Friedrich Hinterberger, Fred Luks, Markus Stewenr: "Ökologische Wirtschaftspolitik. Zwischen Ökodiktatur und Umweltkatastrophe" Rezension

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FRIEDRICH HINTERBERGER, FRED LUKS, MARKUS STEWENR: "Ökologische Wirtschaftspolitik. Zwischen Ökodiktatur und Umweltkatastrophe". Berlin u.a.: Birkhäuser Verlag, 1996. ISBN 3-7643-5366-X

Rezension von Jürgen Kopfmüller, ITAS

In der nun schon seit einigen Jahren geführten Diskussion über Definition und Konzepte einer zukunftsfähigen Entwicklung ("Sustainable Development") spielt die Frage, welches Gewicht ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten beigemessen werden soll und wie diese im einzelnen operationalisiert werden können, eine wesentliche Rolle, ist aber zugleich auch heftig umstritten.

Um entsprechende Bewertungen vornehmen zu können, müssen jeweils geeignete Indikatoren sowie Referenz- und Zielwerte gefunden werden. Darüber, wie diese aussehen könnten oder müßten, gehen die Vorstellungen noch weit auseinander. Während im ökologischen Bereich mittlerweile ein Kriterien- und Indikatorenraster - wenn auch nur auf einer sehr grundsätzlichen Ebene - in bezug auf die Nutzungsraten erneuerbarer und nicht-erneuerbarer Ressourcen sowie auf die Belastung der Ökosysteme - einigermaßen im Konsens erarbeitet werden konnte, trifft dies für die Operationalisierung von "Wirtschafts- und Sozialverträglichkeit" nicht in entsprechendem Maße zu. Zwar werden in der Diskussion immer häufiger Begriffe wie "ökologische Umgestaltung der Industriegesellschaft", "ökologische Modernisierung", "ökosoziale Marktwirtschaft" oder "Nachhaltiges Wirtschaften" verwendet. Was dies jedoch konkret für die künftige Gestaltung der Wirtschaftspolitik oder auch für die Frage nach thematischen und methodischen Schwerpunkten in der Wirtschaftswissenschaft bedeutet und wie die hier zu kreierenden Leitbilder angesichts bisheriger und sich abzeichnender Entwicklungstrends aussehen und umsetzbar sein könnten, ist Gegenstand höchst kontroverser Debatten.

Die Tatsache, daß die Befürworter struktureller Umgestaltungen bislang wenig konkrete Vorstellungen präsentieren konnten, begünstigt letztlich das Beharrungsvermögen des Bestehenden und Vertrauten. Der bisher dominierenden Praxis folgend wird somit das Kriterium der "Wirtschaftsverträglichkeit" meist weitgehend mit dem der "Finanzierbarkeit" oder auch dem der "Wachstumsverträglichkeit" gleichgesetzt. Mit einer derart reduzierten Sicht der Ökonomie dürfte allerdings eine hinreichende Ursachenforschung der nicht zuletzt auch durch bestimmte ökonomische Mechanismen und Paradigmen verursachten Nicht-Zukunftsfähigkeit menschlicher Aktivitäten kaum möglich sein. Da Wirtschaftsverträglichkeit im Lichte der Zukunftsfähigkeitsdebatte in jedem Fall mehr bedeuten muß als das Sicherstellen der "Finanzierbarkeit" von Handlungsstrategien und das bloße Rezyklieren der seit Jahrzehnten praktizierten wirtschaftspolitischen und -wissenschaftlichen Ansätze, ist hier noch erheblicher Forschungs- und Handlungsbedarf vorhanden.

Mit dem vorliegenden Buch wollen die drei Autoren, die Mitarbeiter des Wuppertal-Instituts sind, einen Beitrag sowohl zur Konkretisierung dieses Bedarfs wie auch zur Beantwortung einiger Fragen leisten, indem sie versuchen, Voraussetzungen und Elemente einer in diesem Sinne zukunftsfähigen Ökonomie und ihrer Einbettung in die ökologische und die soziale "Säule" näher zu konkretisieren. Sie wollen Grundzüge einer "ökologischen Wirtschaftspolitik" skizzieren, mit der es möglich ist, dem von ihnen in der Einleitung des Buches so bezeichneten Dilemma der Wahl zwischen Scylla (einer möglichen ökologischen - und damit wohl auch wirtschaftlichen und sozialen - Katastrophe) und Charybdis (einem deswegen drohenden ökologischen Diktat unter Einengung individueller Freiheiten) zu entkommen.

Verdienstvoll ist dieses Vorhaben schon aus einem anderen Grund: Wirtschaftspolitik hat sich in den meisten Gesellschaften über Jahrzehnte hinweg zu einem, wenn nicht dem zentralen Politikbereich entwickelt, der in vielfältiger Weise auch die anderen Politikfelder beeinflußt. Er stellt damit einen zentralen Ansatzpunkt für Strategien einer zukunftsfähigen Entwicklung dar, was allerdings bislang kaum in entsprechenden Untersuchungen oder Politikansätzen Niederschlag gefunden hat.

Im ersten Teil des Buches skizzieren die Autoren zunächst ihr Verständnis von "Zukunftsfähigkeit", das eindeutig die ökologische Komponente in den Vordergrund stellt. Ausgehend von einer Beschreibung der unterschiedlichen sozioökonomischen Ursachen für die zu beobachtende globale Umweltkrise - externe Effekte, fehlende Eigentumsrechte und Informationsmangel als Ausdrucksformen von Marktversagen, Fehlorientierungen des technischen Fortschritts, nicht-angepaßte Lebensstile, exponentielles Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum - präsentieren sie als umweltpolitischen Lösungsansatz das Leitbild der Dematerialisierung. Mit diesem durch das Wuppertal-Institut bekannt gemachten Ansatz wird versucht, eine Antwort auf die in der Tat erkennbaren Probleme der traditionellen Umweltpolitik zu geben. Begründet wird er vor allem mit der Argumentation für eine handlungsorientierte Reduktion der Komplexität natürlicher Prozesse, für Ursachen- statt Symptombekämpfung und für das Vorsorge- bzw. Vorsichtsprinzip.

Auf die Ebene politischer Handlungsorientierung wird dieses Leitbild dann mit der ebenfalls aus anderen Arbeiten des Instituts schon bekannten "Faktor-10"-Formel gebracht: Angesichts der bestehenden Knappheit des "Umweltraums" (definiert als Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Ressourcen und den ökosystemaren Tragekapazitäten) und der Verteilung seiner bisherigen Nutzung müssen die Industriestaaten ihre Stoffströme und Emissionen bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts um rund 90 % reduzieren, wofür erhebliche technische und auch soziale Innovationen erforderlich sein werden. Konzeptionelle Basis und Meßlatte hierfür ist MIPS, d.h. die zur Erstellung einer Dienstleistungseinheit benötigte Menge an Materialinput.

Über dieses ökologische Leitbild hinaus nennen die Autoren vier aus ihrer Sicht gesellschaftliche Grundwerte quasi als zusätzliche normative Ausgangspunkte einer ökologischen Wirtschaftspolitik: Entscheidungsfreiheit, Pluralismus, Demokratie und Gerechtigkeit (zwischen den Generationen wie auch innerhalb einer Generation). Gleichzeitig weisen sie auf die in diesem Zusammenhang möglichen Konfliktpotentiale hin. Zum einen können als Folge umweltpolitischer Maßnahmen durchaus ungerechtere, weniger demokratische und Freiheiten einschränkende Verhältnisse entstehen. Zum anderen wird eine effektive und die genannten Grundwerte berücksichtigende Umweltpolitik - je nach der Stringenz ihrer Anforderungen und der Form ihrer Umsetzung - nach den bisherigen Erfahrungen durch eine Reihe von Faktoren behindert: Beispielsweise durch Widerstände von den verschiedenen Akteuren aufgrund für sie unwägbarer Risiken, durch ungleiche Verteilung von Macht - und damit der Möglichkeit der Interessendurchsetzung - zwischen den Akteuren sowie durch die Schwierigkeit oder gar Unmöglichkeit, die Entwicklung der komplexen ökologischen und sozialen Systeme vorherzusehen und damit zu steuern. Damit beschreiben die Autoren das klassische und für die Umweltpolitik hier keineswegs neu erfundene Dilemma zwischen aus Problemen deduzierbaren Handlungsnotwendigkeiten und vorhandenen Steuerungsdefiziten.

Wie könnte nun ein Konzept aussehen, das im politisch-gesellschaftlichen Prozeß bestehen kann und das gleichzeitig der Komplexität ökologischer und sozioökonomischer Systeme gerecht wird, das also den Spagat zwischen erforderlicher Akzeptanz und ausreichender Wirksamkeit schafft? Geleitet von dieser Frage untersuchen die Autoren im zweiten Teil des Buches schon praktizierte und diskutierte wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Ansätze auf ihre Relevanz für die Umsetzung einer ökologischen Wirtschaftspolitik. Dabei richten sie ihren Blick zunächst auf die in der wirtschaftswissenschaftlichen und -politischen Debatte seit Jahrzehnten dominierende Neoklassik und ihre Standardwerkzeuge. Sie referieren die Kritik an den idealtypischen Steuer- und Verhandlungslösungen zur Internalisierung externer Effekte, an modifizierten Verwendungen der Kosten-Nutzen-Analyse bei Umweltproblemen und am Haftungsrecht. Wesentliche Ansatzpunkte dieser Kritik sind die angesichts mangelnder Daten und inhärenter Bewertungsprobleme unrealistische Vorstellung einer "allwissenden" staatlichen Planungs- bzw. Steuerbehörde sowie die Unmöglichkeit idealtypischer Verhandlungen zwischen involvierten Akteuren aufgrund fehlender Eigentumsrechte an der Natur und prinzipiell schwieriger Identifizierung von Verursachern und Geschädigten.

Auch den diskutierten ökologischen Erweiterungen dieser neoklassischen Umweltökonomie über die Festlegung von Belastungsgrenzen ("critical loads") von Ökosystemen oder über den Begriff des Naturkapitals (Gesamtbestand an Ressourcen und Tragekapazitäten der Ökosphäre), verbunden mit der Forderung nach dessen langfristiger Erhaltung, wird nur begrenzte Anwendbarkeit attestiert. Sie stoßen an Grenzen, die ihnen die Komplexität ökologischer Prozesse setzt und sie begünstigen eine Tendenz zu reaktiver Politik. Darüber hinaus ist die mit der Verwendung des Kapital-Begriffs quasi unterstellte Reproduzierbarkeit von Natur ebenso unrealistisch wie die Aufaddierbarkeit höchst unterschiedlicher ökologischer Komponenten zu einem "Gesamtkapital".

Dieser Gruppe von Ansätzen, die durch Informations- und Steuerungsoptimismus geprägter sind,stehen die sogenannten "laissez-faire"-Ansätze gegenüber, die es, in der Tradition von Adam Smith stehend, der "unsichtbaren Hand" des Marktes und dem möglichst freien Spiel seiner Kräfte (vor allem über den Preismechanismus) zuschreiben, eine für die Volkswirtschaft wohlfahrtsoptimale Koordination der Entscheidungen der einzelnen Akteure zu leisten. Anhand einer Skizzierung der "Chicago-School" und der österreichischen Schule der Nationalökonomie zeigen die Autoren die begrenzte, weil von zum Teil unrealistischen Annahmen ausgehende, Verwendbarkeit auch dieser Ansätze für Umweltprobleme auf: Beispielsweise sagen Preise in der Regel gerade nicht "von selbst" die ökologische und nicht immer die ökonomische "Wahrheit". Desweiteren wird der hier zugrundeliegende Technik- und Fortschrittsoptimismus als der Problemlage nicht ausreichend gerecht werdend kritisiert.

Schließlich werden die wesentlichen derzeit in den Wirtschaftswissenschaften diskutierten neueren Ansätze dargestellt, die zwar zumeist als Gegenentwurf zur traditionellen neoklassischen Vorgehensweise entwickelt wurden, nach Ansicht der Autoren jedoch eher als notwendige Ergänzung hierzu verstanden werden sollten: Die evolutorische Ökonomik betont die evolutorische Funktionsweise der Systeme Natur, Wirtschaft und Kultur sowie deren wechselseitige Beeinflussung und Abhängigkeit. Einschränkend ist hier festzuhalten, daß die traditionelle evolutorische Sichtweise, daß menschliches Handeln durch biologische, soziale und ökonomische Evolutionsprozesse determiniert ist, mit der täglichen Beobachtbarkeit rationalen und zweckgebunden geplanten Verhaltens der Individuen kollidiert. Demgegenüber schreibt die neue Institutionenökonomik die "Pfadabhängigkeit" gesellschaftlicher Entwicklung und menschlichen Verhaltens der Existenz formeller (z. B. Gesetze) und informeller Institutionen (z. B. Gewohnheiten), zu. Sie versucht, die Triebkräfte sozioökonomischen Wandels und die sozialen Muster menschlichen Verhaltens zu beleuchten, um strukturelle Erklärungen für umweltschädigendes Verhalten zu finden. Die ökologische Ökonomie wiederum will die Wirtschaftswissenschaft vor allem auf ihre ökologischen Grundlagen konzentrieren. Unter weitgehender Vernachlässigung sozioökonomischer Aspekte wird hier die Bedeutung des Niveaus wirtschaftlicher Aktivität und seiner ökologischen Begrenztheit hervorgehoben.

Aus diesen Überlegungen folgern die Autoren zweierlei: Zum einen existiert kein umweltpolitischer Ansatz und kein Instrumentarium, das für sich alleine ausreichende Wirksamkeit erzielen könnte. Alle Ansätze weisen Vorzüge, aber auch deutliche Nachteile auf. Diese Erkenntnis ist zwar keineswegs neu, verdient jedoch zumindest angesichts der sie noch häufig ignorierenden wirtschaftswissenschaftlichen Debatte wiederholte Erwähnung. Zum anderen stößt die ökonomische Analyse spätestens bei der Erarbeitung politischer Handlungsempfehlungen an Grenzen. Die Autoren blicken daher in einem - allerdings sehr kurzen und selektiven - Ausflug über den wirtschaftswissenschaftlichen Tellerrand hinaus auch auf andere sozialwissenschaftliche Disziplinen. Sie greifen dabei drei sehr unterschiedliche Ansätze heraus: aus der Psychologie die "Logik des Mißlingens" von Dietrich Dörner, die sich mit dem Entscheidungs- und Lernverhalten von Individuen befaßt; aus der Soziologie zum einen die Theorie autopoietischer sozialer Systeme (Hauptvertreter Niklas Luhmann), die besagt, daß Gesellschaften systembedingt nur begrenzt in der Lage sind, auf ökologische Gefährdungen zu reagieren, und zum anderen den Risikogesellschaft-Ansatz von Ulrich Beck, der infolge zunehmender Sensibilisierung durch das Eintreten von Umweltkatastrophen auf eine wachsende Mobilisierung und Politisierung der Bevölkerung setzt.

Die Autoren machen mit diesem "Ausflug" deutlich, daß die Ausdehnung des Blicks auf die Sozio-Ökonomie zweifelsohne unerläßlich ist, um die Realisierungsbedingungen und -möglichkeiten einer reformerischen Umweltpolitik adäquat analysieren und umsetzen zu können. Sie verkennen allerdings ebensowenig, daß der hier unternommene Versuch, Methoden und Ansätze auf einem realistischeren Menschen- und Gesellschaftsbild zu fundieren als dies in der (neoklassischen) Ökonomie der Fall ist, ebenfalls an Grenzen stößt. Diese werden beispielsweise in der Fülle und Komplexität der Informationen und Erkenntnisse gesehen, die dadurch kaum noch faßbar, strukturierbar und in zielführende Bahnen lenkbar sind. Probleme werden auch gesehen, die einzelnen an bestimmten Komponenten (gesellschaftliche Subsysteme, Funktionsbereiche, Institutionen oder Akteure) ansetzenden Theorien zweckdienlich zusammenzuführen.

Ausgehend von den Überlegungen der ersten beiden Teile versuchen die Autoren dann im dritten und letzten Teil, Lösungsansätze einer ökologischen Wirtschaftspolitik aufzuzeigen, die sich in dem Spannungsfeld zwischen (Um)Steuerungserfordernissen und grenzen bewegt. Sie gehen hierfür von zwei strategischen Grundprinzipien aus: der schon erwähnten Dematerialisierung und der Errichtung von (ökologischen) "Leitplanken" für die sozioökonomische Entwicklung, innerhalb derer eine Gesellschaft langfristig umweltverträglich agieren kann. Im Zusammenhang mit dem Dematerialisierungsleitbild weisen die Autoren der gesellschaftlichen Akzeptanz und der Kompatibilität mit bestehenden informellen Institutionen zentrale Bedeutung zu. Sie nennen einige Elemente, die sie in diesem Sinne für erforderlich und geeignet halten. Diese reichen von der Überzeugungsarbeit in Richtung einer Überwindung persistenter, dem Leitbild entgegenstehender Institutionen, über die Verbesserung von Informationsgrundlagen zur Materialintensität von Produkten, die Installierung der Dematerialisierung als ein neues, mit dem Gewinnstreben kompatibles Unternehmensleitbild bis hin zu neuen Wohlstandsmodellen, die davon ausgehen, daß technische Ansätze zur Lösung der Umweltprobleme nicht ausreichen werden. Mit Blick auf die erforderlichen Wertewandelprozesse zur Realisierung einer Umgestaltung der Konsumgesellschaft weisen die Autoren der Politik nur eine begrenzte Rolle zu. Vielmehr gehe es darum, Wege zu finden, auf denen ein gesellschaftlicher Wohlstand realisierbar ist, der die Sicherung natürlicher und sozioökonomischer Entwicklungsbedingungen ermöglicht, der jedoch von den Akteuren nicht mit "Verzicht", "Askese" oder "Enthaltsamkeit" assoziiert wird. Das Leitbild der Dematerialisierung halten sie für das Bestgeeignete, um diesen Wertewandel bei Verbrauchern, Produzenten und Politikern anzustoßen.

Nach Auffassung der Autoren muß dieses Leitbild durch "ökologische Leitplanken" ergänzt werden, die eine Zielorientierung für die Schaffung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen bieten sollen, mit denen ein - prinzipiell nicht "planbarer" - ökologischer Strukturwandel induziert werden soll. Über die "Faktor-10"-Formel sollen Regeln innerhalb eines Ordnungsrahmens vorgegeben werden, an denen sich die Akteure orientieren können, um wirtschaftliches und umweltfreundliches Verhalten zu verknüpfen.

Bei ihrer Betrachtung von Maßnahmen und Instrumenten einer strukturwandel-orientierten ökologischen Wirtschaftspolitik richten die Autoren ihren Blick neben den bekannten Anreizmechanismen über Steuern, Subventionen oder Zertifikate vor allem auf den weiten Bereich derzeit diskutierter und mitunter praktizierter Ansätze zur Unterstützung freiwilliger Verhaltensänderungen und Vereinbarungen: etwa über eine verbesserte Informationsbasis für die Akteure zu leitbild-adäquatem Verhalten; über die Durchführung Öko-Audits auf Unternehmensebene; über die Erziehung und die verschiedenen Formen der Weiterbildung; über eine umfassendere Verantwortung der Hersteller für ihre Produkte oder auch über Kooperations- und Verhandlungsmechanismen zwischen verschiedenen Akteuren. Die immer wieder gestellte Frage nach dem "besten" Instrument wird auch hier - sinnvollerweise - mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit eines problem- oder sektorspezifischen Instrumenten-Mix beantwortet.

Entscheidend für eine zielführende Realisierung einer ökologischen Wirtschaftspolitik in Richtung unternehmerischer Innovationen und verändertem Verbraucherverhalten ist für die Autoren schließlich das Vorhandensein von Bedingungen, die prinzipiell Handlungsfreiräume für die Akteure fördern: Dies umfaßt ökonomische Handlungs- und Entscheidungsfreiheiten für Unternehmen (z.B. Förderung der Innovationsfähigkeit, Stabilisierung der Erwartungen, ausreichender Wettbewerb) und Konsumenten (vor allem über bessere Informationen zu Produkten), politisch-demokratische Freiräume (etwa mehr Mitbestimmung bei betrieblichen Entscheidungsprozessen oder gesellschaftliche Diskurse) sowie soziale Freiräume (vor allem durch eine Neugestaltung der sozialen Sicherungssysteme über Grundeinkommen oder eine Neubewertung von Erwerbs- und Nicht-Erwerbs-Arbeit).

Mit diesen eher grundsätzlichen Andeutungen in bezug auf notwendige Rahmenbedingungen wird ein Buch abgeschlossen, dessen Verdienst zweifellos vor allem darin besteht, einem relativ breiten Publikum in weitgehend allgemeinverständlicher Sprache das Beziehungsgeflecht zwischen Ökonomie und Ökologie und insbesondere zwischen Wirtschafts- und Umweltpolitik näher zu bringen und dies mit Vorschlägen zu ihrer problemadäquaten Verknüpfung zu verbinden. Es werden Indikatoren, Ziele, Maßnahmen und Rahmenbedingungen einer Politik zur Einleitung einer zukunftsfähigen Entwicklung angesprochen. Mit ihren Vorschlägen zu einer "ökologischen Wirtschaftspolitik" haben die Autoren versucht, einen Markstein in relativem Neuland innerhalb der Debatte um die erforderlichen politischen Handlungsstrategien einer solchen Entwicklung zu setzen.

An dieser Stelle sind allerdings auch einige kritische Anmerkungen notwendig. Sie beziehen sich vor allem auf zwei Punkte. Zum einen kommt, gemessen an den in Titel und Vorwort des Buches zumindest geweckten Hoffnungen, Grundlagen für ein umsetzbares Konzept einer ökologischen Wirtschaftspolitik vorzustellen, die Beschreibung oder Diskussion konkreter Lösungsansätze und Umsetzungsbeispiele vergleichsweise zu kurz. Es zeigt sich an vielen Stellen, daß der alleinige Hinweis auf die Koordinierungsfähigkeiten der Marktwirtschaft oder die mehrfach betonte Hoffnung auf die Innovationskraft des "dynamischen Unternehmers" zu kurz greifen und zu einfach gestrickt sind, um nicht zuletzt angesichts der auch in dem Buch mehrfach betonten realen Komplexitäten adäquate Strategien entwickeln zu können. Über die - ohne Zweifel sinnvolle - Forderung einer engen Verzahnung und Integration von Umwelt- und Wirtschaftspolitik hinaus sagen die Autoren beispielsweise wenig dazu, wie dies in der gegenwärtigen Praxis föderaler Politikstrukturen und weitgehend auf Einzelfragen ausgerichteter Kompetenzen und Zuständigkeiten realisiert werden könnte.

Zum anderen sind keineswegs alle Vorschläge der Autoren zur Entwicklung oder zum Abbau umweltpolitischer Regelungen gänzlich unumstritten. Dies trifft zunächst für die Kernthese des Buches zu: die prinzipielle Reduzierung der "ökologischen Wirtschaftspolitik" auf den Dematerialisierungsansatz. Es lassen sich relativ leicht zahlreiche Beispiele dafür finden, daß der ausschließliche Blick auf die Materialintensität bei tagespolitischen Entscheidungen über bestimmte Handlungsalternativen nicht immer zu eindeutigen oder "richtungssicheren" Ergebnissen führen muß. So würde der MIPS-Indikator etwa eine klare Präferenz für ein ölbefeuertes Blockheizkraftwerk ausweisen mit einem stündlichen Ölverbrauch von einer Tonne im Vergleich zu einem holzbefeuertem Kraftwerk mit einem Verbrauch von vier Tonnen Holz und einer deutlich größeren Feuerungsanlage. Im Hinblick auf das CO2-Problem würde jedoch die Präferenz genau umgekehrt lauten. Darüber hinaus könnte ein solcher Indikator z.B. nicht zwischen Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft und Raubbauholz unterscheiden (zur ausführlicheren Kritik dieses Ansatzes vgl. U. Jeske/J. Kopfmüller, D. Wintzer: Rezension des Buchs von Friedrich Schmidt-Bleek "Wieviel Umwelt braucht der Mensch? MIPS - Das Maß für ökologisches Wirtschaften", in: TA-Datenbank-Nachrichten, Nr. 1/2 1995, S. 11-16).

Desweiteren ist zumindest fraglich (und auch von den Autoren erwartungsgemäß nicht bewiesen), daß eine derartig stringente "Leitplanke" des Reduktionsfaktors 10, im Sinne einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz und angesichts der - auch von den Autoren eingeräumten - wissenschaftlichen Unsicherheiten, die adäquate Strategie ist. Es ist weder im Detail überprüft, ob eine Reduktion der Stoffverbräuche um 90 % in den nächsten 50 Jahren in den Industriestaaten dort bzw. global gesehen ohne erhebliche gesellschaftliche Verwerfungen möglich ist, noch, von welcher Art und Intensität solche Verwerfungen im einzelnen sein könnten. Die bis heute beobachtbare Praxis zeigt, daß die Vorstellung der Autoren, mit einer Freiräume vergrößernden Umweltpolitik könnten auch Gestaltungsspielräume etwa in der Beschäftigungs- oder Sozialpolitik eröffnet werden, häufig daran scheitert, daß die Akteure ihre Entscheidungen selten mit dem Ziel der Verknüpfung oder Abwägung der drei "Säulen" treffen. Darüber hinaus sind auch viele Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge wenig bekannt. So sind etwa zumindest die mittel- und langfristigen Beschäftigungseffekte bestimmter umweltpolitischer Initiativen in der Wissenschaft erheblich umstritten. Darüber und über hierfür diskutable neue Denkansätze wäre eigentlich zunächst ein breiter gesellschaftlicher Diskussionsprozeß notwendig, der bislang noch kaum stattgefunden hat.

In den Vorschlägen der Autoren zur Realisierung dieser Dematerialisierung wird insbesondere auf die Bedeutung von Information, Wissen und Überzeugungsarbeit hingewiesen, allerdings meist im allgemeinen verbleibend. Im Zusammenhang mit den geforderten "neuen Wohlstandsmodellen" bleibt es etwa bei Formulierungen wie "Suche nach dem adäquaten gesellschaftlichen Rhythmus", der zwischen Beschleunigung und Entschleunigung bestimmter Aktivitäten oder zwischen ökologischer Angepaßtheit und Vermeidung von langweiligem Leben gefunden werden müsse. Konkretere Beispiele wären hier - sofern überhaupt möglich - hilfreich gewesen, der Vorstellungskraft der Leser auf die Sprünge zu helfen.

Im Zusammenhang mit dem Dematerialisierungsaspekt ist schließlich zu bemängeln, daß die Autoren den globalen Aspekt dabei gänzlich aus den Augen verloren haben. Eine im Sinne der Dematerialisierung erfolgreiche Politik in den Industriestaaten - d.h. eine drastische Verringerung der Stoffverbräuche - würde in zahlreichen, vorwiegend von den Erträgen aus Rohstoffexporten lebenden, Entwicklungs- und Schwellenländern zu teilweise existentiell bedrohlichen Einkommensausfällen führen. Ohne entsprechende, von den Industriestaaten zu tragende, Ausgleichsmaßnahmen würde dies zu erheblichen Problemen in diesen Ländern führen, mit der Folge vielfältig möglicher Rückwirkungen auf die Industriestaaten (Wanderungsbewegungen, Zusammenbrüche von Märkten usw.).

Angesichts der an vielen Stellen deutlich werdenden Schwerpunktsetzung des Buches auf Umweltaspekte behandeln die Autoren eigentlich eher das Thema "Umweltpolitik in der Marktwirtschaft" als "ökologische Wirtschaftspolitik". Um diesem Titel auch im eingangs angedeuteten analytischen Sinne angemessen Rechnung zu tragen, müßte jedoch der Blick wesentlich intensiver auf Funktion und Verwendung der real existierenden wirtschaftspolitischen Parameter und Paradigmen gerichtet werden. Einerseits werden zentrale wirtschaftspolitische Felder wie die Finanz-, Arbeitsmarkt-, Wettbewerbs- oder Handelspolitik kaum oder wenig differenziert thematisiert (beispielweise wird ein möglichst ungehinderter Wettbewerb gefordert, ohne die längst bekannten, durchaus auch potentiell ökologisch problematischen, Verdrängungs- und Konzentrationseffekte auf den Märkten ins Kalkül zu ziehen). Möglichkeiten, Notwendigkeiten, Effekte und Probleme einer Strukturpolitik werden ebenfalls nicht angesprochen. Dies mag dem Credo der Autoren entspringen, staatliche Aktivitäten möglichst gering zu halten, gerade die aktuellen Beispiele des Kohle- oder Stahlsektors zeigen jedoch, wie sehr wirtschaftliche, ökologische und soziale Komponenten miteinander verwoben sind und wie begrenzt ihre Koordinierung alleine dem Marktmechanismus überlassen bleiben kann. In diesem Zusammenhang ist generell festzustellen, daß bei den Autoren kein konsistentes Verständnis der Funktion und Eingriffstiefe von Politik erkennbar ist. Dem häufig propagierten Paradigma einer möglichst zurückhaltenden Politik steht z.B. entgegen, daß die Innovationsfähigkeit von Unternehmen oder der Wettbewerb auf Märkten gefördert werden sollen, wofür sehr gezielt aktive Politik erforderlich ist.

Andererseits werden bislang dominierende ökonomische Paradigmen zu wenig oder nur implizit thematisiert und hinterfragt. Dies gilt etwa für den Freihandel in seiner gerade auch ökologischen Relevanz, die Globalisierung von Produktion, Konsum und Dienstleistungen im allgemeinen oder auch das Wachstumsparadigma. Das in den 1960er Jahren geschaffene sogenannte Stabilitätsgesetz, das mit seinem "magischen Zielviereck" (angemessenes Wirtschaftswachstum, Preisniveaustabilität, Vollbeschäftigung und Aussenhandelsgleichgewicht) zugleich einen wesentlichen Eckpfeiler der Wirtschaftspolitik, für viele aber auch einen Ausgangspunkt für manche der heutigen Probleme darstellt, findet keine Erwähnung. Ein weiteres Beispiel für das zwar notwendige, aber noch ungenügend operationalisierte Ansetzen an Institutionen: Zwar besteht mittlerweile weitgehender Konsens darüber, daß die jahrzehntelange Praxis, das Bruttosozialprodukt (BSP) als entscheidenden Indikator für gesellschaftlichen Wohlstand und Entwicklung zu verwenden und daran Politik zu orientieren, unzureichend ist. Umstritten ist jedoch, wie eine Erweiterung des BSP um andere ökonomische sowie um ökologische und soziale Kriterien zu gestalten und zu institutionalisieren wäre. Die bisher hierzu vorliegenden Arbeiten lassen tendenziell erst in weiterer Ferne liegende Ergebnisse erwarten.

In der Frage geeigneter Instrumente zur Umsetzung von Maßnahmen in Richtung einer zukuftsfähigen Entwicklung plädieren die Autoren zwar für einen ökologischen "Instrumentenmix", der sich allerdings auf preispolitische bzw. marktwirtschaftliche Instrumente veränderter Anreizstrukturen (Steuern, Subventionen oder Zertifikate) sowie die Unterstützung freiwilliger Maßnahmen beschränkt. Die nach den bisherigen Erfahrungen und Experteneinschätzungen relativ preisunelastischen Bereiche Verkehr oder Energieverbrauch sind typische Indizien dafür, daß selbst für den Fall, die ökologisch "wahren Preise" wären ermittelbar, ein problem- und sektorangepaßter Instrumentenmix auch die Palette ordnungsrechtlicher Regulierungskomponenten enthalten muß.

Weitgehend unbehandelt bleibt leider auch die naheliegende Frage, in welcher Form oder zu welchen Fragestellungen die verschiedenen skizzierten traditionellen und neueren wirtschaftswissenschaftlichen Ansätze zusammengeführt werden könnten bzw. welche Rolle einer dergestalt modifizierten Ökonomik innerhalb politischer oder gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse zukommen könnte. Hierzu wären vertiefte Überlegungen notwendig.

Insgesamt festzuhalten bleibt also: Die von den Autoren vorgelegten Vorschläge für eine "ökologische Wirtschaftspolitik" sind in jedem Fall eingehender in Hinblick auf ihre Voraussetzungen, Folgen und ihre Angemessenheit zu diskutieren. Dies dürfte auch im Interesse der Autoren liegen. Dergestalt verstanden als Anstoß zu Diskussion und weiterer Forschung und im Sinne der zweifelsfrei notwendigen Erweiterung eines bislang eingeschränkten Blickwinkels kommt dem vorliegenden Buch maßgebliche Bedeutung in der Debatte um eine praktikable Operationalisierung von "Sustainable Development" zu.