Abschlussbericht der Endlagerkommission: ITAS-Leiter zieht positives Fazit
Vor zwei Jahren begann mit der vom Bundestag eingesetzten sog. Endlagerkommission ein Neustart bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfallstoffe. Beteiligt waren insgesamt 33 Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft, unter ihnen der ITAS-Leiter Armin Grunwald. Nach der offiziellen Übergabe des Abschlussberichts an Bundestagspräsident Norbert Lammert am 5. Juli 2016, zieht Grunwald ein positives Fazit der intensiven Kommissionsarbeit: Die Kommission habe ihren Auftrag erfüllt, einen gesellschaftlichen Konsens über ein Verfahren und Kriterien für die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfallstoffe in Deutschland herzustellen. „Es steht jetzt nichts entgegen, dass der Bundestag aus unseren Empfehlungen in den nächsten Monaten ein Gesetz macht und die Standortsuche damit offiziell eröffnet.“
Als Kovorsitzender der Arbeitsgruppe „Gesellschaftliche und technisch-wissenschaftliche Entscheidungskriterien sowie Kriterien für Fehlerkorrekturen“ hatte Grunwald daran selbst maßgeblichen Anteil. Die Aufgabe seiner Arbeitsgruppe war es, sich das Standortauswahlverfahren bis zum Verschluss eines Endlagerbergwerks vorzustellen und mit Plausibilitätsüberlegungen zu prüfen. Insgesamt habe die Kommission mit ihrer zweijährigen Arbeit ein zentrales Anliegen der Technikfolgenabschätzung verwirklicht: „Wenn wir neue Technologien implementieren und in die Gesellschaft entlassen, sie in Produkte oder Dienstleistungen aufnehmen, dann sind wir verpflichtet bis zum Ende zu denken. Mit der Kommission haben wir dies für die Kernenergie in Deutschland nachgeholt“, resümiert Grunwald.
Link zum Videointerview mit Grunwald: https://www.youtube.com/watch?v=vEP4OyilIsw
Big Data-Forschung ausgezeichnet
Die globale Datenmenge wächst und wird von immer komplexeren Algorithmen ausgewertet. Was bedeutet das für jeden einzelnen? Dieser Frage wird im Projekt ABIDA – Assessing Big Data nachgegangen, das das ITAS gemeinsam mit dem Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster koordiniert. Wissenschaftler aus den Bereichen Ethik, Soziologie, Ökonomie sowie der Rechts- und Politikwissenschaften bringen ihre disziplinären Erkenntnisse zu Big Data ein, um gemeinsam die neue Technologie zu bewerten.
Im Mittelpunkt stehen die Abschätzung künftiger Entwicklungen und die Erarbeitung von Handlungsoptionen. Das ITAS bringt seine Erfahrung mit Instrumenten der Technikfolgenabschätzung ein, wie Monitoring, Vertiefungsstudien, Expertenworkshops und Fokusgruppen. Einen großen Stellenwert hat die enge Einbindung von Bürgern. Drei Bürgerkonferenzen und eine Bevölkerungsumfrage machen sie zum aktiven Teil von ABIDA. Für diesen Ansatz wurde ABIDA nun in der Kategorie Wissenschaft im bundesweiten Innovationswettbewerb „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“ geehrt.
Mehr Informationen unter https://www.itas.kit.edu/projekte_grun15_abida.php.
Energiewende: ITAS im Forschungsprogramm Kopernikus
Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sollen in den kommenden zehn Jahren Hand in Hand an neuen Lösungen für den Umbau des deutschen Energiesystems arbeiten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert sie mit „Kopernikus“, der bislang größten Forschungsinitiative zur Energiewende. Ziel ist es, bis 2025 neue Energiekonzepte auf den Weg zu bringen, die im großtechnischen Maßstab angewendet werden können und die auch gesellschaftlich mitgetragen werden. Ein internationaler Beirat wählte dazu aus 41 Projektvorschlägen vier Konsortien mit insgesamt 230 beteiligten Institutionen aus. Das ITAS ist in allen vier Projekten, die noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen sollen, als Partner beteiligt.
Kernfragen der Projekte sind: Wie lassen sich durch eine Kombination von dezentral und zentral erzeugtem Strom die Kosten für den Netzumbau verringern? Welche Möglichkeiten gibt es, das fluktuierende Angebot erneuerbarer Energien in Form von chemischen Grundstoffen, gasförmigen Energieträgern und Kraftstoffen zu speichern? Weitere Schwerpunkte sind die Demonstration, wie energieintensive Produktionsprozesse an eine schwankende Energieversorgung angepasst werden können sowie um die Betrachtung der Energiewende als einen gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozess.
Urbane Nachhaltigkeits-Experimente ausgewählt
In der Karlsruher Oststadt geht das Stadtentwicklungsprojekt Quartier Zukunft – Labor Stadt des ITAS der Frage nach, wie gutes Leben unter dem Vorzeichen der Nachhaltigkeit gelingen kann. Im Mittelpunkt steht das Ausprobieren neuer Zukunftsstrategien. Die Zukunft erproben will auch „Dein NachhaltigkeitsExperiment“: In Zusammenarbeit mit der Bürgerstiftung Karlsruhe suchten die Forscher Menschen aus Karlsruhe, deren Ideen eine Kultur der Nachhaltigkeit in ihrem Quartier voranbringen. Der Fokus sollte auf den Themen Gemeinschaft und Entschleunigung liegen. Vier Experimentkonzepte, vom Secondhandlabel bis zu einem Kreativ-Salon, konnten die Jury überzeugen. Die Gewinnerteams werden mit insgesamt 12.000 Euro unterstützt und vom Quartier Zukunft wissenschaftlich begleitet.
Kontakt
Helena Trenks, E-Mail: helena.trenks∂kit.edu
Neues Projekt: Assisted Living für Menschen mit Demenz
Derzeit leiden weltweit fast 36 Mio. Menschen an Demenz, eine Zahl, die bis zum Jahr 2050 vermutlich auf 100 Mio. ansteigen wird. Assisted Living Technologien sollen diese Menschen im Alltag unterstützen, um – ohne Aufstockung des Pflegepersonals – ihre Lebensqualität zu verbessern und die Einweisung in ein Heim zumindest hinauszuzögern.
Im Assisted Living-Projekt arbeitet eine Gruppe von norwegischen, deutschen und britischen Experten aus den Bereichen IKT, Gesundheitswissenschaft, Sozialwissenschaft und Ethik gemeinsam an der Weiterentwicklung von Responsible Research and Innovation (RRI) im Bereich Technik für Menschen mit Demenz. Sie entwickeln eine Assisted Living Technologie, die sich an RRI-Prinzipien orientiert, setzen diese in eigens dafür gebauten Häusern in einem Stadtteil von Oslo ein und vergleichen die Ergebnisse mit denen von Standardanwendungen.
Angestrebt wird ein alternativer Prozess für die Entwicklung von Assisted Living-Technologien, der effektiver ist und das Wohlergehen der Patienten verbessert. Das Projekt wird vom Work Research Institute der Hochschule Oslo und Akershus koordiniert, weitere Beteiligte sind neben dem ITAS regionale Pflegedienstleister in Oslo, der norwegische Technologierat, norwegische Assisted Living Technologien-Anbieter sowie die Universitäten Exeter und Bristol in Großbritannien.
Kontakt
Dr. Miltos Ladikas; E-Mail: miltos.ladikas∂kit.edu
Personalia
Eser Bakdur ist seit Februar 2016 Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der neu gegründeten Arbeitsgruppe Wissenschafts- und Technikphilosophie am ITAS. Sie studierte Philosophie an der Bilkent Universität in Ankara und an der Boğaziçi Universität in Istanbul. Derzeit promoviert sie über Wissenschaftsphilosophie und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit wissenschaftlicher Objektivität und der Beziehung zwischen Wissenschaft sowie erkenntnistheoretischen und nicht-erkenntnistheoretischen Werten.
PD Dr. Stefan Böschen ist ab Oktober 2016 für drei Jahre in den Fachbeirat des Studienwerks der Heinrich-Böll-Stiftung berufen worden. Der Fachbeirat, der sich u. a. aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von Universitäten und Fachhochschulen, Stipendiatinnen und Stipendiaten sowie aus Vertreterinnen und Vertretern der Politik zusammensetzt, berät das Studienwerk in allen Fragen rund um das Thema Nachwuchsförderung. Der Fachbeirat gibt Anregungen und Impulse für die strategische Ausrichtung des Förderprogramms der Heinrich-Böll-Stiftung.
Prof. Dr. Armin Grunwald nahm im April 2016 an einer von Helmholtz-Präsident Otmar Wiestler geleiteten Delegationsreise der Helmholtz-Gemeinschaft nach Israel teil. Ziel war der weitere Ausbau der engen wissenschaftlichen Kooperationen zwischen der Helmholtz-Gemeinschaft und israelischen Forschungseinrichtungen und Universitäten. Armin Grunwald hatte für den Anlass im Rahmen des Helmholtz-Forschungsbereichs „Energie“ einen Kooperationsvorschlag mit der Foresight Unit der Tel Aviv University vorbereitet und mit seinem dortigen Kollegen Aharon Hauptman vorgestellt. Als Themen wurden Herausforderungen an die Cybersecurity in zukünftigen Systemen der Energieversorgung und die systemanalytische Erforschung unterschiedlicher Facetten in der weiteren Dezentralisierung der Energieversorgung vorgeschlagen.
Michael Poznic ist seit April 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der neu gegründeten Arbeitsgruppe Wissenschafts- und Technikphilosophie am ITAS. Er studierte Philosophie, Soziologie und Psychologie an der RWTH Aachen. Sein wissenschaftsphilosophisches Promotionsprojekt „Models in Science and Engineering: Imagining, Designing and Evaluating Representations“ an der TU Delft (NL) steht kurz vor dem Abschluss. Am ITAS wird er sich mit erkenntnistheoretischen Fragen im Rahmen des Ansatzes der sog. Virtue Epistemology und deren Anwendung auf technologische Kontexte befassen.
Franka Steiner ist seit Juni 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Upper Rhine Cluster for Sustainability Research“ (URCforSR). Ihr Studium der Geoökologie mit Schwerpunkt Hydrogeologie und Siedlungswasserwirtschaft am KIT schloss sie 2013 mit ihrer Diplomarbeit zum urbanen Wassermanagement in San Luis Potosí (Mexiko) ab. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen im Bereich Wasser-Energie-Nexus und nachhaltiges Ressourcenmanagement, insbesondere im Zusammenhang mit Wasserinfrastruktursystemen.
Neue Publikationen
E-Demokratie in Europa
Basierend auf einer Studie im Auftrag des Europäischen Parlaments bietet das Buch „Electronic Democracy in Europe“ eine systematische Untersuchung des Zusammenhangs von E-Demokratie und Europäischer Politik. Der von Ralf Lindner (Fraunhofer ISI Karlsruhe), Georg Aichholzer (ITA Wien) und Leonhard Hennen (ITAS Karlsruhe) herausgegebene Sammelband will damit zu einem verbesserten Verständnis der Rolle neuer Medien im Rahmen europäischer Politik beitragen. Die Autoren analysieren die drei sich teilweise überschneidende Felder e-public, e-participation und e-voting und liefern damit eine theoretisch inspirierte Auseinandersetzung mit dem möglichen Beitrag von E-Demokratie zur Schaffung einer transnationalen und politischen Öffentlichkeit in Europa. Gleichzeitig bieten sie eine empirisch gestützte Analyse aktueller Ansätze internetbasierter politischer Partizipation, wie etwa die Europäische Bürgerinitiative oder die demokratischen Wahlen via Internet in Estland.
Bibliografische Angaben: Ralf Lindner, Georg Aichholzer und Leonhard Hennen (Hg.): Electronic Democracy in Europe. Prospects and Challenges of E-Publics, E-Participation and E-Voting. Heidelberg: Springer International Publishing 2016. ISBN 978-3-319-27419-5
Technikfolgenabschätzung in Japan und Europa
Forscherinnen und Forscher aus Japan und Europa reflektieren in dem Sammelband gemeinsam über länderspezifische Voraussetzungen für eine Verankerung von Technikfolgenabschätzung in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Die Publikation umfasst die Proceedings und Diskussionen eines Workshops mit dem Titel „Technology Assessment: A Stable Solution or Only Relevant Under Pressure?“, der im Juli 2014 in Tokio stattfand und gemeinsam vom ITAS und JST/RISTEX, dem japanischen Forschungsinstitut für Wissenschaft und Technologie in der Gesellschaft der Japan Science and Technology Agency, ausgerichtet wurde. Ziel der Autorinnen und Autoren ist es, das gegenseitige Verständnis für komplexe Gesellschaften zu fördern, die sich neuen Anforderungen im Bereich technischer Möglichkeiten und gesellschaftlicher Veränderungen stellen müssen.
Bibliografische Angaben: António Brandão Moniz und Kumi Okuwada (Hg.): Technology Assessment in Japan and Europe. Karlsruhe: KIT Scientific Publishing 2016. ISBN 978-3-7315-0429-0; PDF-Download unter https://www.itas.kit.edu/2016_037.php