Grand Challenges – auch für die TA?
Dokumentation der 7. Konferenz des Netzwerks TA „Grand Challenges meistern – der Beitrag der Technikfolgenabschätzung“
Bonn, 16.–18. November 2016
von Marcus Frey, Visual Facilitators, Hamburg und Martin Deschauer, EA European Academy of Technology and Innovation Assessment, Bad Neuenahr-Ahrweiler
Demografischer Wandel, klimafreundliche Energieversorgung, High Tech im Gesundheitswesen, Big Data sowie zivile Sicherheit sind nur einige der „Grand Challenges“ – der aktuellen großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Das Netzwerk Technikfolgeabschätzung (NTA) und die EA European Academy luden deshalb vom 16.–18. November 2016 nach Bonn ein, um diese Themen näher zu beleuchten.
Ein Bericht sollte per Definition die sachliche Wiedergabe eines Geschehens sein. Ein Tagungsbericht sollte dementsprechend die Vorträge und Diskussionen wiedergeben, meist textbasiert. Für die NTA-Tagung „Grand Challenges meistern“ soll nun eine andere Form genutzt werden: die durch Grapic Recording während der Veranstaltung instantan vom Künstler Marcus Frey zeichnerisch umgesetzte Darstellung soll Eindrücke der Tagung mit ihren Vorträgen und Diskussionen vermitteln.
Steve Woolgar sprach auf einer Konferenz 2011 in Oxford zu dieser Art der Visualisierung als „synecdochal practise [that is] enacting the content“ (Woolgar 2011). Die Kontextualisierung durch grafische Mittel stellt die Inhalte in einer besonderen Form dar. Und so ist Graphic Recording nicht einfach ein von Vorträgen inspirierter Comic, sondern spezieller dokumentarischer Zugang zum Tagungsgeschehen. Marcus Frey gehört mit seinen Zeichnungen also der Hauptanteil dieses Beitrags.
Zu Beginn der Tagung unterschied Georg Kamp in seinem Vortrag die großen Herausforderungen („Grand Challenges“; gesellschaftliche Entwicklungsplanung von hoher Dringlichkeit) von oftmals synonym verwendeten Begriffen der Bedrohungen (reine Widerfahrnisse) und den Herausforderungen (gestaltbare Ereignisverläufe). Daraus ergeben sich legitimatorische Fragen über den Ressourceneinsatz und die Konsequenzen zur Bewältigung der Ereignisse.
Kristin Hagen beschrieb in ihrem Vortrag die gesellschaftlichen Diskurse zum Thema der Synthetischen Biologie. Deren Chancen- und Risikoabwägungen, ethische Fragen, politische und ökonomische Aspekte ergeben eine spannungsreiche Konstellation zwischen technischer Errungenschaft, Marktperspektiven, Anwendungsschwierigkeiten und Akzeptanzproblemen.
Die Chancen und Risiken in Bezug auf die Einsatzmöglichkeiten von Genome Editing-Verfahren wie z. B. CRISPR-Cas9 wurden im Vortrag von Bernd Giese beleuchtet. Vor allem die Wirkmächtigkeit und die noch nicht vollständig absehbaren Folgen bei beispielsweise der Ausrottung von Zika- oder Malariamoskitos machen eine Technologiebewertung ausgesprochen schwer.
Dass Mobile-Health-Produkte wie z. B. Gesundheits-Apps aus einer Nische zu einer Option für eine gesündere Gesellschaft werden können, erläuterte Nils Heyen in seinem Vortrag zum Quantified Self. Gleichzeitig stellte er die möglichen Risiken der digitalen Selbstvermessung dar. Zwischen diesen beiden Polen beschrieb er mögliche Zukunftsszenarien, die bereits heute erste Handlungsoptionen ableiten lassen.
Dass die Herstellung von Beteiligung und Legitimation eine mindestens genauso große Herausforderung ist wie manche „Grand Challenges“ verdeutlichte Anika Hügle mit ihrem Praxisbericht zum Bürgerbeteiligungsverfahren zum Thema „Big Data“. Denn trotz der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche ist das Thema für viele Bürger nicht genug greifbar.
Das vollständige Graphic Recording finden Sie unter https://www.ea-aw.de/20-jahre-ea/7-nta-tagung/graphic-recording.html.
Literatur
Woolgar, S., 2011: Visualisation in the Age of Computerisation. Keynote vom 25.3.2011 auf der Konferenz „Visualisation in the Age of Computerisation“, Universität Oxford, 25.3.–26.3.2011; https://www.youtube.com/watch?v=zRJvyWeyi74