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IER-Studie: Emissionsminderung von energiebedingten klimarelevanten Spurengasen in der Bundesrepublik Deutschland und Baden-Württemberg
Emissionsminderung von energiebedingten klimarelevanten Spurengasen in der Bundesrepublik Deutschland und in Baden-Württemberg
von Ulrich Fahl
Die Herausforderungen
Die Vermeidung nicht tolerierbarer Klimaveränderungen und die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und Baden-Württemberg sowie die Schaffung ausreichender Arbeit stellen zentrale Herausforderungen dar, denen wir an der Schwelle zum dritten Jahrtausend gegenüberstehen. Diese Herausforderungen haben einen direkten Bezug zur Energieversorgung, da der überwiegende Teil der anthropogenen Treibhausgasemissionen aus der Energieversorgung sowie der Verbrennung fossiler Energie stammt und da die Sicherung des Wirtschaftstandortes und die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze in einem stärkerwerdenden internationalen Wettbewerb ohne eine leistungsfähige Energieinfrastruktur und wettbewerbsfähige Energiepreise nicht gelingen wird. Aufgrund des Diskurses über den Standort Deutschland bzw. Baden-Württemberg dürfen aber die umweltpolitischen Zielsetzungen nicht in Vergessenheit geraten.
Dies wurde noch einmal auf der 2. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention im Juli 1996 in Genf deutlich. Über 130 Umweltminister haben in Genf eine Deklaration angenommen, mit der den Verhandlungen über das Klimaschutzprotokoll ein neuer politischer Impuls gegeben werden soll. So wurden in der Ministererklärung inhaltliche Anforderungen an das bis zur 3. Vertragsstaatenkonferenz, zu der Japan für 1997 nach Kyoto eingeladen hat, zu erstellende Klimaschutzprotokoll formuliert, die über das Berliner Mandat hinausgehen. Es wird gefordert, in der Vereinbarung rechtlich verbindliche, quantifizierte Ziele für die Begrenzung von Treibhausgasemissionen sowie signifikante Reduzierungsraten innerhalb bestimmter Zeiträume, wie 2005, 2010 und 2020, vorzusehen.
Um diesen zentralen Herausforderungen gleichermaßen gerecht zu werden, ist es notwendig, eine nationale bzw. regionale Klimaschutzpolitik ökonomie- und arbeitsplatzverträglich anzulegen. Daher kommt kosteneffizienten Kohlendioxidminderungsmaßnahmen, die mit jeder aufgewendeten Mark eine möglichst hohe CO2-Reduktion erreichen, eine zentrale Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund ist es Zielsetzung der Studie "Emissionsminderung von energiebedingten klimarelevanten Spurengasen in der Bundesrepublik Deutschland und in Baden-Württemberg" des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart, effiziente integrierte Gesamtstrategien zur Minderung von energiebedingten klimarelevanten Spurengasen für Deutschland und für Baden-Württemberg aufzuzeigen.
Ausgangssituation in Deutschland und in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg gelangen pro Kopf der Bevölkerung jedes Jahr 7,6 Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Bundesweit liegt der Pro-Kopf-Ausstoß des vor allem bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehenden Gases bei 11 Tonnen. Dabei ist in Baden-Württemberg der Verkehrssektor mit 29 % derzeit der Hauptverursacher, während die Kleinverbraucher nur mit rund 10 % und die Industrie mit ca. 13 % zu Buche schlagen (vgl. Abb. 1 / nur in gedruckter Form vorhanden). Der Anteil der CO2-freien Energieträger am Primärenergieverbrauch liegt in Deutschland bei ca. 12,4 %, während er in Baden-Württemberg rund 28 % beträgt. Die geringeren CO2-Emissionen pro Kopf sowie der höhere Anteil CO2-freier Energieträger am Primärenergieverbrauch deuten darauf hin, daß in Baden-Württemberg eine gleiche prozentuale Minderung wie im Bundesgebiet schwieriger zu erzielen ist, d.h., daß sie insbesondere nur mit vergleichsweise höheren Kosten zu erreichen ist.
Technische Optionen zur Minderung der Kohlendioxidemissionen
Grundsätzlich lassen sich die energiebedingten CO2-Freisetzungen in die Atmosphäre reduzieren durch
- eine Minderung des Verbrauchs fossiler Energieträger durch rationelle Energieanwendung oder Energieeinsparung,
- eine Substitution kohlenstoffreicher (z.B. Kohle) durch kohlenstoffärmere (z.B. Erdgas) fossile Energieträger,
- den Ersatz fossiler Energieträger durch CO2-freie Energiequellen, wie die erneuerbaren Energiequellen oder die Kernenergie, sowie
- eine Vermeidung der Freisetzung des bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehenden Kohlendioxides in die Atmosphäre (CO2-Entsorgung).
Effiziente CO2-Minderungsstrategien
Als Maß für die Effizienz einer CO2-Minderungsmaßnahme werden die bezogenen CO2-Minderungskosten verwendet. Sie geben den Aufwand in DM an, um durch die Maßnahme die Emission einer Tonne CO2 zu vermeiden (vgl. Abb. 2 / nur in gedruckter Form vorhanden). Dabei bedeuten negative Werte, daß die Maßnahme auch ohne eine Bewertung ihrer CO2-Minderung wirtschaftlich sinnvoll wäre (No-Regret-Maßnahme). Es zeigt sich, daß die bezogenen CO2-Minderungskosten von technischen Maßnahmen eine große Bandbreite aufweisen. Dies bedeutet, daß mit demselben Aufwand, je nach gewählter CO2- Minderungsmaßnahme, eine größere oder kleinere Minderung des CO2-Ausstoßes erreichbar ist (ökologische Effizienz).
Die Aufgabe einer ökonomieverträglichen Minderungsstrategie ist es daher, diejenigen Minderungsmaßnahmen umzusetzen, die, unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beeinflussungen, ein angestrebtes Minderungsziel mit möglichst geringem Kostenaufwand erreichen. Zweckmäßige Minderungsstrategien bedürfen nicht nur einer komplexen Abwägung aller wechselseitigen Einflußfaktoren und Wirkungen bei den technisch-ökonomischen Möglichkeiten der Emissionsminderung, sondern gleichzeitig auch noch einer adäquaten Berücksichtigung der zeitlichen Veränderung von Rahmenbedingungen und der Emissionsanforderungen.
Wesentliche Ergebnisse modellgestützter Systemanalysen
Bei im wesentlichen unveränderten energiepolitischen Rahmenbedingungen, d. h. ohne neue Weichenstellungen für den Klimaschutz, werden im Zusammenhang mit der angestrebten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung die energiebedingten Kohlendioxidemissionen mittel- und langfristig in Baden-Württemberg nicht und in Deutschland nur leicht zurückgehen. Die für Baden-Württemberg bzw. für Deutschland angestrebten Ziele zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen werden nicht erreicht.
Aufgrund der heute in Baden-Württemberg im Vergleich zum Bundesdurchschnitt um 30 % geringeren CO2-Emissionen je Einwohner sind, bei vergleichbaren Kosten, hier die Minderungserfordernisse geringer. Im Rahmen eines bundesweiten Klimaschutzkonzeptes, das die energiebedingten CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 um 25 % und bis 2020 um 50 % im Vergleich zum Jahr 1990 reduzieren will, müßten die CO2-Emissionen in Baden-Württemberg gegenüber 1987 um 15 % bis 2005 und um 33 % bis 2020 gesenkt werden. Diese Minderungen lassen sich umsetzen, ohne die Wirtschaft und die Verbraucher mit höheren Energiepreisen zu belasten.
Die wesentlichen Beiträge für eine derartige kosteneffiziente Reduktionsstrategie, die gleichermaßen dem Klimaschutz und der Sicherung des Wirtschaftsstandortes durch wettbewerbsfähige Energiepreise dient, leisten die Ausschöpfung wirtschaftlicher Energieeinsparpotentiale, insbesondere im Gebäudebereich, die Ausweitung der Nutzung von Erdgas und der Kernenergie sowie der Wasserkraft und der Biomasse. Allerdings müßte zur Erreichung der Klimaschutzziele der Einsatz von Stein- und Braunkohle langfristig deutlich reduziert werden.
Die Halbierung der Kohlenstoffintensität unserer Energieversorgung und die Verdopplung der Energieeffizienz unserer Volkswirtschaft ist eine energiepolitische Zielsetzung, die den Erfordernissen des Klimaschutzes und den Belangen der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und Baden-Württemberg, soweit es die Energieseite betrifft, gleichermaßen gerecht wird. Die Analyseergebnisse zeigen, daß der Schutz des Klimas, als eine wesentliche Komponente einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung, und wettbewerbsfähige Energiepreise, als wichtiger Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes und zur Sicherung der Beschäftigung in unserem Land, nicht einer Quadratur des Kreises gleichkommen, sondern daß beides durchaus erreichbar ist.
Eine Nutzung der kosteneffizienten Kohlendioxidminderungsmöglichkeiten würde es sowohl der Bundesrepublik Deutschland als auch Baden-Württemberg erlauben, im internationalen Rahmen, u. a. auch auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz in Kyoto, eine aktive Rolle bei der Minderung der CO2-Emissionen einzunehmen, ohne die Wirtschaft mit steigenden Energiekosten zu belasten, wenn es gelingt, die bestehenden energiepolitischen Hemmnisse abzubauen und den Marktkräften den Spielraum einzuräumen, der notwendig ist, um das klimaökologisch Notwendige ökonomisch effizient zu erreichen.
Literatur
Fahl, U., Läge, E., Rüffler, W., Schaumann, P., Böhringer, C., Krüger, R., Voß, A.: Emissionsminderung von energiebedingten klimarelevanten Spurengasen in der Bundesrepublik Deutschland und in Baden-Württemberg, Forschungsbericht des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Band 21, Stuttgart, 1995
Kontakt
Dr. Ulrich Fahl
Abteilung ESA
Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung - IER
Universität Stuttgart
Heßbrühlstr. 49a, D-70565 Stuttgart
Tel.: +49 711 78061-0