Zwei TA-Studien zum Thema "GentechnischeDiagnostik" (Anmerkungen der Redaktion)

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Zwei TA-Studien zum Thema "Genetische Diagnostik"

Anmerkungen der Redaktion

Das Thema Gendiagnostik hat gerade in diesem Jahr durch die als Meilenstein der Menschheitsgeschichte bezeichnete Entschlüsselung des menschlichen Genoms für Schlagzeilen gesorgt hat, sah man doch zumindest in Teilen der Medien die Befreiung der Menschheit von Krankheit und Leid am Horizont aufscheinen. Schlagzeilen machte der von den Medien (quasi live) berichtete Wettlauf um die Ehre des "Erstentschlüsslers" aber vor allem auch deshalb, weil es offensichtlich nicht allein um die Ehre, sondern vor allem auch um den Zugang zu wirtschaftlichen Verwertungsrechten am menschlichen Genom ging.

Technikfolgenabschätzung hat demgegenüber zu konstatieren, dass mit der Sequenzierung allein noch nicht allzu viel erreicht ist - die Aufklärung von Genfunktionen, die erst eigentlich Aufschluss über den Zusammenhang zwischen Krankheitsentstehung und genetischen Merkmalen geben kann, beginnt gerade erst. Und die Ergebnisse dieses Suchprozesses sind durchaus noch ungewiss. Zu einer solchen eher nüchternen Einschätzung kommen beide hier vorgestellten und kürzlich abgeschlossenen TA-Studien zum Thema Gendiagnostik.

Ebenso weisen beide Studien auf die begrenzte und z. T. problematische Aussagekraft der heute verfügbaren prädiktiven genetischen Tests für multifaktoriell bedingte, weitverbreitete Volkskrankheiten hin.

Gerade für diesen Bereich wird in Zukunft mit Fortschritten durch die Humangenomforschung gerechnet: Das Angebot an Gentests, die Anfälligkeiten (mehr oder weniger über dem Durchschnitt liegende Risiken) für Krebs- oder Herzkreislauferkrankungen zu diagnostizieren in der Lage sind, wird wahrscheinlich zunehmen.

Die beiden vorliegenden TA-Studien setzen in einigen Bereichen unterschiedliche Schwerpunkte und ergänzen sich in sofern, sie kommen in vielen Punkten auch zu ähnlichen Einschätzungen. In mancher Hinsicht allerdings werden doch tendenziell voneinander abweichende Schlüsse aus der aktuellen Praxis genetischer Diagnostik und den zu erwartenden wissenschaftlich-technischen Entwicklung gezogen. So scheint die Studie der Europäischen Akademie aus der begrenzten Aussagekraft prädiktiver Tests und dem breit erörterten Thema genetischer Nicht-Determiniertheit menschlicher Eigenschaften und Merkmale eher auf eine zukünftig begrenzte - und auf medizinisch sinnvolle Fälle begrenzbare - Praxis genetischer Diagnostik zu schließen. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag sieht in der Begrenztheit der Aussagekraft offenbar eher die Gefahr, dass man in Zukunft nach dem Prinzip "Was getestet werden kann, sollte auch getestet werden" vorgehen könnte und eine medizinisch fragwürdige Konfrontation von Patienten mit allen möglichen genetischen Dispositionen nicht auszuschließen ist. Die Einschätzungen der Rationalität medizinischer Praxis und ihrer Fähigkeit zu einer vernünftigen Eindämmung genetischer Diagnostik scheinen hier voneinander abzuweichen. Dies schlägt sich auch in einer eher zurückhaltenden Einschätzung des rechtlichen Regelungsbedarfes auf Seiten der Europäischen Akademie - die zumindest vorläufig auf Selbstbeschränkung der Beteiligten setzt - und den eher die Notwendigkeit gesetzgeberischer Eingriffe herausstreichenden Überlegungen des Büros für Technikfolgen-Abschätzung nieder.

Kontakt

Ingrid von Berg
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Postfach 3640, 76021 Karlsruhe