlungen spielt die Frage eine erhebliche Rolle, ob Länder ihre Emissionsziele ausschließlich im Inland oder auch durch Investitionen im Ausland erreichen können. Aus ökonomischer Sicht ist letzteres sinnvoll, da es die Nutzung kostengünstigerer Emissionsverringerungspotentiale erlaubt. Das Kyoto-Protokoll von 1997 läßt dementsprechend verschiedene Möglichkeiten zu, die für die Periode 2008-2012 vereinbarten verbindlichen Emissionsziele zu erreichen. Eine Gruppe mehrerer Länder kann ein gemeinschaftliches Ziel festlegen. Außerdem können Länder in Projekte in anderen Ländern investieren und für die erreichte Emissionsverringerung Gutschriften erhalten. Hierbei sind zwei Varianten zu unterscheiden:

Im folgenden wird diskutiert, wie die Emissionsgutschriften zwischen Investor- und Gastgeberland aufgeteilt werden können und wie sie differenziert werden können, um indirekte Effekte zu berücksichtigen. Allerdings sind wesentliche Elemente der Regeln für JI und CDM noch nicht definiert worden. Dies ist erst nächstes Jahr bei der 6. Vertragsstaatenkonferenz zu erwarten.

2. Entstehung von Emissionsgutschriften durch JI und CDM

JI und CDM unterscheiden sich in wesentlichen Punkten. JI ist eine bilaterale Angelegenheit, die nur voraussetzt, daß das Investorland ein jährliches Emissionsinventar aufstellt. Gutschriften entstehen erst ab 2008. Im Fall des CDM muß sichergestellt sein, daß die Projekte zu einer "nachhaltigen Entwicklung" beitragen. Die Gastgeberländer sollen von den Projekten profitieren. Gutschriften entstehen bereits ab 2000, dürfen aber nur einen "Teil" des Emissionsziels abdecken. Voraussetzung für die Entstehung einer Gutschrift ist die Zertifizierung der Emissionsverringerung durch Institutionen, die von der Vertragsstaatenkonferenz dazu ermächtigt worden sind. Ein Teil der Projekterträge soll zur Finanzierung der Verwaltungskosten und von Anpassungsmaßnahmen einbehalten werden. Was bedeutet dies für die konkrete Ausgestaltung der Gutschriften?

Abb. 1: Aufteilung von Gutschriften

 

Abwertung

Finanzierung von Verwaltung und Anpassung


gesamte
Gutschrift

Gastgeber-land

Investorland

3. Aufteilung von Gutschriften

Meist wird davon ausgegangen, daß ein Investorland alle Gutschriften aus einem Projekt erhält und daß die positiven Externalitäten des Projekts ein ausreichender Anreiz für das Gastgeberland sind. Das Gastgeberland wird jedoch an Gutschriften interessiert sein, wenn es wie im Fall von JI selbst ein Emissionsziel hat, Gutschriften für eine zukünftige Zielfestlegung ansparen will oder Gutschriften handelbar sind. Es könnte alle Gutschriften erhalten, wenn es das Projekt selbst finanziert und durchführt - Costa Rica strebt dies an. Eine Handelbarkeit von CDM-Gutschriften wird häufig abgelehnt, da man fürchtet, daß sie zu einer Aufweichung der Kyoto-Ziele führt. Eine derartige Aufweichung läßt sich durch die Festlegung stringenter Regeln zur Festlegung von Referenzszenarien für CDM-Projekte - und damit der Höhe ihrer Klimaerträge - begrenzen. Jede Art der Aufteilung von Gutschriften führt zu einer Erhöhung der Kosten des Investors:

Abb. 2: Aufteilung von Gutschriften und Investitionsentscheidung

Abb. 2: Aufteilung von Gutschriften und Investitionsentscheidung

Die Projektkosten liegen in Gastgeberland 1 bei 10 DM/t C, in Gastgeberland 2 bei 30 DM/t und 50 DM im Investorland. Wenn der Anteil des Gastgeberlandes über A steigt, wird der Investor in Land 2 ausweichen und oberhalb von B würden sich sogar heimische Maßnahmen lohnen.

Jeder Anteil des Gastgeberlandes an den Gutschriften wirkt also wie eine Steuer auf JI- und CDM-Projekte. Er ist also eine wichtige Politikvariable, die einem Wettbewerb unterliegt. Selbst wenn eine fixe Aufteilung seitens der Vertragsstaatenkonferenz vorgeschrieben würde, könnte sie durch verdeckte Zuzahlungen umgangen werden. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, daß Verträge über Projekte der laufenden JI-Erprobungsphase im Regelfall einen Anteil des Gastgeberlandes von 50% vorsehen.

4. Berücksichtigung von Externalitäten

Eine Investition in die Verringerung des Treibhausgasausstoßes bedeutet nicht immer zugleich auch direkten Nutzen für das Gastgeberland. Gutschriften sollten externe Effekte wie z.B. die Schaffung von Arbeitsplätzen, Innovation, Verringerung von Lokalschadstoffen und Schutz biologischer Vielfalt berücksichtigen, wie dies für Projekte des CDM auch explizit vorgeschrieben ist. Um diese Aspekte zu berücksichtigen, werden verschiedene Ansätze vorgeschlagen.

4.1 Allgemeine Abwertung von Gutschriften

Oft wird eine allgemeine Abwertung der Gutschriften um einen bestimmten Prozentsatz gefordert, um Projektrisiken und Unsicherheit der Referenzszenarien auszugleichen. Eine derartige Abwertung hat dieselbe Wirkung wie eine Aufteilung, führt aber nicht zu Einnahmen des Gastgeberlands. Darüber hinaus berücksichtigt eine allgemeine Abwertung nicht die unterschiedlichen Größenordnungen von Unsicherheiten und Risiken. Eine Pflichtversicherung wäre dazu ein geeigneteres Instrument.

4.2 Obergrenzen für Emissionsverringerung im Ausland

Viele Nichtregierungsorganisationen und auch die EU fordern Obergrenzen für die Anrechnung im Ausland erbrachter Emissionsverringerung. Diese sollen den Innovationsdruck aufrechterhalten. Derartige Obergrenzen würden allerdings zu massiven Umsetzungsproblemen führen. Wie soll beispielsweise die Quote vergeben werden - mittels Windhundverfahren, diskretionär oder proportional? Wäre das Ansparen von Gutschriften für die nächste Zielperiode möglich, wenn sie in der laufenden Periode nicht mehr eingesetzt werden können? Generell ist es höchst zweifelhaft, ob Obergrenzen wirklich innovationsfördernd wirken - verringern sie doch den Preis für die Emissionsverringerung im Ausland und schränken so das Marktvolumen ein. Auch können, wie die Pilotphase zeigt, Klimaschutzinvestitionen im Ausland durchaus innovativ sein, indem sie angepaßte Lösungen für spezifische Probleme im Gastgeberland entwickeln. Eine Alternative könnte folgendermaßen aussehen:

4.3 Kontinuierliche Abwertung der Gutschriften

Eine "strategische" Klimapolitik sollte sowohl das bestehende Potential von Emissionsverringerung zu niedrigen Kosten ausschöpfen, als auch Anreize für langfristige Effizienzsteigerungen setzen. Dies erfordert den dynamischen Einsatz zweier Instrumente: Zunächst wird eine vollständige Gutschrift ausländischer Emissionsverringerungen vorgenommen. Mit der Zeit sinkt der Prozentsatz, zu dem Emissionsverringerungen gutgeschrieben werden. Gleichzeitig werden heimische Instrumente der Klimapolitik kontinuierlich verschärft. Diese Politik hat folgende Vorteile:

Abb. 3: Abwertung der Gutschriften

Abb. 3: Abwertung der Gutschriften

4.4 Differenzierung nach Projektarten

Es erscheint extrem schwierig, wenn nicht unmöglich, die indirekten Effekte von JI- und CDM-Projekten zu quantifizieren. Jedoch ist es wahrscheinlich, daß bestimmte Projektarten eher positive indirekte Effekte haben als andere. Fossile Kraftwerke werden weniger Arbeitsplätze schaffen als Energiesparprogramme. Erneuerbare Energien werden keine Lokalschadstoffe emittieren. Waldschutzprojekte werden kaum zu Technologietransfer beitragen, dagegen aber die biologische Vielfalt schützen. Große Projekte werden eher zu Bevölkerungsverschiebungen führen als kleine. Vor diesem Hintergrund ließe sich folgende Hierarchie bilden:

4.5 Berücksichtigung des technischen Fortschritts bei der Festlegung von Referenzszenarien

Auf Ebene einzelner Projekte führt die Berücksichtigung des technischen Fortschritts im Referenzszenario dazu, daß das Projekt zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Referenzfall entspricht und daher keine Gutschriften mehr erhält. Dies ist ein klarer Anreiz für Innovation.

5. Positionen verschiedener Interessengruppen bezüglich Gutschriften

Viele Interessengruppen beeinflussen die Diskussion über die Ausgestaltung der Gutschriften aus JI und CDM. Sie verfolgen folgende Ziele:

  1. Emissionsverringerung
  2. Gutschriften
  3. Positive Externalitäten
  4. Finanzieller Gewinn.

Zahlreiche Interessengruppen, z.B. kleine Investoren und Gastgeberländer würden von einer rein multilateralen CDM-Lösung profitieren. Diese könnte über einen Fonds oder eine Clearingstelle erfolgen. Beim Fondsmodell werden Gutschriften proportional zum Anteil am Fonds vergeben, während beim Clearing der Investor weiterhin für die Durchführung des Projekts verantwortlich wäre. Beide Modelle verringern die Transaktionskosten für kleine Teilnehmer und streuen Risiken. Außerdem ist die Erhebung der Verwaltungs- und Anpassungsabgabe einfacher. Der Fonds könnte die Aufteilung der Gutschriften mit Gastgeberländern zentral verhandeln.

Große Investoren - sowohl Länder als auch Unternehmen -, die bei ihren Projekten häufig Synergieeffekte (z.B. Markterschließung) verfolgen, sind eher für eine bilaterale Struktur. Auch nationale JI-Koordinationsstellen würden bei einer multilateralen Lösung an Bedeutung verlieren.

Während Interessengruppen aus Investorländern zumeist gegen jede Art der Aufteilung von Gutschriften sind, sind Institutionen aus Gastgeberländern an einem Anteil interessiert.

6. Empfehlungen für zukünftige Verhandlungen

Aus der vorangegangenen Analyse lassen sich folgende Empfehlungen ableiten:

Anstelle einer Obergenze für Gutschriften sollte eine kontinuierliche Abwertung vorgenommen werden, die nach Projektarten differenziert wird. Unsicherheiten sind durch eine Pflichtversicherung abzudecken.

Feste Regeln für die Aufteilung der Gutschriften sind nicht sinnvoll. Auch CDM-Gastgeberländer sollten mit Gutschriften handeln können, sofern eine stringente Methodik zur Festlegung von Referenzszenarien beschlossen wird.

Sowohl multi- als auch bilaterale Gestaltungsoptionen für den CDM haben unter bestimmten Bedingungen Vorteile. Sie sollten daher nebeneinander bestehen.

Literatur

Michaelowa, Axel (1997): Considering externalities in crediting of Joint Implementation, in: Janssen, Josef (Hrsg.): Joint Implementation - protecting the climate, maximizing joint benefits, IWO Discussion Paper No. 49, St. Gallen, S. 15-19

Michaelowa, Axel; Dutschke, Michael (1997): Joint Implementation as development policy - the case of Costa Rica, HWWA Discussion Paper No. 49, Hamburg

Michaelowa, Axel; Schmidt, Holger (1997): A dynamic crediting regime for Joint Implementation to foster innovation in the long term, in: Mitigation and Adaptation Strategies for Global Change, 2, 1, S. 45-56

Begg, Katie; Parkinson, Stuart; Jackson, Tim; Morthorst, Poul-Erik; Bailey, Peter (1999): Overall issues for accounting for the emissions reductions of JI projects, Paper presented at the GISPRI baseline workshop, 25-26 February, Tokyo

Kontakt

Dr. Axel Michaelowa, Michael Dutschke
HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung
Neuer Jungfernstieg 21, 2037 Hamburg
Tel.: + 49 40 42834-0
E-mail: michaeloGif1∂easynet fr; dutschkeDgu3∂hwwa de