Storytelling – Live und in Videos

Schwerpunkt: Schlüsselideen, Akteure und Formate der Technikkommunikation

Storytelling – Live und in Videos

von Wolfgang Chr. Goede, Wissenschaftsjournalist und Vorstandsmitglied (Sekretär) des Weltverbandes der Wissenschaftsjournalisten WFSJ

Seit Jahren leite ich Workshops über Storytelling. Während kleine Kinder und alte Menschen Geschichtenerzählen noch beherrschen, tut sich der demografische Mittelbau schwer damit. Die Durchakademisierung unserer Erziehung schult abstraktes Denken, nicht darstellerisches. Aber: Wenn knisterndes Lagerfeuer auf einem Monitor mitläuft, tun sich Storyteller leichter.

Der empirische Beweis für eine Hypothese der Kulturanthropologen: Am Lagerfeuer der Steinzeit lernte der frühe Homo sapiens Geselligkeit, Sprache; wurde er zum Erfinder. Beim Erzählen von Jagdberichten wurden Waffen und Strategien bewertet. Das lud auf der freien Wildbahn zu Experimenten ein. Dies war die Wiege unserer technischen Zivilisation – und von Hollywood.

Jeder spannende Film basiert auf Steinzeitfeuergeschichten. Beide leben von Helden, meist in Gegnerschaft verbunden, von Dramaturgie, zwischen Erfolg und Misserfolg, Liebe und Gewalt, großen Emotionen, guten und bösen Enden sowie Lehren daraus. Solche Heldenreisen finden wir in den großen Zeugnissen unserer Kultur, der Bibel und Nibelungensaga, Grimms Märchen und Harry Potter. Jeder Roman, jede Animation folgt dieser archaischen Rezeptur.

Für Forschungsergebnisse, die einem breiten Publikum plausibel werden sollen, heißt das: Sie müssen in dieses Steinzeitprogramm des modernen Homo sapiens transformiert werden.

Das acatech-Projekt „Technik gemeinsam gestalten“, bei dem Laien in den frühzeitigen Dialog mit Wissenschaftlern über die Chancen der Künstlichen Fotosynthese einbezogen wurden, machte sich Storytelling zunutze. Ich wurde beauftragt, zu drei Technikzukünften Geschichten zu finden. Die Narrative „Algenblüte“, „Nanozauber“, „Solarguerilla“ kleideten diverse Technologien in Hightech-Krimis:

Die Odyssee, aus mediterranen Braunalgen Ethanol zu gewinnen; ein von der Kern-Lobby verfolgter Nerd, der das Treibhausgas CO2 mit Nano-Kügelchen zu Methan veredelt; wie eine Plattenbausiedlung sich mit Solarfolien in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in ein lukratives Kraftwerk verwandeln will. Dass die Erzählungen beim Publikum zündeten, selbst bei 40 Grad Hitze, spricht für die Storytelling-Live-Strategie bei komplexen Forschungsthemen.

Dann der nächste Schritt: die Storys zum Erreichen größerer Menschenmengen in dreiminütige Videos umzuarbeiten. Reduktion der Handlungen auf Mono- und Dialoge; Stimme, Mimik und Posen aufeinander abstimmen; Requisiten und Kulissen (alle im Deutschen Museum) festlegen; Kameraperspektiven finden; fachgerechtes Schneiden der Filmsequenzen.

Videos haben Konjunktur. Handys verlangen nach bewegten Bildern. Kürze und Action sind gefragt. BBC-Clips sind nur noch 40 Sekunden lang. Das stellt riesige Herausforderungen an Qualität und Kreativität. Es war ein langer Weg vom Lagerfeuer der Steinzeit zum digitalen Lagerfeuer. Dieses eröffnet der Forschung nun neue, bisher wenig beschrittene Kommunikationswege.