Das Kyoto-Protokoll vor dem Hintergrund aktueller Abschätzungen zum Stand und der Entwicklung weltweiter Treibhausgasemissionen

Schwerpunktthema

Das Kyoto-Protokoll vor dem Hintergrund aktueller Abschätzungen zum Stand und der Entwicklung weltweiter Treibhausgasemissionen

von Gerhard Sardemann, ITAS

Das Kyoto-Protokoll beinhaltet für alle Industriestaaten differenzierte und quantifizierte Emissionsbegrenzungs- und -Reduktionsverpflichtungen mit dem Ziel deren Treibhausgasemissionen innerhalb des Verpflichtungszeitraums 2008 bis 2012 um mindestens 5 % unter das Niveau von 1990 zu senken. Angesichts der derzeit weltweit und auch in den Industrieländern weiter ansteigenden Treibhausgasemissionen bekommen die im Protokoll ebenfalls geregelten Flexibilisierungsinstrumente, die es den Vertragsstaaten durch Emissionshandel, Lastenteilung, die Hinzunahme weiterer Treibhausgase und Berücksichtigung von Senken einfacher machen sollen, ihre Ziele zu erreichen, ein immer größeres Gewicht. Die konkrete Ausgestaltung der Flexibilisierungsmechanismen und Begrenzung möglicher Schlupflöcher, die einige Länder dazu benutzen könnten, sich ihrer im Kyoto-Protokoll eingegangenen Verpflichtungen zu entledigen, ist derzeit zentrales Thema von Konferenzen und Workshops nach der 3. Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention in Kyoto.
In diesem Beitrag zum Schwerpunktthema geht es vor allem um Zahlen und Hintergrundinformationen, die es ermöglichen sollen, die Positionen einzelner Länder und Ländergruppen während der Verhandlungen zur weiteren Ausgestaltung der Klimarahmenkonvention und des Kyoto-Protokolls zu verstehen. Insbesondere geht es darum, die Auswirkungen der im Kyoto-Protokoll niedergelegten Vereinbarungen auf die zukünftige Entwicklung der Treibhausgasemissionen einzuschätzen.

Einleitung

Die in der folgenden zur Analyse der Emissionsbegrenzungs- und -Reduktionsverpflichtungen des Kyoto-Protokolls verwendeten Zahlen entstammen hauptsächlich den Nationalberichten der Industriestaaten. Gemäß Art. 12 der Klimarahmenkonvention haben alle Vertragsparteien sog. Nationalberichte (national communications) in regelmäßigen Abständen zu erstellen, die u.a. Inventare ihrer Treibhausgasemissionen und Emissionsprojektionen enthalten und ihre zur Umsetzung der Verpflichtungen der Klimarahmenkonvention getroffenen Politiken und Maßnahmen darstellen sollen. Bislang haben die Industriestaaten bis auf wenige Ausnahmen jeweils ihren ersten und zweiten Nationalbericht und zusätzlich separate nationale Emissionsinventare vorgelegt, die vom Sekretariat der Klimarahmenkonvention in Bonn ausgewertet wurden. Sehr nützlich waren hierbei die Tabellen mit den jährlichen Treibhausgasinventaren und Projektionen der weiteren Entwicklung, die in Dokumenten zur Vertragsstaatenkonferenz 1998 in Buenos Aires und Verhandlungen der Nebenorgane zur Klimarahmenkonvention Anfang 1999 in Bonn vorgelegt wurden (UNFCCC, 1998; UNFCCC,1998a und UNFCCC, 1999).

Die quantifizierten Emissionsbegrenzungs- und -Reduktionsverpflichtungen des Kyoto-Protokolls

Grund für die Aushandlung eines erweiternden Protokolls zur Klimarahmenkonvention war unter anderem die Tatsache, daß in der Konvention selbst keine über das Jahr 2000 hinausgehenden quantitativen Vorgaben für eine Begrenzung oder Reduzierung der Treibhausgasemissionen gemacht werden. In Artikel 3 des Kyoto-Protokolls werden nun Verpflichtungen der Industrieländer, d.h. der in Anlage ("Annex") I der Klimarahmenkonvention aufgelisteten Staaten, wie folgt festgelegt und in Anlage B zum Kyoto-Protokoll quantifiziert:

(Art.3.1) Die in Anlage I aufgeführten Vertragsparteien sorgen einzeln oder gemeinsam dafür, daß ihre gesamten anthropogenen Emissionen der in Anlage A aufgeführten Treibhausgase in Kohlendioxidäquivalenten die ihnen zugeteilten Mengen, berechnet auf der Grundlage ihrer in Anlage B niedergelegten quantifizierten Emissionsbegrenzungs- und -reduktionsverpflichtungen und in Übereinstimmung mit diesem Artikel, nicht überschreiten, mit dem Ziel, innerhalb des Verpflichtungszeitraums 2008 bis 2012 ihreGesamtemissionen solcher Gase um mindestens 5% unter das Niveau von 1990 zu senken.

(Art. 3.2) Jede in Anlage I aufgeführte Vertragspartei muß bis zum Jahr 2005 bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus diesem Protokoll nachweisbare Fortschritte erzielt haben.

(Art. 3.7) In dem ersten Verpflichtungszeitraum für eine quantifizierte Emissionsbegrenzung und -reduktion von 2008 bis 2012 entspricht die jeder in Anlage I aufgeführten Vertragspartei zugeteilte Menge dem für sie in Anlage B niedergelegten Prozentanteil ihrer gesamten anthropogenen Emissionen der in Anlage A aufgeführten Treibhausgase in Kohlendioxidäquivalenten im Jahr 1990 oder dem nach Absatz 5 bestimmten Basisjahr oder Basiszeitraum, multipliziert mit fünf ...

Tabelle 1 zeigt die Reduktions- und Begrenzungsverpflichtungen, denen die einzelnen Industrieländer im Kyoto-Protokoll zugestimmt haben. Sie ergeben entsprechend den Vorgaben in Art. 3.1 eine 5,2 prozentige Reduktion der Emissionen aller durch das Kyoto-Protokoll geregelten Treibhausgase gegenüber dem Niveau von 1990. Die in Anlage A des Protokolls genannten Treibhausgase sind:

  • Kohlendioxid (CO2)
  • Methan (CH4)
  • Distickstoffoxid (N2O)
  • Fluorierte Kohlenwasserstoffe (HFC)
  • Perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC)
  • Schwefelhexafluorid (SF6)

In Tabelle 1 wird die EU entsprechend Annex I der Klimarahmenkonvention als Vertragspartei ausgewiesen, es muß hier aber darauf hingewiesen werden, daß auch die EU-Mitgliedsstaaten im einzelnen (also: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien) im Kyoto-Protokoll die Verpflichtung eingegangen sind, ihre Emissionen um 8% gegenüber 1990 zu reduzieren. Die EU-Staaten werden sich allerdings der in Artikel 4 des Protokolls zugelassenen Möglichkeit der "gemeinsamen Erfüllung von Verpflichtungen" bedienen und haben untereinander differenzierte Ziele ausgehandelt, die weiter unten als sog. EU-Bubble diskutiert werden sollen.

Die zusätzlichen Angaben zur aktuellen Emissionsentwicklung in Tabelle 1 zeigen deutlich, daß das Kyoto-Protokoll nicht mehr oder auch nicht weniger ist als ein Einfrieren der Gesamtemissionen der Industrieländer auf dem Level der mittneunziger Jahre: Die Gesamttreibhausgasemissionen haben von 1990 bis 1996 schon um etwa 5% abgenommen, wobei diese Entwicklung vor allem durch den wirtschaftlichen Niedergang in den ehemaligen Ländern der Sowjetunion zustandekam, der mit einer Reduktion der Emissionen zwischen 35% und 45% in Rußland und der Ukraine einherging. Die Emissionen der EU als Ganzes sind von 1990 bis 1996 ebenfalls nicht angestiegen, wobei allerdings kräftigen Reduktionen in Deutschland und England eine Zunahme der Emissionen in der Mehrzahl der anderen EU-Staaten gegenüberstand.

Während der Klimaverhandlungen sind die USA und die anderen nicht in der EU organisierten OECD-Staaten Japan, Schweiz, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Australien und Island als JUSSCANNZ-Gruppe aufgetreten. Trotz der schon in der Klimarahmenkonvention von 1992 enthaltenen Vereinbarung, die CO2-Emissionen bis zum Jahre 2000 auf dem Niveau von 1990 zu stabilisieren, haben die Treibhausgasemissionen der JUSSCANNZ-Staaten von 1990 bis 1996 stetig zugenommen und liegen inzwischen 10% über dem Niveau von 1990. Das heißt, daß zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls die Erfüllung der darin eingegangenen Verpflichtungen z.B. für die USA eine Senkung der Emissionen um mehr als 17% unter den damaligen Wert bedeutete. Darüber hinaus wird von der IEA bis zum Jahr 2010 unter Business-as-usual-Annahmen eine kräftige Steigerung der CO2-Emissionen von bis zu 29% in Nordamerika und noch weit mehr in Australien und Neuseeland erwartet. Gegenüber den projektierten Business-as-usual Emissionsniveaus für 2010 erfordert demnach die Kyoto-Verpflichtung - ohne Ausnutzung der darin zugelassenen Flexibilisierungsmechanismen - Reduktionen von über 30%. Diese Zahlen sind in den Klimaverhandlungen von den USA herangezogen worden, um aufzuzeigen, welche erheblichen Anstrengungen schon das von den USA ursprünglich vorgesehene Ziel einer Stabilisierung auf dem Niveau von 1990 bedeuten würde.

Tab. 1:Die quantifizierten Emissionsbeschränkungen bzw. Reduktionsverpflichtungen der Industrieländer gemäß Kyoto-Protokoll im Vergleich zur bisherigen Emissionsentwicklung (Emissionsdaten: UNFCCC, 1998; UNFCCC, 1999; ergänzt durch Angaben aus EIA, 1999).  

Vertragsparteien bzw. Länder Verpflichtungen nach Kyoto-Protokoll THG-Emissionen in Mt (CO2-Äquivalente; ohne Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft) Prozentuale Entwicklung 1990 bis 1996

1990

1996

EU (s. Anm. im Text)

-8%

4.245

4.216

-0,7%

Liechtenstein, Monaco, Schweiz

54

53

-0,6%

Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakien, Slowenien, Tschechien

ca. 900

ca. 690

ca. -28%

USA

-7%

5.998

6.552

+9,2%

Japan, Kanada

-6%

1.836

ca. 2.095

ca. +14%

Polen, Ungarn

666

ca. 550

ca. -17%

Kroatien

-5%

k.A.

k.A.

k.A.

Neuseeland

0%

72

75

+3,0%

Rußland

2.999

ca. 2.000

ca. -35%

Ukraine

906

ca. 450

ca. -45%

Norwegen

+1%

55

59

+7,0%

Australien

+8%

416

446

+7,3%

Island

+10%

2

2

+4,7%

Alle Länder

-5,2%

ca. 18.160

ca. 17.200

ca. -5%

Flexibilisierungsinstrumente 

Vor allem auf Betreiben der JUSCANNZ-Staaten enthält das Protokoll eine Anzahl von sog. Flexibilisierungsinstrumenten (im aktuellen Verhandlungsjargon "flexibility mechanisms of the Kyoto-Protocol", oder kurz "Kyoto-mechanisms" genannt), die es den Staaten leichter machen sollen, die getroffenen Vereinbarungen zum Klimaschutz einzuhalten. Beim "emissions trading", das den Handel von Emissionen oder Emissionsrechten innerhalb der Industriestaaten erlaubt, handelt es sich wie auch bei der oben im Zusammenhang mit der EU erwähnten "bubble"-Lösung, bei der sich mehrere Staaten zu einer Gemeinschaft mit differenzierten Reduktions- oder Stabilisierungsverpflichungen zusammenschließen, um eines der zahlreichen Flexibilisierungsinstrumente des Protokolls. Dies gilt natürlich auch für das innerhalb des "clean development mechanism" (CDM) geregelte Joint Implementation zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Auch die Berücksichtigung einer möglichst großen Zahl von Treibhausgasen, auf die sich die Reduktions- bzw. Beschränkungsverpflichtungen des Kyoto-Protokolls beziehen und die Anrechenbarkeit von anthropogenen Treibhausgassenken, wodurch den einzelnen Ländern die Möglichkeit gegeben wird, entweder Emissionen von Treibhausgasen zu drosseln oder aber die Entwicklung von Senken zu fördern, sind im Sinne einer Flexibilisierung des Abkommens zu verstehen.

Vor allem in den USA wird die Einführung von Flexibilisierungsinstrumenten in das Protokoll als Verhandlungserfolg herausgestellt, insbesondere um die Zustimmung der amerikanischen Verhandlungsführer zum letztendlich für die USA vereinbarten Reduktionsziel im Vergleich zum ursprünglich avisierten Stabilisierungsziel zu begründen. Vor Ausschüssen des amerikanischen Senats bzw. des Kongresses wurde von Vertretern der US-Administration immer wieder betont, daß man sich wegen der größeren Anzahl zu reduzierender Treibhausgase und der Möglichkeit zur Berücksichtigung von Senken nur um 2 bis 3% vom ursprünglichen Verhandlungsziel einer Stabilisierung der Emissionen entfernt habe. Dies mag dazu führen, daß das Protokoll in den USA leichter ratifiziert werden kann; auf der anderen Seite bieten die genannten Flexibilisierungsinstrumente aber auch bequeme Schlupflöcher für die Industriestaaten, sich ihrer im Protokoll eingegangenen Verpflichtungen zumindest teilweise zu entledigen.

Im Beitrag von Hermann Ott in diesem Schwerpunkt werden die Schwierigkeiten genannt, die sich aus der Einführung einer Vielzahl von im Kyoto-Protokoll zumeist nur unzureichend definierten Flexibilisierungstrumenten für die weiteren Verhandlungen ergeben haben. Hier soll dagegen versucht werden, den Einfluß der "Kyoto-mechanisms" auf die mit dem Protokoll zu erreichenden Emissionsreduktionen quantitativ einzuordnen.

Einführung eines Treibhausgaskorbes

Derzeit wird weltweit etwa 60% des anthropogenen zusätzlichen Treibhauspotentials durch CO2-Emissionen verursacht. Es lag daher nahe, auch die Emissionen der Treibhausgase Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O) (die auch im ursprünglich von der EU vorgeschlagenen Treibhausgaskorb enthalten waren) und die voll- und teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffe (HFCs bzw. PFCs) und Schwefelhexafluorid (SF6) in ein Protokoll aufzunehmen. Die Möglichkeit, neben dem hauptsächlich bei der Energieerzeugung freigesetzten CO2 auch die Emissionen anderer Treibhausgase begrenzen zu können, stellt darüberhinaus eine gewisse Flexibilisierung der quantifizierten Emissionsbeschränkungen bzw. Reduktionsverpflichtungen des Protokolls dar.

Die zusätzlich berücksichtigten Gase haben ein zum Teil wesentlich größeres Treibhauspotential als CO2, wie die Angaben zu ihren CO2-Äquivalenten in Tabelle 2 zeigen. Demnach ist eine bestimmte in die Atmosphäre gebrachte Menge Methan über einen Zeithorizont von 100 Jahren 21 mal wirksamer als die gleiche Menge CO2. Noch größer sind die Unterschiede bei den anderen Gasen.

Andererseits stehen nur die Abschätzungen der derzeitig emittierten CO2-Mengen auf vergleichsweise solidem Fundament. Die genaue Erfassung der Freisetzung von Treibhausgasen, die zusätzlich zu CO2 im Kyoto-Protokoll berücksichtigt werden, ist dagegen mit teilweise erheblichen Unsicherheiten behaftet. Das Fehlen zuverlässiger Inventare für 1990 führte unter anderem dazu, daß die Länder gemäß Protokoll für Fluorkohlenwasserstoffe (PFCs und HFCs) und Schwefelhexafluorid anstatt des Bezugsjahres 1990 auch das Jahr 1995 wählen dürfen. Wegen der großen Bandbreite der CO2-Äquivalente bei den Fluorkohlenwasserstoffen entsteht ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor bei der Bewertung ihrer Klimawirksamkeit, wenn die Emissionsinventare der einzelnen Länder nicht ausreichend aufgeschlüsselt wurden. Derzeit gibt es teilweise noch große Unterschiede bei den Angaben in den einzelnen Nationalberichten und den vom UN-Klimasekretariat verbreiteten Werten.

Auch wenn die Mengen der emittierten Kohlenwasserstoffe ein erhebliches Entwicklungspotential aufweisen dürften, ist zumindest derzeit ihr Beitrag zum gesamten Treibhauspotential der Emissionen der Industrieländern äußerst gering. Wie Tabelle 2 zeigt, ist der Treibhausgaskorb des Kyoto-Protokolls eindeutig CO2-dominiert. Dies gilt in der Regel auch für den Anteil, den die einzelnen Treibhausgase an der zeitlichen Entwicklung der Emissionen, gemessen in CO2-Äquivalenten, haben. In Abbildung 1 wurde versucht, diesen Anteil an der Entwicklung zwischen 1990 und 1996 für alle Länder, deren Inventare nach Angaben des UN-Klimasekretariats auch PFCs, HFCs und SF6 für beide Jahre enthalten, aufzuschlüsseln. Es wird deutlich, daß letztere für die Emissionsentwicklung im betrachteten Zeitraum häufig die gleiche Bedeutung haben wie Methan und Distickstoffoxid. Es ist aber nicht so, daß es für die Fluorkohlenwasserstoff- und SF6-Emissionen einen einheitlichen Trend gäbe: In Japan zum Beispiel tragen diese Emissionen neben den CO2-Emissionen fast ausschließlich zur Zunahme der Gesamtemissionen bei, während in Norwegen eine kräftige Abnahme der PFC- und SF6-Emissionen zu konstatieren ist. Um in Abbildung 1 die Zu- oder Abnahme der Gesamttreibhausgasemissionen (wie sie auch in Tabelle 1 angegeben wurden) zu erhalten, müssen übrigens die negativ eingezeichneten Werte von den positiven abgezogen werden und umgekehrt.

Tab. 2: CO2-Äquivalente der im Kyoto-Protokoll berücksichtigten Treibhausgase und Treibhausgasgruppen über einen Zeithorizont von 100 Jahren (nach Houghton et al. 1995) und Anteil der jeweiligen Emissionen am Gesamttreibhauspotential des Treibhausgaskorbes der Annex I-Länder im Jahre 1996 (ohne Rußland und Ukraine)  

 

CO2

CH4

N2O

HFCs

PFCs

SF6

CO2-Äquivalent

1

21

310

140-11700

6500-8700

23900

Anteil der Gase am Treibhausgaskorb

81%

10%

6,5%

1%

0,5%

1%

Abb. 1: Anteil der durch das Kyoto-Protokoll geregelten Treibhausgase an der Emissionsentwicklung 1990 bis 1996 in ausgewählten Ländern

Abb. 1: Anteil der durch das Kyoto-Protokoll geregelten Treibhausgase an der Emissionsentwicklung 1990 bis 1996 in ausgewählten Ländern

Das EU-Bubble

Der von der EU im Frühjahr 1997 präsentierte Vorschlag für eine Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen um 15% bis 2010 sah vor, daß die EU-Mitgliedsstaaten diese Reduktion gemeinsam erbringen, in dem Sinne, daß einzelne Mitgliedsstaaten unterschiedliche Lasten, sprich unterschiedliche Reduktionen bzw. Begrenzungen ihrer Emissionen, zur Erfüllung des EU-Ziels von 15% auf sich nehmen. So wurde Ländern wie Portugal und Spanien erhebliche Ausweitungen ihrer Emissionen zugestanden, die durch die Übernahme von deutlich höheren Reduktionsverpflichtungen als 15% durch andere EU-Staaten kompensiert werden sollten. Das sog. EU-Bubble wurde in den Verhandlungen teilweise scharf von den anderen Industrieländern angegriffen, insbesondere auch deswegen, weil das EU-Bubble eine Differenzierung innerhalb der EU darstellte, während sich die EU in den Verhandlungen immer gegen eine Differenzierung von Zielen gewandt hatte. Die Vorschläge der EU zu den Regelungen des Bubbles wurden letztlich in Art. 4 des Protokolls mit einigen Änderungen aufgenommen:

(Art. 4.1) Ist zwischen in Anlage I aufgeführten Vertragsparteien eine Vereinbarung getroffen worden, ihre Verpflichtungen nach Artikel 3 gemeinsam zu erfüllen, so wird angenommen, daß sie diese Verpflichtungen erfüllt haben, sofern die Gesamtmenge ihrer zusammengefaßten anthropogenen Emissionen der in Anlage A aufgeführten Treibhausgase in Kohlendioxidäquivalenten die ihnen zugeteilten Mengen, berechnet auf der Grundlage ihrer in Anlage B niedergelegten quantifizierten Emissionsbegrenzungs- und -reduktionsverpflichtungen und in Übereinstimmung mit Artikel 3, nicht überschreitet. Das jeder der Parteien der Vereinbarung zugeteilte Emissionsniveau wird in der Vereinbarung festgelegt.

(Art. 4.5) Gelingt es den Parteien einer solchen Vereinbarung nicht, ihr zusammengefaßtes Gesamtniveau der Emissionsreduktionen zu erreichen, so ist jede von ihnen für ihr in der Vereinbarung vorgesehenes eigenes Emissionsniveau verantwortlich.

Die vor der dritten Vertragsstaatenkonferenz innerhalb der EU abgestimmten Werte waren allerdings noch nicht zur Erfüllung einer Reduktionsverpflichtung von 15% geeignet, der jetzt im Kyoto-Protokoll festgelegte Reduktionswert entspricht den Vorgaben der derzeit abgestimmten Lastenverteilung weit mehr. Allerdings war nach Ansicht der deutschen Regierung und anderer EU-Länder nach Hinzunahme weiterer Treibhausgase in den bislang von der EU behandelten Korb mit CO2, Methan und Distickstoffoxid eine Neuverhandlung der Anteile der einzelnen Länder nötig. In Tabelle 3 sind die vor der Konferenz in Kyoto festgelegen Werte den jeweiligen Anteilen gegenübergestellt, auf die sich die Umweltminister der EU während ihres Treffens am 16./17. Juni 1998 in Luxemburg geeinigt haben. Diejenigen Länder, die sich schon vor der Konferenz in Kyoto zu einer Emissionsreduktion verpflichtet hatten, wollen nun mit Ausnahme Großbritanniens ihre Emissionen weniger stark reduzieren. Großbritannien hat seine Reduktionszusage von 10% auf 12,5% vergrößert. Hervorzuheben ist, daß es nun in den Mittelmeerländern Spanien, Portugal und Griechenland, aber auch in Irland, einen weniger starken Anstieg der Treibhausgasemissionen geben soll, so daß sich die Bandbreite der innerhalb des EU-Bubbles vertretenen Emissionsvorgaben vermindert hat. Tabelle 3 zeigt außer den vereinbarten Zielen innerhalb des EU-Bubbles auch die Aufteilung der Treibhausgasemissionen innerhalb der EU und den Anteil der von den einzelnen EU-Ländern zu erbringenden Reduktionen an der Gesamtreduktion. Daraus wird deutlich, daß etwa 88% der in der EU zu leistenden Emissionsminderungen durch Maßnahmen in Deutschland, Großbritannien und Italien erbracht werden.

Nachdem die EU und insbesondere Deutschland lange Zeit als die Musterknaben auf den Klimaverhandlungen aufgetreten sind, ist es durchaus erhellend, sich einmal die aktuelle Entwicklung der Treibhausgasemissionen in ausgewählten Ländern und der EU insgesamt anzuschauen. Eine Beurteilung der Emissionssituation in Deutschland angesichts der im Kyoto-Protokoll eingegangenen Verpflichtungen findet sich in einer im Februar dieses Jahres erschienenen Veröffentlichung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW, 1999). Im Raume steht demnach immer noch die Zusage Deutschlands, seine CO2-Emissionen bis zum Jahre 2005 um 25% gegenüber 1990 zu senken. Diesem Ziel ist man durch den Rückgang der CO2-Emissionen in Deutschland um 14,5% bis 1998 durchaus schon näher gekommen, profitierte allerdings stark von den Sondereinflüssen, die sich durch die Wiedervereinigung ergaben. Inzwischen hat sich die Emissionsabnahme deutlich verlangsamt, so daß beträchtliche zusätzliche Anstrengungen nötig sein dürften, um das Reduktionsziel zu erreichen. Allerdings hatte schon 1994 die RWI/ifo Studie zur "Gesamtwirtschaftlichen Beurteilung von CO2-Minderungsstrategien" gefordert, das ehrgeizige, aber wohl kaum haltbare Ziel der 25%igen Reduzierung bis 2005 zugunsten einer langfristigeren und damit auch über das Jahr 2005 hinaus wirksamen Strategie fallenzulassen.

Tab. 3: Zielvereinbarungen des EU-Bubbles als prozentuale Änderung relativ zum Bezugsjahr 1990 zusammen mit der Aufteilung der Treibhausgasemissionen in der EU und dem jeweiligen Anteil an den vereinbarten Treibhausgasreduktionen.  

  Treibhausgasemissionen 1990 in Gg Anteil an den Gesamtemissionen der EU Vereinbarte Zu- oder Abnahme der Emissionen in % relativ zum Bezugsjahr 1999 innerhalb des EU-Bubble Anteil an den Treibhausgasreduktionen in der EU (neu ausgehandelte Vereinbarungen)
vor Kyoto nach Kyoto
Deutschland

1 209 107

28,5%

-25%

-21%

58,3%

Großbritannien

757 851

17,9%

-10%

-12,5%

21,7%

Frankreich

557 452

13,1%

0%

0%

0,0%

Italien

532 048

12,5%

-7%

-6,5%

7,9%

Spanien

301 431

7,1%

17%

15%

 
Niederlande

217 107

5,1%

-10%

-6%

3,0%

Belgien

139 276

3,3%

-10%

-7,5%

2,4%

Griechenland

105 235

2,5%

30%

25%

 
Österreich

77 271

1,8%

-25%

-13%

2,3%

Finnland

72 786

1,7%

0%

0%

0,0%

Dänemark

71 658

1,7%

-25%

-21%

3,5%

Portugal

68 442

1,6%

40%

27%

 
Schweden

65 101

1,5%

5%

4%

 
Irland

56 861

1,3%

15%

13%

 
Luxemburg

13 488

0,3%

-30%

-28%

0,9%

Summen

4 245 114

 

8,7%

7,9%

 

In Abbildung 2 wird auf der Grundlage von Zahlen des UN-Klimasekretariats (UNFCCC, 1999) dargestellt, wieweit man in den Staaten der EU noch von den Vorgaben des EU-Bubbles bzw. des Kyoto-Protokolls entfernt ist und ob die Entwicklung in die richtige Richtung geht oder etwa von den vereinbarten Emissionsmengen weg. Es wird deutlich, daß die Entwicklung in Deutschland und Großbritannien bis auf den Ausrutscher (wenn er nicht doch auf eine Trendwende hinweist) des Jahres 1996 durchaus in Richtung Planerfüllung zeigt. Bei den anderen Ländern dagegen hat es ein nach einem Minimum der Emissionen etwa 1994 eine Trendwende gegeben, die zusammen mit den stetig auf deren Begrenzungsverpflichtung zustrebenden und damit ansteigenden Emissionen von Spanien, Griechenland und Portugal eine auf die Gesamtentwicklung der EU durchschlagende Wirkung zeigt: Inzwischen (d.h. 1996) sind die Emissionen aller EU-Länder wieder auf dem Niveau von 1991/1992 angelangt. Dies entspricht auch Angaben im Annual Energy Review 98 der Europäischen Kommission (EC, 1998), nach denen das Minimum der CO2-Emissionen in der EU zwischen 1993 und 1994 erreicht wurde und die Emissionen bis 2000 wieder auf das Niveau von 1990 steigen sollen.

Es sind also außer in Deutschland auch in anderen Ländern der EU zusätzliche Anstrengungen nötig, damit das Ziel einer 8%-igen Reduktion der Treibhausgasemissionen gemäß Kyoto-Protokoll erreicht werden kann. Allerdings fällt auf, daß in der EU mit zunehmenden Emissionen auch das Interesse an den anderen Flexibilisierungsmechanismen des Protokolls wächst.

Abb. 2: Abweichung der jährlichen Treibhausgasemissionen der EU-Länder von der Vorgabe innerhalb des EU-Bubbles (für Finnland und Luxemburg lagen keine auswertbaren Zahlen vor)

Abb. 2: Abweichung der jährlichen Treibhausgasemissionen der EU-Länder von der Vorgabe innerhalb des EU-Bubbles (für Finnland und Luxemburg lagen keine auswertbaren Zahlen vor)

Der Handel mit Emissionen

Die größten Auswirkungen im Sinne einer Flexibilisierung der quantifizierten Emissionsbegrenzungs- und -Reduktionsverpflichtungen des Kyoto-Protokolls hat sicherlich die Möglichkeit des Handels mit Emissionen ("emissions-trading"). Diesem Thema widmet sich in diesem Schwerpunkt der TA-Datenbank-Nachrichten insbesondere der Aufsatz von Axel Michaelowa und Michael Dutschke. Hier soll das Problem der sog. "heißen Luft", das schon während der Verhandlungen in Kyoto in seinen unterschiedlichen Ausprägungen im Mittelpunkt heißer Diskussionen stand, kurz umrissen werden und dargestellt werden, wie der Emissionshandel nach einem Vorschlag der EU begrenzt werden könnte.

Wie im Zusammenhang mit Tabelle 1 oben schon angedeutet, haben die Treibhausgasemissionen in den Industrieländern zwischen 1990 und 1996 vor allem wegen der Abnahme der Emissionen in den ehemaligen Ländern des Ostblocks und der Sowjetunion, aber auch aufgrund von Emissionsreduktionen in Ländern wie Deutschland und Großbritannien um etwa 5% abgenommen. In Rußland und der Ukraine, die sich im Kyoto-Protokoll nur dazu verpflichtet haben, ihre Emissionen auf dem Niveau von 1990 zu stabilisieren, haben die Emissionen zwischen 1990 und 1996 um bis zu 40% abgenommen. Falls andere Staaten, deren Emissionen seit 1990 zugenommen haben, die Möglichkeit hätten, sich diese großen nichtemittierten Treibhausgasmengen auf ihre Verpflichtungen anrechnen zu lassen, wären zumindest derzeit die quantitativen Vorgaben des Kyoto-Protokolls voll erfüllt, ohne daß diese Staaten selbst irgendwelche Maßnahmen zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen in die Wege geleitet hätten. In Abbildung 3 wird diese "heiße Luft" aus Osteuropa und den Staaten der früheren Sowjetunion den Emissionen der westlichen Industrieländer als Abweichungen der CO2-Emissionen vom Kyoto-Ziel gegenübergestellt. Es wird deutlich, daß die auch im Jahre 2010 sicher noch zur Verfügung stehende große Menge an "heißer Luft" nicht ausreichen wird, die ohne weitere Maßnahmen erwartete Zunahme der Emissionen in den westlichen Industrieländern zu kompensieren. Und dies auch nicht, wenn wie nach neueren Abschätzungen im Energy Outlook 1999 der US-amerikanischen Energy Information Administration (EIA, 1999) die in Artikel 3.5 des Kyoto-Protokolls den Ländern im Übergang zur Marktwirtschaft eingeräumte Möglichkeit berücksichtigt wird, ein anderes Bezugsjahr als 1990 zur Berechnung des Kyoto-Ziels einzusetzen. Das würde die zur Verfügung stehende "heiße Luft" nochmals um einen Betrag von etwa 160 Mt erhöhen.

Abb. 3: Die unterschiedliche Entwicklung der CO<sub>2</sub>-Emissionen in den westlichen Industrieländern und in Osteuropa und den ehemaligen Staaten der Sowjetunion als Abweichung vom Kyoto-Ziel

Abb. 3: Die unterschiedliche Entwicklung der CO2-Emissionen in den westlichen Industrieländern und in Osteuropa und den ehemaligen Staaten der Sowjetunion als Abweichung vom Kyoto-Ziel

Nach Ansicht der EU und anderer Vertragsstaaten, sowie vieler Nichtregierungsorganisationen sollte es eine Obergrenze für den Emissionshandel geben, um den Handel mit "heißer Luft" einzuschränken und die Industrieländer dazu zu verpflichten, einen Großteil der Emissionsreduktionen im eigenen Land durchzuführen. Dazu wurde von der EU im Vorfeld zu den 10. Verhandlungen der UNFCCC Nebenorgane SBSTA (Subsidiary Body for Scientific and Technological Advise) und SBI (Subsidiary Body for Implementation) in Bonn ein Vorschlag unterbreitet, wie diese Obergrenze festgelegt werden könnte (UNFCCC, 1999a). Abgesehen davon, daß der EU-Vorschlag von Befürwortern des "freien Emissionshandels", insbesondere der USA, grundsätzlich kritisiert wurde und der EU Scheinheiligkeit vorgeworfen wurde, da sie für sich selbst innerhalb des EU-Bubbles unbegrenzte Flexibilität einfordere, kam auch von Seiten der Nichtregierungsorganisationen Kritik am Modus der Festlegung der Obergrenzen. Besonders kritisiert wurde das Verfahren, bei vergleichsweise großen Emissionen im Zeitraum 1994 bis 2002 auch ein höheres Kontingent handelbarer Emissionen zuzulassen, was den Anreiz für frühe Reduktionen zunichte mache.

Der EU-Vorschlag begrenzt auf der einen Seite die Menge, die ein Land neben den Emissionsreduzierungen im eigenen Land zur Erfüllung seiner Verpflichtungen im Ausland einkaufen darf, und auf der anderen Seite die für diesen Handel zur Verfügung stehende Menge, also was insbesondere die Länder im Übergang zur Marktwirtschaft mit ihren großen Mengen an "heißer Luft" verkaufen dürfen. Die Begrenzung auf Käuferseite kennt zwei grundsätzliche Regeln, die alternativ eingesetzt werden dürfen. Die erste Regel, die die Obergrenze auf 5% des Mittelwertes der Emissionen im Bezugsjahr 1990 und der nach dem Kyoto-Protokoll vereinbarten Emissionen festlegt, dürfte für die wenigsten Länder in Betracht kommen, da sie ungünstiger ist als die zweite Regel. Letztere begrenzt die zu "akquirierende" (nach den Worten im Kyoto-Protokoll) Emissionsmenge auf 50% der Differenz zwischen den Emissionen eines Jahres im Zeitraum 1994 und 2002 (im Zweifelsfalle wohl die maximalen Emissionen) und dem Kyoto-Ziel. Besteht dieses Ziel in einer Reduktion der Emissionen um 8%, so reicht ein um etwas mehr als 1,5% höherer Emissionswert im Zeitraum 1994 bis 2002 verglichen mit den Emissionen 1990 aus, um Regel 2 günstiger werden zu lassen.

Auf den ersten Blick bevorzugen die EU-Vorgaben für eine Begrenzung der handelbaren Emissionsmengen diejenigen Länder, die trotz zu erwartender hoher Steigerungsraten ein ehrgeiziges Reduktionsziel vereinbart haben. Letztendlich bevorzugt allerdings die Regel solche Länder, deren Emissionen sich im Zeitraum 2008 bis 2012 nicht allzusehr von denen im Bezugsjahr 1990 unterscheiden werden. Es reichen dann schon Abweichungen der Emissionen im Zeitraum zwischen 1994 und 2002 um 5% relativ zu 1990, um den Anteil der handelbaren Emissionen am erwarteten (wenn auch vergleichsweise kleinen) Fehlbetrag zur Erfüllung des Kyoto-Ziels auf über 50% steigen zu lassen. Nach Abschätzungen der IEA gilt dies unter anderem für Japan und in besonderem Maße für Staaten der EU selbst (Baron et al., 1999; GECR, 1999). Für die USA dagegen, deren Emissionen bis 2010 zwischen 28% (Gesamttreibhausgasemissionen nach UNFCCC, 1999) und 35% (CO2-Emissionen nach Baron et al., 1999) vom Kyoto-Ziel abweichen sollen, ergibt sich nach dem EU-Vorschlag eine wesentlich rigidere Obergrenze für die Menge, die durch Handel mit Emissionen im Ausland eingekauft werden könnte. Es sind dies knapp über 30% des durch den erwarteten Anstieg entstehenden Fehlbetrages im Zeitraum 2008 bis 2012.

Was das Angebot an heißer Luft aus Rußland, der Ukraine und anderen Ländern auf dem Weg zu einer Marktwirtschaft angeht, so wird allerdings auch dieses durch den EU-Vorschlag begrenzt. Die aus diesen Ländern "transferierbare" (nach dem Wortlaut in Artikel 6 des Kyoto-Protokolls) Menge an Treibhausgasemissionen wird durch den EU-Vorschlag auf 5% des Mittelwertes der Emissionen im Bezugsjahr 1990 und der nach dem Kyoto-Protokoll vereinbarten Emissionen festlegt, im Falle Rußlands und der Ukraine also auf 5% der Emissionen im Jahre 1990. Tabelle 4 zeigt, daß dadurch zumindest der Handel mit heißer Luft aus diesen Ländern stark eingeschränkt wird. Blieben die Emissionen dort auf dem Niveau von 1996, so stünden nur 17 % der nichterfolgten und damit grundsätzlich handelbaren Emissionen wirklich für den Handel zur Verfügung. Dies entspräche allerdings ziemlich genau dem durch den EU-Vorschlag eingeschränkten Bedarf der Käuferländer.

Trotz der offensichtlich wirksamen Einschränkung der auf dem Emissionsmarkt von den Ländern im Übergang zur Marktwirtschaft den anderen Industrieländern zur Erfüllung ihrer Kyoto-Verpflichtungen anbietbaren "Nichtemissionen", sollte der EU-Vorschlag einer Überarbeitung unterzogen werden, vor allem was die Nichtlinearitäten beim Berechnungsmodus der Obergrenzen akquirierbarer Emissionsmengen angeht. Diese Nichtlinearitäten können dazu führen, daß unter bestimmten Umständen für manche Länder gar keine Beschränkungen mehr bestehen, und das ohne aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten nachvollziehbaren Gründen.

Tab. 4: Auswirkung des EU-Vorschlages zur Begrenzung der zwischen den Ländern handelbaren Emissionsmengen am Beispiel von der IEA prognostizierter CO2-Emissionen (nach: Baron et al., 1999)

Land Differenz zwischen den für 2010 prognostizierten Emissionen und dem Kyoto-Ziel ("gap")
(Mt CO2)
Obergrenze nach EU-Vorschlag ("cap")
(Mt CO2)
Anteil des caps am gap
USA

2070

674

33%

EU

529

243

46%

Kanada

149

51

34%

Japan

140

90

64%

Australien

103

25

25%

Neuseeland

13

5

38%

Zu akquirierende Mengen:

3004

1088

36%

Rußland

-664 (1996)

109

 
Ukraine

-278 (1996)

33

 
Sonst.

-181 (1996)

52

 
Transferierbare Mengen:

-1123 (1996)

~-574 (2010)

193

17% (1996)

30% (2010)

Die Berücksichtigung von Senken

Die Möglichkeit der Anrechenbarkeit von Senken durch das Kyoto-Protokoll wird als sehr problematisch angesehen. Zum einen ist die Anrechenbarkeit von Senken im Protokoll nur unzureichend geregelt und zum größten Teil zukünftigen Vertragsstaatenkonferenzen zur Klärung überlassen. Zudem bestehen große Unsicherheiten bei der Erfassung der Größenordnung von Senken in den Treibhausgasinventaren. Als sehr kritisch wird angesehen, daß anthropogene Landnutzungsänderungen zunächst (d.h. im Anrechnungszeitraum) als Senken funktionieren, auf längere Sicht jedoch eine Treibhausgasquelle darstellen könnten (WBGU, 1998). Das Thema soll in einem im Mai 2000 erscheinenden Special Report des IPCC zusammenfassend untersucht und erst danach von den Organen der Klimarahmenkonvention weiter verhandelt werden.

Die Möglichkeit, Kohlenstoff-Senken bei den quantifizierten Emissionsbegrenzungs- und Reduktionsverpflichtungen des Kyoto-Protokolls zu berücksichtigen, wird in Artikel 3.3 des Protokolls eingeführt:

(Art. 3.3) Die Nettoänderungen der Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und des Abbaus solcher Gase durch Senken als Folge unmittelbar vom Menschen verursachter Landnutzungsänderungen und forstwirtschaftlicher Maßnahmen, die auf Aufforstung, Wiederaufforstung und Entwaldung seit 1990 begrenzt sind, gemessen als nachprüfbare Veränderungen der Kohlenstoffbestände in jedem Verpflichtungszeitraum, werden zur Erfüllung der jeder in Anlage I aufgeführten Vertragspartei obliegenden Verpflichtungen nach diesem Artikel verwendet ...

(Art. 3.7) ... Diejenigen in Anlage I aufgeführten Vertragsparteien, für die Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft 1990 eine Nettoquelle von Treibhausgasemissionen darstellten, beziehen in ihr Emissionsbasisjahr 1990 oder ihren entsprechenden Emissionsbasiszeitraum die gesamten anthropogenen Emissionen aus Quellen in Kohlendioxidäquivalenten abzüglich des Abbaus solcher Emissionen durch Senken im Jahr 1990 durch Landnutzungsänderungen ein, um die ihnen zugeteilte Menge zu berechnen.

Tabelle 5 gibt einen Überblick über die Größenordnung der durch Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft entstehenden Senken (bzw. Quellen) in einigen der in Annex 1 der Klimarahmenkonvention aufgelisteten Industriestaaten. Hierbei ist zu beachten, daß die Methodik zur Ermittlung der Werte eine vorläufige ist und nicht der bei der Bestimmung der anzurechnenden Mengen anzuwendenden Bilanzierung der Kohlenstoffvorräte entspricht. Für letztere fehlt derzeit noch jegliche Grundlage, insbesondere was eine über die Ländergrenzen vergleichbare Methodik angeht.

Nach den vom UN-Klimasekretariat bisher ausgewerteten Nationalberichten und Treibhausgasinventaren sind die Gesamttreibhausgasemissionen in den einzelnen Ländern durch die Berücksichtigung von Nettosenken um 1% bis 80% niedriger als ohne deren Berücksichtigung (UNFCCC, 1999). Die prozentual kräftigsten Senken finden sich in Lettland, Schweden, Norwegen und sicher auch in Finnland, also in Ländern mit relativ geringen Treibhausgasemissionen. In Deutschland dagegen würden sich die Emissionen durch Berücksichtigung von Senken nur um 3% vermindern, in den USA um 19% im Jahr 1990 und um 11% im Jahr 1996, was übrigens eine große Verminderung der Senkenfunktion dort bedeuten würde. In Australien und in wesentlich geringerem Maße in Großbritannien haben Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft keine Senkenfunktion, sondern bilden Treibhausgasquellen. Die in Australien in hohem Maße dafür verantwortlichen Landrodungen werden allerdings schon jetzt zurückgefahren, so daß sich ein eindeutiger Trend hin zu einer Nettosenke im Anrechnungszeitraum 2008 bis 2010 andeutet.

Australien profitiert als einziges Land von der in Artikel 3.7 des Kyoto-Protokolls zugelassenen Möglichkeit, Emissionen aus Landnutzungsänderungen (übrigens ohne Gegenrechnung eventueller Senken in der Forstwirtschaft!) zu den Emissionen des Bezugsjahres 1990 hinzuzurechnen, was ebenso wie die bei den anderen Ländern nicht bei den Emissionen des Bezugsjahres zu berücksichtigenden Senken zu einer Aufweichung der quantifizierten Emissionsbegrenzungs- und Reduktionsverpflichtungen des Kyoto-Protokolls führt.

Das Thema Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (im Verhandlungsjargon: LULUCF) und der Anrechenbarkeit von Senken aus diesem Bereich wird ein heißes Thema im Umfeld der weiteren Klimaverhandlungen bleiben und es bleibt zu hoffen, daß der mit Spannung erwartete Bericht des IPCC Klärung bringt. In Deutschland hat sich zu diesem Thema der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU, 1998) kritisch geäußert. Zudem gibt es inzwischen einen Sachstandsbericht deutscher Experten aus unterschiedlichen Disziplinen, der sich ausgehend von einem Systemverständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs mit den Möglichkeiten beschäftigt, auf natürliche Quellen- und Senkenprozesse einzuwirken, um damit CO2-Emisionen zu vermeiden, bzw. CO2-Senken zu verstärken. Der dieses Jahr vom MPI für Meteorologie in Hamburg herausgegebene Bericht (Heimann et al. 1999) kommt zu der nüchternen Erkenntnis, daß der vorhandene Kenntnisstand kaum ausreicht, die globalen Auswirkungen der diskutieren Optionen, auf terrestrischer Seite etwa großflächige Aufforstungsmaßnahmen und Einführung nachhaltiger Wirtschaftsweisen in der Landnutzung, abschließend zu bewerten.

Tab. 5: Prozentuale Zu- oder Abnahme der Gesamttreibhausgasemissionen durch Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft als CO2 Nettoquelle (positiv) oder -senke (negativ) für die Jahre 1990 und 1996

 

1990

1996

Lettland  

-79,3%

Schweden  

-44,4%

Norwegen

-17,4%

-29,9%

Neuseeland

-29,4%

-22,1%

Österreich

-17,2%

-16,9%

USA

-19,0%

-11,7%

Irland  

-10,9%

Polen  

-9,8%

Schweiz  

-9,6%

Slovakien  

-9,5%

Frankreich

-5,4%

-7,3%

Japan (bis 1995)

-6,8%

-7,06%

Ungarn  

-5,0%

Canada

-7,4%

-4,3%

Rumänien (bis 1995)

-1,1%

-4,01%

Deutschland

-2,5%

-3,3%

Tschechien  

-2,9%

Belgien

-1,5%

-1,3%

Niederlande

-0,7%

-0,7%

Großbritannien

2,7%

1,6%

Australien

14,2%

8,1%

Schlußfolgerungen

Das Kyoto-Protokoll bedeutet letztendlich eine Stabilisierung der Emissionen der wichtigsten nicht schon im Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht regulierten Treibhausgase auf heutigem Niveau. Dies gilt allerdings nur für die Emissionen der Industrieländer, während es weltweit auch in Zukunft einen kräftigen Anstieg der Treibhausgasemissionen geben wird. Trotzdem ist es ein erster, wenn auch kleiner Schritt zur Einschränkung dieses Anstiegs. Leider verkomplizieren viele im Protokoll enthaltene Vereinbarungen zur Flexibilisierung der festen Reduktions- bzw. Stabilisierungsziele die weiteren Verhandlungen, in denen man sich nun vor allem auf feste Regeln für diese Flexibilisierungsmechanismen einigen muß. Es ergeben sich zudem Verzögerungen, da man wie im Falle der Senkenproblematik auf Sachstandsberichte der wissenschaftlichen Beratungsgremien (im Falle der Klimarahmenkonvention des IPCC) angewiesen ist. Auch die quantitative Einschätzung der Auswirkung der Vereinbarungen und dabei insbesondere der Flexibilisierungsmechanismen des Kyoto-Protokolls wird aufgrund dieser vielen noch offenen Fragen erschwert.

Abschließend sollen zwei Punkte erwähnt werden, die im Zusammenhang mit den Flexibilisierungsmechanismen strikt voneinander zu trennen sind: Auf der einen Seite gibt es durch Emissionshandel zwischen den Industriestaaten und der weiteren Differenzierung von Verpflichtungen, wie sie das EU-Bubble darstellt, die Möglichkeit, daß sich einige Staaten ihrer Verpflichtung entledigen, im eigenen Land Maßnahmen zur Begrenzung von Treibhausgasemissionen durchzuführen. Dies ändert aber nichts daran, daß das vorgegebene Ziel der Industrieländer, die Emissionen bis zum Verpflichtungszeitraum 2008 bis 2012 um mindestens 5% zu reduzieren, eingehalten wird. Wesentlich kritischer zu beurteilen ist dagegen die Möglichkeit, auch dieses Ziel aufzuweichen. Das Protokoll führt im Grunde eine Art kreative Buchhaltung ein, wenn es, begründet mit der mangelnden Datenlage, für bestimmte Gase und bestimmte Ländergruppen auch andere Referenzniveaus als das des Basisjahres 1990 zuläßt. Dasselbe gilt für die unterschiedlichen Ansätze zur Berücksichtigung von Senken im Basisjahr und Referenzzeitraum, ganz abgesehen von der grundsätzlichen Problematik bei der Berücksichtigung von Senken in Bezug auf die Rigidität des Kyoto-Ziels. Ganz neue Möglichkeiten bietet die Einbeziehung von Enwicklungsländern und Schwellenländern in das Kyoto-Protokoll. Bei entsprechend großzügigen Begrenzungszielen, könnten diese durchaus daran interessiert sein, ihre nicht ausgenutzten Kontingente an die Industrieländer zu verkaufen, was das Kyoto-Ziel völlig ad absurdum führen würde.

Literatur

Baron, R., Bosi, M., Lanza, A., Pershing, J., 1999: A Preliminary Analysis of the EU Proposals on the Kyoto Mechanisms, International Energy Agency (IEA), Juni 1999
Internet: http://www.iea.org/new/releases/1999/eurpro/eurlong.htm

DIW, 1999: CO2-Emissionen in Deutschland: Weiterhin vom Zielpfad entfernt. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Wochenbericht 6/99

EIA, 1999: International Energy Outlook 1999. Energy Information Administration (EIA), Office of Integrated Analysis and Forecasting, U.S. Department of Energy, Washington, DC, März 1999
Internet: http://www.eia.doe.gov/oiaf/ieo99/

EC, 1998: Annual Energy Review 98. European Commission, Directorate-General XVII (Energy). Report CS-BR-98-001-EN-C, Dezember 1998
Internet: http://europa.eu.int/en/comm/dg17/aerhome.htm

Global Environmental Change Report (GECR) (1999): IEA analyses EU "Concrete Ceiling" Proposals. GECR, Vol. XI, No. 11, June 1999, p. 1-3

Heimann, M., Weber, Ch., et al. , 1999: Natürliche Senken und Quellen des atmosphärischen Kohlendioxids: Stand des Wissens und Optionen des Handelns. Max Plank Institut für Meteorologie, Hamburg. Report Nr. 287, Februar 1999
Internet: http://www.mpimet.mpg.de/deutsch/Sonst/Reports/Abstracts/Abs287.html

Houghton, J. T., Meira Filho, L. G., et al. (1995):
Climate Change 1994. Cambridge: Cambridge University Press

UNFCCC-Dokumente (erhältlich durch das UNFCCC-Sekretariat im
Internet: http://www.unfccc.de/resource/docs.html)

UNFCCC, 1998: Review of the implementation of commitments and of other provisions of the Convention. Review of information communicated under Article 12. Second compilation and synthesis of second national communications. Addendum: Tables of inventories of anthropogenic emissions and removals of greenhouse gases for 1990-1995 and projections up to 2020.
FCCC/CP/1998/11/Add.2, Oktober 1998

UNFCCC, 1998a: Review of the implementation of commitments and of other provisions of the Convention. Review of information communicated under Article 12. National communications from Parties included in Annex I to the Convention. Summary compilation of annual greenhouse gas emissions inventory data from Annex I Parties.
FCCC/CP/1998/INF.9, Oktober 1998

UNFCCC, 1999: National Communications from Parties included in Annex I to the Convention. Annual inventories of National Greenhouse gas data for 1996. Report on national greenhouse gas emissions inventory submissions from Annex I Parties for 1990 to 1996. Addendum: Tables of inventories of anthropogenic emissions and removals of greenhouse gases for 1990 to 1996 and projections.
FCCC/SBI/1999/5/Add.1, Mai 1999

UNFCCC, 1999a: Principles, modalities, rules and guidelines for the mechanisms under Articles 6, 12 and 17 of the Kyoto Protocol. Submissions from Parties.
FCCC/SB/MISC.3/Add.3, Juni 1999. S. 19ff.

WBGU, 1998: Die Anrechnung biologischer Quellen und Senken im Kyoto-Protokoll: Fortschritt oder Rückschlag für den globalen Umweltschutz? Sondergutachten 1998, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), Bremerhaven, 1998
Internet: http://www.wbgu.de/WBGU/wbgu_sn1998.html

Kontakt

Dipl.-Met. Gerhard Sardemann
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Karlstr. 11, 76133 Karlsruhe
Tel.: +49 721 608-22734
E-Mail: gerhard.sardemann∂kit.edu