Das Forum für Wissenschaft und Technik in Göttingen nimmt seine Arbeit auf
Das Forum für Wissenschaft und Technik in Göttingen nimmt seine Arbeit auf
von Martin Socher
Das Ziel des Forums - weit gefaßt und gemeinnützig
Deutschland steht gegenwärtig vor einer Reihe von Aufgaben, deren nachhaltige Lösung über seine Zukunft als Standort mit hoher Lebens- und Umweltqualität, Wirtschaftskraft und Innovationsfähigkeit entscheiden wird. Es ist schon Allgemeingut in der Diskussion, daß Wissenschaft und Technik einen wesentlichen Beitrag zur Standortsicherung erbringen. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Bedeutung dieses Standortfaktors zunehmen wird. Die Vermittlung von Wissen und die Auseinandersetzung über die Ergebnisse von Forschungs- und Entwicklungsprozessen kann somit auch als ein grundsätzliches gesellschaftliches Anliegen betrachtet werden. Der gesellschaftliche Diskussionsbedarf über die Wirkungen neuer Forschungsergebnisse und Technologien benötigt Institutionen und Formen, die einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft entsprechen. Die Göttinger Initiative "Forum für Wissenschaft und Technik" will sich zukünftig als ein wesentlicher Bestandteil des gesellschaftlichen Diskurses über diese Themen präsentieren. Getragen durch einen Förderverein hat sich in Göttingen eine gemeinnützige Gesellschaft (mbH) etabliert, die dazu beitragen will, den notwendigen Diskurs zwischen Öffentlichkeit, Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern und zu organisieren. Die Kooperation mit der Universität Göttingen und dem Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag sowie die Resonanz in Wissenschaft und Wirtschaft lassen eine interessante Entwicklung des Forums in Richtung einer national bedeutsamen Einrichtung erkennen.
Seit dem ersten Februar 1996 hat das "Forum für Wissenschaft und Technik" in Göttingen nun seine Arbeit offiziell aufgenommen. Das in Form einer gemeinnützigen GmbH etablierte Forum hat sich die Förderung der Wissenschaft und des Verständnisses für Wissenschaft und Technik als Ziel gestellt. Im Gesellschaftsvertrag wird in §2 Abs.2 der Zweck der Gesellschaft beschrieben: "Der Gesellschaftszweck wird insbesondere durch die Errichtung und die Unterhaltung eines national bedeutsamen Forums für Wissenschaft und Technik in Göttingen verwirklicht".
Die Einrichtung eines "Forums für Wissenschaft und Technik" als Ausstellungs- und Tagungszentrum, das sich an eine breite Öffentlichkeit richtet, versteht sich als Beitrag zur Förderung der öffentlichen Diskussion über die Bedeutung, die Wissenschaft und Technik für das Alltagsleben haben, und kann als Initiative von bundesweiter Bedeutung angesehen werden. Die grundsätzliche Konzeption des Forums beinhaltet drei verschiedene, miteinander korrespondierende Bereiche:
- Einen Ausstellungsbereich, der als "Exploratorium" und "Experimentarium" konzipiert ist,
- den Forenbereich, in dem Tagungen, Symposien und andere wissenschaftliche und öffentliche Veranstaltungen durchgeführt werden und
- einen wissenschaftlichen Bereich, in dem das Forum eigene Beiträge zu den entsprechenden Projekten bearbeitet.
Das Göttinger Forum will
- durch attraktive Inhalte eine breite Öffentlichkeit zur Auseinandersetzung mit der Gestaltung und Wirkung neuer Technologien anregen,
- durch die innovative Gestaltung der verschiedenen Ausstellungsbereiche eine für Deutschland neue Form des "begreifenden" Verstehens schaffen und
- durch verschiedenste Foren eine neue Qualität des öffentlichen Diskurses über neue Technologien, ihre Wirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft und den damit verbundenen Chancen und Risiken etablieren.
Der Ausstellungsbereich - interaktiv und attraktiv
Das Ausstellungskonzept ist mehrstufig angelegt. In einer Kernausstellung soll Wissenschaft und Technik im Überblick als gesellschaftliche Aktivität und Gegenstand gesellschaftlicher Wertschätzung und Kritik gezeigt werden. Um diese Kernausstellung werden sich verschiedene Themenbereiche gruppieren, die sich mit dem Menschen, seinen Bedürfnissen und damit zusammenhängenden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben auseinandersetzen. Dieser Ausstellungsbereich soll aktuelle Forschungsergebnisse und Technologieinnovationen einer breiten Öffentlichkeit nahebringen und in das gesellschaftliche Umfeld einordnen. Die Exponate sollen zum experimentieren und aktiven Lernen einladen und ein sinnliches und interaktives Erlebnis vermitteln. Insgesamt stellt das Exploratorium/Experimentarium die größte gestalterische Herausforderung für das Forum für Wissenschaft und Technik dar. Schließlich geht es darum, moderne Wissenschaft und Technologie einem breiten Publikum verständlich darzustellen, so daß die Besucher neben einem Aha-Erlebnis auch noch Spaß haben. Die konzeptionellen Vorstellungen für den Exploratoriumsbereich deuten darauf hin, daß der Bildungsaspekt durch die eigenständige Auseinandersetzung mit einem Phänomen oder einem Thema insgesamt ersetzt werden soll. Das heißt dennoch, daß bestimmte Grundlagen in didaktisch aufbereiteter Form benötigt werden, um dem Besucher die Auseinandersetzung mit der Thematik erst zu ermöglichen. Während es für die bildliche, sprachliche und physische Gestaltung von Ausstellungsstücken große Erfahrungen gibt, steht die Erarbeitung von interaktiven, didaktisch anspruchsvollen und auch robusten Exponaten für die Darstellung von Forschungsprozessen und -ergebnissen erst am Anfang. Insbesondere in diesem Bereich wird in den kommenden Jahren viel Arbeit geleistet werden müssen, um eine hohe Anziehungskraft des Forums zu erreichen.
Nicht nur die Exponate sondern auch die Ausstellung an sich lassen interessante gestalterische Lösungen erwarten. Angesiedelt in der ehemaligen Göttinger Lokhalle werden dem Forum Baulichkeiten zur Verfügung gestellt, die ein klassisches technisches Ambiente mit modernstem Ausstellungsdesign verbinden werden. Die Göttinger Lokhalle, gegenwärtig noch die größte niedersächsische Industrieruine, stellt ein Industriedenkmal allererster Qualität dar, solider Stahlbau im Inneren, eine Gründerzeit-Backsteinarchitektur und ein transparentes Dach erlauben eine lichtdurchflutete, mehrdimensionale Gestaltung der Ausstellungsflächen, die selbst zu einem Element des Exploratoriums/Experimentariums werden kann. Eingebunden wird das Forum für Wissenschaft und Technik in das gegenwärtig im Entstehen begriffene "Otto-Hahn-Zentrum", das unter dem Dach der Lokhalle und der angrenzenden Flächen verschiedenste Einrichtungen vereinen wird, so z.B. ein modernes Kino, vielfältige Gastronomie- und Einkaufsangebote. Durch die behutsame Entwicklung der gesamten Fläche wird ein Konzept angestrebt, das anspruchsvolle Unterhaltung mit Informations-, Bildungs- und Diskussionsangeboten verbindet.
Die Beteiligung an der Expo 2000 - der anspruchsvolle Einstieg
Neben dem Aufbau des Forums für Wissenschaft und Technik in Göttingen, am Standort Otto-Hahn-Zentrum, liegt gegenwärtig der Schwerpunkt der inhaltlichen Arbeiten in der Beteiligung an der Expo 2000. Im Rahmen des Expo-Projektes "Region und Stadt als Exponat" wird das Forum sich als Stätte der Auseinandersetzung mit neuen Technologien präsentieren. Dazu zählen mehrere Aktivitäten: die Kernausstellung, ein Exponat "Biologische Informationssysteme im Menschen" und ein Exponat, mit dem Chancen, Potentiale und auch Risiken von Multimedia dargestellt werden sollen. Um diese Projekte realisieren zu können, bedarf es vielfältiger inhaltlicher Vorarbeiten. Eine der wichtigsten Grundlagen für die weitere Gestaltung des Forums und seiner Exponate ist die Erarbeitung einer Durchführbarkeitsstudie durch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Diese Studie soll klären, mit welchen thematischen Schwerpunkten, Kosten und Projekten ein national bedeutsames Forum für Wissenschaft und Technik etabliert werden und wie sich diese Einrichtung an der Expo beteiligen kann. Diese Studie wird zu einem Hauptbestandteil der weiteren inhaltlichen Profilierung des Forums. Es sollte dennoch darauf hingewiesen werden, daß die Beteiligung an der Expo eine, aber nicht die einzige Aktivität des Forums sein wird. Langfristig erscheint es als durchaus realistisch, daß das Forum - im Sinne eines Projektträgers - die Nach- und Weiternutzung von Exponaten des Expo-Themenparkes übernehmen könnte.
Das bislang am weitesten gediehene Projekt des Forums zur Präsentation während der Expo beruht auf einem Vorschlag von Nobelpreisträger Prof.Dr. Erwin Neher. Mit dem Thema "Biologische Informationssysteme" im Menschen soll ein weiter Bogen von der Gen- bis zur Hirnforschung gespannt werden. Aktuelle Forschungsergebnisse sollen ebenso spannend und interaktiv dargestellt werden wie modernste Technologien der Genomanalyse, der medizinischen Diagnostik und der Computertechnologie (die z.B. auf neuronalen Netzen basiert). Dabei soll neben den Chancen auch auf die Risiken hingewiesen werden, die sich aus der Anwendung dieser Technologien für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft ergeben können.
Zur weiteren Begleitung der Arbeiten des TAB und der Umsetzung der Projektvorschläge in den eigentlichen Expo-Beitrag hat sich bereits jetzt ein wissenschaftlicher Beirat im Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie gebildet, dem neben Prof. Neher Prof. Dr. Manfred Eigen, Prof.Dr. Peter Gruß und Prof. Dr. Kurt von Figura angehören. Die Überarbeitung der Konzeption des TAB erfolgt zukünftig in engem fachlichen Austausch zwischen den externen Sachverständigen, den Bearbeitern des TAB-Projektes und dem Forum für Wissenschaft und Technik. Dem Forum obliegt es, die Zielstellung des Projektes gegenüber der Expo-Gesellschaft zu vertreten und dafür Sorge zu tragen, daß es in der breiten Öffentlichkeit bekannt wird.
Der Erfolg des ganzen Projektes steht und fällt mit seiner Finanzierung. Die zur Zeit zur Verfügung stehenden privaten und öffentlichen Fördermittel garantieren den Beginn der Arbeiten zum Expo-Beitrag und des Forums insgesamt. Für die nächsten Etappen wird es jedoch notwendig sein, weitere Förderer zu gewinnen, um den anspruchsvollen Zielstellungen des Forums hinsichtlich seines Standortes in Göttingen und der Expo-Beteiligung gerecht zu werden.
Die Organisation - praktizierte Partnerschaft
Die Gründung des Forums für Wissenschaft und Technik geht auf die Initiative des gleichnamigen Göttinger Fördervereins zurück. Das Engagement der Mitglieder des Fördervereins, und nicht zuletzt der Vorsitzenden - Frau Prof. Rita Süßmuth - führte dazu, daß sich eine Gruppe aktiver Sponsoren fand, die dieses Projekt in verschiedener Form unterstützten und weiterhin unterstützen werden. Um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Initiative herzustellen, entschlossen sich der Förderkreis und die Sponsoren dazu, eine gemeinnützige GmbH zu gründen, die den Aufbau des Forums und die Gestaltung des dezentralen Expo-Projektes zum Zweck hat. Die Gesellschafterstruktur zeigt, daß dieses Unternehmen praktiziertes private-public-partnership darstellt: Neben der Universität Göttingen, der Stadt und der Sparkasse Göttingen sind Technologieunternehmen, wie die Firma Spindler und Hoyer, Lambda Physik, Carl Zeiss Göttingen und die Adams Ladenbau GmbH im Kreise der Gesellschafter vertreten. Das Interesse nicht nur der regionalen Wirtschaft wächst, sich am Forum für Wissenschaft und Technik zu beteiligen. Dabei kann das Forum die verschiedensten Beteiligungsformen anbieten. Projektbeteiligung, Spenden, Mitarbeit am Exponat oder das Zeichnen von Gesellschaftsanteilen sind nur einige der Möglichkeiten, die Interessierten offenstehen. Dieses Angebot richtet sich natürlich auch an die Öffentlichkeit, sich an der Diskussion über die Ziele und Inhalte des Forums zu beteiligen, und bereits jetzt die Gelegenheit zu nutzen, das Profil des Forums mitzuformen. Sollte es dem Forum gelingen, sich in den kommenden Jahren als Standort und Ideengeber für die öffentliche Debatte über Forschung und technologische Entwicklung zu etablieren, dann dürfte auch seinem Erfolg auf der Expo 2000, insbesondere jedoch danach nichts mehr im Wege stehen.
Kontakt
Dr. Martin Socher (Geschäftsführer)
Forum für Wissenschaft und Technik
Deenderstr. 106, D-37073 Göttingen
Tel.: +49 172 5608691