E-Demokratie als doppelte Reformchance

Schwerpunktthema - E-Government: Zwischen Vision und Wirklichkeit

E-Demokratie als doppelte Reformchance

von Jörg Tauss, MdB, Johannes Kollbeck und Nermin Fazlic *

Die neuen interaktiven Informations- und Kommunikationstechnologien verändern auch die Rahmenbedingungen für die Politik. Will man deren unbestreitbaren demokratischen Potenziale realisieren, setzt dies eine koordinierte doppelte Reformanstrengung voraus. Diese muss die Erweiterung politischer Meinungsbildungsprozesse um elektronische Dialogplattformen und die Sicherung der möglichst breiten Teilhabemöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger umfassen und diese vor allem mit einer Reform des Informations- und Kommunikationsrechtes insgesamt verbinden. Der 14. Deutsche Bundestag hat mit seinem E-Demokratie-Pilotprojekt zur Modernisierung des Informationsrechtes daher vor allem zum Ziel gehabt, diese beiden Aspekte als doppelte Reformchance experimentell zu verbinden.

1     Politik für die und in den Netzen

Der durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) beschleunigte Wandel, für den das Internet synonym steht, verändert die Rahmenbedingungen der Politik zugleich in einer doppelten Weise. Hinsichtlich der inhaltlichen Ebene - sozusagen der "Politik für die Netze" - verlangen sie nach einer stärkeren und grundlegenderen Berücksichtigung der neuen Randbedingungen, wie beispielsweise die enorme technologische Innovationsgeschwindigkeit, die internationale Vernetzung der Kommunikationsinfrastrukturen oder die zunehmende Bedeutung der IuK-Technologien im politischen, wirtschaftlichen und auch sozialen Alltag. Die Verwirklichung des Grundrechts auf informationelle und kommunikative Selbstbestimmung wird zunehmend zum zentralen Maßstab nationaler wie internationaler politischer Anstrengungen - oder müsste dies zumindest sein. Die Bedeutung eines solchen E-Rechtes in einer globalen Informationsgesellschaft erscheint allein mit den liberalen Freiheitsrechten in einer frühbürgerlichen Gesellschaft vergleichbar.

Aber auch die Formen und Verfahren der politischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung, wie auch der parlamentarischen Gesetzgebung, bleiben von dem Wandel nicht unberührt. Auf dieser Ebene der "Politik in den Netzen" ermöglichen die neuen IuK-Technologien neue Formen der politischen Kommunikation, des vereinfachten Zugangs zu relevanten Informationen und der transparenten Darstellung politischer und parlamentarischer Vorgänge. Auch interaktive Dienste und Verwaltungsprozesse können und sollen zunehmend auch ‚online' verfügbar sein, der direkte Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern oder gar die elektronische Wahl deuten die hohen demokratietheoretischen Erwartungen an die Neuen Medien an - der inflationäre Gebrauch der Begriffe von der "elektronischen Demokratie" oder "E-Government" ist ein deutliches Indiz für diese beschleunigte Entwicklung. Dieser Wandel wird langfristig letztlich mit den Veränderungen des politischen Systems infolge des Aufkommens der elektronischen Massenmedien im 20. Jahrhundert, vor allem des Rundfunks, zu vergleichen sein.

Beide Herausforderungen, sowohl die Notwendigkeit eines an die modernen IuK-Technologien angepassten und mit der technischen Entwicklung auf gleicher Höhe liegenden Daten- und Informationsrechtes als auch die konstruktive Nutzbarmachung der neuen IuK-Möglichkeiten für den politischen und parlamentarischen Prozess, sind nicht völlig unabhängig voneinander realisierbar. Wenn sich die gesellschaftlich relevante Kommunikation zunehmend (auch) in Datennetzen abspielt und sich zugleich die demokratietheoretisch zentrale Kategorie der Öffentlichkeit wandelt, dann verlangen diese Prozesse nach komplementären Anpassungen der rechtlichen, politischen aber auch verwaltungstechnischen Rahmenbedingungen. Die Politik für die und in den Netzen bietet daher eine doppelte Reformchance, die es zu nutzen gilt.

Hier bietet sich die Verbindung eines Projektes zur elektronischen Demokratie mit der notwendigen Reform des Informationsrechtes zu einem E-Recht an. Inhaltlich bilden daher die Weiterentwicklung sowohl des individuellen oder institutionellen Rechtes auf Information, des Datenschutzes, der Vertraulichkeit der Kommunikation als auch der IT-Sicherheit wichtige Schwerpunkte. Gerade in der Informationsgesellschaft bleiben E-Demokratie und E-Recht somit wechselseitig aufeinander angewiesen. Der Unterausschuss Neue Medien des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien des 14. Deutschen Bundestages hatte daher folgerichtig für das erste E-Demokratie-Projekt beim Deutschen Bundestag die umfassende Modernisierung des Datenschutz- und Informationsrechtes als Gegenstand gewählt. [1] Dieses Pilotprojekt war ausdrücklich konzipiert worden, um die doppelte Herausforderung der neuen IuK-Möglichkeiten aufzunehmen. Es hatte nicht weniger zum Ziel, als zugleich den zweifellos bestehenden Reformbedarf im deutschen Datenschutz- und Informationsrecht aufzugreifen, als auch die nicht minder zweifellos bestehenden Reformchancen für die politische Kommunikation und demokratische Teilhabe zu nutzen. Bei beiden Reformvorhaben wird jedoch deutlich, dass zunehmend technologische Fragestellungen, Möglichkeiten und auch Probleme mitentscheidende Rahmenbedingungen darstellen und möglichst frühzeitig berücksichtigt werden müssen.

1.1     Reformbedarf: E-Recht für die E-Demokratie

Die tief greifenden Auswirkungen der neuen IuK-Möglichkeiten auf nationale Rechtsordnungen sind bereits heute unübersehbar. Der Zugang zu relevanten und der Umgang mit sensiblen Informationen werden zu entscheidenden Aspekten einer gesellschaftlichen Grundordnung, die zunehmend auf elektronisch vermittelter Kommunikation aufbaut. Die Koalitionsfraktionen haben in ihrem Koalitionsvertrag daher sowohl ein Informationsfreiheitsgesetz als auch die weitergehende Modernisierung des Datenschutzrechtes als Ziel festgelegt.

Informationsfreiheitsgesetz

Ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) soll den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu relevanten amtlichen Dokumenten und Informationen regeln. Bis heute haben viele Staaten das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung eingeführt. Dessen historischen Ausgangspunkt bildet das schwedische Pressefreiheitsgesetz von 1766, das einen freien Zugang der Öffentlichkeit zu allen bei Behörden und Ämtern vorliegenden Dokumenten einräumte. In der Bundesrepublik konnten Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bereits ein IFG realisieren. Das Ziel war und ist es, Demokratie und Verwaltung in diesem Sinne miteinander zu versöhnen, d. h. die Menschen sollen in die Lage versetzt werden, das Verwaltungshandeln nachvollziehen und konstruktiv an ihm mitwirken zu können. Information und Transparenz sind hierfür zentrale Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht 1975 auch folgerichtig explizit benannt hat. Nur die informierte Gesellschaft vermag ihre Aufsichts- und Kontrollpflichten sachgerecht und effektiv zu erfüllen und gesellschaftliche Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen. Der gleiche Zugang für alle zu den Informationen bildet den Kern eines IFG, wobei natürlich die Regelungen, wer wann welche Akten einsehen darf und wie viel Gebühren er dafür zahlen muss oder soll, weiterhin teilweise umstritten bleiben. [2]

Dennoch erleichtert und erschwert zugleich eine zunehmend auf elektronischen Netzwerken basierende Kommunikation zwischen Staat, Verwaltung, Politik und den Bürgerinnen und Bürgern die praktische Umsetzung eines IFG. Zum einen bieten die IuK-Netze eine hervorragende Vertriebs- und Zugangsinfrastruktur zu relevanten Informationen, die die administrative Abwicklung von Antrag, Entscheid und Zugang zu den Dokumenten erheblich zu erleichtern vermag. Auch die antragsfreie Veröffentlichung von Informationen ist relativ einfach zu bewerkstelligen, indem man sie auf Verwaltungsservern zugänglich macht. Zugleich werfen diese ohne Zweifel begrüßenswerten Möglichkeiten Fragen nach der gesellschaftlichen Akzeptanz der IuK-Technologien sowie nach einer hinreichenden IT-Sicherheitsinfrastruktur auf. Zwar nimmt der Anteil der Bevölkerung mit einem Internetzugang weiterhin stark zu, wie nicht zuletzt auch die Studie der Initiative D21 zur Digitalen Spaltung belegt (Booz-Allen & Hamilton 2000). Dennoch muss gegenwärtig weiterhin eine digitale Teilung - oder Digital Divide - konstatiert werden.

Gerade im Hinblick auf ein Zugangsgesetz zu Informationen und Akten muss der Gesetzgeber diese bestehenden Zugangsdiskriminierungen für große Teile der Bevölkerung berücksichtigen. Auch Nichtnutzer der neuen IuK-Technologien müssen selbstverständlich die Möglichkeit haben, zu grundsätzlich gleichen Konditionen Zugang zu denselben Inhalten zu erhalten, wodurch die Internetabwicklung des Vorgangs wohl lediglich als eine zusätzliche (kostenneutrale?) Dienstleistung realisiert werden wird. Auf die zweite Frage nach der Sicherheit in und von komplexen IuK-Netzwerken lässt sich eine Antwort nur sehr schwer finden, weil sie allein in einem umfassenden Kontext sinnvoll diskutiert werden kann (Tauss, Kollbeck und Fazlic 2001, S. 198f.). Demnach hängt der Grad erreichbarer IT-Sicherheit von zahlreichen Variablen ab. Untersuchungen belegen immer wieder, dass eine besonders wichtige Einflussgröße hierbei die Akzeptanz und die Sensibilität der Nutzer ist, die eigenverantwortlich Vorkehrungsmaßnahmen ergreifen und Selbstschutzinstrumente nutzen sowie sicherheitsbewusst Produkte und Dienstleistungen auswählen. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die neuen Medien ist eine zentrale Variable, die sich - so unsere These - durch technische Konzepte und rechtliche Anreize für eine entsprechende Technikgestaltung positiv beeinflussen lässt (Roßnagel 1997, S. 361ff.).

Datenschutz und Datensicherheit modernisieren

Akzeptanz und Sensibilität verweisen bereits auf Fragen eines hinreichenden Datenschutzes, der ebenfalls eine conditio sine qua non für die positiven gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Zukunftsprognosen auf Grundlage der Neuen Medien ist. Selten lässt sich die populäre Fußballweisheit "nach dem Spiel ist vor dem Spiel" derart zutreffend auf politische Reformvorhaben anwenden, wie bei der gegenwärtigen umfassenden Modernisierung des Informations- und Datenschutzrechtes. Die am 6. April 2001 im Deutschen Bundestag beschlossene Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) beschränkt sich auf die Umsetzung der EG-Datenschutz-Richtlinie. Sie bildet daher weniger den Abschluss des Reformvorhabens, sondern gibt vielmehr den Startschuss zur notwendigen umfassenden Modernisierung des Datenschutzrechtes. Diese 2. Stufe wird insbesondere die neuen Möglichkeiten technischer Lösungsansätze zur Verwirklichung des in einer globalen Informationsgesellschaft an Bedeutung zunehmenden Grundrechts auf informationelle und kommunikative Selbstbestimmung aufnehmen, wobei hier wiederum reine Abwehrrechte (klassischer Datenschutz) und aktive Informationszugangsrechte nicht konträr, sondern eher komplementär zu sehen sind.

Das deutsche Datenschutzrecht hat sich in der Vergangenheit zwar durchaus bewährt, ist aber mittlerweile in die Jahre gekommen: Es ist unübersichtlich, schwer verständlich und zersplittert (und somit oft nur noch von Datenschutzexperten zu handhaben) und in Teilen auch in sich widersprüchlich. Hinzu kommt, dass das allgemeine Datenschutzgesetz nicht nur kaum lesbar ist, sondern durch die vielen Detailregelungen ständig an Bedeutung verloren hat. Die Umsetzung der EG-Datenschutz-Richtlinie hat diese Probleme zwangsläufig eher noch vergrößert. Dabei sind die Herausforderungen, mit denen sich das deutsche Datenschutzrecht gegenwärtig konfrontiert sieht, gewaltig wie nie zuvor, vor allem aus drei Gründen: 

Bausteine eines neuen Datenschutzes

Aus den neuen Herausforderungen ergibt sich für das deutsche Datenschutzrecht ein mehrschichtiger Reformansatz. Die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Datenschutzrechtes in Bund und Ländern wird kaum noch bezweifelt (vgl. Bäumler und von Mutius 1999). Ebenso deutlich ist, dass die 1. Stufe der BDSG-Novellierung den neuen Herausforderungen nicht gerecht werden konnte - und auch nicht sollte. Die rot-grüne Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben sich darauf verständigt, die immensen Herausforderungen an das bestehende Datenschutzrecht als Chance zu einer umfassenden Modernisierung und Weiterentwicklung zu nutzen. Konzipiert werden soll nun in einer 2. Stufe ein "neuer Datenschutz" im Rahmen eines umfassenden Informationsrechtes, der diesen Herausforderungen gerecht werden und das Recht auf informationelle und kommunikative Selbstbestimmung auch in der digitalen und vernetzten Welt bewahren kann. Notwendig sind hierfür vor allem Ergänzungen des "klassischen" Datenschutzes um neue Instrumente, wie sie mit den Stichworten "Datenschutz durch Technik" oder auch "Selbstregulierung" umrissen werden können. Trotz des Zeitdrucks aufgrund der Umsetzungsfristen ist es gelungen, bei der Umsetzung der EG-Datenschutz-Richtlinie einige richtungsweisende Neuerungen in das BDSG aufzunehmen, wie beispielsweise die Prinzipien Datenvermeidung und Datensparsamkeit und das Datenschutz-Audit.

Dieser neue Datenschutz wird aber insbesondere stärker dem Prinzip "Datenschutz durch Technik" folgen müssen und so genannte privacy enhancing technologies (PET) in den Mittelpunkt stellen, d. h. Produkte, Protokolle, Instrumente, Strategien und auch Infrastrukturen, die den Anforderungen an Vertraulichkeit und Integrität der Kommunikation genügen und/oder individuelle und systemische Schutzoptionen erweitern (vgl. DuD, 2000). Dieselben Technologien, die die dargestellten neuen Risiken und Gefahren erzeugen, bieten grundsätzlich zugleich auch die größten Chancen für die Verwirklichung der informationellen Selbstbestimmung und für die Gewährleistung hinreichender Vertraulichkeit und Integrität jeder elektronischen Kommunikation. In Zukunft werden derartige Technologien vermehrt als wirkungsvolle Instrumente im Dienste eines effektiven und modernen Datenschutzes in integrierte Konzepte einfließen müssen.

Die 2. Stufe der Modernisierung des Informationsrechtes wird dies nicht nur berücksichtigen, sondern den Aspekten der Selbstregulierung und Selbstkontrolle, des Selbstdatenschutzes, dem Systemdatenschutz und datenschutzfreundlicher Technikgestaltung ein besonderes Gewicht verleihen. Hierzu werden die Bestimmungen um Konzepte erweitert werden müssen, die Möglichkeiten einer anonymen und in sensiblen Bereichen zumindest pseudonymen Nutzung der neuen IuK-Möglichkeiten in den Mittelpunkt stellen, um auch die Prinzipien von Datensparsamkeit und Datenvermeidung mit Leben zu füllen. Insbesondere nutzerautonom anwendbare kryptographische und steganographische Verfahren sind unverzichtbare Bestandteile eines solchen Konzeptes (vgl. Müller und Pfitzmann 1997). Diese Erweiterungen des Datenschutzrechtes sind jedoch nicht nur als rechtliche Normierungen, sondern als rechtliche Anreizbildung für eine sicherheitsorientierte und datenschutzfreundliche Technikgestaltung einzubinden, etwa mit dem Ziel eines verbesserten Systemdatenschutzes. Bereits bei der Entwicklung von Hard- und Softwarelösungen müssen diese Merkmale Eingang in die Produkte finden, damit die heute vorherrschenden kostenintensiven und implementierungsaufwendigen end-of-pipe-Lösungen - die oft genug allein aus der Sanktionsandrohung der Gesetze bestehen - Schritt für Schritt durch integrierte und technisch orientierte Lösungen ergänzt und wo möglich ersetzt werden können.

Ein so verstandener "neuer Datenschutz" wird nicht nur dazu beitragen, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch in der globalen Informations- und Wissensgesellschaft zu garantieren. Er wird auch einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, den Wirtschaftsstandort Deutschland durch einen wirkungsvollen Datenschutz als Qualitätsmerkmal der neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten zu stärken und damit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu schaffen.

1.2     Reformchance: Potenziale der E-Demokratie nutzen

Die demokratietheoretischen Hoffnungen und Befürchtungen werden zumeist mit den neuen IuK-Möglichkeiten verbunden, die das Internet als transnationales interaktives Medium bietet. Es markiert den vorläufigen Höhepunkt einer stets mit einer demokratietheoretischen Debatte gepaarten medientechnischen Entwicklung, in der die Diskussion um das interaktive Kabelfernsehen (wenn es auch so nahezu nirgendwo verwirklicht wurde) oder erste Computernetze auf lokaler Ebene als wichtige Zwischenschritte angesehen werden können. Angesichts der gesellschaftskonstituierenden Bedeutung von Kommunikation, die in nahezu allen neueren gesellschaftstheoretischen Entwürfen betont wird, ist ein enger Zusammenhang zwischen der politischen Kommunikation und der Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften einerseits und der Evolution der ihr zur Verfügung stehenden Kommunikationsmöglichkeiten andererseits offensichtlich. Die Erweiterung - und partielle Umstellung - der relevanten gesellschaftlichen Kommunikation um oder auf elektronische Kommunikationsnetzwerke potenziert diese wechselseitige Verschränkung weiter, und die Informations- oder Kommunikationsgesellschaft trägt diese sogar in ihrem Namen (vgl. Kamps 1999; Tauss, Kollbeck und Mönikes 1996). Folgerichtig stammen die ersten Vorstellungen einer "Teledemokratie" oder auch "elektronischen Demokratie" bereits aus den 70er Jahren und haben - bis zu den heutigen E-Demokratie-Hoffnungen - eines gemeinsam: Sie alle versuchen, neue elektronische Medien als Möglichkeit gesteigerter politischer Information, Transparenz und vor allem Partizipation und Teilhabe zu begreifen (vgl. Leggewie und Maar 1998; Schmalz-Bruns 2001, S. 122ff.).

Diese Hoffnungen und Chancen werden zumeist mit dem nunmehr möglichen unmittelbaren und direkten Dialog und den neuen Potenzialen für die individuelle Meinungsbildung und auch für das politische Engagement begründet. Elektronische Demokratie, digitale Agora oder Telekratie, lebhafte politische Debatte oder "Dafür"- und "Dagegen"-Buttons - die Möglichkeiten der sich mit der Ausbreitung des Internets entfaltenden elektronischen Öffentlichkeit und deren Folgen für das politische System werden sehr unterschiedlich eingeschätzt: Gelten die neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten für die einen als "technology of freedom" und stehen für eine "totale Demokratisierung" der Gesellschaft, den "wohlinformierten Bürger" und die direkte Kommunikation zwischen Politiker und Wähler, sehen die anderen in ihnen eine Gefahr für oder gar das Ende der parlamentarisch verfassten Demokratie. Diese liege in dem offenbarten technischen Determinismus, der Überforderung der Bürgerinnen und Bürger, der Virtualisierung des politischen Raumes oder der "Entsozialisierung politischer Kommunikation" begründet (vgl. Leggewie 1998, S. 47f.; Schmalz-Bruns 2001, S. 110f.).

Sicher ist, dass sich die unbestrittenen demokratischen Potenziale der neuen IuK-Möglichkeiten nicht von selbst einstellen werden. Wie bei jeder technologischen Entwicklung stehen auch diese Chancen unter dem Vorbehalt der gesellschaftlichen Evolution - d. h. sie hängen weiterhin insbesondere von den sozialen Rahmenbedingungen und dem politischen Engagement ab, die ihre Realisierung bestimmen. Gerade vor dem Hintergrund der oft diagnostizierten Politik- und Politikerverdrossenheit, dem abnehmenden Vertrauen in die staatlichen Institutionen, der angesichts der Komplexität zunehmenden Undurchschaubarkeit politischer Entscheidungsstrukturen und -prozesse und schließlich angesichts der immer weiter abnehmenden Wahlbeteiligung vor allem bei Landtags- und Kommunalwahlen stellt sich immer drängender die Frage, wie diesem daraus entstehenden Misstrauen und Legitimationsdefiziten begegnet werden kann - sie bezeichnen Symptome einer gesellschaftlichen Entwicklung, auf die auch die zuständige Politikwissenschaft noch Antworten sucht (Schmalz-Bruns 2001, S. 110f.).

E-Demokratie als Mittel gegen Legitimationsdefizite?

Hinsichtlich der demokratischen Potenziale stellt sich besonders die Frage, ob und inwieweit die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, wie auch die Herausbildung weltweiter digitaler transnationaler Netze oder die neuen interaktiven Merkmale der Technologien einen Beitrag zum Abbau des allgemein diskutierten Legitimationsdefizites und zur Steigerung der politischen Teilhabe und Partizipation der Gesellschaft leisten können. Die Enquetekommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" des 13. Deutschen Bundestages, die gemäß ihrem Einsetzungsbeschluss die Aufgabe hatte, die "künftigen Entwicklungen und Folgen der elektronischen Medien und Informationstechnologien sowie der neuen Möglichkeiten einer Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik" in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen darzustellen und "Handlungsbedarf" und "Handlungsmöglichkeiten der staatlichen Politik" aufzuzeigen, hat sich auch mit den neuen Formen der Beteiligung der Bürger an der politischen Willensbildung beschäftigt (Enquete-Kommission 1998).

Dabei hat sie - wie die öffentliche Debatte insgesamt - den Fokus noch immer in erster Linie auf Fragestellungen wie "Bereitstellung, Verteilung und Aufnahme politischer Informationen" [4] oder "Effizienzsteigerung von Parlamenten, Regierungen und Verwaltungen" gerichtet (Enquete-Kommission 1998, S. 179ff.). Natürlich sind auch dies wichtige Themenstellungen, jedoch wird mit dieser Fokussierung das Spezifische und das eigentlich Neue der sog. Neuen Medien - die Möglichkeit der Interaktivität - von vornherein ausgeblendet und damit auch die vielleicht entstehenden neuen Möglichkeiten und Formen der politischen Teilhabe. Im Kern muss hier stärker differenziert werden: die Darstellung von Regierungs- und Verwaltungshandeln folgt eher dem Begriff E-Government oder E-Verwaltung und umfasst neben den entsprechenden Informationsangeboten der Ministerien und Behörden insbesondere die Verwirklichung von bürgernahen, dienstleistungsorientierten Angeboten oder elektronisch verfügbaren Verwaltungsprozeduren. Die bisherigen Initiativen des Bundes, wie "BundOnline 2005" oder "Staat-Modern", betonen - sozusagen nur folgerichtig - diese verwaltungspraktischen Aspekte der neuen IuK-Möglichkeiten. Einen Schritt weiter geht die Initiative " Media@Komm" des Bundeswirtschaftsministeriums, in deren Mittelpunkt Projekte zur Organisation von virtuellen kommunalen Plattformen stehen. Neben den Service- und Informationsangeboten sollen Foren und Marktplätze bereitgestellt werden, in denen Bürgerinnen und Bürger, öffentliche Verwaltung und Unternehmen zur gemeinsamen und multimedialen Gestaltung ihres kommunalen Alltagslebens zusammengeführt werden. Hingegen bezieht sich E-Demokratie auf grundlegendere demokratietheoretische Kategorien wie Legitimation, Partizipation und Öffentlichkeit. Während bei E-Government und E-Administration bzw. E-Verwaltung primär dienstleistungsorientierte Maßstäbe der Umsetzung bestehender oder zumindest bekannter Prozeduren im Vordergrund stehen, berühren E-Demokratie-Projekte - und insbesondere E-Vote-Angebote - die Grundlagen unseres gesellschaftlichen und politischen Selbstverständnisses. Das soll keineswegs heißen, dass E-Government- oder E-Verwaltungs-Angebote sekundär oder einfacher zu bewerkstelligen sind, sondern lediglich, dass deren Qualität nach anderen Maßstäben bewertet werden muss als Projekte mit dem Ziel der Verwirklichung elektronischer Demokratie. Oder: die normativen Ansprüche an E-Demokratie sind weitaus höher als an die Darstellung von Regierungs- und Verwaltungshandeln in Datennetzen (vgl. Beiträge in Kubicek et al. 1999, in Leggewie und Maar 1998 und in Kamps 1999). Ein E-Demokratie-Projekt wird sich daher stets an hohen normativen Ansprüchen messen lassen müssen.

Die Diskussion um das Entstehen einer im weitesten Sinne "elektronischen Demokratie" ist keineswegs neu, sondern wird im Zusammenhang mit den umstrittenen Konzepten einer Informationsgesellschaft bereits seit 30 Jahren geführt. Neben den normativen sind zudem auch die praktischen Anforderungen an ein E-Demokratie-Projekt alles andere als gering: Die Konzeption muss zugleich den Aspekt der Information, der Transparenzsteigerung und der interaktiven Partizipation und Teilhabe realisieren. Ein einfacher Medienwechsel gleich bleibender Inhalte, etwa die Digitalisierung bestehender Hochglanzprospekte für die Darstellung in einem Internetbrowser, reicht hier bei weitem nicht aus. Die spezielle Aufbereitung der Inhalte für das neue Medium, redaktionell nicht nur überarbeitete, sondern neu erarbeitete Angebote und insbesondere die Steigerung der Meinungs- und Verfahrenstransparenz durch erläuternde Verweise, Verlinkungen und intuitiv nachvollziehbare visuelle Darstellungen müssen hier im Mittelpunkt stehen. Am aufwendigsten ist sicherlich die Realisierung der interaktiven Elemente innerhalb eines E-Demokratie-Projektes. Hier können direkte Dialogangebote wie Diskussionsforen und Mail-In-Links bei sensiblen und öffentlichkeitswirksamen Themen unvorhersehbare Entwicklungen auslösen und bestehende Verfahren unter einen Anpassungsdruck setzen.

Insbesondere bedarf es jedoch vor der Implementierung von direktdemokratischen elektronischen Entscheidungsverfahren weiterer grundlegender Überlegungen, in welcher Form wer über welche Art von Inhalten abstimmen können soll. Für die repräsentative Demokratie ergeben sich allein aus der Möglichkeit einer direkten Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern erhebliche Folgen, die zumeist als (erneuter) Wandel der politischen Öffentlichkeit beschrieben werden (Schmalz-Bruns 2001, S. 111f.). Hier ist aufgrund der stetig wachsenden Voraussetzungen für eine aktive Teilhabe an der neuen Medienwelt und der zunehmenden individuellen Diversifizierung der Mediennutzung oft von der Zersplitterung der politischen Öffentlichkeit die Rede. Und dies in einem Maße, dass sie ihre demokratische Funktion der vernunftbezogenen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung im politischen Diskurs - eine Voraussetzung für deren Transformation in politische Mehrheiten - nicht länger zu erfüllen vermag. Andere wiederum sehen erst durch diese unmittelbare Dialogmöglichkeit das Ende des massenmedialen Zugangsmonopols zur - daher zu Recht als rein distributiv kritisierten - Öffentlichkeit. An die Stelle der demokratietheoretisch stets verdächtigen öffentlichen Meinung (die nur zu oft mit der veröffentlichten Meinung gleichgesetzt wurde und wird) kann erst jetzt die interaktive, auf gleichem Zugang für prinzipiell alle Beteiligten basierende und dialogisch angelegte elektronische Öffentlichkeit treten. Erkauft wird diese Chance allerdings mit dem Bedeutungsverlust handwerklich erfolgreich routinisierter Maßstäbe und Indizien medialer Resonanz, Wirkung und Reichweite, wie sie bereits nicht minder erfolgreich in politische Wahrnehmungs- und Entscheidungsstrategien eingebunden werden konnten; Namensnennungen, Einschaltquoten und Verkaufszahlen sagen immer weniger über (auch) politisch relevante öffentliche Diskurse aus.

Auch die Reformchancen für die moderne Demokratie, wie sie aus den spezifischen Möglichkeiten der neuen IuK-Technologien erwachsen, bleiben an belastbare technische Grundlagen gebunden. Die unbedingte Integrität der Inhalte, bei Bedarf die Vertraulichkeit der Kommunikation oder die Authentifizierbarkeit der E-Voter bei gleichzeitiger Wahrung des Wahlgeheimnisses, die Sicherheit der Daten und die Verfügbarkeit von Informationen und Diensten bilden eine Grundvoraussetzungen für die erfolgreiche Modernisierung und Erweiterung der demokratischen Prozesse und Institutionen mit und um elektronisch vermittelte Elemente. Informationstechnische Sicherheit ist keine lediglich wünschenswerte zusätzliche Option, sondern bildet eine Grundvoraussetzung, eine conditio sine qua non für relevante oder gesellschaftlich folgenreiche Kommunikationen - und für die wiederum notwendige Akzeptanz der neuen IuK-Möglichkeiten bei den Bürgerinnen und Bürgern (Tauss, Kollbeck und Fazlic 2001, S. 198f.; Enquete-Kommission 1998).

Diese Probleme können nicht allein auf konzeptionellem Wege gelöst werden, letztlich wird es auf zahlreiche Realisierungsversuche und insbesondere auf die Nutzung der gewonnenen positiven und auch negativen Erfahrungen ankommen. Die Zeit der großen Würfe ist bereits länger vorbei; so ist auch das Ziel, den gesamten politisch-administrativen Bereich in der Bundesrepublik vollständig in einem Angebot im Netz abbilden zu wollen, nicht nur ambitioniert, sondern bereits verfehlt. Vielmehr ist es an der Zeit, in ersten Pilotprojekten einzelne Aspekte in die Praxis umzusetzen und die entstehenden Probleme und Hindernisse pragmatisch zu lösen. Der Versuch der internationalen Organisation für die Internet-Administration ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, Sitz in Marina del Rey in Kalifornien, http://www.icann.org) mit der mittlerweile abgeschafften weltweiten Internet-Direktwahl von fünf Direktoren hat hier erste Erfahrungen ermöglicht (vgl. Ahlert 2001, S. 66f.). Diesen Versuch allein aufgrund der zugegebenermaßen fehlenden Repräsentativität und der erheblichen technischen und organisatorischen Probleme gänzlich als Fehlschlag zu werten, hieße letztlich, die in zwei Jahrhunderten gebildeten und verfestigten, teilweise mit leidvollen Erfahrungen verbundenen demokratischen Maßstäbe ad hoc auf den Kontext globaler IuK-Netzwerke anwenden zu wollen. Sobald es um mehr geht als darum, Informationen und Material in Form eines digitalen Prospekts im Netz zugänglich zu machen, befinden wir uns weiterhin im Experimentierstadium.

2     Pilotprojekt "‚Modernisierung des Informationsrechtes"

Das E-Demokratie-Projekt des Unterausschusses Neue Medien zur "Modernisierung des Informationsrechtes" versteht sich als ein experimentelles Pilotprojekt im Sinne der doppelten Reformchance der E-Demokratie. Ziel war daher auch nicht die realistische Abbildung der Prozesse oder der basisdemokratisch optimierte Gesetzentwurf, sondern die systematische Erfahrungssammlung bei der Umsetzung komplexer E-Demokratie-Projekte und deren konstruktive Nutzung bei der Konzeption weiterer Folgeprojekte des Deutschen Bundestages. Ziel war es darüber hinaus, die bestehenden demokratischen Reformchancen der neuen IuK-Technologien hinsichtlich Information, Transparenz und Partizipation und Teilhabe aufzugreifen und zu erproben. Daraus ergab sich ein zweigliedriges Projektkonzept: In einem Informations- und Serviceteil steht die thematisch differenzierte Zugänglichmachung von Dokumenten, Texten und Stellungnahmen im Vordergrund. Ideal wäre es, wenn ein umfassendes Angebot aller relevanten und interessanten Inhalte auf der Seite realisiert werden könnte. Lästiges Suchen soll begrenzt werden, Links sollen zu weitergehenden Angeboten führen oder Hintergrundinformationen anbieten. Zur Steigerung der Transparenz werden Erläuterungen der (auch vor-)parlamentarischen politischen Spielregeln, Verfahren und Prozeduren angeboten, sowie die Aktivitäten und Positionen der verschiedenen Akteure aus Politik, Parlament, Wissenschaft oder Verwaltung nachvollziehbar und transparent dargestellt. Als besonderer Service für das Parlament konnten die Fraktionen darüber hinaus auf eigenen Plattformen, die sie auch eigenverantwortlich verwalteten, eigene Inhalte anbieten.

Insbesondere mangelt es bei E-Demokratie darüber hinaus an Erfahrungen mit interaktiven Elementen, die zugleich demokratischen Anforderungen genügen als auch eine unkonstruktive thematische und inhaltliche Ausweitung der Beiträge verhindern. Da Internet-Wahlen oder -Abstimmungen auf bisher ungelöste organisatorische und sicherheitstechnische Probleme stoßen, wie etwa die Bestimmung der Wahlberechtigten, die Absicherung ihrer Authentizität und der Integrität des Wahlvorgangs selbst, hat dieses Pilotprojekt in seinem zweiten Teil primär den Aspekt der öffentlichen Diskussionsteilhabe in Foren und der themenorientierten Chats in den Vordergrund gestellt. Asynchrone Kommunikation in den verschiedenen - dynamisch an die Entwicklung der Debatten und Themenkarrieren anzupassenden - Diskussionsräumen sollte durch die synchrone Online-Kommunikation in den Chats mit prominenten Akteuren ergänzt werden. Dieses Forum, das eigentlich aus einer Vielzahl von Diskussionsarenen und Debattensträngen besteht, wurde dabei durch eine rechtswissenschaftliche Projektbegleitung moderiert. Erfahrungen bestehender Diskussionsforen im Internet zeigen immer wieder, dass eine dynamische Strukturierung und aktive Systematisierung der Debatte in zentrierte Teildebatten sowie die fachkundige, pointierte Zusammenfassung von Positionen sowohl die Motivation der Teilnehmer erhöht als auch die Qualität der Diskussion und der Beiträge beträchtlich zu steigern vermag. Ein zu distanziertes Laisser-faire lässt schnell die Themengrenzen ausfransen und den roten Faden einer Debatte unkenntlich werden. Zudem kann so mindestens ansatzweise einem issue capture vorgebeugt werden, d. h. einem infolge der überproportionalen Beteiligung interessierter oder gar betroffener Akteure oberflächlich einseitig verzerrten Meinungsbild oder einem thematisch verengten Fokus in den einzelnen Foren. Das Pilotprojekt war zunächst auf die 14. Legislaturperiode beschränkt worden und wird Ende November 2002 enden.

Neben der rechtswissenschaftlichen Begleitung wird das Projekt derzeit einer unabhängigen kommunikationswissenschaftlichen Begleitforschung unterzogen. Deren Ergebnisse und der Forschungsbericht der rechtswissenschaftlichen Begleitung wird der Verwaltung des Deutschen Bundestags als Erfahrungssammlung zur Verfügung gestellt werden, um die Realisierung künftiger Projekte zu vereinfachen.

3     Schlussbemerkung

Das Pilotprojekt konnte und kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass die Debatte um eine umfangreiche Novellierung des Informationsrechtes nicht ausschließlich auf die Ebene rechtlicher Regulierung verengt wird. Dem Ziel, ein modernes, schlankes und den Anforderungen der globalen Kommunikationsnetzwerke angemessenes E-Recht zu gestalten, werden - wie es ein Landesdatenschutzbeauftragter treffend formulierte - "juristische Sandkastenspiele" nicht gerecht. Denn: Will die Gesellschaft beim Übergang zur Wissens- und Informationsgesellschaft am Ziel eines freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens festhalten, kommt sie nicht umhin, auch in einer vernetzten und digitalisierten Welt das Grundrecht auf informationelle und kommunikative Selbstbestimmung zu bewahren. Das kann sie jedoch nur, wenn sie das Datenschutzrecht so modernisiert und weiterentwickelt, dass es den neuen Herausforderungen der Informations- und Wissensgesellschaft gewachsen ist.

Auch für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland ist die Entwicklung eines wirkungsvollen und angemessenen Datenschutzkonzeptes von entscheidender Bedeutung, gerade weil sich ein wirkungsvoller Datenschutz zunehmend zu einem zentralen Qualitätsmerkmal der neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten und damit zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil auch im E-Commerce entwickelt. Das Projekt kann aber ebenfalls dazu beitragen, erste Erfahrungen bei der praktischen Umsetzung der demokratischen Potenziale der neuen IuK-Technologien zu sammeln. Es ist ein erster Schritt, die Chancen von E-Demokratie für eine gesteigerte politische Information, eine höhere politische Transparenz, eine vereinfachte und aktive Partizipation und Teilhabe auch zu nutzen und so verloren gegangenes Vertrauen in das politische System zurückzugewinnen - die Demokratie lebt von der Legitimation, die ihr die Bürgerinnen und Bürger entgegenbringen. 

    * Jörg Tauss ist Mitglied des Deutschen Bundestages seit 1994, Bildungs- und Forschungspolitischer Sprecher und Beauftragter für Neue Medien und zur Reform des Datenschutzrechtes der SPD-Bundestagsfraktion, Vorsitzender des Unterausschusses Neue Medien beim Bundestagsausschuss für Kultur und Medien, Ordentliches Mitglied in den Bundestagsausschüssen für Bildung und Forschung sowie Kultur und Medien, stellvertretendes Mitglied im Innenausschuss des Deutschen Bundestag. Johannes Kollbeck und Nermin Fazlic sind Referenten von Jörg Tauss sowie der SPD-Bundestagsfraktion.

Anmerkungen 

[1] Die Projektseiten sind unter http://www.elektronische-demokratie.de erreichbar.

[2] Insgesamt deutet sich bereits hier das Spannungsfeld zwischen einem Informationsfreiheitsgesetz und den Datenschutzinteressen an. Letztlich bilden in einer demokratisch-freiheitlichen Grundordnung aber der Zugang zu für die Teilnahme am öffentlichen Geschehen relevanten Informationen und der Schutz personenbezogener Daten von Individuen zwei Seiten derselben Medaille - Demokratie braucht beides, Privatheit und Öffentlichkeit.

[3] Zur Europaratskonvention siehe Simitis, Dammann, Mallmann und Reh 1997, zur OECD vgl. Guidelines for the Security of Information Systems, abrufbar unter http://www.oecd.org/dsti/sti/it/secur/prod/e_secur.htm. Zur europäischen Datenschutzrichtlinie vgl. Simitis und Dammann 1997.

[4] Jedoch geht es - gerade vor dem Hintergrund der Legitimationskrise - nicht allein um die schnelle und umfassende Verfügbarkeit von politisch relevanten Informationen für die Bürger. Bereits seit Jahren ist auch vom "Informationsvorsprung der Exekutive" und der gleichzeitigen "Informationskrise des Parlamentes" die Rede. Da diese Problematik hier nicht ausführlich diskutiert werden kann, sei nur die kurze Anmerkung erlaubt, dass auch hier mittels neuer Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten Abhilfe geschaffen werden sollte (vgl. Bernhard und Ruhmann 1996, S. 45).

Literatur

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Kontakt

Jörg Tauss, MdB
Deutscher Bundestag
Unter den Linden 50, 11011 Berlin
Fax: +49 30 227-76639
E-Mail: joerg∂tauss.de
Internet: http://www.tauss.de

Johannes Kollbeck
Referent
Unter den Linden 50, 10117 Berlin
Tel.: +49 30 227-75096
E-Mail: kollbeck∂tauss.de

Nermin Fazlic
Referent der SPD-Bundestagsfraktion
Unter den Linden 50, 10117 Berlin
Tel.: +49 30 227-512 73
E-Mail: fazlic∂spdfraktion.de