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Innovationsbarrieren und Transfermaßnahmen in der Mikrosystemtechnik
Zukunftstechnologie ohne Markt: Mikrosystemtechnik noch immer vor dem Durchbruch
Die Bilanz nach fast sieben Jahren Mikrosystemtechnik-Förderung fällt ernüchternd aus. Als Zukunftstechnologie gepriesen galt die Mikrosystemtechnik - seit 1990 durch den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) mit mehr als 700 Millionen DM gefördert - als Schlüssel für Innovationen in unterschiedlichsten Anwendungsbereichen. Doch trotz aller Bemühungen, die Umsetzung und Anwendung mikrosystemtechnischer Problemlösungen voranzutreiben, ist der prognostizierte Durchbruch der Mikrosystemtechnik am Markt bislang ausgeblieben. Wie eine im Auftrag des BMBF durchgeführte Analyse zu "Innovationsbarrieren und Transfermaßnahmen in der Mikrosystemtechnik" des Instituts für angewandte Innovationsforschung (IAI) in Bochum zeigt, stehen vor allem hohe Kosten, geringe Stückzahlen, Inkompatibilitäten zu bestehenden Technologien und Kompetenz-Defizite der breiten industriellen Umsetzung der Mikrosystemtechnik entgegen.
Mit dem Förderschwerpunkt Mikrosystemtechnik (MST) des Bundesministeriums für Forschung und Technologie weckte Anfang der 90er Jahre eine neue Technologie nicht nur das Interesse von Wissenschaftlern, sondern visionäre Anwendungen wie der Mikroroboter, der im menschlichen Körper Gefäße reinigt, oder die künstliche Nase deuteten auch für die Anwender bisher ungeahnte technische Möglichkeiten an. Nach damaligen Hochrechnungen zur Abschätzung des Potentials eröffneten sich für 11.000 Mikrosystemtechnik-Unternehmen in Deutschland große Marktchancen. Dabei erschien die Anwendung der Mikrosystemtechnik besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) attraktiv. Die Umsatzentwicklung deutscher Unternehmen mit mikrotechnischen Produkten wurde ausgehend von 16 Mrd. DM in 1990 bis auf 45 Mrd. DM im Jahr 2000 prognostiziert. Aktuelle Analysen, die den Markt für MST-Produkte jetzt weltweit auf 45 Mrd. DM im Jahr 2000 abschätzen, relativieren diese Euphorie jedoch drastisch.
Abweichend von der üblichen Förderpraxis wurde zur Beschleunigung der Umsetzung von Forschungsergebnissen in die industrielle Anwendung der Wissens- und Technologietransfer als fester Bestandteil von Beginn an in die Mikrosystemtechnik-Förderung einbezogen. Technologiestudien, Datenbanken, Qualifizierungsmaßnahmen, die Einrichtung sog. Dienstleistungszentren etc. sollten insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen den Einstieg bzw. Zugang zur Mikrosystemtechnik erleichtern. Doch trotz dieser angebotsorientierten Aktivitäten bleiben die Innovationsanstrengungen von Unternehmen in diesem Bereich weit hinter den Erwartungen zurück.
So zeigten die unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Erich Staudt durchgeführten Untersuchungen, daß in der ersten Ankündigungswelle bei vielen Unternehmen Erwartungen geweckt wurden, die zwar in Teilbereichen erfüllt werden konnten, bei den meisten aber zu Enttäuschungen geführt haben. Die meisten der derzeitigen Mikrosystemtechnik-Lösungen haben den für einen breiten Einsatz erforderlichen Reifegrad und ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis auch heute noch nicht erreicht.
Die Wissenschaftler des IAI analysierten bei mehr als 1.000 Unternehmen Erfahrungen und Probleme der Mikrosystemtechnik-Anwendung. Unternehmen der "MST-Szene", d.h. Unternehmen, die sich bereits mit der Mikrosystemtechnik beschäftigen, haben vor allem Probleme bei der Analyse und Bewertung von Anwendungsmöglichkeiten und Märkten der Mikrosystemtechnik, aber auch bei der Durchführung eigener Entwicklungsarbeiten sowie eigener Fertigung. Ursachen hierfür sind neben Kompetenz-Defiziten der Mitarbeiter vor allem die hohe Komplexität der Mikrosystemtechnik und die hohen Kosten bei zu geringen Stückzahlen.
Anders Unternehmen, die bisher noch nicht in der Mikrosystemtechnik aktiv sind, die aber als Nutzer von MST-Lösungen angesehen werden. Im Gegensatz zur "technologieorientierten Insider-Szene" hat der Begriff Mikrosystemtechnik und seine Außendarstellung als hochkomplexe Zukunftstechnologie hier mittlerweile eher abschreckende Wirkung. Die Tatsache, daß trotz umfangreicher "Werbeaktivitäten" immer noch keine praxistauglichen Produkte vorgezeigt werden können, führe bei diesen "MST-Outsidern" zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit. Und da die Enttäuschung auch innerhalb der "MST-Szene" Zurückhaltung hervorruft, würden diese Vorbehalte der Outsider gegenüber der Mikrosystemtechnik noch verstärkt. Anwendungsstau und Attentismus sind die zwangsläufige Folge. Mit Marketingprojekten sei diese Lücke nicht zu schließen.
Das Beispiel der umfangreichen Förderaktivitäten in der Mikrosystemtechnik macht deutlich, daß staatliche Eingriffe zwar dazu beitragen, daß sich eine technologieorientierte "Szene" etablieren kann. Die Probleme bei der Umsetzung zeigen aber, daß eine stärkere Betrachtung der Anwendungsbedingungen und der Probleme der Abnehmer bereits in die Entwicklungsphase solcher Programme eingehen müßte. Ein Fazit dieser Studie lautet deshalb: "Anstatt weiterhin technologieorientierte Szenen zu unterstützen, sind die Förderaktivitäten stärker an den Bedarfen potentieller Nachfrager auszurichten. Ihre Kompetenz bestimmt letztlich die Verwertungsoption. Wenn hier keine Änderungen vorgenommen werden, wird die Mikrosystemtechnik auch langfristig eine Zukunftstechnologie bleiben - immer kurz vor dem Durchbruch!"
(aus der Pressemitteilung des IAI)
Bibliographische Angaben
E. Staudt; M. Krause, F. Kerka: Innovationsbarrieren und Transfermaßnahmen in der Mikrosystemtechnik - Eine empirische Analyse zum Stand der Diffusionsförderung, in: Staudt, E. (Hrsg.), Berichte aus der angewandten Innovationsforschung, Nr. 168, Bochum 1997.
Beide Studien sind über das IAI zu beziehen:
Institut für angewandte Innovationsforschung (IAI)
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D-44801 Bochum
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