TAB News

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Neue Projekte

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (ABFTA) hat zum Jahresende 2015 die Bearbeitung von sechs neuen Projekten durch das TAB beauftragt. Fünf Projekte waren nach der Themenfindungsrunde 2014 zurückgestellt worden, eins wurde im Herbst 2015 neu von der Berichterstattergruppe TA eingebracht. Die Projekttitel lauten:

Die ersten fünf Projekte starteten bereits zu Beginn des Jahres, das Projekt „Gesundheits-Apps“ beginnt im April 2016. Für dieses Projekt wird demnächst ein Gutachten ausgeschrieben, das einen Überblick über die diesbezügliche Rechtssituation geben soll. Auf den Internetseiten des TAB sind Projektskizzen und zu gegebener Zeit auch die Gutachtenausschreibung abrufbar.

 

25 Jahre Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag

Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) berät seit nunmehr 25 Jahren den Deutschen Bundestag und seine Ausschüsse in Fragen des wissenschaftlich-technischen Wandels und seiner gesellschaftlichen Implikationen. Das Jubiläum wurde am 2. Dezember 2015 mit einer Festveranstaltung im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages begangen. Die Arbeit des TAB stand auf der Tagesordnung einer Plenardebatte am 18. Februar 2016.

Festveranstaltung

In ihren einführenden Ansprachen betonten sowohl der Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert als auch die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Patricia Lips, die Relevanz und fast schon Selbstverständlichkeit der Beratung des Parlaments durch das TAB. „Die Ursache für die kontinuierliche und erfolgreiche Beratungsarbeit des TAB ist die unabhängige, neutrale wissenschaftliche Expertise mit dem Anspruch höchster Fundierung, aber auch die transparente und verständliche Vermittlung komplexer Sachverhalte“, erklärte Patricia Lips. Und der Bundestagspräsident unterstrich, dass das TAB zwar sinnvollerweise beim Forschungsausschuss angebunden sei, aber „die Urteilsfähigkeit des Parlaments im Ganzen begleiten und befördern“ solle.

Jean-Yves Le Déaut, Abgeordneter der Assemblée Nationale und Präsident der französischen TAB-Schwestereinrichtung L’Office parlementaire d’évaluation des choix scientifiques et technologiques (OPECST) sowie derzeitiger Präsident des europäischen Netzwerks parlamentarischer TA-Einrichtungen (EPTA), lobte in seinem Grußwort den intensiven Austausch zwischen den Parlamenten der Nachbarländer zu Fragen von Forschung und Technologie. Aus dem EPTA waren auch die Leiter des österreichischen ITA, Dr. Michael Nentwich, sowie der schweizerischen TA-SWISS, Dr. Sergio Bellucci, nach Berlin gekommen.

Nutzen für den Deutschen Bundestag

Zum Nutzen und der Nutzung der bisher vom TAB vorgelegten ca. 200 Technikfolgenanalysen äußerten sich die für TA zuständigen Abgeordneten und Berichterstatter der Bundestagsfraktionen in einer kurzen Podiumsdiskussion. Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) betonte, „dass die Berichte des Büros für Technikfolgen-Abschätzung nicht nur wichtige Impulse für die Facharbeit der Ausschüsse liefern, sondern auch Hintergrunddaten für fachübergreifende Initiativen, wie z. B. eine Wiederbewertung der Sommerzeit.“ René Röspel (SPD) hielt die wissenschaftlichen Einschätzungen des TAB als Grundlage parlamentarischer Entscheidungen für unverzichtbar, denn „um neue Technologien sinnvoll und nachhaltig für die Gesellschaft nutzen zu können, müssen vorab deren Chancen wie auch Risiken bekannt sein.“ Ralph Lenkert (Die Linke) erklärte: „Insbesondere bei der Durchdringung vieler Lebensbereiche durch digitale Technologien sind Orientierungs- und Entscheidungshilfen für uns Abgeordnete notwendig. Wie verändern sich Verhaltensweisen, Natur und Umwelt durch den technischen Fortschritt? Als Analyst und Sensor für diese Fragestellungen ist das TAB unverzichtbar und seit 25 Jahren fraktionsübergreifend als wissenschaftliche Beratungsinstanz anerkannt.“ Und Harald Ebner (Bündnis 90/Die Grünen) meinte, dass das Tempo technologischer Neuerungen enorm sei, und ihre Auswirkungen schwer einzuschätzen seien. Politik müsse die Herausforderung bewältigen, die richtigen Entscheidungen zum Umgang mit neuen Technologien treffen – trotz eines hohen Maßes an Nichtwissen und vieler Unsicherheitsfaktoren. „Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag ist dabei eine unentbehrliche Hilfe.“

Mensch und Maschine oder Mensch-Maschine

Mit den Tendenzen einer „Mensch-Maschine-Entgrenzung“ wurde im zweiten Teil der Veranstaltung ein geradezu idealtypisches Thema für die Technikfolgenabschätzung verhandelt. Immer leistungsfähigere Neurotechnologien werden zwar primär zu therapeutischen Zwecken entwickelt, finden aber zunehmend auch ohne medizinischen Anlass Anwendung zur Erweiterung menschlicher Fähigkeiten.

Prof. Dr. Armin Grunwald, Leiter des TAB, beleuchtete in seinem Vortrag, wohin die Entwicklung in Zukunft gehen könnte. Er beschrieb eine Vision, bei der die Maschine in den Menschen einzieht, ihm quasi unter die Haut fährt. Und zwar nicht in Form von „primitiven“ Implantaten und Prothesen, sondern von Chips, die nicht nur helfen, durch Unfall oder Alter verlorene Defizite wieder auszugleichen, sondern ganz neue Funktionen zulassen und ermöglichen. Dahinter stehe die Frage, ob die technische Zivilisation die Weiterentwicklung unserer Spezies ermögliche. Oder ganz anders gefragt: Ist Technik intelligenter als Natur?

Ein anschauliches Beispiel bot die myoelektrische Armprothese, also eine Prothese, die in den Muskelzellen elektrische Spannung im Mikrovoltbereich erzeugt, die der Anwender Karl Heinz Ammon vorführte. Ammon, dem bei einem Unfall unterhalb des Schultergelenks der Arm abgequetscht worden war, kann mit Hilfe der Prothese sein Handgelenk um 360 Grad drehen. Wie dieses komplizierte Elektrodenmodell funktioniert, wurde von Martin Pusch vom strategischen Technologiemanagement der Otto Bock HealthCare GmbH erklärt.

Der gesellschaftliche Nutzen, aber auch mögliche Risiken heutiger und zukünftiger Neurotechnologien waren danach Gegenstand einer Diskussionsrunde unter der Überschrift „Cyborgs und Maschinen-Menschen – zwischen Therapie und Utopie“, die vom Wissenschaftsjournalisten Volkart Wildermuth kenntnisreich und umsichtig moderiert wurde. Enno Park, Vorsitzender des Vereins Cyborgs, berichtete von seinen Hörerlebnissen mit einem Cochlea-Implantat. Mit diesem modernen vollimplantierten Hörgerät könne er zwar nicht in allen Situationen so gut hören wie ein gesunder Mensch, aber dafür habe er die Möglichkeit, zum Beispiel auch Ultraschall wahrzunehmen – allerdings sei das Hörerlebnis eher enttäuschend, weil Ultraschall nur ein sehr geringe Reichweite habe. Für Prof. Dr.-Ing. Tanja Schultz, die am Lehrstuhl für kognitive Systeme der Universität Bremen an hirnsignalnutzenden Sprachassistenzsystemen arbeitet, geht es bei der Technikentwicklung darum, dass Maschinen auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse der jeweiligen Nutzer besser zugeschnitten werden und sie automatisiert lernen, den Nutzer besser zu unterstützen. Prof. Dr.-Ing. Thomas Stieglitz vom Lehrstuhl für biomedizinische Mikrotechnik der Albert-Ludwig-Universität Freiburg verwies auf die nach wie vor bestehenden Probleme mit der Abstoßung von Neuroimplantaten. Und Prof. Dr. Christiane Woopen, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, unterstrich die Bedeutung der Frage nach den Folgen solche Eingriffe: Wollen wir einen dritten Arm einbauen, weil das effektiver ist? Werden wir demnächst menschliche Kampfmaschinen bauen, wo die Prothesenhand durch eine Waffe ersetzt wird? Solche Fragen müssten aus ethischer Sicht in Zukunft diskutiert werden, mahnte sie.

Die Veranstaltung kann über die Mediathek des Bundestags nachverfolgt werden (http://dbtg.tv/cvid/6245132). Weitere Eindrücke zu diesem Ereignis enthält der TAB-Fokus Nr. 10 (http://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/tab-fokus/TAB-Fokus-010.pdf).

Plenardebatte

Auch in der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 18. Februar 2016 wurde die Arbeit des TAB mit einer gut einstündigen Aussprache gewürdigt. Übereinstimmend erkannten alle Redner den hohen Wert der Arbeit des TAB für den Deutschen Bundestag an. Die Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Patricia Lips (CDU/CSU), verwies auf die ca. 200 Berichte, in denen das TAB seit seiner Gründung potenzielle Auswirkungen neuer technologischer Entwicklungen für den Bundestag vorausschauend und umfassend analysiert hat. Damit seien die Parlamentarier immer wieder umfassend informiert und unterstützt worden, um sowohl die Potenziale und Chancen neuer wissenschaftlich-technischer Entwicklungen als auch Möglichkeiten zur Vermeidung oder Abmilderung ihrer Risiken erkennen und ausloten zu können. Die auf dieser Grundlage entwickelten Handlungs- und Gestaltungsoptionen hätten wichtige Hinweise für die Politik gegeben. Konkret nannte Lips Untersuchungsaufträge zur Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften am Beispiel eines großflächigen Ausfalls der Stromversorgung, zu den Auswirkungen des 3-D-Druckens, zur synthetischen Biologie, zum Mediensuchtverhalten, zu elektronischen Petitionen und zur Medikamentenentwicklung für Afrika. Die Ausschussvorsitzende stellte als überaus positiv heraus, dass die Nachfrage nach den TAB-Untersuchungen in den vergangenen zehn Jahren stark angestiegen sei. Ausdrücklich würdigte sie die Leistung des TAB-Leiters Prof. Dr. Armin Grunwald und seines Teams, die „auf hohem Niveau und mit großen Engagement“ arbeiteten.

Ralph Lenkert (Die Linke) verwies insbesondere auf den rasanten Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntnisse und die Herausforderung durch das Internet. Für die Frage, ob neue Gesetze notwendig seien oder eher bessere Aufklärung helfe, benötigten die Bundestagsabgeordneten unabhängige, professionelle Beratung, wie sie das TAB seit 25 Jahren leiste. Da trotz des weitgehenden Konsenses zur Bedeutung des TAB für den gesamten Bundestag dessen Etat seit 1990 nur einmal geringfügig angehoben wurde, schlage die Linke eine 25-prozentige Etaterhöhung vor.

Für René Röspel (SPD) gehört zu einer vernünftigen Politik, Risiken „zu identifizieren und zu benennen, sie zu verhindern oder vielleicht zu minimieren“. Viele Menschen seien überfordert, mit der rasanten technischen Entwicklung Schritt zu halten. Deshalb sei es klug gewesen, dass vor einem Vierteljahrhundert das TAB geschaffen worden sei, damit der Bundestag nicht unvorbereitet entscheiden müsse. Als gegenwärtig spannende Fragen nannte der Abgeordnete die Chancen und Risiken von synthetischer Biologie, Climate-Engineering oder den Einsatz von Robotern in der Pflege von Menschen. Auf viele Fragen zu diesen Themen könne das TAB gute Antworten geben und der Politik mögliche Wege aufzeigen. Dabei sei es stets vernünftig, einen Weg zu wählen, „der den künftigen Generationen in 20 Jahren noch die Spielräume erhält, sich anders zu entscheiden“. Auch dabei helfe das TAB.

Für Harald Ebner (Bündnis 90/Die Grünen) geht es darum, mithilfe des TAB die „Irrtumswahrscheinlichkeit“ bei technologiepolitischen Entscheidungen zu senken, und die Auswirkungen auf kommende Generationen zu berücksichtigen. Es gebe eine moralische Verpflichtung, die Interessen unserer Enkel und Urenkel bei allen Entscheidungen mitzudenken, mahnte der Abgeordnete. Deshalb seien die Spezialisten des TAB, die dem Bundestag beratend zur Seite stünden, unabdingbar. Obwohl das TAB heute mehr als früher leiste, sei sein Etat nur einmal erhöht worden. Wenn wir die hohe wissenschaftliche Qualität und die Leistungsfähigkeit erhalten wollen, sei eine Erhöhung des Etats das Gebot der Stunde, forderte der Bundestagsabgeordnete. „Das TAB hat ein Geburtstagsgeschenk verdient.“

Das Protokoll der Plenardebatte findet man unter dem Link http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18155.pdf, eine Videoaufzeichnung unter http://dbtg.tv/fvid/6565688.

 

TAB-Berichte im Bundestag

Folgende Berichte wurden im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung präsentiert:

Der TAB-Bericht Nr. 162 „Moderne Stromnetze als Schlüsselelement einer nachhaltigen Energieversorgung“ wurde am 13.01.2016 im Ausschuss für Wirtschaft und Energie abschließend beraten.

 

Neue Veröffentlichungen

TAB-Arbeitsbericht Nr. 165 und TAB-Fokus Nr. 8: „ Bilanz der Sommerzeit“
Die sogenannte Sommerzeit, also das Vorstellen der Uhrzeit um eine Stunde während der Sommermonate, wurde in den Jahren nach der Ölkrise 1973 in vielen europäischen Ländern eingeführt. Zur Sinnhaftigkeit der Sommerzeit gibt es jedoch seit ihrer Einführung unterschiedliche Ansichten und gegensätzliche Positionen, und immer wieder wird von verschiedenen Seiten eine Änderung der Sommerzeitregelung gefordert. Unter diesem Eindruck wurden für den TAB-Arbeitsbericht „Bilanz der Sommerzeit“ die bis heute vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen zur Sommerzeit gesichtet und in der Gesamtschau dargestellt.

Die Aufarbeitung des Wissen- und Erfahrungsstandes zu den Auswirkungen der Sommerzeit erfolgte anhand einer umfassenden Literatur- und Quellenanalyse, von Modellsimulationen zum Stromverbrauch deutscher Haushalte sowie von ergänzenden Erhebungen bei relevanten Institutionen, Verbänden und Organisationen. Zudem erfolgt eine Analyse, welche rechtlichen Optionen und Verfahren für eine Änderung der geltenden EU-Rechtsvorschriften zur Sommerzeit bestehen.

Im Ergebnis verdeutlicht der Bericht, dass die vorhandene wissenschaftliche Studien- und Erkenntnislage zu möglichen Auswirkungen der Sommerzeit noch sehr beschränkt und lückenhaft ist. Gleichwohl liefert sie keine Hinweise darauf, dass die Anwendung der Sommerzeit ernsthafte positive oder negative energetische, wirtschaftliche oder gesundheitliche Effekte nach sich zieht. Insofern bleibt die Frage, ob die „Uhrenumstellung“ beibehalten oder abgeschafft werden soll, auf absehbare Zeit Gegenstand politischer und gesellschaftlicher Debatten, die nur in geringem Maße auf wissenschaftliche Fakten zurückgreifen können. Zu welchen Ergebnissen diese Debatten aber auch immer führen: Eine Änderung der aktuellen Bestimmungen kann nur im Wege einer Revidierung der einschlägigen EU-Richtlinie im Rahmen eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens auf Unionsebene erfolgen. Eine einseitige, nationale Aufkündigung der Regelung ist nicht möglich.

Link zum Arbeitsbericht: http://www.tab-beimbundestag.de/de/pdf/publikationen/berichte/TAB-Arbeitsbericht-ab165.pdf