STOA Studie: Climate Change and Energy Use: Status and Options for European Policy

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STOA Studie: Climate Change and Energy Use: Status and Options for European Policy

von Gerhard Sardemann (ITAS)

Am 16.03.1995 wurde im Palais de l'Europe in Strasbourg der Abschlußbericht der STOA-Studie 1 "Climate Change and Energy Use" vorgestellt. Die Studie wurde von Julia Doré und William Westermeyer unter Mitarbeit von Tim Denne und Jim Skea rechtzeitig vor der 1. Vertragsstaatenkonferenz zur UN Klimarahmenkonvention in Berlin fertiggestellt. Im Mittelpunkt steht darin die Diskussion von sog. Vermeidungsstrategien ("mitigation strategies"), die eine Reduktion der Emissionen treibhauswirksamer Gase zum Ziel haben. Da die Zunahme insbesondere des Treibhausgases CO2 auf dessen Entstehung bei der Verbrennung fossiler Energieträger zurückgeführt werden kann (in der EU zu 95%), ist das Problem des allgemein befürchteten Klimawandels eng mit der Energiepolitik in der Europäischen Gemeinschaft verknüpft. Allerdings sind die darin bislang verfolgten Ziele wie Liberalisierung des Marktes und langfristige Versorgungssicherheit nicht unbedingt kompatibel mit den Zielen einer effektiven Klimaschutzpolitik. Dasselbe gilt für politische Vorgaben wie Wirtschaftswachstum, Wettbewerbssicherheit und Reduktion der Arbeitslosigkeit, deren Erreichung die Europäische Kommission in der kommenden Dekade in den Mittelpunkt gestellt hat.

Die Europäische Union als Ganzes hat sich bislang aktiver als viele andere Industrienationen (u.a. auch Mitgliedsländer) für Emissionsreduktionen eingesetzt und strebt schon seit 1990 eine Stabilisierung des CO2-Ausstoßes bis zum Jahr 2000 auf dem Niveau von 1990 an. Durch Ratifikation der Klimarahmenkonvention hat sich die EU auch im internationalen Rahmen zur Einhaltung dieses Ziels verpflichtet. Mit einem Anteil der EU von 15 % an den weltweiten CO2-Emissionen hätte das Erreichen bzw. Nichterreichen des Stabilisationsziels durch die EU vor allem eine Signalfunktion. Die meisten Prognosen gehen davon aus, daß die EU im Jahr 2000 zwischen 4 bis 12 % mehr CO2 emittieren wird als 1990. Diese Aussage wird im vorgestellten STOA-Bericht vor allem anhand der von den einzelnen Mitgliedsländern der EU vorgelegten Nationalberichte zur Klimarahmenkonvention überprüft, wobei man auf eine etwas optimistischere Einschätzung kommt. Des weiteren enthält der Bericht eine Bewertung EU-weit durchgeführter bzw. geplanter Maßnahmen und Programme zur CO2-Stabilisierung und es werden Elemente einer Klimaschutzpolitik über das Jahr 2000 hinaus vorgestellt.

Eingeleitet wird die Studie mit einer Zusammenfassung des augenblicklichen Wissenstandes zur Klimaproblematik. Dabei wird im wesentlichen auf die Arbeit des IPCC zurückgegriffen und insbesondere der aktuelle IPCC-Bericht "Radiative Forcing of Climate Change" zitiert. Eine wesentliche Aussage darin betrifft die Wirksamkeit des in der Klimarahmenkonvention festgelegten CO2-Stabilisierungszieles. Mit dem Zurückführen der CO2-Emissionen auf den Stand von 1990 ist demnach keine Stabilisierung der CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre zu erreichen und es ist mit mehr als einer Verdopplung der Konzentrationen im Vergleich zu heute zu rechnen. Die Folgen einer solchen Verdopplung werden in der STOA-Studie ausführlich zitiert und reichen vom globalen Temperaturanstieg, einer Erhöhung des Meeresspiegels bis hin zu den Auswirkungen auf empfindliche ökosysteme und gesellschaftliche Systeme. Bei Abschätzungen zu Problemen des globalen Klimawandels wird man allerdings mit einer großen Zahl von Unsicherheiten konfrontiert. Diese betreffen einerseits die zukünftige Entwicklung der CO2-Emissionen und andererseits Zusammenhänge innerhalb des Klimasystems. Vor allem Aussagen zu regionalen änderungen des Klimas sind zur Zeit kaum möglich.

Die nachfolgenden Kapitel der Studie beschäftigen sich mit einer Einordnung der mit einer effektiven Klimaschutzpolitik der EU verbundenen Probleme in unterschiedliche Zusammenhänge. Zum einen werden die EU-weiten CO2-Emissionen und die geplanten Reduktionsziele in einen globalen Rahmen gestellt. Wichtiger für ein Verständnis dafür, mit welchen Schwierigkeiten man speziell in der EU konfrontiert wird, ist zum anderen eine Betrachtung der jeweiligen CO2-Emissionen in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Hier treten signifikante Unterschiede auf, die zu Interessenkonflikten zwischen den jeweiligen Staaten führen müssen. Des weiteren muß die Klimaschutzpolitik der EU in den Zusammenhang anderer politischer Ziele der Gemeinschaft gestellt werden. Einleitend wurde schon auf die Zusammenhänge mit der Energiepolitik der EU hingewiesen. Hier wird insbesondere eine Liberalisierung des Marktes angestrebt, was nach Meinung von STOA durchaus auch positive Effekte auf die CO2-Emissionen haben kann, wenn beispielsweise Anbietern, die erneuerbare Energiequellen nutzen, der Zugang zum Markt erleichtert wird.

Die Europäische Kommission hat sich im Juni 1992 für folgendes Instrumentarium entschieden, um eine Stabilisierung der CO2-Emissionen zu erreichen:

- nicht-steuerliche Maßnahmen zur Unterstützung alternativer Energiearten und zur Verbesserung der Energieeffizienz,

- eine CO2- bzw. Energie-Steuer,

- und einen Monitoring-Mechanismus zur überprüfung der Emissionen in den einzelnen Mitgliedsländern.

Bei den nichtsteuerlichen Maßnahmen handelt es sich um Programme wie ALTENER, THERMIE, JOULE und SAVE, die zum Teil schon vor 1990 und damit nicht nur im Hinblick auf ein CO2-Reduktions- bzw. Stabilisationsziel eingeleitet wurden. In ihrer Wirksamkeit kommen sie erst nach dem Jahr 2000 zum Tragen, so daß sie bei einer Abschätzung des Erfolges von Emissionsreduktionen bis 2000 nicht berücksichtigt werden können. Dasselbe gilt für die Einführung einer CO2-Energie-Steuer, über die man sich bislang noch nicht einig werden konnte. Allerdings muß bei einer Bewertung der nationalen Programme der einzelnen Länder berücksichtigt werden, daß in einigen Fällen das vorgegebene Minderungsziel nur im Falle einer EU-weiten Einführung einer CO2-Energie-Steuer erreicht werden kann. Für den Zeitraum bis 2000 bleibt als einzige EU-weite Maßnahme das Monitoring-Programm übrig, so daß im Grunde die von der EU angestrebte CO2-Emissionsstabilisierung allein durch Maßnahmen in den einzelnen Mitgliedsländern erreicht werden kann. Dies übrigens, obwohl in der Gemeinschaft der Ansatz des "target sharings" zugunsten einer gemeinsamen EU-Klimapolitik abgelehnt worden war.

Eine Abschätzung der Entwicklung der EU-weiten CO2-Emissionen kann sich demnach nur auf die Angaben der einzelnen Mitgliedsländer zu den angestrebten Maßnahmen dort selbst stützen. Diese Angaben sind inzwischen in den sog. nationalen Berichten zu finden, die von den EU-Ländern in Erfüllung von Verpflichtungen aus der Klimarahmenkonvention erstellt wurden. Zusätzliche Informationen erhielten die STOA-Mitarbeiter durch Interviews mit Regierungsvertretern. Nach einer Auswertung aller nationalen Programme, deren jeweilige Besonderheiten im STOA-Bericht ausführlich beschrieben werden, kommt man zum Ergebnis, daß das angestrebte Stabilisierungsziel durchaus erreicht werden kann, es aber eine Vielzahl von Unsicherheiten und Unwägbarkeiten gibt, die in Betracht gezogen werden müssen.

Sehr große Unsicherheiten gibt es schon bei der Bestimmung der CO2-Emissionen des Bezugsjahres 1990. Hier werden von den einzelnen Ländern immer noch keine vollständig vergleichbaren Methoden verwendet. Zudem unterscheidet sich das für den EU-Monitoring Mechanismus vorgesehene CORINAIR-Instrumentarium von den Vorgaben zur Aufstellung von Treibhausgasinventarien im Rahmen der Klimarahmenkonvention, die vom IPCC bzw. von der OECD entwickelt wurden. Sehr problematisch ist insbesondere die Abschätzung der Emissionen Deutschlands, das zu 30 % an den EU-Emissionen beteiligt ist. Nach STOA kann die bisherige Entwicklung vor allem wegen der vielen Unsicherheiten was die Verhältnisse in der ehemaligen DDR bzw. den neuen Bundesländern angeht, nur mit einer großen Fehlerbandbreite angegeben werden. Auch die Wirksamkeit der von den einzelnen Ländern angekündigten Maßnahmen ist unter Umständen schwer einzuschätzen. Hier gibt es prinzipielle Unterschiede zwischen Ländern, die auf öffentliche Förderung setzen, wie beispielsweise Deutschland, und anderen, die mehr regulative Maßnahmen vorsehen, wie z.B. Großbritannien. Gerade die Wirksamkeit der in Deutschland vorgesehenen Maßnahmen wird im STOA-Bericht als sehr unsicher eingeschätzt; andererseits sind schon jetzt Schwierigkeiten in Großbritannien abzusehen, angekündigte Maßnahmen auch durchzusetzen.

Im Hinblick auf die genannten Unsicherheiten und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Annahmen über die zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung müssen nun alle vorliegenden Abschätzungen zur zukünftigen Entwicklung der CO2-Emissionen in der EU betrachtet werden. Im STOA-Bericht werden drei dieser Abschätzungen zitiert, wobei auffällt, daß die Einschätzungen über die Entwicklung der Emissionen von 1990 bis 2000 um so optimistischer ausfallen, je aktueller sie sind. Einen sehr kräftigen Anstieg prognostiziert eine Studie des Directorate-General DG-XVII aus dem Jahr 1992 mit 10,9 %, während das Directorate-General DG-XI 1994 nur noch einen Anstieg von 4 % prognostiziert.

STOA selbst gibt bei seinen Abschätzungen eine recht große Bandbreite an. Im sog. "best-case"-Szenario gibt es ein Absinken der CO2-Emissionen um 2,2 % von 1990 bis 2000, während im "worst-case"-Szenario die Emissionen um 11,6 % ansteigen. Die Bedingungen, unter denen eine Rückkehr zu den Emissionswerten von 1990 stattfinden kann, sind einfach zu benennen: Zum einen müssen alle Länder, die sich ein Reduktions- oder zumindest Stabilisierungsziel gesetzt haben, dies auch erreichen, und zum anderen darf das Wirtschaftswachstum in der EU nicht zu hoch sein. Als kritischer Punkt wird angemerkt, daß Deutschland seine Emissionen, wie von STOA im best-case-Szenario aufgrund von Aussagen des Umweltministeriums angenommen, bis 2000 um 12 % im Vergleich zum Jahr 1990 reduzieren muß, damit das Stabilisierungsziel erreicht werden kann.

Es dürfte aus den bisherigen Ausführungen deutlich geworden sein, mit welchen Schwierigkeiten in der Europäischen Gemeinschaft das angestrebte CO2-Stabilisierungsziel zu erreichen sein wird. Dabei handelt es sich im Hinblick auf die Entwicklung der CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre um ein sehr moderates Ziel und über Maßnahmen, die die Entwicklung über das Jahr 2000 hinweg beeinflussen könnten, gibt es weder international noch innerhalb der EU Einigkeit. STOA nennt in seinem Bericht folgende Optionen für eine Klimaschutzpolitik über das Jahr 2000 hinaus, die in der EU oder in den einzelnen Mitgliedsländern aufgegriffen werden sollten:

- Einführung einer EU-weiten CO2-Energiesteuer oder einer ähnlichen Steuer,

- Ausweitung nichtsteuerlicher Maßnahmen, insbesondere der Programme SAVE und ALTENER, die Energieeffizienz bzw. erneuerbare Energiequellen fördern sollen,

- Integration von Umwelt- und Verkehrspolitik,

- Entwicklung ökonomischer Instrumente, wie z.B. Zertifikatslösungen (tradable quotas),

- joint implementation,

- gesteigerte Investitionen in Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz in Osteuropa (beispielsweise im Rahmen der Programme PHARE und TACIS),

- weitere Verbesserung des Monitoring Mechanismus,

- Entwicklung von Anpassungsstrategien.

Als weitere Optionen werden noch andiskutiert:

- Ausweitung von CO2-Senken,

- Untersuchungen von Möglichkeiten zur CO2-"Entsorgung".

Obwohl es sicher große Unterschiede bei der Wirksamkeit (bzw. Kosteneffizienz) der erstgenannten Optionen gibt und sie sich mehr oder minder gut in der Gemeinschaft durchsetzen lassen, wird von STOA keiner dieser Optionen eine ausgesprochene Präferenz zugebilligt. Hier wird der Tatsache Rechnung getragen, daß man einem Anstieg der CO2-Emissionen in der EU in Zukunft nur mit einem Mix von Maßnahmen wirksam begegnen kann. Mit der Erwähnung von Anpassungsstrategien wird zudem darauf hingewiesen, daß trotz großer Unsicherheiten mit Auswirkungen von Klimaänderungen auf natürliche und gesellschaftliche Systeme gerechnet werden muß und gerade wegen dieser Unsicherheiten frühzeitig flexible politische Strategien entwickelt werden müssen. Hier wird in der STOA-Studie auf Ergebnisse des OTA-Reports "Preparing for an uncertain climate" Bezug genommen, bei dessen Erstellung einer der Autoren (William Westermeyer) ebenfalls beteiligt war.

Der Bericht kann von der STOA Library, Luxembourg, unter der unten angegebenen Anschrift bezogen werden.

1 STOA = Scientific and Technological Options Assessment Programme des Europäischen Parlaments (siehe Bericht auf S. 50 in diesem Heft)

Bibliographische Angaben und Bestellhinweis

STOA (ed.): Climate Change and Energy Use. Status and Options for European Policy. Volume I: Final Report; Volume II: Contractor Reports. European Parliament, Directorate General for Research, March 1995.

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