International Summer Academy on Technology Studies - Technology Studies and Sustainability

Tagungsberichte

International Summer Academy on Technology Studies - Technology Studies and Sustainability

Steiermark, Österreich, 11. - 16. Juli 1999

Tagungsbericht von Harald Rohracher, Interuniversitäres Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur, Graz

Vom 11. - 16. Juli dieses Jahres fand auf der Burg Deutschlandsberg in der Steiermark, Österreich, eine vom Interuniversitären Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur (IFF/IFZ) organisierte Internationale Sommerakademie statt, die sich an der Frage orientierte, wieweit ökonomische und sozialwissenschaftliche Technikforschung Beiträge zu einer umweltbezogenen Technologiepolitik und nachhaltiger Entwicklung leisten kann.

Das Ziel umwelt- und sozialverträglicher Technikgestaltung stellt wesentlich komplexere Anforderungen, als dies bisher im Rahmen einer Technologiepolitik der Fall war, die sich einseitig auf Forschungsförderung oder auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft bezog. Technologiepolitik, die "Nachhaltigkeit" als einer ihrer Ziele ansieht, muss sich mit der Wünschbarkeit bestimmter Technologien auseinandersetzen, muss eine große Anzahl sozialer Akteure in diese Entscheidungsprozesse einbeziehen und Instrumente entwickeln, die eine aktive und demokratische Technikgestaltung fördern.

Hintergrund der Veranstaltung ist die Überzeugung, dass das Forschungsfeld der "Science and Technology Studies", als Überbegriff für vor allem ökonomische und sozialwissenschaftliche Zugänge zur Beschreibung und Erklärung der Dynamik technischen Wandels (Innovationsforschung, evolutionary economics oder Akteurs-Netzwerk Theorien), relevante Beiträge zu einer Technologiepolitik leisten kann, der es nicht nur um ökonomische Wettbewerbsfähigkeit geht, sondern auch um den Inhalt, den Gebrauchswert von Technologien. Ziel der Sommerakademie war es in diesem Sinne auch, einen Beitrag zur Überwindung des "Theoriedefizits" von Technologiepolitik und des "Praxisdefizits" von Technikforschung zu leisten.

Die Veranstaltung war um eine Reihe von Kernfragen organisiert: Wie kann sozialwissenschaftliche und ökonomische Technikforschung zur Förderung einer ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigen Entwicklung beitragen? Werden durch diese Forschungszugänge neue Perspektiven für eine Analyse und aktive Gestaltung technischer Entwicklung geboten? Kann Technikforschung die Reflexivität des Diskurses über Nachhaltigkeit erhöhen?

Ein zweites wichtiges Element war die intensive Einbindung von ForscherInnen aus Nicht-EU-Ländern in Mittel- und Osteuropa. Der geographische Ort der Steiermark sollte als Anlass genutzt werden für ein Diskussionsangebot, das über die gewohnte Fixierung auf Fragen der Arbeitsmigration oder der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit hinausgeht, und statt dessen auf Kooperationen mit mittel- und osteuropäischen WissenschaftlerInnen und Interessierten abzielt, deren Ziel eine partizipative und nachhaltige Technikentwicklung ist. Mit Unterstützung eines Stipendienprogramms des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr konnte es etwa 15 TeilnehmerInnen aus Ungarn, Tschechien, Kroatien, Polen, Rumänien, Lettland, Ukraine und Russland ermöglicht werden, einen wissenschaftlichen Vortrag im Rahmen der Tagung zu halten. Bei einer aktiven Teilnahme von etwa 50 WissenschaftlerInnen aus 22 Ländern und einer Reihe von maßgeblichen Instituten aus dem Feld der "Science and Technology Studies" konnte ein breites Spektrum von inhaltlichen Zugängen abgedeckt und miteinander in Verbindung gebracht werden.

Stellvertretend für die 40 wissenschaftlichen Beiträge zur Sommerakademie sollen nachfolgend einige der Präsentationen herausgegriffen und kurz vorgestellt werden.

Die komplexen Anforderungen an eine Technologiepolitik, die Kriterien umwelt- und demokratiepolitischer Anforderungen gerecht werden will, beschreibt Prof. Knut Sørensen, Leiter des Zentrums für Technik und Gesellschaft an der "Norwegian University of Science and Technology", Trondheim. Im derzeitigen Regime einer innovationsorientierten Forschungs- und Technologiepolitik werden Fragen der NutzerInnen- und Nachfrageorientierung immer wichtiger, ohne dass aber noch entsprechende Politikinstrumente zur Verfügung stehen. Hier ist ein wichtiger Ansatzpunkt für Beiträge sozialwissenschaftlicher Technikforschung, die die sozialen Prozesse (Aushandlungsprozesse, Netzwerke, Schließung von Kontroversen, etc.) der Entwicklung und der Nutzung sozio-technischer Systeme erforscht. Im Rahmen einer solchen Perspektive wird auch die Bedeutung einer entsprechenden Berücksichtigung der Perspektive von NutzerInnen bzw. von Technikgestaltungsvorgängen nach der unmittelbaren Innovationsphase - sozialer Lernprozesse also - transparent. Eine Technologiepolitik, die die Bedeutung von NutzerInnen entsprechend berücksichtigt, muss mehrere Charakteristika haben: 

Jane Summerton vom Tema-Institut an der Universität Linköping zeigt, wie aus der Perspektive der "social studies of technology" die Feinstruktur der Diskurse über die Gestaltung bestimmter Technologien analysiert bzw. rekonstruiert werden kann. In ihrem Beitrag beschäftigt sie sich mit der sozialen Konstruktion von Umweltrisiken, genauer des Umweltrisikos von Dieselmotoren in Schweden - und zeigt, wie in einer sozialen Arena die Art und Bedeutung "desselben" Risikos unterschiedlich konstruiert, d. h. verschieden interpretiert und dargestellt wird. In solchen Situationen, wo unterschiedliche Akteure konfligierende Interessen, verschiedene Ideologien oder Ziele haben, die einen Konsens nicht ermöglichen, ist die Auseinandersetzung über die "Natur" eines Risikos (was ist an Dieselmotoren schädlich im Vergleich zu Benzinmotoren?, welche Maßnahmen werden dadurch gerechtfertigt?) zugleich eine Auseinandersetzung machtvoller Akteure über die Gestaltung und Nutzung bestimmter Technologien. Eine sozialwissenschaftliche Analyse dieses Risikodiskurses kann zu einer rationaleren (im Sinn von reflexiveren) politischen Debatte über die Regulierung (Besteuerung, etc.) von Dieselmotoren führen und kann auch versuchen, das Fehlen der Perspektive anderer betroffener Akteursgruppen ("invisible actors") aufzuzeigen - es wird durch sozialwissenschaftliche Analyse einer an der Oberfläche rein technischen Debatte sozusagen erst Raum für Politik geschaffen.

Reinhard Coenen, damaliger kommissarischer Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Forschungszentrums Karlsruhe (seit 1. Oktober 1999 ist Dr. Armin Grunwald neuer Leiter des ITAS), fragt nach den Herausforderungen, die das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung an das Konzept der Technikfolgenabschätzung (TA) stellt. Während TA der 60er und 70er Jahre vor allem als Frühwarnsystem für Technikfolgen konzipiert war, bzw. als umfassende und neutrale Informationsbasis für technologiepolitische Entscheidungen, wurde dieses Konzept und seine Zielsetzungen - nicht zuletzt aufgrund der Erkenntnisse neuerer Technikforschung - tiefgreifend weiterentwickelt. TA entwickelte sich von einer eher akademischen Übung zu einer prozessorientierten Aktivität, die die Akteure des entsprechenden Innovationssystems, aber auch andere soziale Gruppen und "stakeholders" involviert, stärker auf Faktoren, die die Verbreitung einer Technologie behindern oder fördern, fokussiert und neben der Abschätzung negativer Technikfolgen auch die sozialen und ökonomischen Potentiale einer Technologie zu bestimmen versucht. Diese Entwicklung wird durch eine Orientierung an nachhaltiger Entwicklung noch verstärkt und erfordert, 

Eine vor allem in den Niederlanden entwickelte Verbreiterung des TA-Konzepts in Richtung Technologiepolitik ist Constructive Technology Assessment (CTA), das in den Vorträgen von Johan Schot (Universität Twente) und René Kemp (MERIT, Universität Maastricht) diskutiert wurde. Im Kern der CTA-Perspektive steht die Idee, dass soziale Erwartungen und Probleme im Umfeld einer Technologie durch eine Verbreiterung des Design-Prozesses frühzeitig angesprochen werden können. Diese Verbreiterung erfordert die Einbeziehung besonders jener sozialen Akteure, die Erfahrungen im Umgang mit neuen Technologien haben, ohne selbst am Entwicklungsprozess beteiligt zu sein. Solche Akteure können Konsumenten, Angestellte, Stadtverwaltungen oder Umweltorganisationen sein.

Im Rahmen von CTA Konzepten werden drei Hauptstrategien unterschieden: 

Ein Instrument, das im Rahmen von CTA für die Förderung und Erprobung alternativer technologischer Konzepte vorgeschlagen wird, ist strategisches Nischenmanagement, d.h. die zeitlich begrenzte Schaffung eines geschützten Raums für die Entwicklung und Erprobung neuer Technologien (diskutiert etwa am Beispiel Elektrofahrzeuge).

CTA wird von seinen Proponenten nicht als spezifisches Instrument der Technikgestaltung angesehen, sondern als Teil einer politischen Strategie gesellschaftlichen Technikmanagements. Es soll verstanden werden als interaktiver Prozess, der zwischen Produzenten und Nutzerinteressen vermittelt und eine interaktive und moderierende Rolle des Staates zur Voraussetzung hat. CTA stellt daher besonders die administrative Trennung zwischen der Ebene der Förderung von Technikentwicklung und der Ebene der Kontrolle und Regulierung von Technik in Frage.

Die Verbindung von Technikforschung, Technologiepolitik und nachhaltiger Entwicklung zieht sich als Faden auch durch die weiteren Beiträge der Sommerakademie - sei es unter der Perspektive des Transformationsprozesses in mittel- und osteuropäischen Staaten (etwa in den Beiträgen von Pál Tamás, Ungarische Akademie der Wissenschaften; Imre Hronský, TU Budapest; Jirí Loudín, Tschechische Akademie der Wissenschaften) oder im Sinne eines ökologischen Umbaus unseres Wirtschaftssystems (etwa John Phillimore, Murdoch University, Australien, oder Eva Buchinger, Österreichisches Forschungszentrum Seibersdorf).

Die "International Summer Academy on Technology Studies" soll im kommenden Juli zum Thema "Towards a sustainable product policy" durchgeführt werden.

Die Proceedings der International Summer Academy 1999 sind am IFZ zum Preis von öS 500,- erhältlich.

Der Großteil der Beiträge ist auch im pdf-Format auf der Homepage der Sommerakademie verfügbar: http://www.ifz.tu-graz.ac.at/sumacad/

Kontakt

Harald Rohracher
Interuniversitäres Forschungszentrum für
Technik, Arbeit und Kultur (IFF / IFZ)
Schlögelgasse 2, A-8010 Graz
Tel: + 43 316 813909-24