NTA News

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Rückblick: NTA-Jahrestreffen in Karlsruhe

Am 26. und 27. November 2015 trafen sich ca. 40 Mitglieder des Netzwerks Technikfolgenabschätzung (NTA) zu ihrem jährlichen Treffen, dem 11. seit Bestehen des Netzwerks. Flankiert wurde dieses Treffen von verschiedenen, durchweg produktiven Workshops und einer Arbeitsgruppensitzung. Anlass, sich 2015 in Karlsruhe zu treffen, war das nunmehr zwanzigjährige Bestehen des ITAS, das am Abend bei einem Empfang gefeiert wurde.

Am Vormittag des 26. November trafen sich zunächst die Mitglieder der NTA-Arbeitsgruppe „Information und Kommunikation“ (AG IuK) sowie weitere interessierte Kolleginnen und Kollegen. Im Mittelpunkt dieser öffentlichen Sitzung stand die aktive Beteiligung des NTA am DFG-Vorhaben „Fachportal openTA“. Im Zuge der seit März 2015 abgeschlossenen ersten Förderperiode wurde das Fachportal des NTA unter der Adresse www.openta.net etabliert. Es enthält einen Nachrichten-, Kalender-, Neuerscheinungs- und Publikationsdienst, das Verzeichnis der Mitglieder des NTA, einen Blog und Informationen zum NTA sowie zum Projekt openTA. Ulrich Riehm, openTA-Projektkoordinator und Sprecher der AG IuK, erläuterte den im November 2015 eingereichten Fortsetzungsantrag. Ziel in der angestrebten zweiten Förderperiode sei es, u. a. neue, innovative Dienste ins Portal zu integrieren und die bestehenden Angebote weiter auszubauen. Im Mittelpunkt der Sitzung stand eine Diskussion über Prioritäten bei der Verbesserung des News-, Kalender, Publikations- und Neuerscheinungsdienstes. Um das Ergebnis kurz zu umreißen: Die Ausweitung der Informationsquellen auf mehr NTA-Mitglieder wurde für alle Dienste mit der höchsten Priorität versehen.

Mit der Unterzeichnung einer Unterstützungserklärung zum Fortsetzungsantrag Fachportal openTA durch die anwesenden Leiterinnen und Leiter der institutionellen Mitglieder sowie die anwesenden Mitglieder des Koordinationsteams des NTA wurde der Antrag auf breiter Basis und nachdrücklich begrüßt.

Auf dem sich am Nachmittag anschließenden Jahrestreffen gab Michael Decker, Sprecher des Koordinationsteams, einen Überblick über die in den vergangenen zehn Jahren stattgefundenen NTA-Konferenzen, deren Beiträge alle in Tagungsbänden veröffentlicht sind. Ausdrücklich begrüßt wurde die Bereitschaft der „EA European Academy of Technology and Innovation Assessment“, die nächste Konferenz (NTA7) 2016 in Bonn auszurichten (Ankündigung s. u.). Auf dem Jahrestreffen wurde des Weiteren u. a. über die sog. „NTA-Sessions“ reflektiert, die auf der 2. European TA Conference (PACITA, Berlin, Februar 2015) durchgeführt worden waren. Sergio Bellucci (TA Swiss) und Stephan Lingner (EA) berichteten stellvertretend für die insgesamt vier NTA-Sessions von ihren Erfahrungen. In aller Kürze kann hier als Ergebnis festgehalten werden, dass es attraktiv gewesen sei, eine breitere, nicht nur deutschsprachige TA-Community zu erreichen und Themen zur Diskussion zu stellen, die im NTA-Kontext von großer Relevanz sind (Governance of Big Data and the Role of TA, RRI in Europe, Horizons and Incentives of TA, Varieties of Technology Governance and Opportunities for TA). Umgekehrt könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass der deutschsprachige Forschungskontext, in dem sich das NTA bewege, keine Rolle mehr spielen sollte. Im Gegenteil sei es wichtig, den regelmäßigen wissenschaftlichen Austausch auf gemeinsamen Konferenzen und in gemeinsamen Projekten fortzuführen und zu stärken. Denkbar sei auch, öfters beide Sprachen auf Konferenzen zuzulassen, um sowohl Impulse aus der internationalen Community zu bekommen wie auch die eigene deutschsprachige Gemeinschaft zu stärken.

Workshop „Institutionalisierte TA“

Welche unterschiedlichen institutionellen Einbettungen haben die NTA-Einrichtungen? Einbettungen in die universitäre und außeruniversitäre Forschungslandschaft kommen ebenso vor wie Einbettungen in die nationalen Akademien der Wissenschaften, in die Form einer GmbH oder auch als Verein. Um diese Vielfalt deutlich zu machen, wurden zunächst einige der NTA-Institutionen vorgestellt (TA Swiss, ITA Wien, EA European Academy of Technology and Innovation Assessment, IZT Berlin, ISI Fraunhofer, BIOGUM, ITAS). Im Anschluss daran entspann sich eine offene und lebhafte Diskussion über Probleme und Chancen, die die Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten der institutionellen Settings mit sich bringen: In welchem Zusammenhang stehen Finanzierungsform und Unabhängigkeit der Forschung/Beratung? Welche Bedeutung kommt einer Ausrichtung auf die Grundlagen- und/oder die angewandte Forschung im TA-Kontext zu? Inwieweit hängt die Bearbeitung mittel- und langfristiger Themen mit der Institutionalisierungsform zusammen? Sollte es TA-spezifische Evaluationskriterien geben? Es zeigte sich, dass das Thema des Workshops gut gewählt worden war, nicht nur, um die Vielfalt der Mitgliedsinstitutionen kennenzulernen, sondern auch, um Spezifika des „TA-Machens“ zu schärfen, Kooperationsmöglichkeiten aufzuzeigen und „lessons learned“ zu teilen.

Workshop „Technology and Work from a TA Perspective“

Am 27. November fand der englischsprachige Workshop zum Themenkomplex Technik und Arbeit statt, der von Bettina-Johanna Krings, Linda Nierling und António Moniz konzipiert worden war. Welche Auswirkungen Robotik und Industrie 4.0 auf die Gesellschaft haben, ist sowohl auf der Forschungs- als auch auf der politischen Agenda von zunehmender Bedeutung. Der Workshop bot hierbei den Rahmen, um TA-Studien zum Thema vorzustellen und zu diskutieren. Eingeleitet wurde der Workshop von konzeptionellen Überlegungen von Bettina-Johanna Krings, die den Stand der Diskussionen des Teams im ITAS vorstellte. Schon mit dem Titel „Bridging the gap between technology and work. New questions from a TA perspective“ wurde die These formuliert, dass es wenig konzeptionelle Zusammenhänge zwischen technologischen Innovationen und Auswirkungen auf Arbeitsstrukturen gibt. Diese These trifft insbesondere für die Prozesse der Informatisierung von Arbeit zu, die aktuell als „digitale“ Revolutionen in Sektoren wie Industrie und/oder Dienstleistungen ausgerufen werden. Die Analyse und Abschätzung von Technologien in der (Erwerbs)arbeit ist hierbei sehr komplex, da sich zentrale gesellschaftspolitische Fragen an dieses Themenfeld anknüpfen, wie beispielsweise soziale Verteilungsfragen, demografischer Wandel, Bildung und Qualifikation, Lebens- und Arbeitsqualität. Diese können bei der Bewertung von Technologien in bestimmten Arbeitsfeldern nicht einfach außer Acht gelassen werden, was im Hinblick auf neue Fragestellungen eine besondere Herausforderung darstellt.

Rinie van Est vom Rathenau-Institut in den Niederlanden stellte die Ergebnisse der Studie „Working on the Robot Society“ vor, die u. a. zwei in der Gesellschaft vorherrschende Visionen des Zusammenhangs von technologischer Innovation und Arbeit beinhaltet: Führt sie zu mehr oder weniger Jobs in der Zukunft? Auf der Basis einer umfassenden Studie, die das Institut jüngst vorgelegt hat, wird das Themenfeld zunächst historisch aufgearbeitet, um der Komplexität gerecht zu werden. Hierbei werden Technisierungsschübe in den Niederlanden dargestellt, die die Arbeitswelt grundlegend verändert haben. Ein nächster Technisierungsschub, so die These, wird durch die Einführung von Robotertechnologien vermutet. Was, aus der Perspektive der TA, hierbei zentral ist, ist jedoch die aktive Beteiligung im Hinblick auf Design und Implementierung der Robotertechnologien. Nur so könnten negative Effekte langfristig vermieden werden.

Georg Aichholzer vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung in Wien argumentiert im Großen und Ganzen in eine ähnliche Richtung. In seinem Vortrag „Industry 4.0: New Challenges for Work and Qualification“ benannte Aichholzer zunächst die statistischen Unsicherheiten im Hinblick auf die Prognosen über möglichen Arbeitsplatzabbau durch neue technische Systeme. Er vermutet hierbei eher eine Veränderung des Qualifikationsprofils über lange Zeiträume hinweg, die möglicherweise Jobverluste langfristig kompensieren könnten. Diese Vermutung kann aus vergangenen, ähnlichen Prozessen abgeleitet werden. Gleichzeitig macht er jedoch auch auf Globalisierungsprozesse, neue Formen von Arbeitsteilungen, neue Formen der Arbeitsprekarität aufmerksam, die im Zuge der Technisierungsschübe entstehen können. Hier müsste politisch aktiv entgegengesteuert werden.

Sergio Bellucci von der TA Swiss in Bern stellte die Ergebnisse der Studie „Robotics and Autonomous Devices in Social and Health Care“ vor. Diese Ergebnisse basieren ebenfalls auf einer umfassenden Studie, die die TA Swiss vorgelegt hat. Hierbei wurde der Einsatz der Robbe „Paro“ (Companion) untersucht und ihre funktionale Bedeutung für die Pflegearbeit eingeschätzt. Neben ethischen und moralisch noch offenen Fragen betonte er hierbei, dass es sich lediglich um assistive Technologien handele, die keine eigenständigen Aufgaben übernehmen, sondern unterstützend eingesetzt werden können. Im Falle von „Paro“ könnten hier lediglich kommunikative und interaktive Effekte in der Wechselbeziehung Patient und Pflegerin erzeugt werden.

Last but not least präsentierte Linda Nierling vorläufige Ergebnisse aus dem Projekt „Digitalisation of Work: Visions versus Empirical Evidence“, das derzeit im Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag durchgeführt wird. Sie stellte die These auf, dass die Erwartungen, die mit der Digitalisierung in der Öffentlichkeit diskutiert werden, nicht den empirischen Evidenzen entsprechen. Die statistische Überprüfung weist darauf hin, dass nennenswerte und fundamentale Veränderungen der Arbeitsstrukturen bisher noch nicht nachzuweisen sind. Allerdings, und hier plädierte Linda Nierling für mehr quantitativ und qualitativ ausgerichtete Forschung, weisen neue Arbeitsmodelle, wie beispielsweise „crowd-work“, auf neue Arbeitsformen hin, die von institutionell eingebetteter Erwerbsarbeit signifikant abweichen. Hier ist die TA aufgefordert, Fragestellungen und Forschungsausrichtungen zu entwickeln, die diesen neuen Entwicklungen gerecht werden kann.

Nach diesen interessanten und stimulierenden Präsentationen fand eine Gesamtdiskussion unter der Leitung von António Moniz statt, in der „neue Fragen“ an die TA zum Teil sehr leidenschaftlich diskutiert wurden.

Alle Präsentationen dieses Workshops finden sich unter http://www.itas.kit.edu/veranstaltungen_2015_technology_and_work.php.

 

Ankündigung: 7. NTA-Konferenz 2016 in Bonn

„Grand Challenges meistern – der Beitrag der Technikfolgenabschätzung“, so der Titel der 7. NTA-Konferenz, die vom 16.–18. November 2016 im Universitätsclub Bonn stattfindet. Die Organisation liegt beim NTA-Mitglied EA European Academy of Technology and Innovation Assessment GmbH.

„Grand Challenges“ bzw. große gesellschaftliche Herausforderungen sind Leitbegriffe aus dem forschungspolitischen Raum der EU, die in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Konjunktur durchgemacht haben. Sie fanden insbesondere Eingang in die Formulierung übergeordneter Strategien zur Förderung und Koordinierung gesellschaftlich relevanter Forschung und Innovation in Europa. Im deutschsprachigen Raum werden neben dem demografischen Wandel spezifische Herausforderungen durch Klimawandel, Gesundheitsfragen, moderne Mobilitäts- und Kommunikationskonzepte sowie für die zivile Sicherheit erkannt. Dabei gilt es, die Entwicklung geeigneter Schlüsseltechnologien oder Verfahrensansätze im gesellschaftlichen Dialog zu untersuchen und ggf. zu fördern. Grand Challenges sind somit genuin auch Gegenstände von Technikreflexion und -abschätzung, wenn entsprechende gesellschaftliche Problemlagen technisch veranlasst sind oder für technische Lösungsmöglichkeiten zugänglich erscheinen. Klassischerweise zählen hierzu die Beurteilung technisch induzierter Risiken, die Reflexion von nachgelagerten Nachhaltigkeits- und Akzeptanzfragen und entsprechende Lösungsvorschläge aus technikethischer sowie aus innovationsgetriebener Perspektive.

Vom 16.–18. November 2016 werden Vortragende und Plenum aus Sicht der TA Optionen, Potenziale und Barrieren sowie mögliche Nachteile einer an Grand Challenges orientierten Forschungs- und Innovationspolitik erörtern. Der Call for Papers ist veröffentlicht. Im Rahmen der Netzwerkkonferenz feiert die EA European Academy auch ihr 20jähriges Bestehen.

Aktuelle Informationen und den Call zur NTA7 finden sie unter http://www.ea-aw.de/20-jahre-ea/7-nta-tagung-in-bonn.html.

Kontakt

Dr. Stephan Lingner
E-Mail: stephan.lingner∂ea-aw.de