Nachhaltige Mobilität in einem integrativen Konzept nachhaltiger Entwicklung

Schwerpunktthema: Nachhaltige Mobilität

Nachhaltige Mobilität in einem integrativen Konzept nachhaltiger Entwicklung

von Hermann Keimel, Claudia Ortmann und Martin Pehnt, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Die Probleme sind bekannt: Verkehr ist überwiegend vom Erdöl als Energieträger abhängig. Seine CO2-Emissionen entwickeln sich dramatisch. Die Versiegelung und Zerschneidung der Landschaft hat ein bedenkliches Ausmaß erreicht. Immer mehr Menschen fühlen sich vom Verkehrslärm belästigt, und die Zahl der Unfallopfer ist immer noch zu hoch.
Vor diesem Hintergrund ist die Notwendigkeit des Handelns erkannt. Doch wie können die negativen Auswirkungen unseres Mobilitätsverhaltens verringert werden, wenn gleichzeitig die Aufgabe des Verkehrssystems, Mobilität für Personen und Güter zu sichern, gewährleistet sein soll? Darauf eine Antwort zu finden, ist Aufgabe des hier vorgestellten Teilprojekts Mobilität in einem HGF-Verbundvorhaben, das sich der nachhaltigen Entwicklung in Deutschland insgesamt widmet.

1     Hintergrund und Zielsetzung

Die Suche nach Kriterien, Leitlinien und Umsetzungsstrategien für einen langfristig und global aufrecht erhaltbaren Entwicklungspfad der Menschheit ist in den letzten Jahren zu einem beherrschenden Thema in den Wissenschaften, in den nationalen und internationalen umwelt-, technik- oder entwicklungspolitischen Diskussionen sowie in der Öffentlichkeit geworden. Der Begriff des "Sustainable Development" steht dabei im Mittelpunkt.

Als generelles Leitbild erfreut es sich mittlerweile auf der Ebene politischer Programmatik weltweit breiter Zustimmung aller gesellschaftlicher Akteursgruppen. Anlässlich der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro verpflichtete sich die internationale Staatengemeinschaft in großer Übereinstimmung, das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung auf der nationalen Ebene sowie in enger Kooperation mit anderen Ländern in konkrete Politik umzusetzen. Bei der Konkretisierung dieses in zahlreichen nationalen und internationalen Dokumenten verankerten Leitbilds gehen jedoch die Vorstellungen der am Diskurs Beteiligten nach wie vor auseinander.

Vor diesem Hintergrund führt die Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF) ein breit angelegtes Verbundvorhaben unter dem Titel "Global zukunftsfähige Entwicklung - Perspektiven für Deutschland" durch. Generelle Zielsetzung dieses Vorhabens ist es, Orientierungs- und Handlungswissen für die Umsetzung einer zukunftsfähigen Entwicklung in Deutschland zu erarbeiten und damit einen wissenschaftlichen Beitrag zur Debatte zu leisten (vergl. zu Folgendem Jörissen u. a. 1999). Es sollen zum einen verschiedene Handlungsoptionen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung auf nationaler Ebene und für verschiedene Aktivitätsfelder (Bauen und Wohnen, Ernährung und Landwirtschaft, Mobilität) entwickelt und analysiert werden. Zum anderen sollen Grundlagen und Kriterien für eine am Nachhaltigkeitsleitbild orientierte künftige Prioritätensetzung für die Forschungs- und Technologiepolitik im allgemeinen und die der HGF im besonderen erarbeitet werden.

Da alle gesellschaftlichen Aktivitätsfelder berücksichtigt werden sollen, muss der Ansatz auf einer dementsprechenden Grundlage aufbauen, die auch einen Überblick über eventuell fehlende Bestandteile oder vorhandene Überlappungen ermöglicht. Die Grundlage muss gleichzeitig als Ausgangspunkt für eine Untergliederung des HGF-Projekts in einzelne Teilbereiche (Aktivitätsfelder) fungieren, die parallel und relativ unabhängig voneinander bearbeitet werden können, gleichzeitig aber auch möglichst homogen und funktionell zusammengehörig sind. Die einzelnen Bereiche dürfen allerdings nicht isoliert nebeneinander stehen; sie müssen vielmehr wieder zu einer Gesamtdarstellung integriert werden. Dafür benötigt man ein Verfahren, das eine weitgehend konsistente Aggregation zulässt und einen für alle Teilbereiche geltenden Rahmendatensatz liefert (vgl. zum Folgenden Klann, Nitsch 1999).

Als Gebietsstand für das HGF-Projekt wurde die Bundesrepublik Deutschland gewählt. Die internationale wirtschaftliche und politische Einbindung Deutschlands und die supranationale Dimension vor allem vieler ökologischer Problembereiche sollen gleichwohl berücksichtigt werden. Aufgrund dieser globalen Dimension ist ein Ansatz wünschenswert, der auf andere Staaten ausgedehnt werden kann.

2     Mobilität im integrativen Konzept nachhaltiger Entwicklung

Vor dem Hintergrund des integrativen und flächendeckenden Konzepts einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland wird im Rahmen des Projekts folgendermaßen vorgegangen.

Nach der Bestandsaufnahme der Verkehrsentwicklung und der Trendanalyse erfolgt eine Feststellung der Nachhaltigkeitsdefizite bzw. -lücken anhand spezifischer Indikatoren und eine Abschätzung von Potenzialen zu ihrer Verringerung oder Beseitigung. Auf der Basis von Szenarien, bei denen die Entwicklung wesentlicher Einflussfaktoren vorgegeben wird, werden anschließend die Wirkungen verschiedener Handlungsstrategien auf die verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen abgeschätzt.

Anschließend sollen geeignete Maßnahmen und Instrumente für verschiedene Akteure in unterschiedlichen Handlungsfeldern zur Umsetzung der Potenziale und Szenarien vorgeschlagen und deren Rückwirkungen auf das Verkehrs- und Gesamtsystem analysiert werden, um Handlungsoptionen für die Durchführung geeigneter "Mobilitätsstrategien" entwickeln und noch erforderlichen Forschungs- und Technologiebedarf identifizieren zu können.

Bei dieser Vorgehensweise bedarf es stetiger Rückkopplungen mit anderen Arbeitsgruppen, vor allem aber der Überprüfung der verschiedenen Szenarien und Strategien an Nachhaltigkeitskriterien und -zielen.

Die Entwicklungstrends der vergangenen Jahrzehnte insbesondere hinsichtlich Raum- und Entwicklungsplanung, Produktionslogistik, Transportpreisen, Globalisierung oder Liberalisierung haben zu einer wachsenden Entflechtung der gesellschaftlichen Aktivitäten Arbeiten, Wohnen, Einkaufen und Freizeit und zu einer deutlichen Steigerung der Reise- und Transportintensitäten geführt. Weitgehend übereinstimmend werden für den sich dergestalt entwickelten Verkehrsbereich die folgenden wesentlichen Problembereiche genannt, die erhebliche Folgekosten für die Gesellschaft nach sich ziehen:

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die aktuelle Debatte sind allgemeine Handlungsleitlinien für eine nachhaltige Entwicklung im Verkehrsbereich zu formulieren. Solche Leitlinien sind verschiedentlich schon vorgeschlagen worden. Zu nennen wären hier etwa die Arbeiten im Rahmen des Schweizerischen Nationalen Forschungsprogramms (Ernst Basler + Partner AG 1998), die Arbeiten im Rahmen des Verbundprojekts "Arbeit und Ökologie", das gemeinsam vom DIW, dem Wuppertal-Institut und dem WZB Berlin durchgeführt wird (Hans-Böckler-Stiftung 2000), sowie die sogenannten "Vancouver-Prinzipien für nachhaltigen Verkehr" der OECD (OECD 1997).

All dies in Betracht ziehend, stützen wir uns auf folgende generellen Leitlinien [1]

Diese Leitlinien sind als Gesamtheit zu betrachten, d. h. jede einzelne gilt im Prinzip nur in den Grenzen aller anderen.

Wie diese Handlungsleitlinien in dem Projekt konkret umgesetzt werden, sei am Beispiel der Chancengleichheit verdeutlicht. Als Indikator für Chancengleichheit wird der Anteil der Bevölkerung herangezogen, der in einer bestimmten Zeit ein regionales Mittelzentrum mit öffentlichen Verkehrsmittel erreichen kann. Mittelzentren wurden gewählt, weil in ihnen die öffentliche Grundversorgung gewährleistet ist, und öffentliche Verkehrsmittel, weil nur sie der gesamten Bevölkerung zugänglich sind.

In den beiden folgenden Abschnitten werden erste Ergebnisse der Arbeiten im Aktivitätsfeld Mobilität dargestellt. Sie beziehen sich zum einen auf ein Business-as-usual-Szenario der Verkehrsnachfrage bis zum Jahre 2020 einschließlich der verkehrlichen Energienachfrage. Zum anderen werden Potenziale technologischer Innovationen bei Verkehrsmitteln des motorisierten Individualverkehrs am Beispiel Klimaschutz vorgestellt.

3     Erste Ergebnisse der Arbeitsgruppe Mobilität

3.1  Die Verkehrsentwicklung bis 2020: Business as usual

Die Verkehrsleistung im Personenverkehr hat sich seit 1960 nahezu vervierfacht und erreichte 1997 einen Wert von 923 Mrd. Personenkilometern (Pkm). Aufgrund der Wiedervereinigung liefert die Betrachtung der absoluten Größen jedoch ein verzerrtes Bild. Aussagekräftiger sind relative Größen, wonach die Verkehrsleistung, gemessen in Personenkilometer je Einwohner, seit 1960 von 4.300 Pkm/ Einw. auf rund 11.200 Pkm/Einw. im Jahre 1997 angestiegen ist. Die Hauptursachen für diese Entwicklung liegen in der Massenmotorisierung in den 60er Jahren sowie in den gestiegenen Mobilitätsbedürfnissen der Bevölkerung.

Bis zum Jahr 2020 steigt die jährliche Verkehrsleistung je Einwohner ohne Eingriff in die Nachfragentwicklung auf etwa 14.100 Pkm/Einw. Insgesamt ergibt sich damit eine Mobilitätsnachfrage von 1.138 Mrd. Pkm (vgl. zum Folgendem Prognos AG 2000). Die modale Verteilung der Verkehrsleistung auf die Verkehrsträger hat sich in der Vergangenheit zugunsten des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und des Luftverkehrs verschoben. Lag der Anteil des MIV 1980 noch bei 79 %, betrug er 1997 81,8 %. Deutlich stärker war das Wachstum beim Luftverkehr, dessen Anteil von 1,8 % auf 3,0 % stieg. Dagegen waren bei der Bahn und dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) Anteilsverluste zu verzeichnen.

Beim Luftverkehr ist zu erwarten, dass sich die Wachstumsdynamik weiter auf einen Anteil von 4,2 % im Jahre 2020 fortsetzen wird. Die Zuwachsraten bei der Bahn werden nur leicht oberhalb des Durchschnitts der gesamten Verkehrsnachfrage liegen. Dagegen wird der Marktanteil des ÖPNV auch weiterhin rückläufig sein. Trotz steigender Preise für Kraftstoffe wird der Anteil des MIV an der gesamten Verkehrsleistung nur geringfügig zurückgehen (auf 81,5 % im Jahre 2020).

Auch im Güterverkehr sind die Verkehrsleistungen in der Vergangenheit deutlich gestiegen. Lag die Transportleistung 1980 noch bei rund 250 Mrd. Tonnenkilometer (tkm), wurden 1997 in Deutschland bereits etwa 440 Mrd. tkm erreicht. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist die Transportintensität im gleichen Zeitraum von 120 tkm je 1.000 DM auf etwa 140 tkm je 1.000 DM in konstanten Preisen gestiegen.

Die modale Verteilung des Güterverkehrs zeigt, dass der Marktanteil des Straßengüterverkehrs von 69,0 % im Jahre 1997 auf 73,5 % im Jahre 2020 steigen könnte. Insbesondere die Förderung des Kombinierten Verkehrs wird für die Verkehrsträger Binnenschiff und Eisenbahn Wachstumsimpulse auslösen. Allerdings sind diese Verkehrsträger durch das unterproportionale Wachstum der Grundstoffindustrie besonders betroffen, so dass die Expansion nur unterdurchschnittlich ausfällt.

Der Endenergieverbrauch des Verkehrssektors ist in der Vergangenheit kontinuierlich überproportional gestiegen. 1980 lag der Anteil des verkehrsbedingten Energieverbrauchs bei etwa 22 %, 1997 waren es bereits 28 % oder 2.643 PJ. Der Anteil des Straßenverkehrs am verkehrsbedingten Energieverbrauch blieb im Zeitablauf mit etwa 87 % relativ konstant, während der Luftverkehr erheblich an Bedeutung gewonnen hat (1997 ( 9 %). Dagegen ist der Anteil des Schienenverkehrs (1997 ( 3 %) und der Binnenschifffahrt (1997 ( 1 %) seit 1980 deutlich zurückgegangen.

Bis zum Jahre 2010 ist noch mit einer Steigerung des gesamten Energieverbrauchs im Verkehrssektor auf 2.822 PJ zu rechnen, bevor ein sich kontinuierlich beschleunigender Rückgang einsetzt. Im Jahre 2020 wird wieder annähernd das Ausgangsniveau des Jahres 1997 erreicht (2.655 PJ). Diese Verbrauchstendenz ist im wesentlichen das Ergebnis zweier gegenläufiger Einflüsse: Zunahme der Verkehrsleistungen und Abnahme der spezifischen Verbräuche durch sparsamere Verkehrsmittel und bessere Organisation und Logistik. Die Hauptexpansionsbereiche sind der Straßengüterverkehr und der Luftverkehr. Der Straßenpersonenverkehr steigt demgegenüber nur noch bis 2005 an und sinkt dann mit zunehmender Tendenz. Diese Reduktion ist absolut betrachtet so groß, dass die Verbrauchssteigerungen bei allen anderen Verkehrsbereichen ab 2010 überkompensiert werden.

Differenziert nach Energieträgern zeigt sich folgendes Bild:

Ursachen dieser Entwicklung sind ein weiteres wirtschaftliches Wachstum, das weiterhin steigende Motorisierungsgrade erlaubt und erhebliche Steigerungen im Güterverkehr mit sich bringt - bei deutlichen Verbesserungen des Auslastungsgrades. Die spezifischen Energieverbräuche nehmen vor allem bei Pkw zukünftig aufgrund steigender Treibstoffpreise deutlich ab.

Der stagnierende Mineralölverbrauch des Verkehrssektors bis zum Jahre 2020 lässt vermuten, dass sich auch die verkehrsbedingten CO2-Emissionen nicht verringern. Ein wichtiges Ziel nachhaltiger Entwicklung wird somit im Verkehrsbereich verfehlt. Eine Senkung des absoluten Kraftstoffverbrauchs auf Erdölbasis ist daher eine notwendige Voraussetzung zur Erreichung des Klimaschutzziels. Welche technologischen Potenziale in der Fahrzeug- und Antriebstechnik zur Verringerung des Kraftstoffverbrauchs und zur Subvention der Energieträger stecken, wird im folgenden Abschnitt am Beispiel der Verkehrsmittel des MIV aufgezeigt.

3.2   Ökologische Nachhaltigkeit von Verkehrsmitteln des motorisierten Individualverkehrs: Beispiel Klimaschutz

Unter der Prämisse, dass eine gegebene Verkehrsnachfrage mittels Individualverkehr gedeckt werden soll, gibt es verschiedene Ansatzpunkte für eine Reduktion der Umwelteinwirkungen (Abb. 1). Die Reduktion des Kraftstoffverbrauchs ist vor allem aus Klimaschutzgesichtspunkten dringlich. Andere Kraftstoffe können durch die Zusammensetzung des Kraftstoffs (z. B. Schwefelinventar) die direkten Schadstoffemissionen senken oder bei Rückgriff auf regenerative Primärenergieträger ressourcen- und klimaschonend wirken. Durch strenge Gesetzesvorschriften werden zumindest auf dem europäischen Markt zukünftig auch die direkten Emissionen der Fahrzeuge drastisch gesenkt, sei es durch weiter entwickelte Katalysatortechnologien oder andere Antriebssysteme (z. B. Brennstoffzellen). Schließlich kann die Herstellung der Fahrzeuge bzw. deren Entsorgung möglichst umweltverträglich gestaltet werden.

 Möglichkeiten der Senkung der Umweltwirkungen im motorisierten Individualverkehr. B: spezifischer Kraftstoffverbrauch. e: Emissionsfaktor.

Abb.: 1 Möglichkeiten der Senkung der Umweltwirkungen im motorisierten Individualverkehr. B: spezifischer Kraftstoffverbrauch. e: Emissionsfaktor.

Bei der Analyse der ökologischen Nachhaltigkeit ist zu berücksichtigen, dass es in Zukunft zu einer Verschiebung der Bedeutung der einzelnen Optimierungspunkte kommen wird. Die Senkung des Kraftstoffverbrauchs und sauberere Fahrzeuge werden dazu führen, dass verstärkt auch die Herstellung des Fahrzeuges an Relevanz gewinnen wird. Trägt die Herstellung des VW Golfs beispielsweise nur 10 % zum gesamten, über die Lebensdauer benötigten Primärenergiebedarf bei, so steigt dieser Wert auf 25 % für den 3l-VW Lupo. Dabei bleibt im Vergleich der absolute Wert für die Herstellungsenergie für beide Fahrzeuge trotz unterschiedlicher Fahrzeuggewichte gleich.

Die europäische Automobilindustrie hat sich im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung mit der Europäischen Union verpflichtet, die CO2-Emissionen von neu zugelassenen Fahrzeugen gegen über dem Stand des Jahres 1995 (187 g/km) bis 2008 um 25 Prozent zu verringern (140 g/km). Die Arbeitsgruppe "Umwelt und Verkehr" der Umweltministerkonferenz geht noch einen Schritt weiter. Sie definiert als Anforderungsprofil an ökologisch vertretbare Automobile CO2-Emissionen von 120 g/km für die durchschnittliche neuzugelassene Flotte 1999 - 2004 und 90 g CO2/km bis 2005 (Umweltministerkonferenz 1998). Im Wesentlichen bieten sich drei Ansatzpunkte für eine Verbrauchsreduktion an:

Dabei kommt es bei der Realisierung der einzelnen Optimierungsansätze immer wieder zu Nachhaltigkeitskonflikten bzw. gegenläufigen Tendenzen 

Nicht nur Nachhaltigkeitsdefizite, sondern auch Nachhaltigkeitskonflikte dieser Art sollen in der weiteren Bearbeitung dieses Projektes leitend sein. Zwei Beispiele sollen dies für den letzten Punkt verdeutlichen.

Nutzung versus Herstellung: Leichtbau

Eine Gewichtsverringerung der Fahrzeuge ist aus mehreren Gründen wichtig. Der Rollwiderstand wird verringert, der Energiebedarf reduziert, der zum Beschleunigen und Bergauffahren wichtig ist, und der Motor kann kleiner ausgelegt werden.

Einige realisierte Fahrzeuge zeigen, dass eine Gewichtsreduktion ohne Komfort- und Leistungseinbußen ohne weiteres möglich ist. Die Öko-Version des VW Lupo enthält beispielsweise viel Aluminium und erreicht eine Gewichtsverminderung um 15 %. Greenpeace reduzierte im Smile das Originalgewicht um 23 % - ohne exotische Materialien, lediglich durch einen kleineren Motor sowie leichtere Innenausstattung und Räder.

Zur Kraftstoffeinsparung durch Gewichtsreduktion gibt es drei Strategien:

Der Verbrauchsreduktion stehen jedoch unter Umständen erhöhte Umweltwirkungen durch aufwendigere Materialien entgegen. Dies wird besonders offensichtlich bei Faser-Verbundwerkstoffen, z. B. Kohlenstofffasern, die entweder aus Kohlenwasserstoffgemischen oder aus Polyacrylnitril hergestellt werden, wobei letztere bessere Festigkeitseigenschaften aufweisen. Faser-Verbundwerkstoffe werden für eine Reihe von Fahrzeugkonzepten erprobt. Bekanntes Beispiel ist das Hypercar des Rocky Mountain Institutes. Sie sind jedoch in der Herstellung außerordentlich aufwendig. Eine überschlägige Ökobilanz bei optimistischen Annahmen für die Energieaufwendungen von Verbundwerkstoffen führt zu 20 GJ Primärenergieverbrauch pro Hypercar allein für die Kohlenfaserstoffbauteile (inklusive Harz, substituiertes Material gutgeschrieben) entsprechend 540 l Benzin-Äquivalente (inklusive Vorkette). Unter der Annahme, dass diese 100 kg Verbundwerkstoff inklusive sekundärer Gewichtsreduktion (kleinerer Motor etc.) 150 kg Gewicht einsparen, müssen bei einer Lebensdauer von 150.000 km Einsparungen von 0,25 l Benzin pro 100 km und 100 kg Gewichtsreduktion erzielt werden, damit die Mehraufwendungen für die Herstellung wieder amortisiert werden. Die meisten Fahrzeugsimulationen kommen auf 0,25 bis 0,5 l/(100 km

[1] 00 kg) je nach Fahrzyklus und Basisfahrzeug. Also werden bei optimistischen Annahmen für den Kumulierten Energieaufwand (KEA) der Verbundwerkstoffe die Mehraufwendungen für die Herstellung gerade wieder eingefahren. Nicht berücksichtigt wurden hierbei allerdings eine Recyclinggutschrift (allerdings ist die Substitution von Primärfasern auf absehbare Zeit nicht möglich), stärkere Effekte der sekundären Gewichtseinsparung und eine längere Lebensdauer der Fahrzeuge.

Kraftstoff versus Antriebssystem: die Brennstoffzelle

Brennstoffzellen sind ein vielsprechender Energiewandler vor allem für den stationären Sektor, gerade aber auch als Stromquelle für Elektrofahrzeuge. Eine ökologische Gesamtbilanz, die die Bilanzen der Herstellung und Kraftstoffbereitstellung mit den Umwelteinwirkungen durch den Betrieb verknüpft (Pehnt 2001), führt für den Treibhauseffekt durch zukünftige Antriebssysteme (Status 2010) zu den in Abbildung 2 gezeigten Ergebnissen. Die Klimabilanz macht deutlich, dass der Energieträger einen deutlicheren Effekt erzielt als das Antriebskonzept. Durch Einsatz von Biomasse, Wasserkraft oder anderer regenerativer und nahezu treibhausneutraler Energieträger, auch unter Berücksichtigung der Transportaufwendungen (beispielsweise LH2-Transport durch Tanker mit fossilem Kraftstoff), lassen sich diese Umweltwirkungen deutlich senken. Mit diesen Kraftstoffen entfaltet die Brennstoffzelle ihr volles Potenzial. Ein höherer Wirkungsgrad neuer Antriebskonzepte ist bei die sen Primärenergieträgern ökologisch weniger wichtig. Günstig ist der bessere Wirkungsgrad jedoch wegen der höheren Brennstoffkosten und begrenzten Potenziale vieler erneuerbarer Energieträger.

Abb. 2: Bilanz der Treibhausgasemissionen verschiedener zukünftiger Antriebskonzepte (Status 2010) und Kraftstoffe im Referenzfahrzyklus (Pehnt 2000) Abb. 2: Bilanz der Treibhausgasemissionen verschiedener zukünftiger Antriebskonzepte (Status 2010) und Kraftstoffe im Referenzfahrzyklus (Pehnt 2000)

ICE: Verbrennungsmotor. mPÄ: milli-Personenäquivalenzen (=Umwelteinwirkungen pro km/tägliche Pro-Kopf-Einwirkungen in Deutschland). Regenerativer H2: Elektrolyse aus Wasserkraft. GH2: HGÜ. LH2: Dieseltanker. H2 kann grundsätzlich auch im Ottomotor eingesetzt werden (Analyse aus Datenmangel nicht durchgeführt). Die negativen Werte des Methanols aus Holz ergeben sich aufgrund der Tatsache, dass als Kuppelprodukte Wärme und Strom erzeugt werden, die mit einem Erdgaskessel bzw. dem Strommix gutgeschrieben werden. Für weitere Umweltwirkungen siehe (Pehnt 2000).

Ebenfalls erkennbar wird, dass der deutliche Wirkungsgradvorteil von Brennstoffzellen (im Neuen Europäischen Fahrzyklus mit fortgeschrittenen Fahrzeugen (Status 2010): Wasserstoff-BZ 40 %, Methanol-BZ 33 %, Ottomotor 23 % Tank-zu-Rad-Wirkungsgrad) z. T. durch niedrigere Wirkungsgrade - und mithin Treibhausgasemissionen - der Kraftstoffherstellung kompensiert wird. Daher und wegen der aufwendigeren Produktion der Brennstoffzellenfahrzeuge liegt auch der Treibhausvorteil bei fossilem Wasserstoff nur bei knapp 15 %. Die Verwendung von fossilem Methanol führt sogar zu Treibhausgas-Emissionen in gleicher Höhe wie die des Benzin-Fahrzeuges.

4     Ausblick

Aufbauend auf den technologischen Potenzialen der einzelnen Verkehrsmittel und der IuK-Technologien im Verkehrsbereich zur Lösung der verkehrsbedingten Probleme und ihres Beitrages zur Bewältigung der Verkehrsaufgaben wird ein technologisches Innovationsszenario erstellt und auf seinen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung analysiert. Erste Ergebnisse sind im Frühjahr 2001 zu erwarten.

Dieses Szenario wird anschließend kombiniert mit einem Zukunftsbild, das Änderungen im Mobilitätsverhalten unterstellt - z. B. Modal-Split, Reise- und Transportintensitäten - da zu erwarten ist, dass technologische Innovationen alleine zur Erreichung des Ziels einer nachhaltigen Entwicklung nicht ausreichend sind.

Dieses Szenario orientiert sich an "Best-Practise-Modellen". Es soll eine Verkehrssituation untersucht und in Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit analysiert werden, bei der z. B. ein Fahrradverkehrsanteil in allen Großstädten herrscht, wie er derzeit in fahrradfreundlichen Städten (Münster, Erlangen) anzutreffen ist oder bei der Eisenbahn einen Verkehrsanteil im Personen- und Güterverkehr wie derzeit in der Schweiz erreicht. Aus der Bewertung der Szenarien vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsziele und der szenariospezifischen Aufwendungen wird eine (oder mehrere) aus der Sicht des Aktivitätsfelds "Mobilität" zweckmäßige bzw. anzustrebende Entwicklung ausgewählt, die im folgenden Arbeitsschritt auf ihre Umsetzbarkeit hin untersucht wird.

Anmerkung

[1] Die Autoren bedanken sich bei J. Kopfmüller, ITAS, Forschungszentrum Karlsruhe für seine Unterstützung bei der Formulierung dieser Leitlinien.

Literatur

Ernst Basler + Partner AG, 1998: Nachhaltigkeit: Kriterien im Verkehr. Berichte des Nationalen Forschungsprogramms NFP 41 "Verkehr und Umwelt". Bern: Eidg. Drucksachen- und Materialzentrale (EDMZ)

Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.) , 2000: Wege in eine nachhaltige Zukunft. Ergebnisse aus dem Verbundprojekt Arbeit und Ökologie. Frankfurt/Main: Bund-Verlag

Hauff, V. (Hrsg.) , 1987: Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Greven: Eggenkamp Verlag

Jörissen, J. u. a. , 1999: HGF-Projekt: "Untersuchung zu einem integrativen Konzept nachhaltiger Entwicklung: Bestandsaufnahme, Problemanalyse, Weiterentwicklung". Abschlußbericht Band 3: Ein integratives Konzept nachhaltiger Entwicklung. Karlsruhe: Forschungszentrum Karlsruhe, Institut für Technikfolgenabschätzung (ITAS)

Klann, U; Nitsch, J. , 1999: Der Aktivitätsfelderansatz - Ein Ansatz für die Untersuchung eines integrativen Konzepts nachhaltiger Entwicklung. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Technische Thermodynamik. STB-Bericht Nr. 23 (1999)

Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) , 1997: Towards Sustainable Transportation. Conference organised by the OECD hosted by the Government of Canada. Vancouver, Britisch Columbia, 24 - 27 March 1996. Paris: OECD Proceedings

Pehnt, M. : Ganzheitliche Bilanzierung von Brennstoffzellen. Dissertation. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Technische Thermodynamik. Stuttgart 2001, in Vorbereitung.

Pehnt, M. , 2000: Ökobilanzen und Markteintritt von Brennstoffzellen im mobilen Einsatz. VDI-Konferenz Innovative Fahrzeugantriebe. Dresden. VDI-Berichte 1565 (2000), S. 323-348

Prognos AG (Hrsg.) , 2000: Energiereport III. Die längerfristige Entwicklung der Energiemärkte im Zeichen von Wettbewerb und Umwelt. Stuttgart: Verlag Schäffer-Poeschel

Umweltministerkonferenz: Anforderungsprofile für ökologisch vertretbare Automobile. Bericht der Arbeitsgruppe "Umwelt und Verkehr" der Umweltministerkonferenz vom 11.3.1998

Kontakt

Hermann Keimel
DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.
Institut für Verkehrsforschung
D-51170 Köln
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