POST-Note: "Global Warming - The State of the Science"

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POST-Note: "Global Warming - The State of the Science"

von Gerhard Sardemann (ITAS)

Die im Mai 1995 erschienene Notiz des britischen Parliamentary Office of Science and Technology (POST) faßt den aktuellen Stand der Kenntnisse zum Problem der erwarteten globalen Erwärmung aufgrund eines anthropogen verstärkten Treibhauseffektes zusammen. Hierbei wird vor allem auf die Entwicklungen seit dem Erscheinen der ersten POST-Note zu diesem Thema im Juli 1990 Bezug genommen. Es fällt auf, daß das POST nun im Gegensatz zur damaligen Notiz keine Zahlenangaben mehr über die zu erwartenden Änderungen macht. Dies steht ein wenig im Widerspruch zum Grundtenor der vorliegenden Notiz, daß die Unsicherheiten bei der Prognose zukünftigen Klimas kleiner geworden seien. Zumindest scheint man sich über die Unsicherheiten sicherer geworden zu sein.

Insbesondere seit der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro und der Verabschiedung der Klimarahmenkonvention ist international großer wissenschaftlicher Aufwand getrieben worden, die Unsicherheiten bei der Einschätzung zu erwartender Klimaänderungen zu vermindern. So stehen inzwischen Ergebnisse von Modellrechnungen (bspw. des Hadley Centres in England oder des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie) zur Verfügung, die den Temperaturverlauf der letzten 130 Jahre im globalen Mittel recht gut reproduzieren. Die Modelle wurden weiterentwickelt und es wurde zusätzlich der Einfluß von Aerosolen in der Atmosphäre berücksichtigt. Aerosole sind Schwebteilchen, die vor allem in den industrialisierten Regionen der Erde durch ihre abkühlende Wirkung dem Treibhauseffekt entgegenwirken. Ob allerdings mit den verbesserten Modellen die zukünftige Entwicklung des Klimas zuverlässig prognostiziert werden kann, bleibt unsicher. Problematisch ist dabei einerseits die Abschätzung zukünftiger Emissionen treibhauswirksamer Gase und andererseits gibt es Modelldefizite beispielsweise bei der Behandlung von Wolken, der Wechselwirkung zwischen Ozean und Atmosphäre oder indirekter Effekte durch Aerosole bzw. bei der Entstehung bodennahen Ozons.

Nach Ansicht des POST sind derzeit folgende Aussagen über die Entwicklung des globalen Klimas möglich, wobei angenommen wird, daß weltweit keine Maßnahmen zur Reduktion treibhauswirksamer Gase durchgeführt werden:

- Die Temperaturen werden nahezu überall ansteigen, mit den größten Veränderungen in den hohen Breiten der Nordhemisphäre.

- In vielen Gegenden wird die Niederschlagsmenge zunehmen, kann in den Subtropen aber auch abnehmen.

- Die Entwicklung der Bodenfeuchtigkeit folgt allgemein derjenigen der Niederschläge, läßt sich aber für die Sommermonate wegen einer sehr hohen Variabilität kaum vorhersagen.

Die Vorhersage regionaler Klimaänderungen gestaltet sich immer noch sehr schwierig. Erste Ansätze dazu gibt es beim Hadley Centre durch die Verwendung eines hochauflösenden Europa-Modells, in das die Ergebnisse der globalen Klimamodellierungen einfließen. Bislang liegen nur die Ergebnisse von Rechnungen ohne Berücksichtigung von Aerosolen vor, so daß Prognosen gerade für die industrialisierten Länder Europas mit Skepsis zu betrachten sind. Derzeit vorhergesagte Temperaturtrends könnten sich bei Berücksichtigung von Aerosolen umkehren. Große Unsicherheiten gibt es auch bei der Vorhersage der regionalen Niederschlagsverteilung, wo zwischen den einzelnen Modellen große Unterschiede auftreten.

Was die Beobachtung des Klimas angeht, so sind seit der Konferenz von Rio einige Jahre mit extremen Wetterereignissen vergangen. Ereignisse wie die Dürre in Spanien und grüne Winter in Skandinavien scheinen zu bestätigen, daß eine Erwärmung der Erdatmosphäre bereits stattfindet. Auch das Auftreten großer Überschwemmungen in Europa steht durchaus im Einklang mit den Vorhersagen von Klimamodellen, denen zufolge die Anzahl extremer Wetterereignisse zunehmen könnte. Trotzdem ist aufgrund der sehr hohen Klimavariabilität in Europa ein Zusammenhang mit der vorhergesagten globalen Erwärmung nicht mit völliger Sicherheit feststellbar. Das gilt auch für so spektakuläre Ereignisse wie die Eisabbrüche in der Antarktis, die auf einen seit 1940 beobachteten Erwärmungstrend von 0,5° pro Dekade zurückzuführen sind. Diese Erwärmung scheint aber auf ein Gebiet in der Antarktis beschränkt zu sein und kann nicht zwingend als ein Signal globaler Erwärmung angesehen werden.

Für die politische Entscheidungsfindung und insbesondere die weiteren Verhandlungen im Zusammenhang mit der Klimarahmenkonvention wäre es äußerst wichtig, die bestehenden Unsicherheiten, was die Möglichkeit augenblicklicher oder zukünftiger Klimaänderungen angeht, zu reduzieren. Derzeit versucht man mit großem rechnerischen Aufwand das Signal eines anthropogen verursachten Klimawandels anhand sog. Fingerabdrücke (fingerprints) aus dem vorhandenen Beobachtungsmaterial bzw. den vorliegenden Modellrechnungen herauszufiltern. Bei diesen Fingerabdrücken handelt es sich im wesentlichen um raumzeitliche Strukturen in den Feldern der Klimavariablen, von denen man annimmt, daß sie eindeutig mit anthropogenen Veränderungen in Zusammenhang stehen. Das POST zitiert hier den IPCC, nach dessen Ansicht erste Fortschritte auf dem Weg zu sehen sind, die natürliche Variabilität des Klimas von menschlichen Einflüssen zu trennen. Trotz der noch bestehenden Unsicherheiten sei die Realität anthropogen verursachter Klimaänderungen gezeigt und Kritiker dieser Auffassung an der Reihe, die beobachteten Temperaturtrends zu erklären und damit einen Beweis ihrer alternativen Theorien anzutreten.

Damit verlagert sich auch der Schwerpunkt des Interesses weg von der Untersuchung möglicher Klimaänderungen hin zu Abschätzungen der Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Natur und insbesondere den Menschen. Besonders die Geschwindigkeit, mit der sich das Klima ändert, scheint hier der kritische Faktor zu sein. Dies gilt auch für den angenommenen Anstieg des Meeresspiegels, der sich mit weit höherer Geschwindigkeit vollziehen dürfte als der bislang beobachtete.

Nach diesem Statement zur Klimafolgenforschung und einer kurzen Zusammenfassung der bestehenden Unsicherheiten schließt die POST-Note mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer weiteren Reduktion dieser Unsicherheiten im Rahmen internationaler Forschungsprogramme.

 

Bibliographische Angaben

Parliamentary Offive of Science and Technology (ed.): Global Warming - The State of the Science. POST note 61, May 1995.

Bestellhinweis siehe S. 64 in diesem Heft.