Panta rhei, alles fließt, so lautet ein geflügeltes Wort, das dem griechischen Philosophen Heraklit zugeschrieben wird. Auch in der TA scheint alles zu fließen: Institutionen verändern sich, Personen kommen neu in die TA-Community hinein, die Themen verschieben sich und auch auf der Ebene der Konzepte und Methoden kann man über Jahrzehnte hinweg das „Fließen“ beobachten.
Das ist aber nur die eine Seite. Der andauernde Wandel ist durchzogen von Kontinuitäten, kumulativer Erfahrungsaufbau ist möglich, Traditionen haben sich etabliert und manche Konflikt- oder Argumentationsmuster kommen immer wieder auf die Agenda. Einige Fragen und Kontroversen sind persistent und nicht ein- für allemal beantwortbar oder entscheidbar. Sie ziehen sich durch die Geschichte der TA hindurch, teils in immer neuen Gewändern – und ihre Beantwortung scheint ein fortlaufender Prozess zu sein, so, als müssten wir uns an diesen Fragen immer neu abarbeiten. Dazu zwei Beispiele:
In dem kürzlich veröffentlichten Essay Ecomodernist Manifesto wird von US-amerikanischen Wissenschaftlern aus dem Umfeld des US-amerikanischen Breakthrough Institute zu einem grundlegenden Paradigmenwechsel im Verhältnis zwischen Mensch und Natur aufgerufen. Es soll nicht mehr darum gehen, menschliches Verhalten und gesellschaftliche Mechanismen so zu verändern, dass „Friede mit der Natur“ (Meyer-Abich) einkehren könnte. Die Umweltpolitik der Zukunft sollte sich vielmehr darauf konzentrieren, gesellschaftliche Entwicklung und Ressourcen-verbrauch durch technischen Fortschritt komplett zu entkoppeln. Der technische Fortschritt soll’s richten, alles andere sei Öko-Romantik. Die persistente Frage dahinter ist, welcher Anteil an einer Bewältigung der Umweltkrisen berechtigter Weise vom technischen Fortschritt erwartet werden kann, und welcher eben aus anderen Quellen, z. B. einer Abkehr vom Wachstumsdogma oder von Verhaltensänderungen, kommen müsse. Eine Frage, die aufgrund unsicherer Annahmen vermutlich kaum ein für alle Mal entschieden werden kann.
Eine andere dieser beharrlich gestellten Fragen ist das Mensch/Technik-Verhältnis in sozialen Kontexten. Technik gilt oft als effizient, aber auch als emotionslos und kalt. Entsprechend ist die Rolle von Technik zur Bewältigung des demografischen Wandels umstritten, vor allem ihre mögliche Rolle in der Pflege. Der Schwerpunkt im vorliegenden Heft zeigt, dass Technik zur Bewältigung mancher Herausforderungen durchaus helfen kann, aber dass man mit Technik letztlich keine nicht-technischen Probleme lösen kann. Es kommt darauf an, wie die Probleme gerahmt werden, ob als Herausforderung an techno-ökonomische Effizienz oder als Anfragen an Empathie und an ein menschenwürdiges Altwerden. Und es kommt darauf an, was jeweils „menschenwürdig“ bedeutet. Definitions- und Bedeutungsfragen dieser Art geraten in das Zentrum der Debatte, und Antworten müssen immer neu gefunden und austariert werden.
Schließlich gilt „panta rhei“ auch für die TATuP selbst. Dieses ist das erste Heft, das von der neuen Redaktion gestaltet wurde: neben Constanze Scherz sind nunmehr Julia Hahn und Ulrich Riehm an Bord. Und die TATuP wird sich in der nächsten Zeit verändern. Wir werden zu einem „Reallabor“, in dem wir neue Rubriken ausprobieren und einzelne Bausteine labormäßig gestalten wollen. Dies wird jeweils deutlich kenntlich sein – und Kommentare unserer Leserinnen und Leser sind uns selbstverständlich willkommen. Aber „panta rhei“ bedeutet nicht, dass sich alles ändert: Die Mission von TATuP, die TA in Theorie und Praxis zu unterstützen, bleibt unser primäres Anliegen.
(Armin Grunwald)