Das nächste Beben kommt bestimmt - Recherche zu möglichen Einstellungsänderungen der Japanischen Bevölkerung zur Technik

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Das nächste Beben kommt bestimmt - Recherche zu möglichen Einstellungsänderungen der Japanischen Bevölkerung zur Technik

von Michael Rader, ITAS

Das Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. (ISF, München) bearbeitet seit einiger Zeit im Rahmen des Verbundes Sozialwissenschaftliche Technikforschung das Thema "Nationalspezifische Entwicklungstendenzen von Industriearbeit". Eine Zusatzstudie zu diesem Projekt befaßt sich mit Entwicklungen in Japan. Die dafür vorgesehenen empirischen Arbeiten mußten aufgrund des Hanshin-Erdbebens im Raum Kobe/Osaka im Frühjahr 1995 unterbrochen werden. Das BMBF nahm dieses Ereignis zum Anlaß, eine Recherche anzuregen, um aus dem Erdbeben resultierende Problematisierungen der Technik oder Änderungen der Produktionsweise in Japan zu erfassen.

Hinter dieser Fragestellung verbirgt sich die Einschätzung, daß die japanische Bevölkerung im allgemeinen technikgläubiger oder weniger technikfeindlich eingestellt ist als die deutsche. Allerdings zeigt die Studie, daß dies bereits eine Fehlannahme ist, so daß das Erdbeben nicht zu einem Bruch in der, in Wirklichkeit nicht vorhandenen, Technikeuphorie führen konnte.

Das Beben führte in erster Linie zu einer Problematisierung geltender Standards und Normen für die technische Sicherheit, sowohl unter den Fachleuten als auch in der Bevölkerung allgemein. Kritik wurde auch an der praktizierten Informationspolitik zu technischen Gefahren geäußert. Hiervon betroffen waren vor allem Kernkraftwerke, von denen zwar keines unmittelbar im betroffenen Gebiet lag, aber wegen der besonderen geophysikalischen Beschaffenheit Japans liegen fast alle in stark bebengefährdeten Gebieten.

Das Erdbeben offenbarte ferner einige Schwächen der, auch in Japan nicht durchweg verbreiteten, japanischen Produktionsweise, sowie der vorhandenen Organisation des Bankenwesens, insbesondere dessen Kommunikationsstrukturen. Einige der Schäden sind auf Qualitätsmängel (etwa bei Bauten) zurückzuführen, die wiederum eine Folge des streng arbeitsteiligen Subunternehmerwesens sind.

Nachhaltigere Auswirkungen als das Erdbeben auf die Einstellungen der Bevölkerung zur Technik haben technische Entwicklungen, die den Arbeitsalltag betreffen. Hier gibt es eine verbreitete Besorgnis, nicht auf Dauer mithalten zu können. Auch Sorgen, die Technik könne mißbraucht werden, sind weit verbreitet und wurden noch durch die Anschläge der Aum-Sekte verstärkt.

Die etwa 70-seitige Studie wurde gemeinsam von deutschen und japanischen Forschern produziert. Sie gibt interessante Aufschlüsse über die hierzulande oft übersehenen Nachteile der japanischen Produktionsweise und zeigt mögliche Wege zur Minderung der Folgen künftiger Katastrophen ähnlicher Art auf. Schließlich plädiert sie hier für eine verstärkte internationale Kooperation, da schon wegen der weltweiten Verflechtungen in Industrie und Handel die Folgen solcher Katastrophen nicht vor nationalen Grenzen halt machen.

Bibliographische Angaben

Koshi Endo, Norbert Altmann: Das nächste Beben kommt bestimmt - Eine Recherche zur Problematisierung von Technik und Produktionsweise nach dem Hanshin-Erdbeben von Januar 1995 in Japan. Köln, 1996: Verbund Sozialwissenschaftliche Technikforschung, Mitteilungen Heft 16, Februar 1996.

Bezug

Koordinationsstelle des Verbunds Sozialwissenschaftliche Technikforschung
z.Hd. Bernd Meisheit
c/o Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung
Lothringer Straße 78
D-50677 Köln
Tel.: 0221 - 336 05-23
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