Integrierter Umweltschutz: Weder Jobkiller noch Jobwunder. Ein Projektbericht des ZEW

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Integrierter Umweltschutz: Weder Jobkiller noch Jobwunder

von Friedhelm Pfeiffer, Klaus Renning, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)

> Integrierte Umweltschutztechniken gewinnen international an Bedeutung, weil von ihnen neben ökologischen Vorteilen gleichzeitig auch Impulse für den Standortwettbewerb und damit den Arbeitsmarkt erwartet werden. Eine Studie des ZEW [1] liefert erstmals empirisch fundierte Aussagen zu den Beschäftigungseffekten integrierter Umwelttechnik. Sie stützt sich auf Fallstudien, eine Breitenerhebung bei Industrieunternehmen, incl. einer telefonischen Zusatzbefragung bei umweltinnovativen Firmen, eine Patentanalyse sowie Modellrechnungen mit einem allgemeinen Gleichgewichtsmodell für die Europäische Union. Insgesamt ergeben sich sich positive, aber ihrem Umfang nach bescheidene Beschäftigungswirkungen integrierter Umwelttechnik. Der folgende Beitrag faßt die Ergebnisse der Arbeit zusammen.

Einführung

In der Bundesrepublik entwickelt sich der Umweltschutzsektor seit Jahren immer stärker zu einem gesamtwirtschaftlich bedeutenden Beschäftigungsfeld. Angesichts der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit stellt sich aus wirtschaftspolitischer Sicht die Frage, ob und unter welchen Bedingungen weitere Anstrengungen zur Reduzierung von Schadstoffen und zur Herstellung umweltverträglicher Produkte netto zu mehr oder weniger Beschäftigung führen. Integrierte Umweltschutztechniken gewinnen international an Bedeutung.

Vielfach wird ein beschleunigter Übergang von additivem zu integriertem Umweltschutz gefordert, in der Hoffnung, daß damit gleichzeitig auch Impulse für den Standortwettbewerb und damit den Arbeitsmarkt einhergehen. Beschäftigungseffekte des integrierten Umweltschutzes konnten bislang nicht quantifiziert werden. Positive als auch negative Wirkungen sind möglich (siehe Tabelle 1). So wird eine Gefahr darin gesehen, daß Arbeitsplätze im nachgeschalteten Umweltschutz verloren gehen; zudem kann ein verringerter Energie- und Materialverbrauch zu Produktions- und Arbeitsplatzverlusten führen. Dem steht jedoch die Prognose entgegen, daß auch additive Techniken künftig beträchtliche Marktchancen behalten werden, weil ökologische Optimierungen oft den gleichzeitigen Einsatz integrierter und additiver Umwelttechnik verlangen. Als entscheidende Determinante für die Beschäftigungswirkungen integrierter Umwelttechnik werden ihre Innovationsimpulse sowie deren Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit angesehen. In dieser Hinsicht scheinen integrierte Umweltschutztechniken, gerade aufgrund von Wettbewerbsvorsprüngen für die Anbieter und vergleichsweise geringerer Kosten für die Anwender, tendenziell Vorteile zu haben.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) das ZEW mit einer Studie beauftragt, um theoretisch und empirisch fundierte Anhaltspunkte für den Zusammenhang zwischen integriertem Umweltschutz und Beschäftigung zu gewinnen.

Methodik der Arbeit

Im Rahmen der Studie wird ein grundlegendes theoretisches Konzept zur Analyse des Zusammenhangs zwischen integriertem Umweltschutz und Beschäftigung entwickelt. Die empirische Analyse stützt sich auf Fallstudien, auf eine Breitenerhebung bei Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, die als Zusatzerhebung zum Mannheimer Innovationspanel 1996 durchgeführt wurde, auf eine Analyse von Patentanmeldungen sowie auf Simulationsrechnungen zum Effekt von CO2-Steuern für Beschäftigung und Wachstum, die auf dem allgemeinen Gleichgewichtsmodell des ZEW beruhen. Wirtschafts- und umweltpolitische Schlußfolgerungen beenden die Arbeit.

Theoretisch kann integrierte Umwelttechnik expansive Beschäftigungseffekte in einigen und kontraktive in anderen Unternehmen auslösen. Die Effekte variieren typischerweise zwischen Anbietern und Nachfragern der Umwelttechniken und zwischen den Industrien. Die kurz- und langfristigen Wirkungen können zudem ebenso unterschiedlich ausfallen wie die einzel- und gesamtwirtschaftlichen Effekte sowie die Auswirkungen bei unterschiedlich qualifizierten Arbeitskräften. Die Beschäftigungswirkungen hängen ferner von der Funktionsweise, Flexibilität und Wettbewerbsintensität auf den Güter- und Faktormärkten ab.

Die methodische Vielfalt des Projektes wurde gewählt, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden, die mit einer Methode allein nicht adäquat zu erfassen gewesen wäre. Jede der Methoden beleuchtet eine mehr oder minder große Facette des Problems. Die Gesamtschau der Teilprojekte kann sowohl Widersprüche zwischen den einzelnen Ansätzen aufdecken als auch - bei gleichgerichteten Ergebnissen - ihre empirische Evidenz verstärken. Die Projektarbeit wurde im April 1998 abgeschlossen.

Tab. 1: Mögliche Beschäftigungseffekte integrierter Umwelttechnik

Mögliche negative Effekte Mögliche positive Effekte
  • Beschäftigungseinbußen bei den Betreibern nachgeschalteter (additiver) Umweltschutztechnik 
  • Beschäftigungseinbußen bei den Anbietern additiver Umweltschutztechnik 
  • Beschäftigungseinbußen in der Energiegewinnung und -umwandlung und der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung durch Produktionsrückgang aufgrund erhöhter Energie- und Materialeffizienz
  • Beschäftigungseinbußen in der die Energie- und Rohstoffwirtschaft beliefernden Investitionsgüterindustrie 
  • Beschäftigungseinbußen aufgrund der mit der Implementierung von integrierter Umweltschutztechnik möglicherweise verbundenen steigenden Arbeitsproduktivität
  • Beschäftigungsgewinne für Vermittlungs-, Beratungs- und Finanzierungsagenturen für integrierten Umweltschutz (z.B. Energie- Agenturen)
  • Beschäftigungsgewinne bei den Anbietern integrierter Umweltschutztechnik und energie- und rohstoffschonender Technik 
  • Beschäftigungsgewinne durch "win win options" durch anderweitige Verwendung der eingesparten Mittel 
  • Beschäftigungsgewinne aufgrund erhöhter Wettbewerbsfähigkeit durch Einsatz produktions- und produktintegrierter Umweltschutztechnik 
  • Geringere Verdrängungeffekte rentabler Investitionen als beim Einsatz additiver Technik

Ergebnisse der Fallstudien

Die Ergebnisse der Fallstudien und Breitenerhebungen zeigen, daß Umweltinnovationen Beschäftigungseffekte haben, die denen von anderen Innovationen qualitativ ähnlich sind, quantitativ aber aufgrund substantieller Substitutionseffekte (eine weniger umweltfreundliche Technik wird verdrängt) weniger ins Gewicht fallen. Beispiele aus den Fallstudien sind:

Die Fallstudien haben gezeigt, daß: 

Ergebnisse der Telefonbefragung

Die Telefonbefragung bei 430 Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, die in einer vorgeschalteten schriftlichen Breitenbefragung als innovative Unternehmen im Umweltschutz identifiziert worden waren, bestätigte das insgesamt eher bescheidene Ausmaß der Beschäftigungswirkungen integrierter Technik bzw. auch das der Umwelttechnik insgesamt. 80 bis 90 Prozent der Unternehmen geben, je nach Innovationstyp, an, Umweltinnovationen seien für sie beschäftigungsneutral. Soweit Wirkungen feststellbar sind, wird dem integrierten Umweltschutz nach der Rückhaltung von Emissionen und Rückständen am zweithäufigsten ein positiver Beschäftigungseffekt zugeschrieben. Im Vergleich zu additiven Techniken sind mit dem integrierten Umweltschutz bei mehr Unternehmen positive Beschäftigungseffekte verbunden (s. Tabelle 2). Von ihrer Größenordnung her sind die positiven Beschäftigungswirkungen, die hier im wesentlichen für die Industrie ermittelt wurden, aufgrund der Quantität allerdings kaum in der Lage, einen merklichen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit zu leisten. Ob sich dies für den Dienstleistungsbereich anders verhält, ist nicht Gegenstand dieser Arbeit und müßte gegebenenfalls in einer eigenen Untersuchung geklärt werden. 

Tab. 2: Beschäftigungswirkungen von Umweltinnovationen zwischen 1994 und 1996

  Zunahme
(%)
Konstanz
(%)
Abnahme
(%)
Abfallverwertung 6,6     91,2     2,2    
Abfallbeseitigung 8,4     86,3     5,3    
Bodensanierung 3,1     90,6     6,3    
Rückhaltung von Emissionen und Rückständen 14,3     84,1     1,6    
Entwicklung umweltverträglicher Produkteigenschaften 8,4     91,1     0,5    
Umweltfreundliche Optimierung der Produktionsprozesse 9,7     87,4     2,9    

Quelle: Telefonische Zusatzerhebung zum MIP, 1997

Tab. 3: Beschäftigungsentwicklung aufgrund durchgeführter Umweltinnovationen zwischen 1994 und 1996

Qualifikationsgruppe Zunahme
(%)
Konstanz
(%)
Abnahme
(%)
Fachhochschul- bzw. Universitätsabschluß   11,9   (21,4)     86,2   (17,5)     1,9   (14,9)  
Fachkräfte   8,9   (57,8)     86,5   (53,4)     4,6   (63,2)  
Ungelernte / Angelernte   4,6   (37,2)     89,7   (28,2)     5,7   (22,5)  

Quelle: Telefonische Zusatzerhebung zum MIP, 1997; bezogen auf die Unternehmen, die eine Zunahme (Konstanz, Abnahme) der Beschäftigung hatten, ist in Klammern jeweils der durchschnittliche Anteil der Beschäftigten einer Qualifikationsgruppe angegeben.

Wie andere technische Innovationen auch wirken Umweltinnovationen allerdings tendenziell qualifikationsvermehrend, d.h. mit dem Übergang zu integrierten Umweltschutztechniken nimmt die Nachfrage nach qualifizierten und hochqualifizierten Arbeitskräften zu, während die Nachfrage nach gering qualifizierten Arbeitskräften eher sinkt (s. Tabelle 3). Diese Entwicklung ist nicht isoliert im Umweltschutz, sondern in allen Bereichen der Volkswirtschaft festzustellen. Ohne alternative Arbeitsmöglichkeiten bzw. eine Weiterqualifizierung dürften daher wenig oder falsch qualifizierte Beschäftigte in erster Linie Leidtragende einer weiteren Forcierung von Innovationen allgemein und im Umweltschutz im speziellen sein, während die positiven Impulse von Umweltinnovationen eher die Beschäftigung von Facharbeitern und insbesondere Akademikern betreffen.

Ergebnisse der Patentanalyse

Für die drei Jahre 1985, 1990 und 1994 [2] wurden insgesamt 2180 Patente und Gebrauchsmuster, die vom Deutschen Patentamt als umweltrelevant eingestuft wurden, im Rahmen einer Patentanalyse manuell überprüft und dem integrierten sowie additiven Umweltschutz zugeordnet. Die Patentanalyse hat ergeben, daß sich zwischen 1990 und 1994 die Anzahl der vom Deutschen Patentamt als umweltrelevant eingestuften Patente (und Gebrauchsmuster) mehr als verdoppelt hat. Relativ haben dabei die Patente, die dem Bereich des additiven Umweltschutzes zugerechnet werden können, stärker zugelegt (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Patentanmeldungen nach Umweltklassen [in absoluten Zahlen]

Abb. 1: Patentanmeldungen nach Umweltklassen [in absoluten Zahlen]

Geht man davon aus, daß Patentanmeldungen ein wichtiger Indikator für Innovationsfähigkeit und künftige Beschäftigungspotentiale darstellen, so spricht die dynamische Entwicklung der deutschen Patente bei den Umwelttechnologien dafür, daß der Umweltschutzsektor sein gegenwärtig schon hohes Gewicht in der Volkswirtschaft beibehalten und gegebenenfalls auch ausbauen wird. Starke Zunahmen sowohl bei additiven als auch bei integrierten Techniken deuten darauf hin, daß ein Übergang von additiver auf integrierte Umwelttechnik so auf absehbare Zeit nicht stattfinden wird. Generell ist eher mit ökologisch-ökonomischen Optimierungen zu rechnen, in denen neben integrierten nach wie vor auch additive Lösungen zum Einsatz kommen werden.

Ergebnisse des Gleichgewichtsmodells

Schließlich zeigten die Simulationsanalysen die Beschäftigungswirkungen von Politikszenarien, in denen integrierter Umweltschutz zur CO2-Reduktion mit Hilfe von Umweltabgaben gefördert werden soll. Wird die Steuer aufkommensneutral ausgestaltet, lassen sich hier mit Hilfe des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtsmodells geringfügig positive Beschäftigungseffekte errechnen, unabhängig davon, ob die Abgabe europaweit oder in einem nationalen Alleingang eingeführt wird. Wie bei den Fallstudien und der Breitenbefragung sind die Effekte von ihrer Größenordnung jedoch eher bescheiden.

Fazit

Insgesamt zeigt sich in allen Ergebnissen quer durch die verschiedenen verwendeten Methoden, daß die Förderung von integriertem Umweltschutz der Beschäftigungspolitik prinzipiell nicht zuwiderläuft und partiell Synergien feststellbar sind. Ein Entwicklungspfad mit mehr integriertem Umweltschutz stellt die Umwelt besser und die Wirtschaft nicht schlechter als bisher, wie eine Studie des Institute for Prospective Technological Studies (IPTS) in Sevilla treffend formuliert: "The argument for cleaner products and services is that the employment prospects are at least as good on an 'environmental path'; and the environmental consequences are infinitely better. Indeed, we may have little choice in the matter. If other countries go down the environmental route, the demands of international competitiveness may force us to do the same. It may be better to prepare now than wait until we are left behind." [3] Vor übertriebenen Hoffnungen, daß allein eine Förderung integrierter Umwelttechniken Probleme auf dem Arbeitsmarkt beseitigen könne, ist aber zu warnen. Von Technologiepolitik im allgemeinen und der Förderung integrierten Umweltschutzes im besonderen allein ist kein substantieller Beitrag zur Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit zu erwarten.

Anmerkungen

[1] F. Pfeiffer und K. Rennings (Hg.) (1999): Beschäftigungswirkungen des Übergangs zu integrierter Umwelttechnik, Physica-Verlag: Heidelberg.

[2] Patentoffenlegungen für neuere Jahrgänge lagen bei Abschluß dieses Teilprojektes noch nicht vor.

[3] IPTS - Institute for Prospective Technological Studies (1997): Environment and Employment - A report by the IPTS for the Committee on Environment, Public Health and Consumer Protection of the European Parliament, Sevilla.