POST-Note zum Fall "Brent Spar"

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POST-Note zum Fall "Brent Spar"

von Michael Rader (ITAS)

Wie die deutsche Öffentlichkeit der Medienberichterstattung entnehmen konnten, haben die Reaktionen hierzulande und in anderen europäischen Ländern auf die beabsichtigte Versenkung des schwimmenden Öllagers Brent Spar im atlantischen Ozean bei britischen Politikern Überraschung und einige Irritation hevorgerufen. POST note No. 65 vom Juli 1995, eine vierseitige Zusammenfassung einiger wichtigen Fakten durch die britische parlamentarische TA-Einrichtung (Parliamentary Office of Science and Technology), ist vor dem Hintergrund des Erklärungsbedarfs für diese Reaktionen zu sehen.

Zunächst beschreibt die Notiz die beiden ernsthaft erwogenen Alternativen der Demontage und Entsorgung an Land sowie des Versenkens auf hoher See. Ferner wird darauf hingewiesen, daß es keine prinzipielle Entscheidung zugunsten einer dieser Alternativen gibt, sondern daß fallweise entschieden wird. In Großbritannien wird für diese Entscheidung das Prinzip der Best Practicable Environmental Option (BPEO) angewendet. Das dafür verwendete Verfahren umfaßt eine Abschätzung der Umweltauswirkungen auf Luft, Boden und Wasser, eine Analyse der erforderlichen technischen Schritte und der damit verbundenen Risiken, die Abschätzung der Auswirkungen auf Gesundheit und Sicherheit, die Kosten sowie sonstige relevante Aspekte.

Die Firma Shell, als Hauptbetreiber der Brent Spar, gab insgesamt 30 Studien in Auftrag, um diese Aspekte zu untersuchen. Darunter waren drei Bewertungen der BPEO von unabhängiger Seite, die die Umweltauswirkungen beider Optionen als vernachlässigbar bezeichneten. Die Entsorgung auf hoher See wurde wegen der geringeren Sicherheitsrisiken, der technischen Einfachheit und der damit verbundenen geringeren Kosten empfohlen. Nach einer Benachrichtigung der international zuständigen Stellen wurde die endgültige Genehmigung zur Versenkung des Lagers im Mai 1995 erteilt.

Im Verlauf der Auseinandersetzungen bezweifelte Greenpeace teilweise die Annahmen, die vom BPEO-Verfahren zugrunde gelegt worden waren, da von Greenpeace bei der Entfernung der Brent Spar Proben genommen wurden, die darauf schließen ließen, daß verunreinigtes öl anstelle des im Verfahren angegebenen leicht kontaminierten Wassers an Bord ist. Die Firma Shell bestritt dies mit dem Hinweis, daß die eigentlichen Tanks nicht von außen zugänglich seien und daß es sich um Reste aus nicht gereinigten Ölleitungen an Deck gehandelt haben müsse. Diese Diskrepanzen waren noch Gegenstand einer behördlichen Untersuchung, als die Shell entschied, auf die Versenkung zu verzichten.

Bei der Untersuchung der internationalen Reaktionen wirft POST zunächst die Frage auf, ob "rationale" Ansätze zur Bewertung der Umweltauswirkungen bei Entscheidungen, die die von vielen Ländern genutzten Meere betreffen, überhaupt geeignet sind. Zwar könne eine Verbesserung der Methoden zu hieb- und stichfesteren Ergebnissen führen, doch löst dies nicht das Problem des Verkaufens der Ergebnisse und der daraus abgeleiteten Entscheidung.

Die Hauptursache für die Reaktionen sieht POST jedoch in unterschiedlichen Einstellungen zum Meer in verschiedenen Ländern. Während Großbritannien das Meer als fundamentalen Teil der allgemeinen Umwelt, die geschützt, aber auch bewirtschaftet werden müßte, betrachtet, würden andere Länder das Meer als besonderes Medium ansehen, das besonders geschützt werden müsse, mit den Konsequenzen, daß die Entsorgung bestimmter Abfallarten (z.B. radioaktiver Abfall) in die Meere grundsätzlich verboten werden sollte.

Abschließend unternimmt POST den Versuch einer Abschätzung der ökonomischen Kosten einer "clear sea philosophy", d.h. dem prinzipiellen Verzicht auf eine Versenkung der 219 britischen Ölbohrinstallationen in der Nordsee.

Die Notiz beschreibt die Hauptargumentation von Greenpeace und die Forderungen dieser Organisation möglicherweise zutreffend, erfaßt aber nur zum Teil die Argumente, die für die breite öffentliche Reaktion in Deutschland bis hin zu Teilen der CSU, die vermutlich keine prinzipiellen Einwände gegen die Benutzung der Weltmeere für die Entsorgung haben, ausschlaggebend waren.

Das Aufzeigen der unterschiedlichen nationalen und regionalen Kontexte für solche Entscheidungen wäre sicher ein interessantes Aufgabenfeld für das EPTA-Netzwerk.

 

Bibliographische Angaben und Bestellhinweis

Parliamentary Office of Science and Technology (ed.), Oil Rig Disposal. POST note 65, July 1995.

Erhältlich bei:
Parliamentary Office of Science
and Technology (POST)
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