Das Hanse-Wissenschaftskolleg stellt sich vor

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Das Hanse-Wissenschaftskolleg stellt sich vor

von Uwe Opolka, Hanse-Wissenschaftskolleg

In diesem Beitrag wird das neugegründete Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK) in Delmenhorst dargestellt. Das HWK ist das derzeit jüngste unter den deutschen "Institutes for Advanced Study".

Zu den Aufgaben und Arbeitsschwerpunkten

Das Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK) wurde 1995 gegründet und hat im Sommer 1998 im neuen Kolleggebäude seinen vollen Betrieb aufgenommen. Es ist eine gemeinnützige Stiftung privaten Rechts der Länder Niedersachsen und Bremen sowie der Stadt Delmenhorst und hat seinen Sitz in der zwischen der Hansestadt Bremen und dem niedersächsischen Oldenburg gelegenen Stadt Delmenhorst.

Seine Hauptaufgabe besteht in der Stärkung des überregional und international anerkannten Forschungspotentials der umliegenden Universitäten und Forschungseinrichtungen, insbesondere der Universitäten Bremen und Oldenburg. Das HWK ist allerdings eine in seinen Entscheidungen von diesen Institutionen unabhängige und nicht weisungsgebundene Einrichtung. Es fördert im Zusammenwirken mit den Hochschulen die disziplinäre und interdisziplinäre Zusammenarbeit besonders qualifizierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und zwar im nationalen wie im internationalen Rahmen. Starkes Gewicht legt das HWK dabei auf die Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern.

Darüber hinaus soll das HWK die Anziehungskraft der Region für die Neuansiedlung weiterer wissenschaftlicher Einrichtungen und für wissenschaftsorientierte Wirtschaftsunternehmen steigern.

Vergleichbare Einrichtungen, wie das Berliner Wissenschaftskolleg, das Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) oder das Netherlands Institute for Advanced Study in the Humanities and Social Sciences (NIAS) in Wassenaar, setzen ihre Schwerpunkte in den Geistes-, Sozial- und Geschichtswissenschaften. Das HWK hat ebenfalls einen sozialwissenschaftlichen Schwerpunkt. Hierbei könnten künftig möglicherweise auch TA-Aktivitäten Berücksichtigung finden. Daneben konzentriert es sich auf Themenstellungen aus dem Bereich der Bio- und Geowissenschaften. Fellows des HWK arbeiten nicht überwiegend theoretisch, sondern praktisch-experimentell innerhalb der Labors und sonstigen Einrichtungen in den umliegenden Forschungsinstituten.

An den meisten "Institutes for Advanced Study" arbeiten die Fellows weitgehend unabhängig von den Fakultäten und Instituten der örtlichen oder regionalen Universitäten. Konstitutiv für die Arbeit des HWK ist hingegen, seine Fellows vorrangig so auszuwählen, daß sie mit Kollegen an national und international ausgewiesenen Forschungszentren der Universitäten Bremen und Oldenburg kooperieren können. Die Fellows können dort auch in begrenztem Umfang in der Lehre tätig sein.

In den kommenden Jahren arbeiten die Fellows schwerpunktmäßig mit solchen Forschungseinrichtungen der Universitäten Bremen und Oldenburg zusammen, an denen sich bereits die "kritische Masse" eines Forscherpotentials mit nationalem und internationalem Renommee herausgebildet hat. Dabei handelt es sich um die folgenden drei Bereiche:

Daneben gibt es am HWK ein weiteres, vom Rektor initiiertes langfristiges Forschungsprogramm mit dem Titel "Determinanten menschlichen Verhaltens", das sich die Aufgabe gestellt hat, den Brückenschlag zwischen den Natur- und Biowissenschaften einerseits und den Geistes- und Sozialwissenschaften andererseits voranzutreiben. Hand in Hand damit sollen im Rahmen dieses Programms Antworten auf eine Frage gesucht werden, deren zentrale wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Bedeutung auf der Hand liegt: Warum verfestigen sich Persönlichkeit und Charakter eines Menschen lebensgeschichtlich relativ früh? Und warum sind sie entsprechend im späteren Leben immer schwerer durch die Umwelt, durch Erziehung, durch eigene Erfahrungen oder auch durch psychotherapeutische Verfahren zu beeinflussen? Hierzu gibt es aufregende neue Erkenntnisse beispielsweise aus der Hirnforschung, etwa darüber, wie die kognitiven und verhaltenssteuernden Systeme in dem sich entwickelnden menschlichen Gehirn ausreifen, wie Gefühle entstehen und wie sie unser Gedächtnis und unser Verhalten - zumeist unbewußt - steuern und darüber, wie sich Verstand und Gefühl zueinander verhalten. Diese Erkenntnisse lassen naturwissenschaftliche Einsichten in die Ausformung von Persönlichkeit und Charakter zu. Sie rufen aber zugleich nach einem transdisziplinären Gespräch, mit der Ethnologie oder der soziologischen Lebenslaufforschung, aber auch mit Pädagogik, Psychotherapie, Sozialpolitik usw.

Um das Programm "Determinanten menschlichen Verhaltens" voranzutreiben, haben im November 1998 und Februar 1999 erste fruchtbare Gespräche mit einer Gruppe angesehener Psychotherapeuten und Psychoanalytiker stattgefunden. Weitere Gespräche werden folgen. Inzwischen hat sich im Rahmen des Programms auch eine Gruppe mit dem Titel "Transkulturelle Universalien" etabliert, bei der es um die Frage geht, ob es überhaupt eine einheitliche Natur des Menschen gibt, die sich - jenseits aller unbestreitbaren kulturellen Differenzen - manifestiert und dingfest machen läßt. Mitglieder dieser Gruppe sind Ethnologen, Biowissenschaftler und Sozialforscher. Der Aufbau weiterer Arbeitsgruppen zu verwandten Themen ist geplant. Aus diesen Arbeitsgruppen sollen sich mittelfristig interdisziplinäre Workshops entwickeln, auf denen die Ergebnisse dieser Debatten der wissenschaftlichen und allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Organisationsstruktur

Die Satzung des Hanse-Wissenschaftskollegs sieht drei Organe vor, den Stiftungsrat, den Rektor des HWK (als Stiftungsvorstand) sowie einen Wissenschaftlichen Beirat.

Kontrollorgan des HWK ist der Stiftungsrat. Er stellt unter anderem allgemeine Richtlinien für die Arbeit der Stiftung auf, beschließt den Wirtschaftsplan und beruft die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats. Ihm gehören je zwei Mitglieder der Niedersächsischen Landesregierung und des Senats der Freien Hansestadt Bremen an, außerdem der Präsident der Universität Oldenburg, der Rektor der Universität Bremen sowie bis zu sechs Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Der Rektor des HWK, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats und der Oberstadtdirektor der Stadt Delmenhorst nehmen an den Sitzungen des Stiftungsrates mit beratender Stimme teil.

Gründungsrektor des HWK ist Professor Dr. Dr. Gerhard Roth, Neurobiologe an der Universität Bremen, der im Jahre 1996 von einer von den Stiftern eingesetzten Findungskommission für zunächst zehn Jahre berufen wurde. In seiner Eigenschaft als Rektor ist er zugleich Stiftungsvorstand des HWK. Er vertritt das HWK nach innen und außen. Der Rektor verfügt bei seiner Amtsführung über weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten, damit das HWK ein eigenständiges Profil entwickeln kann. Professor Roth ist Leiter des Forschungsprogramms "Determinanten menschlichen Verhaltens".

Bei seiner Arbeit steht dem Rektor ein Wissenschaftlicher Beirat zur Seite. Dieser berät den Rektor in allen wissenschaftlichen Angelegenheiten der Stiftung. Auf der Grundlage von Empfehlungen des Beirats beruft der Rektor die Fellows des HWK und legt das Tagungsprogramm fest. Der Wissenschaftliche Beirat besteht derzeit aus zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Sie stammen aus den drei beteiligten Wissenschaftsdisziplinen beziehungsweise vertreten führende Wissenschaftsorganisationen.

Fellows

In seiner kurzen Geschichte hatte das HWK bereits 25 Fellows; weitere zwölf Fellows wohnen derzeit im Kolleggebäude. Voraussetzungen für ein Fellowship sind vor allem folgende Kriterien: Eine hohe wissenschaftliche Qualifikation; die Bereitschaft, auf einem der drei vom Kolleg geförderten Forschungsgebiete (Meeres- und Klimaforschung, Neuro- und Kognitionswissenschaften, Sozialwissenschaften/Sozialpolitik) mit Kollegen an den Universitäten Bremen und Oldenburg zusammenzuarbeiten wie auch mit weiteren renommierten Forschungszentren im norddeutschen Raum. Kooperationen mit benachbarten außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind auch möglich. Erwünscht ist auch eine Beteiligung an der Lehre an den Universitäten Bremen und Oldenburg im Rahmen von Seminaren, Vorlesungen oder Einzelvorträgen über ihr Spezialgebiet. Erwartet wird zudem eine Beteiligung an den internen Aktivitäten des HWK, zum Beispiel den allwöchentlichen Fellow-Lectures. Für alle Fellows besteht Residenzpflicht.

Ein Vorschlagsrecht für die Berufung von Fellows haben: der Rektor, der Wissenschaftliche Beirat, Wissenschaftler der Universitäten Bremen und Oldenburg oder anderer Universitäten und Forschungseinrichtungen, ehemalige Fellows. Auch eine formlose Selbstbewerbung ist möglich. Vorschläge und Selbstbewerbungen können jederzeit eingereicht werden; sie werden intern durch den Wissenschaftlichen Beirat des HWK begutachtet.

Tagungen

Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt des HWK ist die Organisation und Durchführung wissenschaftlicher Tagungen. Thematisch beziehen sich diese Tagungen sowohl auf die drei Hauptarbeitsgebiete als auch auf zukunftsweisende interdisziplinäre Fragen. Zu den vom HWK veranstalteten Tagungen, die überregional Beachtung gefunden haben, zählen unter anderem: "Neural Correlates of Consciousness" (Juni 1998), "Dimensions of Social Exclusion" (September 1998), "Executive Control and the Frontal Lobe" (Dezember 1998), "Global Ocean and Land Surface Temperatures" (Mai 1999), "Gehirn und Gestalt" (Juni 1999). Auch für die kommenden Jahre sind bereits zahlreiche Veranstaltungen in Planung.

Weitere Informationen

Hanse-Wissenschaftskolleg
Lehmkuhlenbusch 4
D-27753 Delmenhorst
Tel.: + 49 (0) 4221 / 91 60-0
E-mail: hwkAmu5∂www h-w-k de