Kongress: NanoTrends - Markets and Applications (Köln, 30. Juni - 2. Juli 2003)

Tagungsberichte und Tagungsankündigungen

Kongress „NanoTrends - Markets and Applications“

Köln, 30. Juni - 2. Juli 2003

Tagungsbericht von Ulrich Fiedeler, ITAS

Die Tagung wurde von der IIR Deutschland GmbH organisiert. Als Initiator darf man Tim Harper und das von ihm gegründete Netzwerk European Nanobusiness Association (ena) vermuten (siehe Kasten).

Das Ziel der Veranstaltung sei es, wie Tim Harper zu Beginn der Tagung hervorhob, über die derzeitigen industrienahen Entwicklungen in der Nanotechnologie zu informieren und den Austausch zwischen den Firmen zu unterstützen, die auf diesem Gebiet aktiv sind. Zu diesem Zweck wurde an drei Tagen ein umfangreiches Vortragsprogramm zu einerseits technischen und wissenschaftlichen und andererseits wirtschaftlichen Fragen angeboten.

Die Veranstaltung war eindeutig auf wirtschaftliche Interessen ausgerichtet. So standen Marktpotenziale, Investitionsmodelle, rechtliche Absicherung, Ausgründungsaktivitäten und die Kooperation von Forschungsinstituten mit Vertretern der Industrie im Mittelpunkt des Kongresses.

Thematisch gliederte sich die Tagung in fünf Teile. Während am ersten Tag neben Einführungen in die Nanotechnologie Fragen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und die Möglichkeiten ihrer Finanzierung im Vordergrund standen, wurden an den beiden folgenden Tagen die Themen neue Materialien und Beschichtungen, Informationstechnologie und Elektronik, Nanotechnologie im Automobilbau und medizinische und pharmazeutische Anwendungen der Nanotechnologie behandelt.

Die European Nanobusiness Association (ena)
Die European Nanobusiness Association (ena) ist eine Industrie- und Handelsorganisation mit dem Ziel, den Aufbau einer starken, konkurrenzfähigen Nanotechnologie-basierten Industrie in Europa zu unterstützen. Ihre Aktivitäten bestehen aus der Verbreitung von Information über das Internet, der Beteiligung an der Organisation von Kongressen und Informationsveranstaltungen zum Thema Nanotechnologie und ihrer Kommerzialisierung sowie der Kontaktpflege zu den Regierungen Europas (vgl.: http://www.nanoeurope.org).

Nach der Eröffnung der Konferenz durch Tim Harper gab Meyya Meyyappan (Leiter des Center of Nanotechnology der NASA) in einem Übersichtsvortrag eine Einführung in die Nanotechnologie. Entsprechend der Breite des Themas und dem ambitionierten Titel: Nanotechnology: Opportunities & Challenges for Commercialisation konnte er nur einzelne Schlaglichter auf das Gebiet werfen.

Tim Harper machte anschließend in seinem Vortrag darauf aufmerksam, dass die derzeit stattfindende Debatte über Risiken der Nanotechnologie eine ernsthafte Bedrohung für das gesamte Geschäftsfeld darstellen könnte. Er erwähnte in diesem Zusammenhang explizit die etc-Group und die anschließend besprochene Tagung am 11. Juni 2003 im EU-Parlament. Er forderte die Teilnehmer auf, sich dieses Problems anzunehmen. Plötzlich, so Tim Harper, könnten Vertreter von NGOs vor der Tür stehen und fragen, wie gefährlich die Nanomaterialien für den Menschen seien. Auf diese Situation müsse man vorbereitet sein.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Nanotechnologie wurde von Axel Ebenau (BASF) beleuchtet. Er präsentierte Zahlen der DG Bank, nach denen das weltweite Marktvolumen der Nanotechnologie im Jahre 2001 auf 54 Mrd. Euro geschätzt wurde. Mit 44 % dominiert die Dünnschichttechnologie, 23 % beziehen sich auf Nanopartikel und 24 % fallen auf den Bereich der Analyse von Nanostrukturen. Für das Jahr 2010 geht die DG Bank von einem weltweiten Marktvolumen von 220 Mrd. Euro aus.

Es sei angemerkt, dass diese Zahlen schlecht zu interpretieren sind. Herr Ebenau erläuterte z. B. nicht, ob der Geldwert des vollständigen Produktes in die Statistik eingegangen ist oder nur der Geldwert der Komponente, die auf Nanotechnologie basiert.

Die anschließende Podiumsdiskussion zeigte jedoch, dass die durch den Titel: Beyond the Hype: Where are the Applications? & Who is going to make money? bei vielen Teilnehmern erweckten Erwartungen nicht befriedigt werden konnten. Die Fragen aus dem Publikum wurden nur sehr allgemein beantwortet. Eine Antwort auf die im Titel gestellte Fragen wurde nicht gegeben. Auch die Unternehmen, die z. T. selbst nanotechnische Produkte herstellen, wollten keine Prognose wagen.

Aus der TA-Perspektive recht interessant war ein Vortrag über geistiges Eigentum und Patentrecht. Der Vortragende, Rüdiger Herrmann (Partner Mayer, Brown, Rowe & Maw Geadertz, Frankfurt a.M.), konzentrierte sich jedoch mehr auf verfahrenstechnische Fragen und Fehler, die bei der Patentanmeldung auftreten können, als auf Kriterien der Patentvergabe. Da jedoch bei der Nanotechnologie die entscheidenden Eigenschaften häufig nur aus der Struktur resultieren, wäre es hier in besonderer Weise interessant gewesen zu erfahren, inwiefern entdeckte Strukturen und deren Wirkung patentiert werden können.

Die weiteren Vorträge des ersten Tages betrafen die Zusammenarbeit von Forschungsinstituten mit der Industrie sowie Fragen der Investitionsmöglichkeiten.

Während der beiden folgenden Tage wurden jeweils zwei Themen parallel behandelt. Der Autor besuchte am zweiten Konferenztag die Vorträge zu dem Thema neue Materialien und Beschichtungen und am dritten Tag Vorträge zu dem Thema medizinische und pharmazeutische Anwendungen der Nanotechnologie (die jeweils anderen Themen waren, wie schon oben erwähnt, Informationstechnologie und Elektronik sowie Nanotechnologie im Automobilbau).

Eingeleitet wurde die Sektion über Nanomaterialien und Beschichtung durch einen Übersichtsvortrag von Markus Pridöhl (Degussa). Herr Pridöhl stellte neben allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten, wie Marktzahlen und eine Analyse der Verwertungskette, konkrete Anwendungsbeispiele für Nanopartikel vor.

Einen breiten Raum innerhalb des Themas Nanomaterialien und Beschichtungen nahm die Anwendung von Nanopartikeln als UV-Absorber in Sonnenschutzmitteln ein. Volker Wendel (Beiersdorf AG) wies in seinem Vortrag darauf hin, dass schon im Jahre 2000 von 404 untersuchten Sonnencremes 174 TiO2- und 56 ZnO-Partikel als UV-Absorber enthielten. Im Jahre 2000 wurden 3000 Tonnen dieser Partikel in Sonnencremes verarbeitet. Unklar blieb hierbei jedoch, ob die verwendeten Partikel schon im Jahre 2000 die Dimension von Nanometern hatten. Des Weiteren wurden Untersuchungen über die Gesundheitsverträglichkeit von Nanopartikeln vorgestellt. Die präsentierten Untersuchungsergebnisse zeigten, dass die mit der Sonnencreme aufgetragenen Nanopartikel nicht die Hornschicht der Haut (Stratum Corium) durchdringen können. Zudem wurde festgestellt, so Volker Wendel, dass die Partikel in Lotion agglomerieren und somit als mikrometergroße Cluster vorliegen würden. Die Partikel behielten dabei ihre Absorptionseigenschaften, welche sie ihrer nanoskaligen Größe verdanken. Photokatalytische Effekte würden auf Grund der Oxidation und damit der Passivierung ihrer Oberfläche nicht auftreten. Auswirkungen der Partikel auf die Umwelt oder ihre Wirkung auf den menschlichen Organismus bei oraler Inkorporation wurden nicht diskutiert.

Weitere Themen waren Easy-to-Clean-, Antifog-Beschichtungen sowie Herstellungsverfahren von Nanopartikeln.

Die Sektion zum Thema medizinische und pharmazeutische Anwendungen der Nanotechnologie wurde mit einem Vortrag von Helmut Schmidt (Leibnizinstitut für Neue Materialien) eröffnet. Er gab anhand von ausgewählten Beispielen einen Überblick über Anwendungen der Nanotechnologie in der Medizin. So stellte er antibakterielle Beschichtungen auf der Basis von Silberpartikeln zur Reduktion von Entzündungsbildung (z. B. für Hörgeräte), Beschichtungen mittels TiO2-Partikeln, deren photokatalytische Aktivität ebenfalls Bakterien abtötet (z. B. für den Einsatz in der Lebensmittelverpackungsindustrie) oder den Einsatz von Eisenoxidpartikeln für die thermische Tumorbehandlung vor.

Die folgenden Vorträge wurden von universitären Ausgründungen bestritten und konzentrierten sich auf die spezielle Synthese von Nanopartikeln und deren Einsatzmöglichkeiten. Neben der Vorstellung der eigenen Arbeit standen hier die Möglichkeiten und Probleme bei der Finanzierung im Vordergrund. Des Weiteren wurden Fragen diskutiert wie: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um das Produkt auf den Markt zu bringen? Wie kann man die lange Phase bis zum Return on Investment überbrücken?

Fazit

Auf dem Kongress wurde ein vielseitiges und reiches Angebot an verschiedenen nanotechnologischen Verfahren und Produkten präsentiert. Den Teilnehmern bot sich eine gute Möglichkeit, Einblicke in die wirtschaftlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der Nanotechnologie zu gewinnen und mit den führenden Akteuren ins Gespräch zu kommen.

Aus Sicht eines eher wissenschaftsnahen Besuchers gab es allerdings mehrere Wermutstropfen. Sicher begeben sich Veranstalter, die versuchen, einerseits wissenschaftlich-technische Hintergrundinformationen und andererseits einen Überblick über die wesentlichen Konzepte und Anwendungspotenziale der Nanotechnologie zu geben, unweigerlich auf eine Gratwanderung. Auf Grund der Heterogenität der Themen und der unterschiedlichen Vorerfahrungen und Interessen der Teilnehmer wird man nicht zu einer für alle befriedigende Mischung zwischen Tiefe und Breite der Informationen kommen können. Bei einer offenkundig auf Entscheidungsträger ausgerichteten Tagung wäre es jedoch wünschenswert gewesen, strukturierter die bereits beherrschten oder umsetzungsnahen Verfahren vorzustellen, ihre Stärken und Schwächen darzustellen und ihr Anwendungspotenzial zu beleuchten, anstelle dem Zuhörer einen anscheinend recht wahllos zusammengestellten bunten Strauß an spektakulären Entdeckungen und Bildern zu präsentieren. Kaum hilfreicher ist es, wenn sich einige Referenten in Details ihres Forschungsgebietes verlieren und andere mit ihren Erklärungen recht oberflächlich bleiben, so dass es selbst dem mit der Materie schon länger befassten Zuhörer oft schwer fallen musste, die Relevanz des Verfahrens oder die Entwicklungsreife des Produktes zu beurteilen.

Hinzu kommt, dass viele von Gründern eines Startups oder einer universitären Ausgründung gehaltenen Vorträge sich eng auf das Firmenprodukt, dessen Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten und die Fähigkeiten des Unternehmens bezogen. Da häufig Patente und Verwertungsabsichten mit den vorgestellten Produkten oder Verfahren verbunden sind, verschwiegen die Referenten zudem häufig relevante Details bzw. sprachen Probleme, die mit der Realisierung des Verfahrens verknüpft sind, nicht an. So glichen denn wesentliche Teile des Veranstaltungsprogramms eher Verkaufsveranstaltungen, was vor allem auch angesichts der ansehnlichen Teilnahmegebühren bedauerlich war.