Schwerpunktthema: Nachhaltige Mobilität
Neue Bewertungsverfahren in der Verkehrsplanung
Neue Bewertungsverfahren in der Verkehrsplanung
von Astrid Gühnemann, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, und Werner Rothengatter, Universität Karlsruhe
Mit dem Verkehrsbericht 2000 sind von Seiten des Bundesministeriums für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen auch Informationen über die Überarbeitung des gesamtwirtschaftlichen Bewertungsverfahrens im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung veröffentlicht worden. Obwohl bedeutende Verfahrensfortschritte erzielt worden sind, ist die Bewertungsmethodik im Kern gleich geblieben. Das gibt Anlass, die in der Verkehrsplanung gängigen Bewertungsverfahren einer kritischen Analyse zu unterziehen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Alternativkonzepte aufzuzeigen. Der vorliegende Artikel stützt sich dabei wesentlich auf Ergebnisse, die im Rahmen des Forschungsvorhabens "Entwicklung eines Verfahrens zur Aufstellung umweltorientierter Fernverkehrskonzepte als Beitrag zur Bundesverkehrswegeplanung" im Auftrag des Umweltbundesamtes erarbeitet wurden. [1]
Einleitung
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP 2000) gibt den Rahmen für Investitionen des Bundes in die Verkehrsinfrastruktur über einen mittel- bis langfristigen Planungszeitraum vor. Es handelt sich um eine verkehrsträgerübergreifende Planung unter der Maßgabe, die zur Verfügung stehenden "Finanzmittel verantwortungsvoll und dem Gemeinwohl dienend" (S. 55) einzusetzen. Die Planungsbehörden stehen dabei vor der Schwierigkeit, unterschiedliche gesellschaftliche Interessen gegeneinander abzuwägen. Um diesen Prozess abzustützen, werden formalisierte Bewertungsverfahren eingesetzt, mit denen die Wirkungen von Infrastrukturprojekten abgeschätzt und nach zugrunde gelegten Wertmaßstäben eingestuft werden können. Indem objektivierbare Informationen gewonnen werden, dienen diese Verfahren gleichzeitig der Aufklärung von Fachleuten, Betroffenen und der interessierten Öffentlichkeit. Sie müssen daher nachvollziehbar und in einen strukturierten und institutionalisierten Planungsprozess eingebunden sein. Außer in der Bundesverkehrswegeplanung werden in Deutschland zu diesem Zweck standardisierte Bewertungsverfahren zum Beispiel auch in den Empfehlungen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von Straßen (EWS-97) und für die Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen des ÖPNV eingesetzt.
Konventionelle Bewertungsverfahren
Für die gesamtwirtschaftliche Bewertung von Verkehrsinfrastruktur-Projekten kommen europaweit vor allem nutzwertanalytische und Kosten-Nutzen Ansätze zur Anwendung. Diese Bewertungsverfahren haben eine mehrteilige Struktur gemeinsam (vgl. auch Schnabel, Lohse 1997): Die Eigenschaften der zu bewertenden Objekte werden in einem Wirkungsmodell abgebildet. Dabei erfolgt die Auswahl der zu untersuchenden Maßzahlen (verkehrliche Kenndaten, Kosten, raumordnerische Kriterien, Umweltwirkungen), die Entwicklung und Auswahl von Szenarien sowie daraus abgeleitet die Prognose der verkehrlichen Entwicklung und der Projektwirkungen im Hinblick auf die im Modell des Wert- und Zielsystems festgelegten Zielkriterien. Bewertungsregeln und -algorithmen beschreiben die Transformation der physikalischen Maßzahlen in Qualitätsindizes. In diesen Bewertungsregeln unterscheiden sich die nachfolgend kurz dargestellten Verfahren der Nutzwert- und Kosten-Nutzen-Analyse.
Die Nutzwertanalyse (NWA) basiert auf der allgemeinen Entscheidungstheorie und setzt formale Rationalität und die Existenz einer eindeutigen Präferenzordnung der Entscheider voraus. Ihr liegt ein mehrdimensionales Zielsystem zugrunde, dessen Maßstäbe aus individuellen Präferenzen abgeleitet werden. Das Endergebnis muss deshalb nicht notwendigerweise aus einem gesellschaftlich akzeptierten Wertesystem folgen. Bei der Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) sollen dagegen Entscheidungen nicht aus individuellen Präferenzen des Entscheidungsträgers, sondern aus einem gesellschaftlich akzeptierten Wertesystem abgeleitet werden (substantielle Rationalität). Grundlage hierfür ist die ökonomische Wohlfahrtstheorie. Die Wirkungen von Projekten werden in eine gemeinsame, üblicherweise monetäre, Zielgröße transformiert, die als Messgröße für die soziale Wohlfahrt dienen soll. Die Kosten und Nutzen von Investitionen werden dann mit ihren Marktpreisen bewertet. Da für viele Maßnahmeneffekte, insbesondere externe Effekte durch Umweltbelastungen, keine Marktpreise existieren, wurden Ersatzmaßstäbe für deren monetäre Bewertung entwickelt. Damit wird jedoch eine unbegrenzte Substituierbarkeit von Umwelt und ökonomischen Nutzen vorausgesetzt. Gerade bei irreversiblen Schäden durch die Zerstörung von Umweltgütern ist dieses Prinzip fragwürdig. Ein weiteres Problem liegt in der Berücksichtigung von erst in der Zukunft auftretenden Nutzen und Kosten. Um dies zu erreichen, wird üblicherweise ein sozialer Diskont angesetzt. Die Höhe dieses Diskonts hängt davon ab, wie viel Gewicht die heutige Generation den Rechten zukünftiger Generationen beimisst. Ein hoher Diskontsatz vermindert den Wert zukünftiger Effekte, so dass Maßnahmen mit kurzfristig zu erzielenden Nutzen präferiert werden.
Die Kosten-Nutzen-Analyse stellt den Kern des gesamtwirtschaftlichen Bewertungsverfahrens im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung zur Auswahl von Investitionsmaßnahmen dar. [2] Darin werden auch Auswirkungen der vorgeschlagenen Infrastrukturprojekte auf die Umwelt berücksichtigt. In der Weiterentwicklung der KNA gegenüber der Bundesverkehrswegeplanung 1992 sollen im laufenden Verfahren zusätzlich Lärm außerorts, Klimaschäden und Kompensationskosten für Eingriffe in Natur- und Landschaft bewertet sowie das Bewertungsverfahren für Abgase grundsätzlich erneuert werden. Um solche Projektwirkungen angemessen zu berücksichtigen, für die eine Monetarisierung nicht durchführbar oder sinnvoll erscheint, werden für bestimmte Projekte Wirkungen des Verkehrswegebaus auf Natur und Landschaft anhand einer Umweltrisikoeinschätzung (URE) bewertet. Neu hinzugekommen im Rahmen des laufenden Verfahrens der Bundesverkehrswegeplanung ist eine Raumwirksamkeitsanalyse (RWA), innerhalb derer die Verteilungs- und Entwicklungsziele sowie Entlastungs- und Verlagerungsziele in einer eigenständigen Bewertungskomponente untersucht werden. Getrennt hiervon werden Entlastungen im lokalen Bereich innerhalb der Beurteilung städtebaulicher Effekte bewertet. Die Ergebnisse dieser nicht-monetären Beurteilungsverfahren werden zusammengefasst in Form einer qualitativen Einschätzung in die weitere Projektabwägung eingehen.
Für die laufende Bundesverkehrswegeplanung sind weitere bedeutsame Verfahrensfortschritte, insbesondere die Bewertung verkehrlich interdependenter Maßnahmenbündel und die Berücksichtigung des induzierten Verkehrs, erzielt worden. Dennoch bleiben gerade im Hinblick auf eine umfassende und frühzeitige Berücksichtigung der Folgen des Bundesverkehrswegebaus für die Umwelt einige Schwächen des im Kern der Bewertungsmethodik gleich gebliebenen Verfahrens zu konstatieren. So werden die Projekte nicht im vollständigen Netzzusammenhang beurteilt, d. h. eine Gesamtbeurteilung des Verkehrssystems unter Einbezug aller im Bundesverkehrswegeplan enthaltenen Projekte erfolgt nicht. Außerdem bleibt die systematische Integration der Ergebnisse der nicht-monetären Bewertungen in die gesamtwirtschaftliche Beurteilung unklar. Darüber hinaus verbleiben die oben dargestellten grundsätzlichen Unzulänglichkeiten von Kosten-Nutzen-Analysen bei der Bewertung von Umwelt- und Raumordnungseffekten.
Aus diesem Grund ist es notwendig, für eine nachhaltige strategische Verkehrsplanung Alternativkonzepte zu den standardisierten Bewertungsverfahren zu entwickeln, so dass ökonomische sowie raumwirtschaftliche Funktionalitäten gesteigert und die nachfolgend genannten Anforderungen der langfristigen Umweltverträglichkeit erfüllt werden (siehe z. B. Pearce, Markandya, Barbier 1989; Martinez-Alier 1990):
- die Anerkennung von Grenzen der Aufnahmefähigkeit der Ökosysteme,
- die Ablehnung der Hypothese der unbegrenzten Substituierbarkeit von Umweltgütern,
- die Berücksichtigung von Umweltrisiken und
- die Notwendigkeit, die intergenerationale Fairness bei der Allokation von Gütern zu berücksichtigen.
Mit diesem Ziel wurde im Rahmen eines Forschungsvorhabens im Auftrag des Umweltbundesamtes ein Verfahren zur Aufstellung umweltorientierter Fernverkehrskonzepte entwickelt, das es ermöglicht, die Umweltwirkungen von Verkehrsprojekten bereits im frühest möglichen Planungsstadium verkehrsträgerübergreifend und gesamtnetzbezogen abzuschätzen und in einer systematischen Abwägung den übrigen Zielen der Verkehrspolitik gegenüberzustellen und zu bewerten (IWW et al. 1999).
Verfahren zur Aufstellung umweltorientierter Fernverkehrskonzepte
[3] , d. h. Ausgangspunkt sind umweltpolitische Zielvorstellungen bezogen auf als kritisch erachtete Umwelteffekte (siehe Abb. 1). Voraussetzung ist, dass diese Vorstellungen durch Umweltqualitätsziele operationalisiert werden, die "Safe Minimum Standards" darstellen, d. h. Mindestwerte zum Schutz vor irreversiblen Umweltschäden. Diese werden entsprechend der Regel festgelegt, dass die irreversible Zerstörung von natürlichen Ressourcen vermieden wird, es sei denn, dass die sozialen Kosten der Erhaltung nicht mehr akzeptabel sind.
Quelle: IWW et al. 1999, S. 192
Abb. 1: Zielgeleitetes Verfahren zur Aufstellung umweltorientierter Fernverkehrskonzepte
Ausgehend von diesen Umweltzielen und einem angestrebten Infrastrukturangebot werden Maßnahmenszenarien entwickelt, deren Umsetzung die Einhaltung der Umweltziele ermöglichen soll. Nach der Definition der Szenarien gehen diese in eine verkehrsträgerübergreifende Systemprognose und eine Prognose der globalen, regionalen und lokalen Umweltwirkungen ein. Aufgrund dieser Ergebnisse wird beurteilt, ob mit den angenommenen Maßnahmen die definierten Umweltziele erreicht werden. Ist dieses nicht der Fall, müssen die Maßnahmenszenarien modifiziert und erneut beurteilt werden, bis ein ökologisch zielverträgliches Szenario gefunden wird. Falls mehrere Maßnahmenszenarien das Gültigkeitskriterium erfüllen, kann über eine Bewertung der wirtschaftlichen Konsequenzen das ökonomisch effiziente Maßnahmenszenario abgeleitet werden, welches das vorgegebene Umweltzielsystem erfüllt. Auf diese Weise lässt sich ein umweltorientiertes Fernverkehrsprogramm aufstellen, das neben Infrastrukturprojekten auch die zur Einhaltung von umweltpolitischen Zielvorgaben notwendigen flankierenden Maßnahmen beinhaltet und offen legt.
Die Aufstellung von Verkehrsinfrastrukturprogrammen erfordert die Bewertung einer großen Anzahl von Projektvorschlägen als Grundlage der zu treffenden Investitionsentscheidung. Wegen der großen Anzahl möglicher Maßnahmenkombinationen ist es praktisch unmöglich, jede mögliche Kombination von Einzelprojekten unter der Annahme flankierender Maßnahmen separat zu beurteilen. Daher werden alle Einzelprojekte weiterhin in einer Kosten-Nutzen-Analyse unter Verwendung von sogenannten Opportunitätskosten bewertet, die aus dem optimalen Maßnahmenprogramm für die Umwelteffekte bestimmt werden.
Anwendung des Verfahrens am Fallbeispiel
Die Durchführbarkeit des entwickelten Verfahrens wurde im Projekt am Fallbeispiel der Verkehrsnetze des Landes Baden-Württemberg demonstriert. Im Folgenden werden für die einzelnen Verfahrensschritte die angewendeten Modelle kurz erläutert und Ergebnisse präsentiert.
Festlegung von Umweltzielen
Das Ziel bei der Entwicklung umweltorientierter Fernverkehrskonzepte ist die Umsetzung von Leitbildern einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung. Zur Prüfung der Einhaltung solcher Umweltleitbilder werden auf der einen Seite Indikatoren benötigt, die ökologische Zustände in aussagekräftigen Größen wiedergeben, zum anderen müssen Ziele konkretisiert werden, an denen die Entwicklung dieser Indikatoren gemessen werden kann. Die Anforderungen an die Operationalisierung der Umweltziele ergeben sich aus der räumlichen Differenzierung, der Differenzierung nach Verkehrsträgern, der Festlegung der Bezugsebene und der Forderung nach Konsistenz der Umweltziele im Hinblick auf die Schwere und Reversibilität der Umweltwirkungen.
In Tabelle 1 sind die in diesem Forschungsvorhaben verwendeten Leitindikatoren und zugehörigen Umwelthandlungsziele zusammengefasst. Diese Zielwerte wurden aus einem Katalog von Umweltkriterien des Umweltbundesamtes für eine nachhaltige Entwicklung abgeleitet (UBA 1997). Sie repräsentieren die oben geforderten Safe Minimum Standards. Als Planungshorizont wurde in Übereinstimmung mit dem BVWP 1992 das Jahr 2010 gewählt.
Tab. 1: Leitindikatoren für Umweltwirkungen und Umwelthandlungsziele
Definition von Maßnahmenszenarien
Ein wesentlicher Schritt bei der Entwicklung eines umweltorientierten Fernverkehrskonzepts ist die Definition von Maßnahmenkatalogen, mit denen sowohl die Einhaltung der umweltpolitischen Zielvorgaben als auch die ökonomischen und verkehrlichen Anforderungen an ein leistungsfähiges Verkehrssystem erfüllt werden können. Hierzu wurden zunächst alle denkbaren Maßnahmen zusammengestellt, von denen ein positiver Einfluss erwartet wurde. Die Stärke des Einflusses der Einzelmaßnahmen auf die Verkehrsaktivitäten wurde aufgrund von Erfahrungen aus anderen Projekten zunächst qualitativ abgeschätzt. Nach der Zusammenstellung von günstig erscheinenden Einzelmaßnahmen [4] zu einem Maßnahmenbündel (im Projekt als "Grobszenario" bezeichnet) wurde dieses operationalisiert und die Wirkungen mittels der Verkehrs- und Umweltmodelle prognostiziert. Aufgrund der Erkenntnisse aus der Wirkungsanalyse kann es notwendig sein, entweder bestimmte Einzelmaßnahmen innerhalb eines Grobszenarios einer "Feinjustierung" zu unterwerfen oder ein neues Grobszenario mit einer anderen Kombination von Einzelmaßnahmen zu entwerfen.
Innerhalb des Forschungsvorhabens wurden ein Basisszenario 1992 sowie ein Trendszenario und zwei Grobszenarien für 2010 entwickelt. Der Schwerpunkt des Grobszenarios 1 liegt auf ordnungspolitischen Maßnahmen (z. B. Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit), die auf eine forcierte Umsetzung technologischer Entwicklungen abzielen. Technologische Maßnahmen beziehen sich unter anderem auf Emissionsminderungstechnologien und die Absenkung des Durchschnittsverbrauches auf 5 l/100km Otto- bzw. 4 l/100km Dieselkraftstoff. Aber auch Maßnahmen, die auf die Kostenstruktur der Verkehrsteilnehmer Einfluss haben, wurden unterstellt. Das Grobszenario 2 basiert auf den Ergebnissen und Erfahrungen aus dem Grobszenario 1. Bestimmte Maßnahmen, die im Saldo nur geringe Wirkungsbeiträge lieferten oder in ihrer Ausprägung zu stark waren, wurden aus dem Maßnahmenpaket des Grobszenarios 2 entfernt oder konzeptionell verfeinert (z. B. moderatere Geschwindigkeitsbeschränkungen). Darüber hinaus erwies es sich als erforderlich, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Zielwerteinhaltung zu erreichen: Neben einem reduzierten Infrastrukturausbau beim Verkehrsträger Straße wurden im Grobszenario 2 verschiedene Maßnahmen ergriffen, die das Mobilitätsverhalten beeinflussen. Verkehrsarme Siedlungsstrukturen und Mobilitätspädagogik sind Beispiele hierfür.
Verkehrsprognose
Die in diesem Projekt durchgeführten Verkehrsprognosen für den Personen- und Güterverkehr wurden verkehrsträgerübergreifend aus Vergleichbarkeitsgründen grundsätzlich auf Basis der in der Bundesverkehrswegeplanung üblichen Methoden und der für den BVWP´92 erarbeiteten Verkehrsnachfragematrizen durchgeführt. Im Unterschied zur Bundesverkehrswegeplanung ist die räumliche Gliederung feiner, wurde der induzierte Verkehr explizit berücksichtigt und wurden alle Verkehrsdaten direkt mit den Umweltdaten unter Zuhilfenahme von Rastermodellen verknüpft. Basierend auf detaillierten Netzen für die Verkehrsträger Straße, Schiene, Luft und Binnenschiff wurde der Einfluss der Determinanten des Verkehrs auf die einzelnen Verkehrskenngrößen in einem mehrstufigen Verfahren prognostiziert. Für das Forschungsvorhaben war wesentlich, dass die eingesetzten Modelle die verkehrlichen Wirkungen der zu untersuchenden Maßnahmenszenarien abbilden und Daten für die anschließende Prognose von Umweltwirkungen in der erforderlichen Genauigkeit und Differenzierung liefern konnten. Die Basis für die Umweltmodelle bilden die aus den Verkehrsmodellen resultierenden Verkehrsbelastungen.
Prognose der Umweltwirkungen
Zur Prognose der Umweltwirkungen wurden Modelle für Abgasemissionen, Schadstoffkonzentrationen, Lärmemissionen und Lärmexposition sowie Modelle für Wirkungen auf Natur und Landschaft entwickelt [5] . Neben Variablen zu den Verkehrsaktivitäten spielen bei der Modellierung lokaler oder regionaler Umweltwirkungen die Belastungen durch andere Quellen und die Charakteristika der betroffenen Räume eine entscheidende Rolle. Um diese räumlichen Daten in einer für die Ebene der Bundesverkehrswegeplanung adäquaten Genauigkeit abzubilden, wurde der Untersuchungsraum in diesem Projekt mit einem Raster (Auflösung 5x5 km2) überdeckt. Dessen Elementen wurden aus der Auswertung von Einzelindikatoren (Bevölkerungsdichten, Anteile an Schutzgebietsflächen, meteorologische Daten) bestimmte Raumtypen zugeordnet. Für jedes Rasterelement wurden abschließend aus den Belastungen einerseits und den Raumcharakteristika andererseits die Umweltwirkungen des Verkehrs bestimmt und mit den regionalen Umweltzielen verglichen.
Den Berechnungen der Emissionen des Verkehrssektors liegen differenzierte Emissionsfaktoren für die Verkehrsträger Straße und Schiene zugrunde, die mit dem im Auftrag des Umweltbundesamtes entwickelten Programm "TREMOD" (Traffic Emission Estimation Model) ermittelt wurden (IFEU 1997). Durch Verknüpfung der Emissionsfaktoren mit den Verkehrsbelastungen werden kantenfein die Straßenverkehrsemissionen berechnet, die wiederum den Rasterelementen zugeordnet oder nach Regionen aggregiert werden können. Kaltstartemissionen im Innerortsbereich sowie Verdunstungsemissionen für Kohlenwasserstoffe und Benzol wurden dabei ebenfalls berücksichtigt. Die Grundlage für die Berechnung der Schienenverkehrsemissionen war der durchschnittliche Energieverbrauch für verschiedene Zugkategorien. Emissionsfaktoren wurden für die direkten Emissionen der dieselbetriebenen Bahnen und für die Bahnstrombereitstellung ermittelt. Im Bereich der Binnenschifffahrt wurden Schiffstypen unterschiedlicher Tragfähigkeit betrachtet, für die der Schadstoffausstoß über den fahrmodusspezifischen Kraftstoffverbrauch ermittelt wurde. Tabelle 2 zeigt den Vergleich der für die Szenarien prognostizierten Schadstoffemissionen mit den Zielwerten.
Tab. 2: Vergleich der Zielwerte mit den Prognosewerten der Szenarien
Schadstoff | Ziel | Ergebnis | ||
---|---|---|---|---|
Trendszenario | Grobszenario 1 | Grobszenario 2 | ||
CO2 | - 30 % | + 9 % | - 21 % | - 31 % |
NOX | - 80 % | - 63 % | - 74 % | - 77 % |
VOC | - 70 % | - 79 % | - 81 % | - 81 % |
Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die dominierenden Emissionen des Straßenverkehrs durch Verlagerung von Verkehr auf die Bahn und durch technische Maßnahmen so weit vermindert werden können, dass mit dem Grobszenario 2 bezogen auf die Emissionen ein weitgehend gültiges Fernverkehrskonzept vorgelegt werden konnte.
Die Modellierung der Schadstoffkonzentrationen von Benzol und Ruß erfolgte durch sogenannte Screening-Modelle, da auf der Ebene der Bundesverkehrswegeplanung höherwertige Ausbreitungsmodelle wegen des hohen Daten- und Rechenaufwandes ausscheiden. Zur Berechnung der Zusatzbelastung durch den Verkehr wurde außerhalb bebauter Gebiete das Verfahren nach MLuS 1992 (FGSV 1996) und innerhalb von Ortschaften ein vereinfachtes Verfahren nach Lohmeyer (in Heusch, Boesefeldt 1997) unter Verwendung von Stadtmodellbausteinen angewendet. Zusätzlich wurde die Höhe der Hintergrundbelastung für verschiedene Siedlungstypen ermittelt und für das Jahr 2010 über die Emissionsentwicklung in den Szenarien extrapoliert.
Die in den Grobszenarien erreichte Minderung der Schadstoffkonzentrationen führt dazu, dass in der überwiegenden Mehrheit der betrachteten Gebiete das Umweltziel 1,5 µg/m3 für Partikel (siehe Abb. 2) und 2,5 µg/m3 für Benzol erreicht wird. Jedoch auch im Grobszenario 2 müssen weitere Maßnahmen zur Minderung der Schadstoffkonzentrationen in Stadtkernen und städtischen Bereichen ergriffen werden, wobei die Hintergrundbelastung durch das nachgeordnete Netz und andere Quellen bereits einen großen Anteil an den erreichten Konzentrationen ausmacht.