Fachgespräch des Bundestagsausschusses „Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung“ zum Thema „Stand und Perspektiven der Wissenschaftskommunikation“

Tagungsberichte

Wissenschaftskommunikation zwischen Informationsvermittlung und Partizipation

Bericht vom Fachgespräch des Bundestagsausschusses „Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung“ zum Thema „Stand und Perspektiven der Wissenschaftskommunikation“[1]

Berlin, 14. Oktober 2015

von Marc-Denis Weitze, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, München

Wie soll die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Technik auf der einen sowie Medien und Öffentlichkeit auf der anderen Seite gestaltet werden? Welche neuen Kommunikationsformate gibt es, die eine bessere Information und Beteiligung ermöglichen? Hinsichtlich der Rolle der Bundespolitik stellen sich Parlamentarier Fragen wie die folgenden: Werden die falschen Kampagnen und Prestigeprojekte gefördert? Nehmen an „Bürger“dialogen die richtigen Personen teil? Sollen statt Wissenschaftlern Agenturen für die Kommunikation sorgen?

Grundlage des Fachgesprächs „Stand und Perspektiven der Wissenschaftskommunikation“ waren die Stellungnahme „Zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien“ von acatech, Akademienunion und Leopoldina (acatech et al. 2014), der „Siggener Aufruf“ und Leitlinien zur Wissenschafts-PR, die auf Initiative von Wissenschaft im Dialog und Bundesverband Hochschulkommunikation erarbeitet wurden (Wissenschaft im Dialog 2015). Etwas übertrieben war sicherlich der Anspruch in der Ankündigung („Überprüfung bzw. Neugestaltung der Grundlagen der Wissenschaftskommunikation“), aber in der Veranstaltung wurden wesentliche Themen diskutiert: einerseits zu Wissenschaftsjournalismus und -PR, andererseits zu Partizipation. Diese Themen haben gemeinsame Fragestellungen, etwa hinsichtlich der Diskussion zu Definition, Zielen, Zielgruppen, Qualitätskriterien, zur Rolle sozialer Medien und dazu, wie Beschränkungen der Wissenschaft sichtbar gemacht werden. Wissenschaftskommunikation ist im Sinne von Informationsvermittlung eine Grundlage von Partizipation und partizipative Formate können ihrerseits ein Verständnis von Wissenschaft befördern, zu ihren Methoden, zur Rolle von Nicht-Wissen und zur Trennung von Fakten und Bewertung – aber es sind doch zwei unterschiedliche Themenfelder, die entsprechend auch in der Diskussion getrennt blieben.

1     Themenfeld „Wissenschaft – Öffentlichkeit – Medien“

Versteht man Wissenschaftskommunikation „im Sinne einer beständigen und aktiven Information der Öffentlichkeit durch Forschungseinrichtungen, Universitäten und andere Wissenschaftsorganisationen über Erkenntnisfortschritte der Wissenschaft sowie über deren gesellschaftliche und politische Implikationen“ (acatech et al. 2014, S. 9), dann liegen Wissenschaft einerseits und Medien andererseits im Blickfeld. Die Akademien haben im vergangenen Jahr empfohlen, dass wissenschaftliche Einrichtungen gemeinsam mit Journalistinnen und Journalisten Qualitätskriterien zur Kommunikation von Forschungsergebnissen und für die wissenschaftsjournalistische Arbeit entwickeln (acatech et al. 2014, Kap. 2). Ein Ansatz, der in diese Richtung geht, ist der Entwurf zu „Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR“ eines von Wissenschaft im Dialog und dem Bundesverband Hochschulorganisation organisierten Arbeitskreises. Als zugrunde liegende Werte der Wissenschaftskommunikation werden hier genannt: Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit, Nutzen für die Gesellschaft, Transparenz, Offenheit der Wissenschaft für den aktiven Dialog mit der Gesellschaft, Selbstkritik und Veränderungsbereitschaft, Unabhängigkeit sowie die Kooperationsbereitschaft aller Akteure (Wissenschaft im Dialog 2015).

Tatsächlich haben sich in den vergangenen Jahre sowohl die Wissenschafts- als auch die Medienlandschaft stark verändert – und damit auch die Spielregeln der Wissenschaftskommunikation. Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, wies darauf hin, dass in den Hochschulen einzig der Bereich der „Kommunikation“ wachse – eine Kommunikation, die freilich kaum noch Aufmerksamkeit findet auf einem mit Information gesättigten Markt. Julia Wandt, die Vorsitzende des Bundesverbandes Hochschulkommunikation und Leiterin der Stabsstelle Kommunikation der Universität Konstanz, beschrieb demgegenüber zahlreiche Betätigungsfelder der Hochschulkommunikation, in denen diese nicht nur als „Sender“ auftrete, sondern im Sinne einer „strategischen Kommunikation“ mit so verschiedenen Zielgruppen wie Schülern, Politik und Unternehmen in Dialog trete.

Während Universitäten und Forschungseinrichtungen ihre Außendarstellung also immer stärker professionalisiert haben, treten kostenlose Internetangebote in Konkurrenz zu klassischen Medien. Der Wissenschaftsjournalismus ist davon in besonderem Maße bedroht, wie auch Jan-Martin Wiarda, Journalist für Bildung und Wissenschaft, früher u. a. Kommunikationschef der Helmholtz-Gemeinschaft, betonte. Es werde nach alternativen Finanzierungsmodellen des Wissenschaftsjournalismus gesucht. Welche Rolle könnte hier das Science Media Center spielen, in dem ein Team aus Wissenschaftsjournalisten bestmögliches Wissen, seriöse Experten und verlässliche Expertisen aus der Wissenschaft an Journalisten in allen Mediengattungen vermittelt?

Die Tiefseeforscherin und Professorin für Geomikrobiologie an der Universität Bremen Antje Boetius beschrieb als Vorsitzende des Lenkungsausschusses von Wissenschaft im Dialog zwei Fragen der Wissenschaftskommunikation: Viele Menschen werden noch gar nicht von der Wissenschaftskommunikation erreicht – wie kann man sie erreichbar machen? Und da innerhalb der Wissenschaft die Wissenschaftskommunikation einen geringeren Stellenwert als Forschung und Lehre hat, stellte sie die Frage, inwieweit die Politik hier Rahmenbedingungen verändern soll, um mehr Anreize für Kommunikation zu schaffen.

2     Themenfeld „Partizipation“

Versteht man als Ziel der Wissenschafts- und Technikkommunikation, „den Einsatz von Technik und die Entwicklung neuer Technologien in einem umfassenden Prozess der Abstimmung von Wissensansprüchen, Interessen, Werten und Präferenzen unter Einbeziehung aller interessierten gesellschaftlichen Gruppen nach Maßgabe der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten zu gestalten“ (acatech 2012, S. 8), steht die Öffentlichkeit im Blickfeld. Referiert wurde u. a. auf ein aktuelles Papier des Wissenschaftsrats, in dem die Beteiligung von Akteuren außerhalb der Wissenschaft als Chance erkannt wird: „Die Berücksichtigung spezifischer Wissensbestände, Interessen und Wertvorstellungen verschiedener gesellschaftlicher Akteursgruppen erhöht die Perspektivenvielfalt und verbreitert die Wissensbasis hinsichtlich der Entwicklung von Forschungsagenden und Förderprogrammen“ (Wissenschaftsrat 2015, S. 26). So empfiehlt der Wissenschaftsrat „die Bedingungen und Möglichkeiten unterschiedlicher Beteiligungsformen zu untersuchen und dafür Experimentierräume zu schaffen“ (Wissenschaftsrat 2015, S. 27). Wie lassen sich etwa Formate finden, mit denen die Gesellschaft auf Forschungsagenden und -designs Einfluss nehmen kann?

Reinhold Leinfelder, Direktor von „Haus der Zukunft“, bemerkte, dass in der Wissenschaftskommunikation bislang „lineare“ Formate dominierten, die dem Bedarf nach einem solchen Diskurs (auch angesichts der Komplexität der Themen) nicht gerecht würden. Er plädiert für „slow media“ (z .B. Ausstellungen, Science Cafés), insgesamt für eine größere Vielfalt an Formaten und für mehr Experimente. Ebenso vielfältig seien die Ziele von Wissenschaftskommunikation: Sie bewegten sich zwischen Legitimation von Wissenschaft und Freude an Wissenschaft. Leinfelder betonte, dass wichtiger als „Akzeptanzbeschaffung“ die Vermittlung dessen sei, was von Wissenschaft und Technik gemeinsam gestaltet werden könne. Hier hätten Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft spezifische Beiträge zu leisten.

Steffi Ober, Projektleiterin der Zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, sucht Wege, wie das Wissen etwa der NGOs in die Diskussion um Wissenschaft und Technik kommt. Gefragt seien „Resonanzräume“, in denen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft in Dialog kommen und die Relevanz von Themen (und damit auch die Prioritätensetzung in der Forschungsförderung) diskutiert werden kann – anstatt dass Themen von „Wissenschaft und Wirtschaft allein“ als relevant definiert würden. Ganz ähnlich betonte Thomas Korbun, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und Sprecher des Ecological Research Network (Ecornet), dass Partizipation bereits im Forschungsprozess stattfinden sollte.

Fragen einzelner Abgeordneter betrafen generelle Fragen zur Akzeptanz (wie viele Menschen sollten informiert oder interessiert oder begeistert sein angesichts der hohen ökonomischen Relevanz von Wissenschaft und Technik?) und Fragen zum Bild der Wissenschaft (Problemlöserin? Gestalterin?). Diskutiert wurden die Wirkung von Wissenschaftskommunikation und der Beitrag, den die Politik in diesem Feld nun leisten sollte (was u. a. im Sinne finanzieller Förderung verstanden wurde).

Anmerkung

[1] Die Statements der sieben eingeladenen Sachverständigen sind verfügbar unter http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a18/fg-wissenschaftskommunikation/391290. Die Veranstaltung ist dokumentiert als Video: http://dbtg.tv/cvid/5957178.

Literatur

acatech (Hg.), 2012: Perspektiven der Biotechnologie-Kommunikation. Heidelberg

acatech, Akademienunion, Leopoldina (Hg.), 2014: Zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien. Halle

Wissenschaft im Dialog, 2015: Siggener Kreis; http://www.wissenschaft-im-dialog.de/ueber-uns/siggener-kreis/ (download 20.11.15)

Wissenschaftsrat, 2015: Zum wissenschaftspolitischen Diskurs über große gesellschaftliche Herausforderungen. Positionspapier; http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4594-15.pdf (download 11.11.15)

Redaktioneller Hinweis

Als Schwerpunkt der TATuP 1/2016 ist das Thema „Kommunikation neuer Technologien“ geplant.