Schlüsselideen, Akteure und Formate der Technikkommunikation. Einführung in den Schwerpunkt

Schwerpunkt: Schlüsselideen, Akteure und Formate der Technikkommunikation

Schlüsselideen, Akteure und Formate der Technikkommunikation

Einführung in den Schwerpunkt

von Marc-Denis Weitze, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, München, und Peter Weingart, Universität Bielefeld und Stellenbosch University

Wie ist die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Technik auf der einen, sowie Medien und Öffentlichkeit auf der anderen Seite zu gestalten? Wie lassen sich Formate entwickeln, um den Einsatz von Technik und die Entwicklung neuer Technologien in einem umfassenden Prozess der Abstimmung von Interessen und Werten einerseits und technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten andererseits zu gestalten? Dieser Schwerpunkt beleuchtet theoretische Aspekte und praktische Formate der Technikkommunikation.

How does communication work between the science and technology community on one side and media representatives and the public on the other? How can formats be developed that shape the use of existing and the development of new technologies as part of a comprehensive process of developing a common understanding of scientific requirements, interests, values and preferences, according to the scientific and technical opportunities available? This issue focuses on theoretical aspects and practical formats of technology communication.

Fracking, Präimplantationsdiagnostik, Grüne Gentechnik, tierexperimentelle Forschung oder der Bau umstrittener Großprojekte – kontroverse Diskussionen zu technologischen und wissenschaftlichen Themen gibt es in nahezu allen Bereichen von Wissenschaft und Technik. Damit aus guten Ideen Innovationen werden, müssen diese von der Wirtschaft angewandt und von der Gesellschaft angenommen werden. Während in der Vergangenheit die Bewertung neuer Technologien weitgehend den Fachexperten überlassen wurde, wird die Diskussion über Chancen und Risiken in immer mehr Bereichen von der gesamten Gesellschaft geführt, insbesondere dann, wenn es um Themen geht, die Wertvorstellungen der Bürger zu Fragen der Umwelt- und Lebensqualität betreffen. So stehen der Bau von Kraftwerken, Windrädern oder die Anwendung wenig erprobter Technologien in der öffentlichen Diskussion.

Zeitgleich verändert sich auch die deutsche Medienlandschaft durch neue Anforderungen und Bedingungen im Zeitalter der Digitalisierung. Diese Veränderungen erfordern eine Neuausrichtung des Verhältnisses zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien, das den Dialog auf Augenhöhe in den Vordergrund stellt. Neuere Ansätze der Wissenschafts- und Technikkommunikation zielen auf Transparenz bezüglich der Auswirkungen von Technologien, auf den Dialog und schließlich auf die Mitwirkung in gesellschaftlich relevanten technologiepolitischen Fragen. Vertrauen und Zuversicht in die Sinnhaftigkeit wissenschaftlich-technischen Wandels resultieren demzufolge aus dem Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.

1     Technikkommunikation gestalten

Ziel der Technikkommunikation ist es nach dem Verständnis von acatech, den Einsatz von Technik und die Entwicklung neuer Technologien in einem umfassenden Prozess der Abstimmung von Interessen und Werten einerseits und technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten andererseits unter Einbeziehung aller interessierten gesellschaftlichen Gruppen zu gestalten. Der Themenschwerpunkt „Technikkommunikation“, in der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech angesiedelt, untersucht dementsprechend die Wirkungsweisen sowie die Vermittlung von technischem und naturwissenschaftlichem Wissen in die Gesellschaft. Er untersucht, wie die Bedingungen für nachhaltige Innovationen im Bereich Technik und Infrastruktur durch Dialog und Partizipation verbessert werden können, und arbeitet dabei im Spannungsfeld von Theorie und Praxis: Die theoretische Fundierung der Kommunikation und eine Identifikation und Fortentwicklung von Best-Practice-Beispielen werden gemeinsam verfolgt. Dazu wirken im Arbeitskreis, in Projektgruppen und bei allen Aktivitäten sowohl Sozial- und Geisteswissenschaftler als auch Kommunikatoren und Fachwissenschaftler zusammen.

Im Sinne der Adressaten Politik und Gesellschaft ist ein doppelter „Outreach“ zu nennen: Zum einen die Beratung und zum anderen die Gewinnung von mehr Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. Im Sinne eines „Inreach“ sind darüber hinaus Wissenschaft und Wirtschaft selbst Adressaten der Aktivitäten und Empfehlungen (hier insb. das acatech-Netzwerk, aber auch die Technikwissenschaften insgesamt), etwa im Sinne einer Vermittlung dialogorientierter Ansätze der Kommunikation mit Politik und Gesellschaft. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie zukünftig die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Technik auf der einen sowie Medien und Öffentlichkeit auf der anderen Seite gestaltet werden sollte. Dazu werden Bestandsaufnahmen und Analysen erstellt, auf deren Basis Perspektiven der Technikkommunikation entwickelt werden können.

2     Die Themen und Beiträge des TaTuP-Schwerpunkts

Ziel dieses Themenschwerpunkts ist es, aktuelle Schlüsselideen, Akteure und Formate der Technikkommunikation exemplarisch darzustellen. Dabei ist das Thema keineswegs neu. So war „Technikakzeptanz als Gegenstand wissenschaftlicher und politischer Diskussion“ im Jahr 2005 Schwerpunkthema der TATuP (Heft 3)[1], und in der Einführung in den Schwerpunkt konnten Fritz Gloede und Leonhard Hennen ihrerseits zurückverweisen in die 1970er Jahre: „Die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Bewertung von Wissenschaft und Technik ist […] seit mindestens vier Jahrzehnten ein ständiger Begleiter wissenschafts- und technologiepolitischer Debatten“ (Gloede/Hennen 2005, S. 4). Stand die Bekämpfung einer angeblichen bzw. angenommenen „Technikfeindlichkeit“ durch verstärkte wissenschaftliche Aufklärung vielleicht noch in den 1990er Jahren bei manchen auf der Agenda, war 2005 das Wort „Dialog“ im Zentrum der Diskussion um Wissenschaftskommunikation längst angelangt (ebd. S. 6). Tatsächlich beherrschen die beiden Themenfelder „Informationsvermittlung“ und „Partizipation“ bis heute die Debatte um Wissenschaftskommunikation. Als „neu“ kann man dagegen die Akzentuierung der wissenschaftlichen Grundlagen in der Wissenschaftskommunikation betrachten – etwa die verstärkte Einbeziehung von Erkenntnissen aus Disziplinen wie der Einstellungsforschung, der Pädagogischen Psychologie, den Fachdidaktiken, der Wissenschaftssoziologie, der Sprachwissenschaft und der Wissenschaftsgeschichte.

Eine zentrale Bedeutung im Feld der Wissenschafts- und Technikkommunikation kommt bis heute den Massenmedien und den Journalisten zu. Wissenschaft und Journalismus gehören zu den Eckpfeilern einer demokratischen Gesellschaft. Wie aber funktioniert der Austausch zwischen den Akteuren? Hierzu haben acatech, Leopoldina und Akademienunion im Jahr 2014 eine gemeinsame Stellungnahme „Zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien“[2] vorgestellt. Die Abschlussveranstaltung im Format „Fish Bowl“ hat signalisiert, dass die Akademien ihr Papier nicht als Schlusspunkt, sondern vielmehr als Auftakt der Diskussion verstehen. Tatsächlich konnte mit dem Papier ein intensiver Diskussionsprozess um Qualitätskriterien in der Wissenschaftskommunikation angestoßen werden.[3] Das Folgeprojekt legt den Fokus auf soziale Medien.

Ausgehend von den Überlegungen in diesen Projekten stellen Peter Weingart und Holger Wormer in ihrem Beitrag „Wissenschaftskommunikation als demokratisches Grundprinzip“ die spezifischen Randbedingungen dar, denen die mediale Berichterstattung über Entwicklungen in der Forschung bzw. Erkenntnisse, die von großem öffentlichen (ggf. auch politischen und/oder wirtschaftlichem) Interesse sind, unterliegt. Sie weisen auf Resonanzeffekte hin, die entstehen, wenn Wissenschaft zunehmend strategisch kommuniziert mit dem Ziel, Legitimation in Gestalt öffentlicher Zustimmung zu erlangen. Diese Effekte können in konkreten Fällen eine unangemessene Verstärkung oder Schwächung des Informationsgehalts bewirken und zu Reaktionen in der Öffentlichkeit (i. w. S. die Zivilgesellschaft, Kirchen, Verbände, Nichtregierungsorganisationen usw.), der Politik oder der Wirtschaft führen, die – aus Sicht der Wissenschaft – der kommunizierten Information nicht entsprechen. Die Autoren folgern, dass eine Analyse insbesondere der Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Wissenschaftskommunikation (im Sinne der Kommunikation über das Internet und in der Form sozialer Medien) für die kommenden Jahre ein wichtiges Forschungsfeld und Feld der Technikfolgenabschätzung sein wird.

Besonderes Augenmerk wird in der aktuellen Debatte um Wissenschafts- und Technikkommunikation auf die Entwicklung diskursiver Kommunikationsformate gelegt, die eine frühzeitige Information und Beteiligung der Öffentlichkeit ermöglichen sollen – im Kontrast zu alten Bemühungen einer Akzeptanzbeschaffung „fertiger Lösungen“. Julia Hahn, Torsten Fleischer und Michael Decker berichten in ihrem Beitrag „Bürgerdialoge zwischen Technikkommunikation und Reflektion“ über die Rolle von Bürgerdialogen in der Technikkommunikation und reflektieren Zielsetzungen und Erwartungen der Initiatoren und Teilnehmer. „Bürgerdialog Zukunftstechnologien“ wurde das Format genannt, mit dem das BMBF ein Forum schaffen wollte, das Bürger auf breiter Basis einbezieht, ihnen die Möglichkeit gibt, sich über neue Schlüsseltechnologien und Forschungsvorhaben zu informieren, sich in einem öffentlichen Diskurs eine Meinung zu bilden, sowie die Ergebnisse dieses Meinungsbildungsprozesses gegenüber Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu vertreten. In der vergangenen Legislaturperiode wurden in drei Bürgerdialogen die Themen „Energiewende“, „High-Tech-Medizin“ und „Demographischer Wandel“ verhandelt. Der Beitrag analysiert die Bürgerdialoge aus der Perspektive der wissenschaftlichen „Begleitforschung“, arbeitet Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den drei Dialogen heraus und zeigt, dass wir erst am Anfang eines Lernprozesses zur Definition von Zielen und zur Auswahl von jeweils geeigneten Formaten solcher Dialoge stehen.

Die Akzeptanz von Technik, Industrie und Infrastruktur betrifft die Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft insgesamt. Aber wie entstehen Einstellungen als Grundlagen der Akzeptanz und Akzeptabilität von Industrie, Infrastruktur und Neuen Technologien? Und welchen Einfluss haben unterschiedliche Kommunikationsstrategien auf deren Ausprägung? Wie steht es um den Zusammenhang zwischen volkswirtschaftlicher Bedeutung, sozialen und ökologischen Wirkungen und soziopolitischer Akzeptanz? Auch dies ist ein Thema, das seit Jahrzehnten diskutiert wird, u. a. in der Hoffnung, dass Erkenntnisse dazu, wie Menschen Risiken und Chancen einer Technologie wahrnehmen, Schlüsse auf den Meinungsbildungsprozess erlauben. Anfang 2016 wurde im Rahmen eines acatech-Symposiums diskutiert, inwieweit eine regelmäßige Befragung zu Einstellungen, Wünschen, Hoffnungen, Befürchtungen und Bedarfen der Bevölkerung zu neuen Technologien und deren Implikationen („TechnikRadar“) zur Beantwortung solcher Fragen beitragen kann. In ihrem Beitrag „Wahrnehmung, Bewertung und die Akzeptabilität von Technik in Deutschland“ thematisieren Jürgen Hampel und Michael M. Zwick auch mit Blick auf diese Idee insbesondere die Problematik der Erfassung von Technikeinstellungen.

Die beiden weiteren Beiträge gehen von der Nuklear- bzw. Biotechnologie aus, also Feldern, die seit Jahrzehnten kontrovers in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Dabei stehen wechselnde Kontroversen, aber auch Ansätze der Kommunikation im Vordergrund. In einem interdisziplinären Forschungsprojekt, das acatech koordiniert hat, wurden die technischen und gesellschaftlichen Chancen und Risiken von Partitionierung und Transmutation anhand von Szenarien untersucht. Eine Möglichkeit, das Langzeit-Gefährdungspotenzial wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle zu verringern, könnte Partitionierung und Transmutation sein, eine Technik, die sich derzeit in Forschung und Entwicklung befindet. Die sozialwissenschaftliche Untersuchung der gesellschaftlichen Entwicklungspfade von Partitionierung und Transmutation mittels Experteninterviews, Gruppendelphi und Gutachten ergab ein differenziertes Bild, das mehrere Handlungsmöglichkeiten offenlässt oder nahelegt. In ihrem Beitrag „Partitionierung und Transmutation: Eine kerntechnische Zukunftsoption?“ kommen Diana Gallego Carrera und Michael Ruddat zu dem Schluss, dass auch hier frühzeitige Kommunikationsangebote unbedingt notwendig sind, soll die Entwicklung von Partitionierung und Transmutation nicht losgelöst von der Gesellschaft erfolgen. Auch hier gelten die allgemeinen Regeln der Kommunikationsführung, auf die in dem Beitrag verwiesen wird.

Ein Schwerpunkt bei der Analyse von Technikkommunikation bei acatech liegt auf dem Feld der Biotechnologie, u. a. der Synthetischen Biologie und der Künstlichen Fotosynthese. Wie Marc-Denis Weitze et al. in ihrem Beitrag „Kommunikation Neuer Technologien: Das Beispiel Biotechnologie“ darstellen, gibt es Kontroversen um Biotechnologie und Analysen dieser Kontroversen seit der Etablierung dieses Wissenschaftsfeldes. Erhebliche Mittel sind in Deutschland und auch international aufgewendet worden, um die „Akzeptanz“ der Grünen Gentechnik in der Öffentlichkeit zu erhöhen – bislang ohne größeren Erfolg. Entlang des Forschungsfeldes „Künstliche Fotosynthese“ wurden Möglichkeiten der frühzeitigen Einbindung der Öffentlichkeit bei der Entwicklung Neuer Technologien analysiert und umgesetzt (wie bei den Bürgerdialogen als Gegenmodell zur Akzeptanzbeschaffung, allerdings in einem sehr frühen Stadium der Technikentwicklung). Basis dazu war die Erstellung und Bewertung von Technikzukünften. Dieses Experiment in Technikkommunikation soll unter dem Motto „Technik gemeinsam gestalten“ zukünftig auf andere Technikfelder ausstrahlen, in denen die Öffentlichkeit ebenfalls frühzeitig in Innovationsprozesse einzubeziehen ist.

3     Offene Fragen und Forschungsbedarf

Wie gelingt Qualitätssicherung im Zusammenspiel klassischer und sozialer Medien? Tragen soziale Medien zu einer Fragmentierung der Öffentlichkeit bei oder eher zu einer Konzentration in der Meinungsbildung? Wie passt ein Bürgerdialog Zukunftstechnologien in die Organisationsstrukturen der (Massen)Medien, und wie kann er sinnvoll daran gekoppelt werden? Was wären die spezifischen Ziele solcher Dialoge? Wie lässt sich Technikaufgeschlossenheit systematisch erfassen, wie lassen sich Technikeinstellungen adäquat erklären und interpretieren? Wie lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse übertragen in die Praxis, wenn es um kontroverse Technologien wie Nukleartechnik oder Biotechnologie geht?

Wenn heute viele Argumente für eine frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit sprechen, sollte dies als Aufruf verstanden werden, die Vielfalt der Formate zu nutzen und – bezogen auf die jeweiligen Ziele und Zielgruppen – weiter zu entwickeln. Ein Ergebnis steht bereits jetzt fest: Es wird nie ein Patentrezept für die Technikkommunikation geben.

Anmerkungen

[1] http://www.tatup-journal.de/tatup053.php

[2] http://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2014_06_Stellungnahme_WOeM.pdf (download 6.4.16)

[3] Nachweise dafür sind die Resonanz in online- und offline-Medien, zahlreiche Diskussionen auf einschlägigen Veranstaltungen und in Gremien der Wissenschaftskommunikation.

Literatur

Gloede, F.; Hennen, L., 2005: Technikakzeptanz als Gegenstand wissenschaftlicher und politischer Diskussion. In: TATuP – Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 3/14 (2005), S. 4–12

Kontakt

Dr. Marc-Denis Weitze
acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
Geschäftsstelle
Karolinenplatz 4, 80333 München
E-Mail: weitze∂acatech.de