Luftverkehrsanalyse 1998: Umstieg vom Flug zum Zug (Rezension)

TA-relevante Bücher und Tagungsberichte

Weniger Luftverkehr schafft Platz für mehr Luftverkehr?

Rezension der Studie von Hans-Georg Ungefug: "Luftverkehrsanalyse 1998: Umstieg vom Flug zum Zug. Innerdeutscher Flugverkehr im Wettbewerb mit der Schnellbahn".

von Torsten Fleischer, ITAS

Der Flugverkehr weist unter den Verkehrsträgern die höchsten Wachstumsraten auf. Das Wachstum der 249 Fluggesellschaften des Internationalen Luftverkehrsverbandes (IATA) im Passagierverkehr fiel 1996 mit 8,4 % im internationalen Linienverkehr fast doppelt so hoch aus wie im Inlandverkehr (+ 4,4 %). Das Frachtgeschäft legte im internationalen Linienverkehr um 6,5 % und im Inlandverkehr um 2 % zu. Für die nächsten fünf Jahre rechnet die IATA mit einem durchschnittlichen Wachstum des Weltluftverkehrs von 6,6 %. In Asien und im südlichen Pazifik wächst der Luftverkehr mit 7,3 % weiterhin am stärksten, während Europa (6,2 %) und die USA (6,1 %) unterdurchschnittlich zulegen dürften. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) rechnet mit einem Zuwachs des Passagieraufkommens auf deutschen Flughäfen von gegenwärtig etwa 110 Mio. auf rund 200 Mio. Fluggäste bis zum Jahr 2010.

Bereits seit geraumer Zeit wird in Deutschland diskutiert, ob und in welchem Umfang der Kurzstrecken-Luftverkehr, und hier insbesondere der innerdeutsche Flugverkehr, auf die Bahn verlagert werden kann. Anfangs wurde diese Debatte fast ausschließlich mit umweltpolitischen Argumenten geführt, inzwischen werden seitens der Fluggesellschaften und der Flughäfen zunehmend auch ökonomische Gesichtspunkte ins Felde geführt - der wirtschaftlich wenig lukrative Kurzstreckenverkehr soll auf den überlasteten Flughäfen knappe Kapazitäten räumen für den Verkehr auf Mittel- und Langstrecken.

Hans-Georg Ungefug hat in seiner lesenswerten Studie die Entwicklung des innerdeutschen Luftverkehrs zwischen 1990 und 1996 dargestellt. Neben einer allgemeinen Analyse der Entwicklung des Luftverkehrs in diesem Zeitraum werden 18 wichtige innerdeutsche Strecken detaillierter untersucht. Dazu lagen ihm zusätzlich zu den amtlichen Statistiken erstmals auch Zahlen der Deutschen Bahn AG zu Reisendenzahlen auf diesen Relationen vor. Die Statistiken sind in einem umfangreichen Diagramm- und Tabellenwerk akribisch zusammengetragen und exzellent nachvollziehbar dokumentiert. Der begleitende Text kommentiert und interpretiert nicht nur das Datenmaterial, sondern vermittelt zudem weitere wertvolle Hintergrundinformationen.

Zentrale Ergebnisse von Ungefugs Untersuchung sind:

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) arbeitet gemeinsam mit dem Board of Airline Representatives in Germany (Barig), der Lufthansa und der Deutschen Bahn an Lösungen, die Schiene stärker als bisher als Anreiseweg zu den Airports zu nutzen.

Bislang kommen etwa 15 bis 20 % aller Fluggäste per Zug zum Flug. Neben der Anreise im Nahbereich soll verstärkt auch der Zubringerverkehr aus anderen deutschen Städten auf kürzeren Strecken vermehrt über die Bahn abgewickelt werden. Angestrebt wird ein System nach Schweizer Vorbild, bei dem der Reisende sein Gepäck bereits am Startbahnhof einchecken und möglicherweise schon seine Boardkarte in Empfang nehmen kann. Gerade die Realisierung einer durchgängigen Gepäckbeförderung erweist sich jedoch gegenwärtig als Schlüsselproblem, da die Deutsche Bahn AG (noch) nicht in der Lage ist, ihre betrieblichen Bedingungen und Ansprüche mit der dazu erforderlichen Logistik zu koordinieren.

Dabei könnten bei diesem Konzept alle Beteiligten wirtschaftlich gewinnen: Die Fluggesellschaften könnten die Verluste, die sie auf innerdeutschen Routen zu verzeichnen haben, reduzieren. Die Flughäfen bekämen wertvolle Start- und Landefenster frei, die ihnen - wenn sie die freien Slots an die vor allem auf der Mittel- und Langstrecke eingesetzten Großraumflugzeuge vergeben könnten - mehr Fluggäste und damit mehr Einnahmen brächten. Und die Bahn schließlich hätte mehr Fahrgäste. Aus ökologischer Sicht bleibt das Vorgehen allerdings problematisch. Ein Zurückdrängen des Kurzstreckenverkehrs zugunsten des Mittel- und Langstreckenverkehrs reduziert zwar Verkehre mit spezifisch (also streckenbezogen) hohen Schadstoffemissionen, schafft aber zugleich Raum für Verkehre mit absolut - also über die gesamte Strecke betrachteten - größeren Schadstoffemissionen. Diese Entwicklung könnte sich als Beispiel dafür erweisen, wo eine Verkehrsträgersubstitution letztlich umweltpolitisch kontraproduktiv wäre.

Bibliographische Angaben

Hans-Georg Ungefug: Luftverkehrsanalyse 1998: Umstieg vom Flug zum Zug. Innerdeutscher Flugverkehr im Wettbewerb mit der Schnellbahn. Herausgegeben von Hans-Georg Ungefug, Redaktionsbüro, Wirtschaft und Tourismus, Speerweg 35, 13465 Berlin.