Human Enhancement aus ethischer Sicht. Die informationstechnische Erweiterung und ihre Folgen

Diskussionsforum

Human Enhancement aus ethischer Sicht

Die informationstechnische Erweiterung und ihre Folgen

von Oliver Bendel, Hochschule für Wirtschaft FHNW, Windisch

Human Enhancement, die Erweiterung des Menschen, birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Es kann ein gutes Leben fördern, indem die persönliche Autonomie gestärkt wird, aber ebenso gefährden, wenn die informationelle Autonomie geschwächt wird. Gehen die Entwicklungen von der Künstlichen Intelligenz, der Robotik und der Informatik aus, müssen sich Technikfolgenabschätzung, Technikethik und Informationsethik den moralischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Aspekten widmen. In diesem Beitrag wird v. a. aus der Informationsethik heraus argumentiert. Es wird gezeigt, dass durch Human Enhancement ein Identitäts- und Wirklichkeitsverlust droht und sich Konsequenzen für Informationsgerechtigkeit und persönliche bzw. informationelle Autonomie ergeben können.

1     Die Erweiterung des Menschen

Human Enhancement dient der Erweiterung der menschlichen Möglichkeiten und der Steigerung menschlicher Leistungsfähigkeit, letztlich also – aus Sicht der Betroffenen und Anhänger – der Verbesserung und Optimierung des Menschen (Bendel 2014b). Es kann u. a. aus der Perspektive von Pharmazeutik, Chemie, Gentechnik, Biologie, Medizin, Künstlicher Intelligenz (KI), Robotik und Informatik betrieben werden, unter Verwendung chemischer, biologischer und technischer Mittel. Eine ethische Reflexion kann Chancen und Risiken verdeutlichen und Lösungsansätze vermitteln.

Ausgangspunkt von Human Enhancement sind meist gesunde (manchmal kranke oder behinderte) Menschen, die mit Stoffen und Organen versorgt und mit Technologien verbunden werden. Es handelt sich um etablierte, sich entwickelnde oder konzeptionelle Technologien, die die körperliche oder geistige Erweiterung betreffen. Eine Möglichkeit der Weiterentwicklung des Menschen ist der Umbau zum Cyborg. Dieser ist in erster Linie eine Verschmelzung von Mensch und Maschine, wobei biologische Veränderungen in Kauf genommen werden. In der praktischen Anwendung will man den menschlichen Körper und Geist mit technischen Mitteln perfektionieren oder ihre Schwächen ausgleichen.

Im vorliegenden Beitrag wird, nach der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Human Enhancement und einem Abriss der wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesem, auf die informationstechnische Erweiterung, den Menschen als Cyborg in diesem Sinne, fokussiert und die Perspektive der Informationsethik eingenommen, am Rande auch der Technikethik. Es wird gezeigt, dass ein Identitäts- und Wirklichkeitsverlust droht und sich Konsequenzen für Informationsgerechtigkeit und persönliche bzw. informationelle Autonomie ergeben können.

2     Von der Zehenprothese bis zum Herzschrittmacher

Die chemische Erweiterung, oft eine Bewusstseinserweiterung mit Hilfe von Drogen, wurde schon in der Steinzeit praktiziert. Über tausende Jahre nahmen Menschen halluzinogene Pilze zu sich, kauten frische Blätter und rauchten getrocknete Pflanzen (Melzig 1999). Es bildeten sich Formen der Lustgewinnung und Abhängigkeit heraus, und Kraft und Ausdauer wurden ebenso befördert wie geistiger und körperlicher Zerfall. Zu den natürlichen Substanzen gesellten sich im 20. Jahrhundert künstlich gewonnene wie Ecstasy und Crystal Meth. Die technische Erweiterung des Menschen, z. B. der Ersatz von fehlenden Gliedmaßen, hat ebenfalls eine gewisse Tradition. Schon die altenÄgypter kannten einfache Prothesen. So fand man bei einer Mumie aus der Zeit um 600 v. u. Z. eine kunstvoll gearbeitete Zehenprothese aus Holz (Finch 2011). Diese wurde mit einer Hülse aus Leder am Fuß befestigt und unterstützte vermutlich das Stehen und Gehen, war also keine rein ästhetische Korrektur. Im Mittelalter wurden Prothesen aus Holz oder Metall verwendet, wie die eiserne Hand, die Götz von Berlichingen getragen hat. Nicht mehr ganz neu sind auch Zahnersatz zur Vervollständigung des Gebisses (seit der Antike), Brillen zur Behebung von Sehstörungen (vermutlich seit dem 13. Jahrhundert) und Hörgeräte zum Ausgleich von Hörschädigungen (um 1900, Vorläufer bereits früher). Künstliche Zähne hatten über Jahrhunderte vor allem eine Verschönerungsfunktion, so wie bis heute Glasaugen (spätestens im 17. Jahrhundert verbreitet). Die Digitalisierung der Hörgeräte ist weit fortgeschritten, und man kann in Einzelfällen sogar über den reinen Ausgleich des Verlusts hinausgehen. Heute sind einige Prothesen als Computersysteme, manche als Roboter aufzufassen. Sie sollen optimal mit Körper und Gehirn zusammenarbeiten.

Operative Eingriffe sind im vorliegenden Kontext jüngeren Datums. Erfolgreiche Verpflanzungen von Organen sind erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts möglich. Wichtig sind hierbei die möglichst präzise Einpassung und das möglichst geringe Risiko der Abstoßung. Dabei können Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) helfen, z. B. bei Vermessung von Körperteilen, Berechnung der Schnitttiefe und -länge und Kontrolle der Vitalfunktionen. Gen- und Reproduktionstechnik sind von Bedeutung bei der Vermeidung und Bekämpfung von Krankheiten und bei der Optimierung des Körpers. Auch hier sind IKT relevant, nämlich bei der Grundlagenforschung und zur Analyse und Berechnung. Seit den 1950er-Jahren werden Herzschrittmacher „verbaut“. Heute handelt es sich dabei um Kleinstcomputer, die über möglichst lange Zeit im Körper getragen werden und aus „normalen“ Menschen kybernetische Organismen der einfacheren Art machen.

Human Enhancement entwickelte sich offensichtlich vor verschiedenen Hintergründen und in mehrere Richtungen. Es geht einerseits um eine chemische und biologische Erweiterung und Optimierung bzw. einen biologischen oder künstlichen Ersatz für die Körperteile, mit funktionaler oder ästhetischer Wirkung. Dabei spielen informationstechnische Möglichkeiten eine Rolle. Andererseits geht es verstärkt um eine informationstechnische Erweiterung und Optimierung, die wiederum biologische Vorbedingungen berücksichtigen muss. Dies gilt auch für Verfahren wie Augmented Reality.

3     Human Enhancement als Lieblingskind der Wissenschaft

Wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Publikationen nehmen sich des Themas intensiv an. Immer wieder werden ethische Fragen aufgeworfen. Das Europäische Parlament gab 2009 eine Studie zu Human Enhancement heraus. Im Abstract heißt es: „The study attempts to bridge the gap between visions on Human Enhancement (HE) and the relevant technoscientific developments.“ (Coenen et al. 2009, S. 6) Die Studie schlägt verschiedene Ansätze vor, einen affirmativen, einen kritischen und einen einzelfallbezogenen, wobei der Ordnungsrahmen der europäische ist. Man unterscheidet zwischen „restorative or preventive, non-enhancing interventions“, „therapeutic enhancements“ und „non-therapeutic enhancements“ (ebd.).

Die TA-SWISS in Bern veröffentlichte 2011 eine Studie zu Human Enhancement (Eckhardt et al. 2011). Dabei konzentrierte man sich auf „medizinische und biotechnologische Eingriffe in den menschlichen Organismus …, deren Zielsetzungen nicht primär therapeutischer und präventiver Art sind“ (Eckhardt et al. 2011, S. XIII). „Durch Human Enhancement möchten Menschen ihre Fähigkeiten und ihre Gestalt in einer Weise verändern, die im jeweiligen soziokulturellen Umfeld als Verbesserung wahrgenommen wird.“ (ebd.) „Ethische Aspekte von Human Enhancement“ ist eines der Kapitel. „Medizin für Gesunde?“ lautet der Titel eines Berichts der Arbeitsgruppe „Human Enhancement“, der im Auftrag der Akademien der Wissenschaften Schweiz entstand und den Untertitel „Analysen und Empfehlungen zum Umgang mit Human Enhancement“ trägt. „Die ethische Debatte zum Human Enhancement“ ist das von Heilinger und Biller-Andorno (2012)verfasste Kapitel. Die ethischen Überlegungen lassen sich teils auf informationstechnisch realisiertes Human Enhancement übertragen.

Neben solchen Studien aus dem Umfeld der Technikfolgenabschätzung gibt es eine Vielzahl von Artikeln und Büchern, die sich mit dem Forschungs- und Anwendungsgebiet beschäftigen, etwa „Human Enhancement“ von Savulescu (2011) oder „The Human Enhancement Debate and Disability“ (Eilers et al. 2014). Manche davon widmen sich medizin- und bioethischen oder auch rechtsethischen Fragen. Bereits früh interessierte die informationstechnische Form der Erweiterung, ohne dass informationsethische Problemstellungen systematisch und erschöpfend behandelt worden wären.

4     Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen des Cyborgs

In Bezug auf Human Enhancement kann man in Verfahren für die körperliche und für die geistige Erweiterung einteilen. Dabei ist nicht immer eine klare Abgrenzung möglich, und es ist geradezu ein Ziel und ein Trend, dass Technologien, die mit dem Menschen verschmolzen werden, sowohl körperliche als auch geistige Funktionen betreffen. Zu unterscheiden ist zudem zwischen bestehenden, sich entwickelnden und geplanten Verfahren und Technologien. Seit Coenen et al. (2009) sowie Coenen (2013) werden ferner restaurative, therapeutische und nichttherapeutische Verfahren identifiziert. Im vorliegenden Beitrag werden ethische Überlegungen vor allem zu nichttherapeutischen Verfahren angestellt, wobei man in der Praxis – wie bei Hightech-Prothesen, die man beim Sport trägt – schnell vom therapeutischen Zweck abweichen kann.

Bestehende Verfahren der körperlichen Erweiterung (zuweilen Körpertuning genannt) sind Schönheitschirurgie, Implantations- und Transplantationstechnik, Prothetik und Doping. Die Schönheitschirurgie widmet sich nahezu allen Gesichtsbereichen und Körperteilen. Man entfernt, strafft, saugt ab und baut auf (plastische Chirurgie). Doping dient der Leistungssteigerung durch Substanzen wie Anabolika. Beispiele für Pharmazeutik, Implantationstechnik sowie Prothetik wurden in der historischen Übersicht geliefert. Zu den sich entwickelnden und konzeptionellen Technologien gehört das Exoskelett. Die roboterbasierten Apparate, die die Menschen beweglicher, schneller und stärker machen sollen, werden nur temporär mit dem Körper verbunden. Es liegen zwar Einzelanfertigungen und Prototypen vor, aber ausgereifte Produkte sind noch Mangelware, von medizinischen Stützstrukturen (Orthesen) abgesehen. Bei einem weiten Begriff kann diese Technologie zum Cyborg führen.

Mit Bezug auf die geistige Erweiterung sind bestehende (teils prototypische) Computertechnologien zu nennen, die ständig mitgeführt werden, wie Smartphones und Datenbrillen. Dabei spielt Augmented Reality eine zunehmend wichtige Rolle, eine mit Hilfe von Computern erweiterte Wirklichkeit (Dörner et al. 2013). Grundlage sind Bilder der Außenwelt, in die automatisch oder auf Anforderung Informationen aller Art eingeblendet, oder Äußerungen, die übersetzt und kommentiert werden. Kaum einer wird Benutzer von Smartphones zu den Cyborgs rechnen. Bei Trägern von Datenbrillen sieht es schon anders aus. Sich entwickelnde Technologien sind z. B. Gehirn-Computer-Kopplung und Gehirntransplantate. Zu den konzeptionellen Technologien ist die „whole brain emulation (WBE)“ (auch „mind uploading“) zu zählen, eine Vision der Transhumanisten um Ray Kurzweil, sowie der Exocortex, ein künstliches externes Informationsverarbeitungssystem.

5    Risiken aus Sicht der Informationsethik

Das Objekt der Ethik, einer Disziplin der Philosophie, ist die Moral. Moral und Sitte stellen nach Höffe (2008) einen normativen Grundrahmen für das Verhalten zu den Mitmenschen, zur Natur und zu sich selbst dar. Die angewandte Ethik bildet die Bereichs- oder Spezialethiken heraus, von denen sich mehrere für Human Enhancement zuständig fühlen können. Aus Sicht der Informationsethik interessiert etwa, ob ein neuer digitaler Graben entsteht und ob durch die Integration von Chips und die Verwendung von Hightech-Prothesen die Autonomie des Menschen eingeschränkt oder erweitert wird. Im Folgenden werden – nach einer kurzen Darstellung relevanter Bereichsethiken – solche Fragen erörtert. Es werden exemplarisch IKT genannt, die im jeweiligen Problemfeld besonders bedeutsam sind. Dabei wird der Schwerpunkt auf bestehende und sich entwickelnde Verfahren gelegt.

Die zuständigen Bereichsethiken

Die Informationsethik hat die Moral (in) der Informationsgesellschaft zum Gegenstand. Sie un-tersucht, wie wir uns, IKT und digitale Medien anbietend und nutzend, in moralischer Hinsicht verhalten bzw. verhalten sollen (Bendel 2012). Man kann ihr Computer-, Netz- und NeueMedien-Ethik zuordnen. Die Informationsethik steht aus einer bestimmten Perspektive im Zentrum der Spezialethiken (Bendel 2012). Sie steht auch im Zentrum des vorliegenden Beitrags. Es ist aber genauso auf andere Bereiche der angewandten Ethik zu verweisen, die sich freilich in diesem Kontext mit der Informationsethik verständigen müssen.

Die Technikethik bezieht sich auf moralische Fragen des Technik- und Technologieeinsatzes (Bendel 2013). Es kann um die Technik von Fahrzeugen oder Waffen ebenso gehen wie um die Nanotechnologie oder die Kernenergie. Zur Wirtschafts- und zur Wissenschaftsethik besteht ein enges Verhältnis. In der Informationsgesellschaft ist die Technikethik, deren Forschungsobjekt insgesamt ein älteres ist, zudem eng mit der Informationsethik verbunden. Weitere Disziplinen der angewandten Ethik wie Medizin- und Bioethik sollen hier ausgeklammert werden.

Identitäts- und Wirklichkeitsverlust

Informationstechnisch realisiertes Human Enhancement kann einen Identitätsverlust bewirken. In Experimenten mit Computerspielen und Bildschirmanimationen hat sich gezeigt, dass man sich rasch an drei, vier, fünf Beine bzw. Arme oder an riesige Hände gewöhnen kann (Pramstaller 2014). Man schlüpft in andere Hüllen und Rollen, menschliche, tierische, künstliche, fängt an, sich darin zurechtzufinden, sich schneller und geschickter darin zu bewegen als in der ursprünglichen Repräsentation. Der Avatar überlagert sein Original, nicht nur in den Phasen des Spiels, sondern darüber hinaus, in den Gedanken und Erinnerungen.

Mit einem solchen Identitätsverlust scheint ein Wirklichkeitsverlust einherzugehen. So wie der eine nicht per se schlecht, sondern v. a. im sozialen Gefüge problematisch ist, ist auch der andere nicht grundsätzlich zu verurteilen. Dass Romanen im 18. und 19. Jahrhundert ein Entfremdungs- und Zerstörungspotenzial unterstellt wurde (Müller 2012), ist heute kaum mehr nachvollziehbar, und überhaupt wird ein zeitweiliges Sichherausnehmen aus dem Alltag als für die Gesundheit und Persönlichkeit eher förderliches Moment angesehen. Wenn allerdings mehr Zeit in der Fiktion als in der Realität verbracht und mehr Aufwand für die Pflege des Avatars als des Originals aufgewendet wird, könnte eine emotional-soziale Störung vorliegen, die einerseits moralisch beurteilt, andererseits psychologisch und medizinisch behandelt werden kann. Besonderes Potenzial für einen Wirklichkeitsverlust scheint die Datenbrille zu haben, weil sie eine Ebene zwischen Person und Welt einzieht. Die Umgebung wird dadurch nicht nur ständig analysiert, sondern auch verfremdet. Man kann von einer Wirklichkeitsverzerrung sprechen, wobei generell das Normative der Termini diskutiert werden muss.

Informationsgerechtigkeit

Gerechtigkeit ist ein zentrales Thema der Ethik im Allgemeinen und der Informationsethik im Besonderen (Kuhlen 2004). Die Informationsgerechtigkeit ist eine Form der Gerechtigkeit, die sich auf den Zugang zur Information und zu IKT bezieht. In der Tendenz widerspricht der digitale Graben dem Gerechtigkeitsprinzip. Ein solcher Graben kann aufreißen durch die Verfügbarkeit von informationstechnischen Erweiterungen auf der einen und die Nichtverfügbarkeit auf der anderen Seite (Bendel 2014a), aber auch durch eine unterschiedliche Qualität der Erweiterungen und durch rechtliche und andere Einschränkungen im jeweiligen Land der Nutzung.

Human Enhancement fördert demnach gewisse Ungerechtigkeiten, öffnet und verbreitert Gräben, separiert die Individuen, Gruppen und Gesellschaften. Informations- und Technikethik können die veränderten Bedingungen bewusst machen und Lösungswege aufzeigen.

Persönliche und informationelle Autonomie

In der Informationsethik interessiert, ausgehend von der Idee der Autonomie, vor allem die informationelle Autonomie, also die Möglichkeit, selbstständig auf Informationen zuzugreifen, über die Verbreitung von eigenen Äußerungen und Abbildungen selbst zu bestimmen sowie die Daten zur eigenen Person einzusehen und gegebenenfalls anzupassen. Ausgehend von der verwandten Idee der Freiheit ist die Freiheit des Individuums in der Informationsgesellschaft angesprochen, womit auch die Selbstentfaltung sozialer, technischer und wirtschaftlicher Art gemeint ist (Bendel 2014a). Auch die persönliche Autonomie, die sich z. B. in der körperlichen Unversehrtheit und in der technischen und inhaltlichen Unabhängigkeit zeigt, kann von der Informationsethik – in Kooperation mit der Technikethik – adressiert werden.

Human Enhancement ist offensichtlich mitverantwortlich für eine zunehmende Transparenz bezüglich der eigenen Person und anderer Personen bzw. Gruppen und eine abnehmende menschliche Autonomie. Es ergibt sich Informationsgewinn und -verlust zugleich, wobei der Einzelne exponiert und gefährdet wird, und es stellen sich Bedrohungen und Abhängigkeiten verschiedenster Art ein. Informations- und Technikethik können wiederum die veränderten Verhältnisse untersuchen und Lösungsansätze entwickeln.

Chancen für Mensch, Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft

Human Enhancement dient letztlich der Verbesserung des Menschen, die nicht ausnahmslos eine Verschlimmbesserung ist. In diesem Sinne kann man neben negativen genauso positive Effekte geltend machen. Dabei sind nicht allein Zugewinn von Macht und Lust am Umbau wesentlich.

Kompensation, Effizienz und Effektivität sowie Fortschritt, nicht nur im Individuellen, sondern ebenso im Gesellschaftlichen, Kulturellen und Wissenschaftlichen, sind demnach wichtige Ziele. Die Informationsethik kann Möglichkeiten für ein gutes digitales Leben erörtern und Glück und Glückseligkeit in der Informationsgesellschaft thematisieren. Der Cyberhedonismus, dem viele Menschen mit Hilfe von sozialen Netzwerken und Kommunikationswerkzeugen frönen, kann mit Human Enhancement verbunden sein.

6     Das Digitale als Sieger über das Analoge

Human Enhancement erlebt einen wahren Boom. Wichtig ist es, im Rahmen einer grundsätzlichen Einschätzung, die moralischen, sozialen und rechtlichen Herausforderungen zu beschreiben. Es kristallisiert sich heraus, dass diese in hoher Zahl vorhanden sind und die Gesellschaften mehrheitlich unvorbereitet auf sie treffen. Dies gilt trotz der Tatsache, dass bestimmte Verbesserungen von Zuständen und Situationen eine lange Tradition haben. Mit manchen von ihnen hat man seit alters her Mühe, was den Umgang mit ihnen und ihre Einordnung anbetrifft.

IKT führen zu einem Paradigmenwechsel. Ziel ist Erweiterung statt Ersatz, ohne die biologischen Grundlagen verändern und zerstören zu wollen. Dieser Ansatz scheint in der gesamten Geschichte des Werkzeugs und der Kleidung auf – und im Kontext einer Ideengeschichte, auf die hier nicht eingegangen wurde, von den Flügeln des Ikarus bis zum Ring des Gyges. Beim Einsatz von IT werden, wie bei chemischen und biotechnologischen Verfahren, Optimierung und Perfektionierung angestrebt. Das Analoge des Fleischlichen wird offenbar als Schwäche angesehen und durch das Digitale der Maschinen ergänzt. Traditionelle Werkzeuge werden durch Rechenleistung und Sensortechnik verdrängt.

Die Systematisierung des Moralischen hat zutage gefördert, dass eine informationstechnische Erweiterung erhebliche Risiken in Bezug auf Identitäts- und Wirklichkeitsempfinden, Informationsgerechtigkeit sowie persönliche und informationelle Autonomie verursacht. Zugleich werden Chancen offenbar, können Wege aus unverschuldeter Abhängigkeit und Eingeschränktheit aufgezeigt werden. Der Mensch als Kulturwesen geht über die Natur hinaus, über das, was aus ihr heraus vorhanden und möglich ist, er fährt, fliegt, benutzt Computer. Es wäre merkwürdig, wenn er diese informationstechnischen Möglichkeiten nicht auf sich selbst, auf seinen Körper und Geist, projizieren würde. In der ethischen Diskussion können wir herausfinden, was uns und anderen guttut und was uns und anderen schadet.

Literatur

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