Einführung in den Schwerpunkt

Schwerpunkt: Verkehrszukünfte – Visionen jenseits aktueller öffentlicher Aufmerksamkeit 

Verkehrszukünfte – Visionen jenseits aktueller öffentlicher Aufmerksamkeit

Einführung in den Schwerpunkt

von Jens Schippl, ITAS, Barbara Lenz, DLR, und Torsten Fleischer, ITAS

Zweifellos sind Verkehrssysteme stark von technischem Fortschritt abhängig. Die Entwicklung der Eisenbahn, des Automobils oder der Luftfahrt wurde erst durch technische Innovationen ermöglicht – Innovationen, die sich ohne Zweifel durch erhebliche gesellschaftliche Relevanz auszeichnen, wohlmerklich global und kulturübergreifend. So kann es nicht verwundern, dass immer wieder Visionen von zukünftigen Verkehrstechnologien diskutiert werden und in diesem Zusammenhang auch deren mögliche Folgen für Mobilität und Gesellschaft. Viele dieser Visionen und Zukunftsvorstellungen sind nicht oder noch nicht realisiert worden; andere dagegen durchaus, wenn auch nicht immer, in der ursprünglich avisierten Form. Zudem gab es immer wieder Durchbrüche, die nicht von einem breiten Kreis an Experten antizipiert und quasi vor aller Augen, mit gegenseitiger Gewöhnungsmöglichkeit, in die Gesellschaft hineinwuchsen, sondern die überraschend wirksam wurden. In dieser Spur bleibend will der vorliegende Schwerpunkt Entwicklungsoptionen und Visionen vorstellen und diskutieren, die derzeit nicht oder doch nur bedingt im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen, die aber durchaus großes Veränderungspotenzial für das Verkehrssystem und die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Routinen beinhalten könnten.

1    Visionen jenseits aktueller öffentlicher Aufmerksamkeit

Generell wird davon ausgegangen, dass das Verkehrssystem in einigen Jahrzehnten anders sein wird als wir es heute kennen. Menschliche Mobilitätsmuster und Verkehrsmittel, so zeigt die historische Forschung, sind permanentem Wandel unterworfen. Blickt man insbesondere auf die letzten 150 Jahre zurück, so lässt sich zeigen, dass es immer wieder einschneidende technische und organisatorische Innovationen gab, die zu erheblichen Entwicklungssprüngen geführt haben. Viele wichtige systemverändernde Neuerungen wie die Eisenbahn, das Automobil oder der zivile Luftverkehr wurden von Wissenschaft und Gesellschaft nicht nur euphorisch begrüßt, sondern zugleich von Zeitgenossen immer auch skeptisch betrachtet und kritisch diskutiert. Es lässt sich aber auch zeigen, dass viele Entwicklungen, die Infrastrukturen und Gesellschaft tiefgreifend verändert haben, von Experten, Gesellschaft und politischen Entscheidungsträgern zumindest hinsichtlich ihrer (positiven wie negativen) Auswirkungen nur unvollständig oder gar nicht antizipiert worden sind. Immer wieder waren es nur einzelne Visionäre, die mit ihren Einschätzungen richtig lagen und erfolgreiche Entwicklungen vorangetrieben haben. Schon der Verkehrssektor selbst bietet, zumindest anekdotisch, eine ganze Reihe prägnanter Anschauungsfälle. So bestand beispielsweise die zentrale Aussage eines um das Jahr 1835 erstellten Gutachtens darin, dass Reisen mit der Eisenbahn gesundheitsschädlich und deshalb zu verbieten sei. Die hohen Geschwindigkeiten würden bei den Passagieren geistige Unruhe hervorrufen. Berühmt ist auch das Zitat von Kaiser Wilhelm II, der den Entwicklungsperspektiven der Automobilität mit dem Satz begegnete: „Die Zukunft gehört dem Pferd“. Doch nicht nur technikferne Entscheidungsträger, sondern auch die Techniker selbst sahen nicht immer die gesellschaftlichen Veränderungspotenziale ihrer eigenen Entwicklungen voraus. So sah Gottlieb Daimler für seine eigene Erfindung klare Grenzen, weil es nach seiner Meinung ganz einfach nicht genug Chauffeure gab.

Solche Fehleinschätzungen hängen damit zusammen, dass entscheidende technische Entwicklungsparameter als zu statisch angesehen und Entwicklungspotenziale nicht erkannt wurden – sie entsprachen ja nicht dem, in der jeweiligen Zeit vorzufindenden „Stand der Technik“. Doch mindestens genauso entscheidend war die Unterschätzung der Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Technik und ihrer wechselseitigen Adaptionen, die im Falle der Automobilität ebenso weit reichte, dass bald jeder sein eigener Chauffeur werden konnte. Auch interessante Entwicklungen und Irrtümer der Technikregulierung lassen sich an solchen Beispielen beobachten. Die sog. „red flag acts“ aus dem Großbritannien des späten 19. Jahrhunderts werden in diesem Zusammenhang gerne erwähnt, da sie vorschrieben, dass Motorfahrzeugen eine Person vorangehen müsse, die durch Winken mit einer roten Flagge vor der herannahenden Innovation zu warnen hätte – eine vorsorgeorientierte Regelung, die mit der allgemeinen Gewöhnung an motorgetriebene Straßenfahrzeuge bald wieder abgeschafft wurde. Andere, gleichzeitig eingeführte Regulierungen wie Fahrzeugkennzeichen oder Geschwindigkeitsbeschränkungen sind heute noch von Bedeutung. Die Beispiele zeigen, wie wichtig es bei der Abschätzung zukünftiger Entwicklungen von Innovationen ist, auch die gesellschaftliche Seite nicht als statisch zu betrachten und gesellschaftliche Adaptions- und Adoptionsprozesse mit in den Blick zu nehmen. Um dieser Perspektive auf ein nicht-lineares Verständnis von Innovationsprozessen Rechnung zu tragen, sprechen Expertinnen und Experten von der Ko-Evolution technischer und sozialer Dynamiken in soziotechnischen Systemen – wie eben auch dem Verkehrssystem.

Für die Ausgestaltung zukünftiger Verkehrssysteme ist es wichtig, solche Veränderungspotenziale zu erkennen, um erwünschte Entwicklungsrichtungen zu befördern und reflexive Innovation zu ermöglichen. Zugleich dient es der gesellschaftlichen Vergewisserung über mögliche Zukünfte, wenn Probleme bestehender soziotechnischer Systeme und Lösungsversprechen, die darauf mit technischen, organisatorischen oder institutionellen Neuerungen reagieren, öffentlich präsentiert und diskutiert und gleichzeitig mit wissenschaftlichen Mitteln analysiert werden. Dementsprechend beschäftigen sich Foresight oder TA-nahe Untersuchungen schon lange und intensiv mit den Entwicklungsoptionen vielversprechender Innovationen im Verkehrsbereich. In der Regel steht allerdings nur eine begrenzte Zahl von Ideen im Mittelpunkt des wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses. So liegt der Fokus seit mindestens einem Jahrzehnt auf alternativen Antrieben. Derzeit dominiert das Interesse an batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen, angetrieben von Strom aus erneuerbaren Energien, nachdem noch vor ca. zehn Jahren deutlich stärkere Aufmerksamkeit auf den Einsatz von Wasserstoff und Brennstoffzellen gerichtet wurde. Jeremy Rifkin sah in seinem, im Jahr 2002 erschienenen Buch die „Hydrogen Economy“ als energetischen Königsweg für das 21. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wurden reinen Batteriefahrzeugen nicht allzu viele Chancen in naher Zukunft eingeräumt. Im Bereich der organisatorischen Innovationen ziehen Konzepte, die im weiteren Sinne als Elemente einer „sharing economy“ bezeichnet werden können, viel Augenmerk auf sich – teils durchaus Ko-Evolution antizipierend.

Es gibt zweifellos gute Gründe dafür, dass Wissenschaft, Politik und Gesellschaft mit ihren Forschung-und Förderaktivitäten genau diese Technologien fördern. In der Tat sind hier große Potenziale zur Lösung gesellschaftlicher Probleme erkennbar. Dennoch kann auf die oben aufgezeigte Feststellung verwiesen werden, dass es doch immer wieder die nicht von der Mehrheit eindeutig antizipierten Entwicklungen waren, die zu einschneidenden Veränderungen geführt haben.

Vor diesem Hintergrund greift der vorliegende Schwerpunkt mögliche zukünftige Entwicklungen auf, die weniger stark im aktuellen Zentrum des Interesses stehen, die aber durchaus erheblichen Einfluss auf die zukünftige Ausgestaltung des Verkehrssystems nehmen können.

2    Zu den Beiträgen in diesem Schwerpunkt

Für die Einbettung von Technologien in die gesellschaftliche Entwicklung spielen Visionen und Zukunftsbilder eine wichtige Rolle, was außerhalb des gesellschafts- und geisteswissenschaftlichen Kontextes immer noch viel zu wenig beachtet wird. Im ersten Beitrag des Schwerpunkts zeigt Fabian Kröger anschaulich, wie die bildliche Zukunftsvision vor allem ein Traum ist, der Zukunft als das bessere Morgen thematisiert. Kröger macht anhand der bildlichen Darstellung der Vision vom autonomen Fahren deutlich, wie stark sich die dargestellte Veränderung auf technische Innovationen konzentriert und wie statisch dagegen die sozialen Zukunftsbilder oft bleiben. Der Autor sieht dafür einen einfachen Grund: „kulturelle und soziale Innovationen sind deutlich schwieriger zu prognostizieren“. Er folgert daraus den Bedarf einer „Futurologie zukünftiger Mentalitäten“. Sicherlich eine äußerst anspruchsvolle Forderung, die sich auch an die Technikfolgenabschätzung richtet; filmische Mittel könnten hier möglicherweise stärker und gezielter genutzt werden. Kröger führt an, dass Science Fiction prägende Kraft auf Technikentwicklung und Diffusionsprozesse zukommen kann. Die Bilder können also zur Umsetzung von Visionen beitragen, wobei sich auch beim autonomen Fahren die realen „Nach-Bilder“ sicherlich von den filmischen „Vor-Bildern“ unterscheiden werden.

Beinahe utopisch mutet zunächst der Titel des Beitrags von Sarah Meyer-Soylu et al. an. Zur Arbeit fliegen, so zeigen auch die Ergebnisse von Fokusgruppendiskussionen mit Bürgerinnen und Bürgern im hier vorgestellten Projekt, liegen für viele jenseits des gegenwärtig Vorstellbaren, wofür vor allem ungelöste technische und ökologische Probleme „verantwortlich“ gemacht werden. Allerdings zeigen die Autorinnen und Autoren deutlich, dass anders als meist vermutet, dem individuellen Luftfahrzeug (PAV) nur noch relativ wenige technische Hindernisse im Wege stehen. Es sind zunächst Fragen der gesellschaftlichen „Wünschbarkeit“ und, damit verbunden, des Lärmschutzes und anderer Umweltwirkungen, der Betriebssicherheit und der Verkehrsorganisation, die für die Zukunft von PAVs entscheidend sein werden.

Ähnlich wie die Idee der Hubschrauber im Pendlerverehr ist auch das Konzept „Cargo-Cap“ vom knappen Platzangebot in den wachsenden urbanen Agglomerationen getrieben. Der Beitrag von Dietrich Stein zeigt auf, dass das erwartete Wachstum des Güterverkehrs gerade in Ballungszentren zu einem hohen Problemdruck führt, für den eine neue unterirdische Infrastruktur eine kostengünstige, praktische und umweltfreundliche Lösung bieten könnte. Beim sogenannten CargoCap-System sollen Güter automatisch durch 2 Meter breite Fahrrohrleitungen in 6–8 Meter Tiefe unter den urbanen Zentren transportiert werden. Die heutige technische Reife kommt dabei der Realisierung der Vision schon sehr nahe. Eine Pilotanlage existiert, das System wird zusammen mit Industriepartnern weiter entwickelt. Da das System im Untergrund operiert und darauf abzielt, die Stadtlandschaften zu entlasten, sollte die gesellschaftliche Wünschbarkeit kein grundsätzliches Problem sein. Wenn allerdings die öffentliche Hand den Aufbau der notwendigen Infrastruktur finanziell unterstützen müsste, könnte sich durchaus eine gesellschaftliche Debatte entwickeln. Bei einer privaten (Mit-) Finanzierung wird die Realisierung der Vision vor allem von ihrer Anziehungskraft auf Investoren abhängen, sich also über entsprechende Geschäftsmodelle am Markt als durchsetzungsfähig erweisen müssen. Dieser Schritt steht noch aus. Sollte irgendwann allerdings der Zugang für LKW-Verkehre zu Innenstädten erschwert werden, würden sich die, für die Rentabilität erforderlichen Rahmenbedingungen grundlegend ändern. Immerhin stünde ein solches Szenario durchaus im Einklang mit den Visionen der Europäischen Kommission: Das „Weißbuch Verkehr“ von 2011 setzt für den Güterverkehr in europäischen Städten das Ziel bereits bis 2030 im Wesentlichen CO2-frei zu sein.

Auch die Idee der Seilbahnen zielt auf eine – je nach Strom-Mix durchaus CO2-freie – Erweiterung der Transportkapazitäten in verdichteten urbanen Räumen, benötigt dafür aber auch eine zusätzliche Infrastruktur. Wie der Beitrag von Maike Puhe und Max Reichenbach zeigt, handelt es sich um ein System, das technisch völlig ausgereift ist und bereits vielfach eingesetzt wird. Entsprechende Anlagen in Ländern wie Deutschland lassen sich allerdings an einer Hand abzählen. Die Autoren deuten an, dass es für Seilbahnen nicht immer einfach ist, sich gegen etablierte Vorstellungen und Routinen durchzusetzen – bereits der Titel „in der Nische gefangen?“ weist auf diese Einschätzung hin. Das ist ein Problem, mit dem Innovationen oft zu kämpfen haben, und auch der Beitrag zu den CargoCaps macht Andeutungen in diese Richtung. Puhe und Reichenbach zeigen, dass es grundsätzlich auch in deutschen Stadtregionen Anwendungsfelder geben kann, für die Seilbahnen eine interessante Alternative darstellen. Es geht dabei darum, so die Autoren, zu einem leistungsfähigen öffentlicher Verkehr mit optimal aufeinander abgestimmten Verkehrsträgern beizutragen. Betrachtet man die, im Beitrag dargestellten Vorteile, so lässt sich auch für den vielleicht überraschten Laien nachvollziehen, dass Seilbahnen für bestimmte Situationen eine sinnvolle Lösung sein können. Vor diesem Hintergrund bleibt es spannend, zu beobachten, ob das erfolgreiche Beispiel der Seilbahn in Koblenz zum Anfang einer neuen Entwicklung gehört oder ob es eine Ausnahme bleibt.

Der Beitrag von Lars Schnieder klopft mit dem ÖPNV ein lange etabliertes System auf Veränderungspotenziale ab. Schnieder zeigt, dass zum aktuellen Zeitpunkt der öffentliche Verkehr durch das staatliche Fürsorgeprinzip in der Versorgung mit Verkehrsleistungen geprägt wird. Damit gehen Organisationsstrukturen einher, die erst ganz allmählich für neue Angebotsformen geöffnet werden. Angesichts weitreichender struktureller Veränderungen in der Gesellschaft – sowohl im Hinblick auf die Zunahme des Anteils an älteren Menschen als auch auf die Entleerung zahlreicher ländlicher Räume in Deutschland – entsprechen diese neuen Angebotsformen jedoch einem immer dringender werdendem Bedarf. Eine wichtige Rolle für deren Realisierung spielen Informations- und Kommunikationstechnologien, die neue modular aufgebaute Infrastrukturen, ein flexibles Management der Systeme, die Kombination von Systemen, aber auch die Kommunikation mit dem Nutzer und der Nutzerin ermöglichen. In längerfristiger Perspektive entwirft Schnieder ein Bild, das auch für den öffentlichen Verkehr die ständig weiter schreitende Automatisierung machbar und plausibel erscheinen lässt. Der Autor erwartet, dass der Einstieg in einen vollautomatisierten ÖPNV zunächst im schienengebundenen Verkehr erfolgt. Hier ist die Vision – man denke nur an die Metro-Linie 1 in Paris zwischen La Defense und Château de Vincennes – heute schon Wirklichkeit. Aber auch der öffentliche Verkehr auf der Straße ist längerfristig eine plausible Option.

Ob es sich allerdings beim autonomen Fahren – ob öffentlich oder privat – lediglich um das Update eines existierenden Straßenverkehrssystems oder eher um den Einstieg in die Entwicklung zu einem organisatorisch völlig neuen System handelt, ist keineswegs ausgemacht.

Autonomes Fahren wird inzwischen von vielen Experten erwartet, allerdings sind die Vorstellungen hinsichtlich Umsetzung und Umsetzbarkeit sowie die Reaktionen von Herstellern, Dienstleistern und Nutzern auf mögliche neue Verkehrsorganisationsmodelle noch divers und teilweise widersprüchlich. Während die einen die Abschaffung des Fahrers in naher Zukunft kommen sehen, halten andere in absehbarer Zeit höchstens teilautonome Fahrzeuge für realistisch. Diese Diskussion wird nicht mehr nur unter Experten geführt, sondern hat die Medien und die interessierte Öffentlichkeit erreicht, in die Eva Fraedrich und Barbara Lenz mit ihrer explorativen Untersuchung von Leserkommentaren in großen Onlinemedien erste Einblicke geben. Fraedrich und Lenz zeigen, wie einerseits die Diskussion von rationalen Argumenten getragen wird, die durchaus Nutzen und Chancen des autonomen Fahrens auf der Straße anerkennen, andererseits jedoch subjektiv-emotionale Vorbehalte bleiben, bis hin zu grundsätzlicher Skepsis gegenüber der generellen Sinnhaftigkeit von autonomem Fahren.

3    Was den Zukünften gemein ist

Die Beiträge dieses Schwerpunkts behandeln sehr unterschiedliche Gegenstandsbereiche. Es geht teilweise um gänzlich neue Verkehrssysteme in der Luft, auf dem Boden und unter der Erde. Es geht um neue Organisations-und Vernetzungsformen für alte und neue Angebote. Es gibt aber auch zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen den Zukunftsbildern. Am auffälligsten ist sicherlich, dass alle Beiträge Ansätze diskutieren, die vollautomatisch betrieben werden können. Bei den Seilbahnen und bei den CargoCaps mag das selbstverständlich erscheinen, doch auch die Beiträge zum ÖPNV der Zukunft und zum MyCopter-System zeigen solche Optionen auf. Zwei weitere Beiträge machen das Thema Automatisierung im Verkehr gleich zum Hauptgegenstand der Forschung. So wird deutlich: Große Dynamik im Hinblick auf technische Neuerungen im Verkehrsbereich geht nicht mehr nur von „klassischen“ Verkehrstechnologien wie Motoren und Treibstoffen aus. Vielmehr sind die zentralen Entwicklungsoptionen mit möglicherweise weitreichenden systemischen Effekten von den Informations-und Kommunikationstechnologien getrieben. Gleichzeitig machen alle Beiträge deutlich, dass die, für eine Realisierung der Vision erforderlichen Technologien weitgehend vorhanden sind. Hier insgesamt von erheblichen Veränderungspotenzialen auszugehen, erscheint keineswegs übertrieben. Deutlich wird aber auch, dass es oft die nicht-technischen Gründe sind, die den Innovationen bzw. deren Diffusion im Wege stehen. Dazu zählen nicht nur ökonomische Faktoren, sondern ebenso die regulativen, normativen und kognitiven gesellschaftlichen Institutionen, in welche das Verkehrssystem eingebettet ist, wie beispielsweise das System an Gesetzen und Vorschriften, der gesellschaftliche Kontext mit seinen Routinen einerseits und der Akzeptanz von Innovation und Veränderung andererseits, oder auch das Produktionssystem und seine technisch definierten Effizienzerwartungen.

4    Ausblick

Man stelle sich vor, die in den Beiträgen skizzierten Visionen würden tatsächlich bis 2050 realisiert. Die Mobilitätssysteme und möglicherweise auch die Umwelt, in die sie eingebettet sind, sähen sicher anders aus. Die Verkehrsinfrastruktur, die sich die letzten 40 Jahre kaum verändert hat, würde sich in den nächsten 40 Jahren zu einer komplett anderen entwickeln.

Welche Anregungen ergeben sich aus dem Schwerpunkt? Die Beiträge zeigen auf, dass erhebliche Änderungen im Verkehrsbereich durchaus denkbar sind. Zum Teil erscheinen diese Änderungen greifbar nah, zum Teil verbleiben sie (noch) im Bereich von Visionen, ohne deswegen weniger wahrscheinlich zu sein. Die möglichen Folgen, besonders im Hinblick auf eine zunehmende Automatisierung, sind dagegen alles andere als voll verstanden. Hier kann erheblicher weiterer Forschungsbedarf und ein großes Arbeitsfeld für die Technikfolgenabschätzung und verwandte Aktivitäten konstatiert werden. Gleichzeitig zeigt sich der Bedarf nach einem gesellschaftlichen Diskurs, in dem eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen, Chancen und Auswirkungen neuer Technologien und Organisationsformen von Verkehr stattfindet. Es wäre zu wünschen, dass die Politik – nicht nur aus einer technikwissenschaftlichen Perspektive heraus – diesen Diskurs aktiv unterstützt und mitgestaltet.

Kontakt

Prof. Dr. Barbara Lenz
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)
Institut für Verkehrsforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin
Tel. +49 30 67055-204
E-Mail: Barbara.Lenz∂dlr.de

Dipl.-Geogr. Jens Schippl
Tel.: +49 721 608-23994
E-Mail: jens.schippl∂kit.edu

Dipl.-Phys. Torsten Fleischer
Tel.: +49 721 608-24571
E-Mail: torsten.fleischer∂kit.edu

Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Karlstraße 11, 76133 Karlsruhe