ITAS News

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Neues Projekt: Leitbilder und Visionen als sozioepistemische Praktiken

Das „Vision Assessment“ theoretisch zu fundieren und als Methode in der TA weiterzuentwickeln, ist das Ziel des neuen ITAS-Projekts. Vor etwa zwei Jahren haben sich Kolleginnen und Kollegen des ITAS, die sich in ihren unterschiedlichen Forschungen mit soziotechnischen Leitbildern und Visionen befassen, zu einer Arbeitsgruppe zusammengetan. Das Interesse an dem Themenkreis innerhalb und außerhalb des Instituts, aber auch die zahlreichen offenen, wissenschaftlich anspruchsvollen Fragen, haben dazu geführt, den Arbeitszusammenhang nun als Forschungsprojekt zu organisieren. Das neue Projekt „Leitbilder und Visionen als sozioepistemische Praktiken. Theoretische Fundierung und praktische Anwendung des Vision Assessment in der Technikfolgenabschätzung“ wird von Andreas Lösch und Knud Böhle geleitet. Im Projekt arbeiten außerdem Christopher Coenen, Arianna Ferrari und Reinhard Heil mit sowie Sümeyye Özmen, Martin Sand und Christoph Schneider, deren Promotionsprojekte in dem Themenfeld angesiedelt sind.

Die Analyse, Bewertung und auch Gestaltung von Zukunftsvisionen und Leitbildern neuer Technologien ist spätestens seit der Auseinandersetzung mit den „new and emerging technologies“ (NEST) erneut zu einer Aufgabe der TA geworden. Bislang hat sich das Vision Assessment auf die Analyse und Bewertung von Vorstellungs- und Medieninhalten konzentriert, und auf „Reality-Checks“ zur Einschätzung und Bewertung der wissenschaftlichtechnischen Machbarkeit und der ethischen Wünschbarkeit visionärer Inhalte. Diese Perspektiven und Praxen des Vision Assessment arbeitet das neue Forschungsprojekt weiter aus. Es kommen aber auch neue Forschungsgegenstände und Fragen hinzu: das „Visioneering“ als Praxis einer strategischen und bewussten Gestaltung von Visionen und die Praxis des „Vision Assessment“ selbst als Einflussnahme auf Visionen und Leitbilder.

Kontakt

PD Dr. Andreas Lösch E-Mail: andreas.loesch∂kit.edu

 

Neues aus dem „Quartier Zukunft“

Das von ITAS betriebene „Quartier Zukunft – Labor Stadt“ begleitet die Stadt Freiburg künftig als wissenschaftlicher Partner. Vielfältige Akteure suchen in Freiburg gemeinsam Lösungen für die nachhaltige Entwicklung von Stadtteilen. Die Stadt hat sich das Ziel gesteckt, in den kommenden Jahren Ideen für einen neuen sowie einen bestehenden Stadtteil als „Quartier der Zukunft“ zu entwickeln. Fünf Themenfelder stehen dabei im Mittelpunkt: „Soziale Gerechtigkeit“, „Stadtplanung und Stadtentwicklung“, „Verbesserte Mobilität, weniger Verkehr“, „Bildung“ sowie „Klima und Energie“. Verschiedene Akteure aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bearbeiten die Themen gemeinsam in sog. „Future Labs“. Am Ende sollen unterschiedliche Lösungsansätze für ein auf vielen Ebenen nachhaltiges Freiburger „Quartier der Zukunft“ stehen. Um das Projekt erfolgreich umzusetzen, kooperiert das Projekt „Quartier der Zukunft – der Freiburger Nachhaltigkeitskompass im Labor Stadt“ mit dem am ITAS beheimateten Projekt „Quartier Zukunft – Labor Stadt“, das seit 2013 in der Oststadt Karlsruhe mit Bürgerinnen und Bürgern und anderen lokalen Akteuren ein nachhaltiges Stadtleben der Zukunft erprobt, erforscht und entwickelt.

Desweiteren fördert das baden-württembergische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst für drei Jahre das „Reallabor 131 – KIT findet Stadt“. Das Reallabor 131 ist in das ITAS-Projekt „Quartier Zukunft – Labor Stadt“ eingebettet und wird die forschenden Aktivitäten in Kooperation mit den beteiligten KIT-Institutionen innerhalb des Quartiers Zukunft ausweiten. Wissen, Innovation und Stadtentwicklung in einem transdisziplinären Prozess nachhaltiger Entwicklung verknüpft miteinander zu denken und zu bearbeiten, ist Ziel und Aufgabe des Reallabors. Das thematische Spektrum des „Reallabor 131 – KIT findet Stadt“ reicht von lebenswerter Mobilität und Kreislaufwirtschaft über Sozialraum und Nachbarschaft bis hin zu Klima und Energie, Gesundheit und demografische Entwicklungen. Zentral dabei ist die Initiierung, Umsetzung und Beforschung mehrerer Projekte zur nachhaltigen Quartiersentwicklung, die in Kooperation und partizipativ mit der Stadtgesellschaft identifiziert, umgesetzt und forscherisch begleitet werden sollen.

Kontakt

Dr. Oliver Parodi E-Mail: oliver.parodi∂kit.edu

 

Ehrendoktorwürde für Vitaly Gorokhov

Für seine großen Verdienste um die Technikphilosophie und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland wurde Prof. Dr. Vitaly Gorokhov am 12. Januar 2015 die Ehrendoktorwürde des KIT verliehen. „Wissenschaft kennt keine Grenzen oder Nationalitäten“, unterstrich Vitaly Gorokhov bei der Festveranstaltung im ITAS, für das er von 2001 bis zu seinem Ruhestand tätig war. Getreu dieser Überzeugung hat sich der in Moskau und Weingarten lebende Technikphilosoph wie kaum ein anderer um die Knüpfung akademischer Beziehungen zwischen seinem Heimatland Russland und Deutschland verdient gemacht.

Auf die Initiative Gorokhovs, der 1990 als Stipendiat der Friedrich-Ebert Stiftung nach Karlsruhe kam, geht u. a. die Gründung und Leitung des Zentrums für Ost- und Mitteleuropa sowie des deutsch-russischen Kollegs an der Universität Karlsruhe zurück, das bis heute über 100 Absolventen aus beiden Ländern zählt. Als enger Berater des russischen Umweltministeriums und Leiter des nach der Wende ins Leben gerufenen deutsch-russischen Umweltmonitoringprojekts (IRIS) organisierte er den für die Fächerstadt historischen Besuch Gorbatschows beim Karlsruher Umweltforum 1998. Gorokhov, der seit 1995 den Lehrstuhl für Philosophie der Wissenschaft und Technik an der Staatlichen Universität für Geistes- und Sozialwissenschaften (GUGN) in Moskau leitet und Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften ist, trägt die Ehrendoktorwürde der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften künftig aber auch für seine herausragenden akademischen Leistungen. So würdigte Hans-Peter Schütt, Leiter des Instituts für Philosophie des KIT, Gorokhovs Verdienste um die Etablierung von Technikphilosophie und Technikfolgenabschätzung in Russland sowie seine profunde Auseinandersetzung mit dem Werk Galileo Galileis, zu dessen technik- und geistesgeschichtlicher Wirkung Gorokhov maßgebliche Publikationen veröffentlichte.

 

Personalia

Neue Kolleginnen und Kollegen

Dr. Ulrich Ufer ist seit November 2014 Gastwissenschaftler am ITAS. Während seines Forschungsaufenthaltes arbeitet er u. a. im Projekt „Quartier Zukunft – Labor Stadt“ mit. Er promovierte 2007 an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris. Von 2009 bis 2014 war er DAAD-Professor am Zentrum für Deutschland- und Europastudien der Université de Montréal in Québec. Seine Forschungsschwerpunkte sind Geschichte und Gegenwart der Globalisierung, Stadt als moderner Lebensraum sowie Identitätsorientierungen und soziale Bewegungen in der modernen Gesellschaft.

Dr. Justine Lacey ist seit Januar 2015 Gastwissenschaftlerin am ITAS. In ihrer Heimat Australien arbeitet sie für die nationale Forschungsorganisation „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO). Sie ist Philosophin und promovierte im Bereich Ethik und Management natürlicher Ressourcen. Bei CSIRO leitet sie ein Forscherteam, das sich mit den sozialen Aspekten insbesondere des Bergbaus befasst. In diesen Forschungen geht es um einen Dialog zwischen der Bergbauindustrie und den Bürgern. Frau Lacey wird für zwei Monate am ITAS forschen.

Rüdiger Trojok ist Molekularbiologe, Künstler und Biohacker. Er studierte System- und Synthetische Biologie an den Universitäten Potsdam, Kopenhagen (DTU) und Freiburg. Seit August 2014 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am ITAS und erforscht dort im Kontext des EU-Projekts „Synergene“ neue Wege, wissenschaftliche Erkenntnisse der Lebenswissenschaften gesellschaftlich nutzbar zu machen. Allen interessierten Bürgern und Stakeholdern sollen die für eine konstruktive Kommunikation nötigen Informationen, hier speziell zur Synthetischen Biologie, vermittelt werden.

 

Neuerscheinungen

Computertechnik und Sterbekultur

Sterbekultur ist ein komplexes Themenfeld, das Lebensverlängerung und Sterben, Todesarten und Feststellung des Todeszeitpunkts ebenso umfasst wie die kulturell geprägten Formen der Bestattung, der Erinnerung an Verstorbene sowie Jenseits- und Unsterblichkeitsvorstellungen. Der Einsatz von Technik in diesen Zusammenhängen nimmt zu. Die in dem jetzt erschienenen Buch „Computertechnik und Sterbekultur“ vereinten Beiträge geben einen Einblick, wie das Sterben als Vollzugsmoment des Lebens und das Weiterleben nach dem Tod – zumindest in der Erinnerung und in den Medien – fortschreitend und tiefgreifend an den Einsatz von Techniken gebunden ist und dadurch verändert wird. Die Vielfalt der dargebotenen Perspektiven aus Informatik, Philosophie, Kulturwissenschaft, Kunstgeschichte, Medienwissenschaft, Literaturwissenschaft, Religionswissenschaft, Soziologie, Technikfolgenabschätzung und Theologie macht die Produktivität einer interdisziplinären Thanatologie deutlich.

Die Technikfolgenabschätzung hat sich durchaus auch schon früher mit themenbezogenen Fragestellungen befasst, etwa in Projekten zur Telemedizin, Pflegerobotern, „Human Enhancement“, Cyborgs, Synthetischer Biologie und der Schaffung von künstlichem Leben sowie zum Internet als neuem Medium und Speicher unseres kulturellen Erbes. Gleichwohl lässt sich die Perspektive durch den Einbezug der Sterbekultur sinnvoll erweitern. Dies erlaubt nämlich, neben dem Modus des Fortschritts, der Steigerung des Lebens und der Lebensverlängerung, technische Entwicklungen und Innovationen explizit in Beziehung zu setzen zu Endlichkeit, Sterben, Tod, Trauer, Jenseitsvorstellungen, Erinnerung und Trost. Die Herausgeber dieses Bandes, die dem ITAS, dem ZAK | Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale sowie dem Institut für Philosophie des KIT angehören, hatten Ende 2010 einen Workshop zum Thema organisiert, dessen Frucht der vorliegende Sammelband ist.

Bibliografische Angaben: Böhle, K.; Berendes, J.; Gutmann, M.; Robertson-von Trotha, C.; Scherz, C. (Hg.): Computertechnik und Sterbekultur (Hermeneutic und Anthropologie, Bd. 5), Münster: LIT 2014

Computertechnik und Sterbekultur

Die diskursive Konstruktion einer Technowissenschaft

Technowissenschaften treten uns zunehmend als „nahtlose Gewebe“ aus Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft entgegen. Das Buch macht ihre Entwicklung ausgehend von Diskursdynamiken begreifbar. Es zeigt am Fall Nanotechnologie, wie solche Gewebe ausgehend von der Untersuchung von Technikvisionen, Zukunftsbildern, Risikoerwartungen und neuen Formen der Governance durchdringbar sind.

Der Autor entfaltet eine multiperspektivische und wissenssoziologische Analytik. Mit ihr lassen sich diskursive Ermöglichungsbedingungen der Formierung und der Transformation technowissenschaftlicher Felder verstehen und beurteilen. Dieser analytische Zugang ist für die Wissenschafts- und Technikforschung und die Technikfolgenabschätzung gleichermaßen von Bedeutung.

Bibliografische Angaben: Lösch, A.: Die diskursive Konstruktion einer Technowissenschaft. Wissenssoziologische Analytik am Beispiel der Nanotechnologie (Wissenschafts- und Technikforschung, Band 9), Baden-Baden: Nomos 2014

Die diskursive Konstruktion einer Technowissenschaft. Wissenssoziologische Analytik am Beispiel der Nanotechnologie