Symposium: Kultur und/oder/als Technik - Zur frag-würdigen Medialität des Internets (Potsdam, 19.-20. September 2003)

Tagungsberichte und Tagungsankündigungen

Symposium „Kultur und / oder / als Technik - Zur frag-würdigen Medialität des Internets“ Das CULTMEDIA-Netzwerk stellt erste Projektansätze vor

Potsdam, 19. - 20. September 2003

von Professor Dr. Hans-Joachim Petsche, Universität Potsdam

„European Research Network on Cultural Diversity and New Media“ (CULTMEDIA) ist der Name eines sich konsolidierenden interdisziplinären und multinationalen Kooperationsverbundes, an dem derzeit Partner aus acht europäischen Ländern beteiligt sind. Vom 23. bis 25. September 2002 fand an der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik in Prag auf Initiative des ITAS (Prof. Gerhard Banse) das Initialtreffen zur Gründung dieses Netzwerks statt.

Die Entscheidung, das CULTMEDIA-Projekt aus der Taufe zu heben, erfolgte vor dem Hintergrund der Ergebnisse einer Studie, die das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in den Jahren 2000 und 2001 durchgeführt hatte. [1] Diese Studie war durch den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages angeregt worden und hatte „bisherige und zukünftige Auswirkungen der Entwicklung Neuer Medien auf den Kulturbegriff, die Kulturpolitik, die Kulturwirtschaft und den Kulturbetrieb“ zum Gegenstand. Sie konzentrierte sich - neben Überlegungen zum Wandel von Kulturverständnissen und Kulturkonzepten - auf die Themen „Neue Medien und Medienmärkte“ sowie „Neue Produktions-, Vermittlungs- und Rezeptionsformen in ausgewählten Kulturbereichen (Literatur, Musik, Film)“.

Traten im Verlauf der Studie die aktuellen Veränderungen im Bereich der Medien und der Medienmärkte deutlich hervor, deren Auswirkungen auf „traditionelle“ Kulturbereiche exemplarisch untersucht wurden, so zeigte sich, dass die im nationalen Rahmen gewonnenen Erkenntnisse unbedingt durch ihre europäischen Dimensionen erweitert werden müssen. Im Rahmen des CULTMEDIA-Projektes wird hierbei angestrebt, die kulturellen Veränderungen im Gefolge der so genannten „Neuen Medien“ vorrangig in zwei prioritären Hinsichten zum Forschungsgegenstand zu machen: Erstens bezieht das Projekt sich auf das Internet als dem Repräsentanten der neuen Medien; zweitens bezieht es sich auf solche kulturellen Praxen, die sich in den lebensweltlichen und systemischen Zusammenhängen der alltäglichen Nutzung dieses soziotechnischen Mediums verändern. Neben generellen interdisziplinären Analysen geht es dabei in erster Linie um multinationale Vergleiche (siehe auch: http://www.isu-cottbus.de/index.php?page_name=CultMedia&PHPSESSID=68fecc05faa78145ed2afecb522cca44).

Nach mehreren Vorbereitungstreffen der Netzwerkknoten im Frühjahr und Sommer 2003 in Potsdam und Cottbus konnten erste Forschungsergebnisse zur Projektfundierung vorgelegt werden. Diese sind in einem thematischen Heft der Zeitschrift „Teory vedy. Casopis pro teorii vedy, techniky a komunikace“ („Theory of Science. Journal for theory of science, technology & communication“, Prag, Heft 1/2003) zusammengefasst, an dem sich 21 zum Netzwerk gehörende Autoren aus 8 Ländern beteiligten und das als Diskussionsgrundlage der hier besprochenen Veranstaltung diente.

Das Symposium „Kultur und/oder/als Technik - Zur frag-würdigen Medialität des Internets“, das vom 19. bis zum 20.9.2003 am Institut für Philosophie der Universität Potsdam stattfand, wandte sich zur theoretischen Grundlegung des CULTMEDIA-Projektes der Klärung der Frage zu, welche neuen Anforderungen sich an eine adäquate Begrifflichkeit ergeben, die zur Erfassung der neuartigen kulturellen und technischen Phänomene im Umkreis des Internets geeignet ist. Die Vielfalt der Spezifika je nationaler Besonderheiten und Sichtweisen einerseits und die Multidisziplinarität der Herangehensweise an die gewählte Fragestellung andererseits - am Symposium beteiligten sich Philosophen, Kulturwissenschaftler, Soziologen und Technikwissenschaftler der Staatlichen Technischen Baumann-Universität Moskau, der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, der Schlesischen Universität Katowice, des ITAS Karlsruhe, der Universitäten Cottbus, Münster und Potsdam, der Budapester University of Technology and Economics sowie der Universidad del Pais Vasco in San Sebastian - ließ einen besonderen wissenschaftlichen Mehrwert erwarten. Insbesondere hatte sich das Symposium das Ziel gesetzt, unter dem Gesichtspunkt des Internets Fragen aus folgenden Problemfeldern zu erörtern: 

Die angestrebte Reflexion über die Begrifflichkeit von Kultur, Technik und Medialität des Internets sollte nach Möglichkeit durch die Analyse eines signifikanten Einzelaspekts von praktischer Relevanz untersetzt werden.

Das Symposium wurde mit einem Initialvortrag von Hans-Joachim Petsche (Potsdam) zur Symposiumsthematik eingeleitet. Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildete die Erörterung des Verhältnisses von Kultur und Technik. Es wurde plastisch anhand der Reflexion über die Symbolverhaftetheit von Kultur analysiert. Die Beziehungen von (technischer) Zeichenvermitteltheit einerseits und (kultureller) Symbolvermitteltheit andererseits sowie die sich hierbei ergebenden Wandlungen und Transformationen von Sozialität erwiesen sich als eine fundamentale Seite des Verhältnisses von Kultur und Technik im Bezug auf das Internet. Die nicht-gegenständliche Verweisstruktur, die Kultur an Technik ausmacht und die sich nicht auf Funktion reduzieren lässt, wurde, anknüpfend an Überlegungen Heideggers, Lacans und Kittlers, herausgearbeitet und für das Internet hinterfragt. Hieran anschließend wurde das Problem der Medialität des Internets entfaltet. Das Internet, so wurde dargelegt, führt zu einer neuen Qualität der Vermittlung von Mensch und Mensch und Mensch und Natur dank Universalität, Globalität, Geschwindigkeit und Verfügbarkeit. Es hat wesentlichen Anteil am Umbau von Welt, was sich in den neuen Spannungsverhältnissen von Realität und Virtualität niederschlägt. Die hieraus sich ergebende Medialität des Internets wird aber unzureichend erfasst, wenn sie kommunikationstheoretisch verkürzt wird. Die Verspleißung von kommunikativer, instrumenteller und intrakultureller Medialität im Medium Internet wird bisher medienphilosophisch nicht reflektiert. Damit bleiben auch die Konsequenzen der dreifachen Dimension (oder Perspektive) der Medialität des Internets als Vermittlung in der Gestalt von (technischem) Mittel, (kommunikativem) Medium und (sozialem) Milieu außer Betracht.

Das Symposium war in die folgenden Themenfelder gegliedert, zu denen intensive Diskussionen stattfanden: 

Überblickt man die Ergebnisse des Symposiums und misst sie an den gesetzten Zielstellungen, so ist sowohl eine Konvergenz in den methodischen und grundlagentheoretischen Herangehensweisen aller Beteiligten erkennbar als auch ein wachsendes Bewusstsein über die interdisziplinär zu bearbeitende Problemlage spürbar. Das nächste CULTMEDIA-Symposium wird im April 2004 in San Sebastian stattfinden.

Es ist geplant, die Vorträge des Symposiums in einem Sammelband zu veröffentlichen. Die TA-TuP wird zu gegebener Zeit darauf hinweisen.

[1] Paschen, H.; Wingert, B.; Coenen, Ch.; Banse, G., 2002:
Kultur - Medien - Märkte. Medienentwicklung und kultureller Wandel. Berlin: edition sigma (Studien des Büros für Technikfolgen-Abschätzung, Band 12)